Die Verhältnisse der Hansa in den nordischen Reichen und in der Ostsee während des 15. Jahrhunderts

In Norwegen erwarb und bewahrte sich die Hansa in diesem Jahrhundert eine vollständige Handelsherrschaft. Bergen war, teils in Folge damaliger Schifffahrts- und Handelsverhältnisse, teils durch Gesetze und Einrichtungen von Seiten des Königs, der Stapelplatz und Mittelpunkt des gesamten norwegischen Ein- und Ausfuhrhandels und deshalb das Hauptziel der hansischen Handelspolitik geworden. Nachdem durch die Raubzüge des Barrel Voet die Engländer vertrieben und die verarmten Einwohner der zweimal geplünderten Stadt vom hansischen Capital ganz und gar abhängig geworden waren, erwarb hier die Hansa den für den Seehandel günstigsten Stadtteil, die „Garpenbrücke“ oder „Brücke“, als volles Eigentum und errichtete in demselben das großartigste und eigentümlichste von allen ihren Komptoren, während der ungünstiger gelegene Stadtteil, der „Overstrand“, von den an die Hansen tiefverschuldeten Bürgern bewohnt blieb. Die Übermacht der Hansen beweist folgendes Ereignis. Als der königliche Statthalter Oluf Nielsen durch willkürliche Zollerhöhungen und Begünstigung einiger Kaperschiffe die Deutschen erzürnt hatte, erregten diese im Jahre 1455 zu Bergen den heftigsten Aufruhr, schlossen den flüchtigen Statthalter im Munkelef-Kloster ein und verbrannten dasselbe trotz aller Bitten des Bischofs mit dem Statthalter, den Domherren und mehr als sechzig Menschen. Der König Christian I. wagte keine andere Genugtuung zu fordern, als die Wiederherstellung der zerstörten Gebäude, und bestätigte dagegen zu derselben Zeit alle hansischen Privilegien, verbot allen Außerhansen den Kleinhandel und zugleich mit mehr als zwei Schiffen jährlich nach Bergen zu kommen oder an andern Orten Norwegens Handel zu treiben, und erlaubte auch den Holländern nur, in zwei Gewölben zu Bergen auszustehen. Die Hansen erhielten mit neuen Befreiungen von Zoll und Steuer das Vorrecht, ganz allein das Land mit Lebensmitteln aller Art, Leinwand und dergleichen notwendigsten Waren zu versorgen.

Bergen ist in Bogenform um den Meerbusen Wang gebaut. Die eine Wasserseite, äußerst günstig für das Anlanden der Schiffe, „die Brücke“, war jetzt ausschließlich im Besitz der Hansa, die andere, der „Overstrand“, blieb zwar von den Bürgern von Bergen bewohnt, doch ging auch hier ein Haus nach dem andern in die Hände der Deutschen als Pfandschaft für Geld- und Warenvorschüsse über. Den zwischen beiden gelegenen Stadtteil bewohnten Handwerker, die entweder Deutsche von Geburt, oder doch von den Deutschen abhängig waren. Dieser Stadtteil hieß von der überwiegenden Anzahl der Schuster die Schustergasse, war in fünf Ämter mit besonderen Ordnungen und Statuten geteilt, stand ursprünglich unter den königlichen Rentämtern, — denn die norwegischen Könige hatten selbst im 13. Jahrhundert diese Kolonie deutscher Handwerker herbeigerufen — löste sich später immer mehr von der königlichen Gerichtsbarkeit und schloss sich ganz als eine zu Allem bereite und ergebene Dienerschaft an die Hansa.


