Die Verhältnisse der Hansa in den Niederlanden, Frankreich und England im 15. Jahrhundert

Im Anfang des 15. Jahrhunderts stand die Hansa auf dem Gipfelpunkte ihrer Blüte. Die drei nordischen Reiche, die bis dahin immer nur jedes für sich ihre Kraft gegen den Städtebund gerichtet hatten, waren trotz ihrer Vereinigung von dem Bund der deutschen Ostseestädte, Hamburgs, des preußischen Ordens und des holsteinischen Fürstenhauses überwunden und das dänische Reich in seiner Politik gegen Deutschland von Neuem geschlagen worden. Schleswig war bei Holstein geblieben, und die Hansa hatte durch ihr siegreiches Auftreten zur See die Bestätigung aller ihrer Rechte in den drei Reichen wiedergewonnen. Wieder war der Beweis geliefert, dass die deutschen Seestädte in ihrer Vereinigung in den nordeuropäischen Angelegenheiten den Ausschlag zu geben und eine Seemacht zu erhalten vermochten, die wohl geschlagen, aber aus der Herrschaft über diese Meere nicht verdrängt werden konnte. Zu gleicher Zeit hatten sich jedoch auch alle Übel im Bunde offenbart, welche später hauptsächlich seine Auflösung herbeiführen sollten. Die zu große Anzahl gleichberechtigter Glieder, die ohne ein einiges Haupt in den entscheidendsten Augenblicken stets eine Zwiespaltigkeit des Oberbefehls zur Folge hatte, die Geteiltheit, das Auseinanderstreben der Interessen der Bundesgruppen, der überwiegende Handelsgeist und die Friedensliebe des Bundes, welche für gewöhnlich der Berechnung und Rücksicht auf die nächstliegenden Vorteile, also dem engherzigen und ängstlichen Eigennutz, über eine großherzige, weitblickende Politik das Übergewicht verschafften. Das 15. Jahrhundert, das uns in seiner ersten Hälfte Macht und Handel des Bundes am weitesten und einflussreichsten entfaltet zeigt, entwickelt auch diese Übelstände schon in immer schlimmerer Weise und lässt sie am Schluss um so voller und verderblicher wirken, da unterdessen die von der Hansa im Handel beherrschten Völker unaufgehalten vorschreiten und, begünstigt durch eine veränderte Strömung des Welthandels, zum Widerkampfe immer befähigter werden.

Die Verhältnisse in den flandrischen Niederlanden und auf dessen Weltmarkt Brügge haben wir zu Ende des 14. Jahrhunderts als durchaus günstig für die Hansa kennen gelernt. Zwar fehlte es nie an Streitigkeiten und Stapelverlegungen, doch wurden diese stets zu Gunsten der Hansa und mit Vermehrung der Handelsvorrechte geschlichtet. Die Hansa hatte zwar keine Handelsherrschaft, hatte aber eine durch Privilegien gesicherte Stellung gewonnen, welche für ihren Warenaustausch nicht günstiger sein konnte und trotz der auch in Flandern kaum unterbrochenen politischen Unruhen und Umwälzungen den gewinnreichsten Markt sicherte.


Aus den zerrüttenden Parteikämpfen Flanderns war im Laufe des 15. Jahrhunderts das burgundische Haus mit geistreichen, großgesinnten Fürsten als Sieger und Herrscher hervorgegangen. Philipp der Gute vereinte, nachdem er den Aufstand der Holländer niedergeschlagen hatte, die Länder Burgund, Flandern, Brabant und Limburg, Artois, Mecheln, Antwerpen, Namür, Holland, Seeland, Hennegau und Luxemburg zu einem Reich, das er während seiner langen Regierung (1419—1467) zu dem glücklichsten und reichsten, wie dem gebildetsten und gewerbefleißigsten von Europa machte. Karl der Kühne, Philipps Sohn, erwarb dazu Geldern und Zütphen, verlor dann aber in seinem Kriegsungestüm gegen die Schweizer Kriegsruhm und Leben, und das kaum erblühte glückliche Reich Burgund ward auf immer zerstört. Ein Teil fiel an Frankreich, die übrigen Provinzen durch die Heirat Maximilians mit der burgundischen Erbtochter Maria an Österreich.

Die Verhältnisse der Hansa in den Niederlanden mussten den Wechselfällen der politischen Zustände folgen. Der blutige Bürgerkrieg, welcher der burgundischen Herrschaft im 14. Jahrhundert vorausging, brachte auch der Hansa bittere Verluste und schweren Streit mit den flandrischen Städten. Weder ihrer Güter noch ihrer Handelsleute schonte man in diesem Kriege, und jede Forderung um Schadenersatz und Schutz blieb ohne Folge. Nach vielen fruchtlosen Verhandlungen zu Lübeck und in Flandern verboten die Hansen im Jahre 1388 allen ihren Genossen jeden Verkehr mit Flandern, Mecheln und Antwerpen, sowie mit Frankreich, das mit Burgund im Bunde stand, und verlegten ihren Stapel nach Dortrecht. Die flandrischen Städte spürten alsbald den empfindlichen Nachteil, den das Ausbleiben der hansischen Kaufleute und Waren ihren Märkten brachte, und sandten freiwillig, zugleich mit dem burgundischen Herzog, im Jahre 1389 zum Hansetag nach Lübeck ihre Abgeordneten. Im Jahre 1391 kam die Versöhnung zu Stande. Die Flandrer versprachen 11.000 Pfd. Groten Schadenersatz und öffentliche Abbitte und erweiterten alle Privilegien der Hansa. Unter Führung der Lübeckischen und Hamburgischen Ratsherren wurden die Hansen, im feierlichen und prächtigen Einzuge mit 100 Pferden, in Brügge von den Bürgern empfangen. Im Jahre 1431 brach die Eifersucht gegen die Hansa zu offnen Gewalttätigkeiten aus, wobei Manche im Auflauf erschlagen wurden, doch erzwang sie Genugtuung und erreichte im Jahre 1449 vom Herzog Philipp