Die „Brücke“ brannte im Jahre 1467 ab und wurde nach damaligem nordisch-deutschem Geschmack aufs Prachtvollste von den Hansen neu und gleichmäßig aufgebaut. Sie war in 21 große und selbstständige Höfe geteilt, die zwei Gemeinden, die Marien- und Martinsgemeinde, bildeten. Jeder Hof hatte seinen besonderen Namen und Zeichen, Bremerhof, Mantel, Dornbusch, Lilie u. s. w. Die beiden Kirchen dieser Gemeinden wurden gleichfalls Eigentum der Hansen und erhielten nach der Reformation besondere Geistliche, so dass hier eine ganz für sich abgeschlossene, vollständig organisierte Stadtgemeinde gebildet war. Jeder Einzelhof war von den übrigen durch feste Zäune oder Mauern geschieden, hatte an der Wasserseite eine große, auf das Meer hinausgelegte Brücke, an welcher die größten Schiffe anlegen und löschen konnten, und war ringsum von langen hölzernen Gebäuden umgeben, die im untern Stock Kaufbuden und Lagerräume, im zweiten Wohnstuben und Schlafkammern mit der Küche enthielten. Im hintern Teil des Hofes waren die festen Keller oder Warengewölbe, über ihnen der große „Schütting“, der gemeinsame Ess- und Wohnsaal, hinter denselben die Küchengärten. Etwa 15 oder mehr Familien bewohnten den Hof, jede bestand aus dem Hauswirt, „Husbonden“, der die Aufsicht über Hof und Familie führte, aus Handelsgesellen, Lehrlingen, Bootsknechten, und bildete wieder ein kleines Komptor für sich. Der Husbonde war für die Zucht und den leiblichen Unterhalt seiner Familie verantwortlich und hatte über die Jüngeren fast unumschränkte Strafgewalt. Die zuerkannten Strafen bestanden für die Lehrlinge in Rutenhieben, für Ältere in Geldbußen und Gefängnis. Im Winter wohnten, alle Familien zusammen im großen Schütting, einem weiten steinernen Saal, der durch eine einzige Öffnung in der Decke, deren Klappe mit einer langen Stange geöffnet und geschlossen ward, Licht und Luft erhielt. Zum Schlafe kehrte jede Familie in die ihr in den Nebengebäuden angewiesenen Kammern zurück.

Die ganze Bevölkerung der Komptors, ohne die Handwerker gewöhnlich gegen 3.000, alle männlichen Geschlechts, lebten ehelos. Wer sich in Bergen verheiratete oder Bürgerrecht nahm, verlor des Komptors Recht und Gemeinschaft. Mit Anbruch der Nacht musste Jeder auf dem Hofe sein und bis zu Tagesanbruch dort bleiben. Bewaffnete und ungeheure Hunde, die Nachts losgelassen wurden, schützten gegen jeden Einbruch. Erst nach zehnjähriger Dienstzeit durften die Komptoristen nach Hause zurückkehren und wurden dann aus der Zahl der Lehrlinge, diese aus der Jugend der Städte ersetzt. Jeder begann mit dem Dienste der Stubenjungen, ward Bootsknecht, Geselle, Hauswirt, und trat, wenn er noch nicht heimkehren wollte, als Achtzehner und Altermann in den Kaufmannsrat. Diese Behörde, die höchste des Komptors, entschied alle Streitigkeiten und nur in den wichtigsten Angelegenheiten ging der Rechtszug nach Lübeck, von da an den Hansetag. Der Hof zum Mantel enthielt das Gefängnis, den Weinkeller und über diesem den Kaufmannssaal, dem zur Seite die Stuben für den Schreiber und die streitenden Parteien lagen. Hier wurden, unter Leitung des Kaufmannsrates, der für die Aufrechthaltung der gemeinschaftlichen Satzungen, für den Schutz des Handels, die Erhebung der Zinsen und Zölle, für die gesamte Ordnung des Komptors, doch stets mit Vorbehalt der Genehmigung des Lübecker Senats und des Hansetages, zu sorgen hatte, die allgemeinen Versammlungen gehalten. Die Machtvollkommenheit dieses Rates, der Achtzehner, wurde mit der Zeit so groß, dass es dem Hansetage oft schwer hielt, Gehorsam zu erzwingen. Nach dem Lüneburger Briefe vom Jahre 1412 hatte er unter Anderem die Befugnis, Jeden, der die festgesetzte Abgabe verweigerte, zu doppeltem Schoß und einer Strafe von 100 Schillingen zu verurteilen. Diese Abgaben und die Strafgelder, Zins und Miete für Stuben, Gewölbe u. s. w. bildeten die hauptsächlichsten Einnahmequellen des Komptors.

Nur die Achtzehner und Hauswirte durften auf eigene Rechnung Handel treiben, im Übrigen handelte jede Familie bei Verkauf und Einkauf nur im Auftrag der in den Hansestädten wohnenden, hierher handelnden Kaufleute. Diese bildeten in den Städten die Gesellschaft der Bergenfahrer, mieteten oder kauften auf gemeinsame Kosten einzelne Stuben oder einen ganzen Hof — denn Niemand durfte hier Geschäfte betreiben, der nicht wenigstens eine Stube gemietet hatte, — stellten die notwendigsten Diener auf und betrieben, Jeder auf eigene Rechnung und Gefahr, ihren Handel. Auch wenn mehrere Kaufleute mit einander ein Schiff befrachteten, blieb jeder unabhängig vom andern, doch gab es über die Art der Reise, der Ladung, der Landung etc. feste Gesetze, denen jeder sich fügen musste. Die Vorsteher dieser Gesellschaft waren dafür verantwortlich, dass die hansischen Schiffe nicht auf alle Orte Norwegens fahren und Shetland, die Faroer und Island nur von Bergen aus besuchen durften. Jede Stadt hatte zwar das Recht, nach Bergen zu handeln, doch nur etwa die Hälfte der Seestädte unterhielt hier Feuer und Herd, Mannschaft und Wache und eine selbstständige Teilnahme an diesem Verkehr. Lübeck und die wendischen Städte erwarben das entschiedenste Übergewicht. Die Älterleute der Bergenfahrergesellschaft in Lübeck hatten das Recht, gewisse Vorschriften im Namen Aller zu erlassen, und der Hansetag entschied erst über die Angelegenheiten des Komptors, wenn der Senat von Lübeck und die Städte des wendischen Viertels sich darüber nicht hatten einigen können.

Höchst bedeutsam waren für die innere Ordnung des Komptors und das Leben dieser Tausende von unverehelichten Männern, die alle im rüstigsten Alter standen und unter strengen Gesetzen, harter Arbeit und kaum jemals unterbrochener Gefahr im unfreundlich gesinnten Volke aufgewachsen waren, die Prüfungen, denen sich die Lehrlinge unterwerfen mussten. Das „Hänseln“, ein Spiel, das seinen Namen wohl von den „Spielen“ der Hansen erhalten hatte, war im Mittelalter allgemein bekannt. Hier entschädigte das „Hänseln“, das in verschiedenen Arten und Formen auftrat, für die Einförmigkeit der klösterlichen Zucht während des langen, harten Winters, wobei es — was bei einer so großen Zahl ungebildeter und in Folge der fast täglich vorkommenden blutigen Reibereien mit den Eingebornen den edleren Empfindungen entfremdeter Männer nicht Wunder nehmen kann — in der Regel zu argen Misshandlungen kam, ja man kann sagen, dass Misshandlungen der grausamsten Art als notwendige Bestandteile der „Spiele“ angesehen wurden. Das Komptor hatte dreizehn Spiele, die fünf Ämter ihre besonderen. Unter jenen waren die beliebtesten das Rauch-, das Staupen- und das Wasserspiel, die wir mit kurzen Zügen schildern wollen.

Die älteren Bewohner des Komptors zogen beim erstem in langer Reihe unter lärmendem Zuruf der bergischen Bürger in die Schustergasse und füllten hier mitgebrachte Gefäße mit Haaren, Abschnitzeln von altem Leder und Abfall jeder Art, der in und hinter den Handwerferbuden aufzutreiben war. Bauern und Bauernweiber, Narren und Masken sprangen rechts und links vom Zuge, neckten und Mischten die Zuschauer, warfen mit Kot und ließen sich bewerfen. War der Zug auf das Komptor zurückgekehrt, so wurden die Lehrlinge einzeln zu der Fensteröffnung in der Decke emporgezogen und mussten dort, während der angezündete Unrat unter ihnen langsam verkohlte, im ekelhaften, dichten Qualm zwischen Ersticken und Erbrechen aushalten, bis sie die von den lachenden Quälern vorgelegten wunderlichen Fragen beantwortet hatten. Man ließ sie in der Regel hängen, bis sie ohnmächtig waren. Waren sie endlich heruntergelassen, so wurden sie mit einem Überguss aus sechs Tonnen Wasser wieder ins Leben gerufen. — Beim Wasserspiel, das um Pfingsten folgte, wurden die Lehrlinge zuerst auf Kosten des Komptors bewirtet, dann entkleidet vom Schiffe ins Wasser getaucht, in den noch eisig kalten Wellen hin- und her-, auch wohl unter dem Schiff durch-, endlich halb erstarrt heraufgezogen und von Jedem, der sie erreichen konnte, mit Ruten gepeitscht, bis sie ihrer Kleider habhaft geworden waren. Durch dieses Spiel wollte man entdecken, ob nicht heimlich ein Weib sich in das Komptor eingeschlichen habe.

Das Staupenspiel folgte bald nach dem Wasserspiel und war des Komptors Frühlingsfeier. Es wurde mit Gepränge und großer Zurüstung und etwas mehr menschlicher Sitte, als die anderen, gehalten und gab auch für die Bürgerschaft von Bergen auf mehrere Tage ein bewegtes und unentbehrliches Fest. Am ersten Tage wurden die Lehrlinge auf einem geschmückten Schiffe in den nahen Wald geführt und mussten dort Maibüsche brechen. Unterdessen wurde von den Wirten und Gesellen das „Paradies“ im großen Schütting erbaut, d. h. eine Ecke desselben mit Teppichen, Vorhängen und buntfarbigen hansischen Wappenschildern geschmückt. In den Höfen wurden Bäume mit Maien und buntem Zierrat errichtet. Am anderen Tage versammelte man sich zu feierlichem Auszuge nach einem außerhalb der Niederlassung gelegenen Garten, die zwei jüngsten Hauswirte, für die Dauer des Zuges die Rechenmeister genannt, führten mit schwarzen Mänteln und langen Degen den Zug, paarweise folgten die Übrigen, rechts und links sprangen Narren und Masken, die unentbehrlichen Lustigmacher aller mittelalterlichen Feste. In barbarischem Geschmack, mit Ochsen- und Kuhschwänzen, Kalbsfellen und dergl. aufgeputzt, sprachen sie in Reimen das Ungereimteste zu dem neugierigen Volke, neckten Diese, bespritzten Jene mit Wasser und hieben dort mit Peitschen und lautschallenden Pritschen in eine auseinanderstäubende Schar. Nach ähnlicher Belustigung im Garten kehrten Alle auf die Brücke zurück; jeder trug einen grünen Maienzweig und empfing beim Weinkeller auf Kosten des Komptors ein Glas Wein. Familienweise begab man sich dann auf den festlich geschmückten großen Schütting. Der älteste Hauswirt hielt eine feierliche Anrede an die Lehrlinge, ermahnte zur Ordnung, zum Fleiße, zur Treue und Gehorsam und warnte vor Trunkenheit und Schlägerei; wer sich nicht getraue, das Spiel bis zu Ende auszuhalten, habe Freiheit, zurückzutreten. Auf solches Zurücktreten folgte aber eine allgemeine Verhöhnung, darum versprachen die Lehrlinge Alles und baten um ,,gnädige Bauern“. Am Mittag folgte auf des Komptors Kosten der Schmaus, die Lehrlinge warteten auf, die Narren belustigten mit Possen, Reimen und Liedern. Ein Possenspiel, wie es uns auch anderswo im Mittelalter begegnet, beschloss den Schmaus. Ein Herr und sein Diener treten auf, geraten unter mancherlei Possen und derben Albernheiten in Zwist, ein Narr drängt sich versöhnend ein, bringt aber durch seine Späße Alles noch mehr in Verwirrung, wird dann schließlich als angebliche Ursache des Zwistes in das Paradies geschleppt und als der Erste mit starken, neuen Ruten gegeißelt. Unterdessen werden die Lehrlinge bei reichlichem Mahle berauscht, von den Narren einzeln in das Paradies geführt, über eine Bank gezogen und von den „Bauern“ aufs Grausamste gepeitscht. Ein Narr daneben schlägt die Becken, ein zweiter rührt draußen die Trommel, um das Geschrei der Gepeinigten zu übertönen. Nach der Geißelung bittet einer der Narren das ganze Komptor, das edle Fest nie untergehen zu lassen. Beim Abendschmause, der das Fest beschließt, warteten die Lehrlinge wieder auf, und wer sich vor Ermattung setzte, wurde am anderen Tage zur Nachfeier ins Meer getaucht.

In Dänemark wurden die Verhältnisse der Hansa nach der Besiegung des Königs Erich etwas stetiger. Sie behielt, wenn auch nicht ohne Widerspruch und Störung, ihre in Dänemark und auf Schonen erworbenen Handelsrechte und begann sogar einer dänenfreundlichen Politik sich zuzuneigen. König Christoph der Bayer, des abgesetzten Erichs Nachfolger, erschreckte zwar Lübeck wieder mit heimlichen Anschlägen, aber die Wachsamkeit der Stadt und sein früher Tod vereitelten solche Pläne. Ganz anders gestaltete sich hier das Verhältnis, als Christiern I., aus dem Hause der Oldenburger Grafen, die alte Union erneuerte, nach dem Aussterben des holsteinischen Grafenhauses mit Adolf VIII. beide Herzogtümer mit Dänemark vereinte und mit diesem vergrößerten Reich unmittelbar auf Hamburg und Lübeck, die Häupter der Hansa, drückte. Diese vermochten es nicht mehr, den Bund noch einmal zu einem gemeinsamen Unternehmen gegen den gefährlichen Nachbar zu einen. Voll Sorge für die Zukunft verstärkten sie nach Kräften ihre Wälle und Mauern und machten in zornigen Worten über den Wankelmut der Holsten, die jetzt die dänische Knechtschaft der alten Freiheit vorzögen, ihrem Unmute Luft. Zunächst hatte Christiern I. mit inneren Unruhen genug zu tun und musste das Reich Schweden nach der blutigen Schlacht auf dem Brunkeberge an Karl Kundson verloren geben. Doch ward er auf andere Weise dem hansischen Handel um so gefährlicher. Er richtete nicht, wie seine Vorgänger, die alleinige Aufmerksamkeit auf auswärtige Eroberungen, sondern zugleich auf die Besserung der inneren Zustände und bemühte sich, Dänemark zu einem selbstständigen Handelsstaate umzubilden. Zu dem Zwecke gründete er eine dänische Handelsgesellschaft und suchte in jeder Weise die Entwickelung der Städte zu fördern. Er verbot den Hansen 1475, im dänischen Lande zu überwintern, und ließ ihnen nur auf den Jahrmärkten den freien Handel. Die dänischen Landleute, auch der Adel und die Geistlichkeit, sollten nicht an die Hansen, sondern an die dänischen Städte verkaufen, jedoch Getreide und Vieh nicht auf eigenen Schiffen ausführen, sondern letzteres nur bis Ripen, Assens und Horsens treiben und hier an die Hansen verkaufen. So blieb die Stellung der Hansa zwar immer noch bevorrechtet, aber eine vom König gehobene Mitwerbung der Dänen hatte damit begonnen. Der heißblütige König Hans (1480—1513) brachte ein glänzend ausgerüstetes, vortrefflich geordnetes Heer von etwa 14.000 Mann zusammen, unter dem die große Garde, vom Junker Slenß geführt, sich einen besonders gefürchteten Namen erwarb. Mit diesem Heer zog der König gegen das Bauernvolk der Marsch, wurde aber (bei Hennigstedt am 17. Februar 1500) vollständig geschlagen; sein Heer war so gut wie vernichtet, er selbst entkam nur mit großer Not und mehrfach verwundet. Diesem Unglück folgte der Verlust Schwedens. Die hansischen Städte, vor allen Hamburg und Lübeck, hatten nicht den Mut gehabt, sich des Königs Plänen zu widersetzen, ja sie waren sogar in die Notwendigkeit gedrängt worden, seinem Unternehmen Vorschub zu leisten. Als er nun aber neue Pläne gegen die Bauern ersann, kam er darüber in Zwist mit Lübeck und seinem Bruder, dem Herzog Friedrich von Holstein. Im Oktober 1509 legte er sich mit einer großen Flotte vor Travemünde, sperrte die Trave, verheerte die lübeckischen Dörfer, musste aber, da sein Bruder aufs Entschiedenste verweigerte, gegen die Stadt Partei zu nehmen, ohne einen Erfolg errungen zu haben, abziehen. Im folgenden Jahre verheerte die Flotte der Lübecker die dänischen Inseln, während der König die Vorstädte von Wismar in unvermutetem Überfalle niederbrannte. Die Lübecker blieben in mehreren Seegefechten Sieger, mussten sich aber, da sie allein dem weit überlegenen Königreiche gegenüberstanden, am 2. Januar 1512 zu dem ihnen ungünstigen Frieden von Malmöe bequemen.

Die Hansa erhielt die neue Bestätigung ihrer Handelsrechte im dänischen Reiche, Lübeck noch eine Ermäßigung des Zolles. Doch mussten sie das Bündnis mit Schweden aufgeben und eine Zahlung von 30.000 Fl. in 12 Terminen versprechen. Das Ergebnis des 15. Jahrhunderts war also, dass die Hansa ihre alte und großartige Politik gegen das dänische Reich aufzugeben sich genötigt sah, was zur Folge hatte, dass Dänemark durch die Vereinigung mit Schleswig und Holstein tief in das deutsche Reich eindrang und sich mitten hinein zwischen die Häupter der Hansa, Hamburg und Lübeck, lagerte.

Weit ungünstiger noch gestalteten sich im Laufe des 15. Jahrhunderts die Verhältnisse in Russland. In der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts gelang es den Häuptern der Hansa noch, die Handelsherrschaft vermittelst des Komptors zu Nowgorod und der Niederlagen zu Pskow, Pleskow, Smolensk und in den livländischen Städten trotz mancherlei Störungen in alter Form aufrecht zu erhalten. Zwar hatten sie unaufhörlich mit dem vordringenden Handel der Holländer und Engländer zu kämpfen, die in Danzig und in den preußischen und livländischen Städten immer von Neuem Unterstützung fanden, doch behauptete das wendische Viertel der Hansa hier noch ein entschiedenes, wenn auch stets bekämpftes Übergewicht. Die hansischen Verbote, dass kein Schiff in diesen Gegenden an Außerhansen verkauft werden, kein Hanse einen Flamländer, Holländer oder Engländer die russische Sprache lehren, letztere nur in den größeren Städten unter erschwerenden Bedingungen Handel treiben sollten, wurden oft von Lübeck erneuert, aber ebenso oft von den Livländern und Preußen umgangen. Die Engländer gründeten in Danzig und Elbing bleibende Niederlagen, wurden zwar durch den Einfluss der Hansa wieder vertrieben, konnten aber doch von der Mitwerbung in den Ostseegebieten nicht mehr gänzlich ausgeschlossen werden. Vom größten Nachteile für die Hansa waren die politischen Umgestaltungen Russlands durch Iwan Wassiljewitsch, der Russland von der Herrschaft der Mongolen zu befreien und zu einem europäischen Kulturstaate umzubilden strebte. Er bedurfte dazu der Herrschaft über den westlichen, gebildetsten Teil Russlands, wo vor Allem Nowgorod mit selbstständiger Herrschaft und großen Reichtümern entgegenstand. Als Nowgorod den König Kasimir den Großen von Polen zum Schutzherrn erwählte, überzog Iwan sie (1471) mit großer Macht, schlug das städtische Heer, das die reiche und kühne Bürgerin Marfa führte, in zwei Schlachten und zwang den Freistaat zur Unterwerfung. Im Jahre 1477 erhob sich Nowgorod von Neuem, wurde gänzlich unterworfen, geplündert und seine vornehmsten und reichsten Kaufleute in das innere Russland als Gefangene geführt. Das hansische Komptor wurde zwar nach einiger Zeit wieder eröffnet, doch im Jahre 1494 nahm Iwan in Folge neuer Streitigkeiten die noch auf dem Hofe befindlichen deutschen Kaufleute gefangen und bemächtigte sich des gesamten deutschen Besitztums. Die gerade Handelsverbindung mit Russland war damit einstweilen vernichtet, und den Hansen blieb nur noch der Handelsweg über Livland, der aber durch den gefährlich wachsenden Einfluss des Reiches Polen, durch die Eifersucht der Inländischen Städte, durch die Mitwerbung der Holländer und Engländer immer mehr beeinträchtigt wurde und im nächsten Jahrhundert auch durch die russische Macht die schlimmsten Störungen erlitt.

Die preußischen Städte und der deutsche Orden hatten in der ersten Hälfte dieses Jahrhunderts, insbesondere in den Seeräuberkriegen, treu zum Bunde der Hansa gehalten und die großen Ordensmeister Paul von Rußdorf und Konrad von Jungingen stets mit ihrer Vermittelung der Hansa gegen die nordischen Reiche und England die dankenswertesten Dienste geleistet. Später änderte sich auch dies Verhältnis, der Orden unterlag mehr und mehr dem Übergewichte des Polenreiches, das durch Kasimir den Großen zu der ersten Macht im Nordosten sich ausbildete, und kam zugleich in die heftigsten inneren Fehden mit dem preußischen Landadel und den Städten, wodurch diese um so schneller dem Einflusse Polens zugetrieben wurden. Zugleich drängten diese Störungen in nächster Nähe die alten preußischen Handelsstädte Kulm, Thorn, Braunsberg und Elbing aus ihrer früheren Handelsstellung, so dass Danzig den größten Teil ihres Verkehrs an sich ziehen und sich während der zweiten Hälfte des 15ten und der ersten des 16. Jahrhunderts zu einer Weltstellung, als die erste Handelsstadt des Nordostens emporzuschwingen vermochte. Wir haben schon gesehen, wie weit diese Seestadt ihre selbstständigen Handels- und Schifffahrtslinien gegen Westen durch den Sund ausdehnte und dadurch veranlasst wurde, zum Nachteil des wendischen Viertels die unmittelbare Verbindung mit den Holländern und Engländern, trotz aller kräftig geführten Seekriege gegen diese, immer von Neuem zu erstreben. Auch auf Schonen kam bald der ganze preußische Anteil des Vittenlagers in die Hände der Danziger, welche hier nie, so lange der Heringsfang einigermaßen gewinnreich blieb, eine lebhafte Teilnahme daran aufgaben. Auch die Handelsrichtungen Danzigs nach dem Süden zu erhoben sich in dem Maße, dass die Stadt, dem Könige von Polen gegenüber, eine andere Politik einzuhalten für geeignet fand, als der Orden. Mittelst der Weichsel und des Bugs zog zum Schluss des 15. Jahrhunderts der Danziger Handel seine Linien durch Polen, Galizien und Lodomirien südöstlich bis in das Gebiet des Dniesters und nach Ungarn, wo sie sich mit denen der Sachsen in Siebenbürgen berührten, südwestlich über Breslau in das Odergebiet, über Krakau durch Mähren bis zur Donau. Diese außerordentliche Handelsstellung gab der Stadt ein hervorragendes Gewicht in der Hansa, und veranlasste sie, gegen die wendisch-hansische Politik Sonderinteressen geltend zu machen. Danzig hatte für die Handelsrichtung nach Süden ein besonderes Komptor, die Niederlassung zu Kauen oder Kowno in Litthauen, die ursprünglich dem Landhandel aller preußischen Städte diente, allmählich aber ganz in die Hände der Danziger gekommen war. Seit dem Friedensschlusse zwischen der Hansa und dem christlich gewordenen litthauischen Großfürsten Witowd (1398) hatte der Handel mit Litthauen großen Aufschwung genommen. Die wichtigsten Gegenstände waren Salz, das hin-, und Holz, das zurückgeschafft wurde. Außerdem tauschten die Deutschen für Gewerbs- und Speditionswaren aller Art die Wald- und Feldprodukte der oberen Weichselländer, Asche Teer, Honig und Wachs, Getreide, Flachs, Juchten u. s. w. ein, welche auf den Flüssen Memel, Pregel und Deime nach Danzig gingen. Kauen, in einer Niederung der Weichsel liegend und von steilen Ufern, Stromschnellen und Wasserfällen umgeben, war nur mit flachen Kähnen zu erreichen, während wenig unterhalb der Stadt Schiffe von 170 Fuß Länge und drei Fuß Tiefegang flottenweise ihre regelmäßigen Fahrten hin- und zurückmachen konnten. Durch die dadurch gebotene Warenumladung ward Kauen der natürliche Stapelplatz für diese Handelsrichtungen. Durch Witowd waren deutsche Ansiedler hierher gerufen und eine Gemeinde nach Magdeburger Recht eingerichtet worden, welche die Stütze des Danziger Komptors bildete. Alle hier weilenden Handelsgäste wohnten in abgesonderten Häusern und Höfen mit besonderen Haushaltungen, Lager- und Ladenräumen, teils zu Miete, teils im Eigentum. Der Kaufmann, der nicht selbst anwesend seine Geschäfte betreiben wollte, hatte seine „Lieger“ oder Factoren, die in seinem Lohn und Auftrag kauften und verkauften und Waren und Geld nach Danzig sandten. Die einheimischen Warenlieferer, die Christen sowohl, als die hier in großer Zahl sich aufhaltenden Juden, arbeiteten insgesamt mit dem Gelde der Danziger und lieferten die Waren, Holz, Asche, Wachs etc. meistens gegen Vorschuss und gerichtlichen Kontrakt. Manche Kaufleute besorgten auch selbst oder durch ihre Factoren den Einkauf, bereisten die litthauischen Wälder und beaufsichtigten die Fertigung der bestellten Vorräte. Der Kleinhandel war allein dem Bürger von Kauen, der aber seinen Bedarf dazu von dem Danziger Großhändler entnahm, erlaubt. Die gemeinsame Verwaltung des Komptors wurde durch das von jedem ankommenden Schiffe erhobene Pfundgeld bestritten und von einem erwählten Kaufmannsrat, an dessen Spitze zwei Danziger standen und von dem nur die Appellation an den Rat von Danzig galt, gehandhabt.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansa als deutsche See- und Handelsmacht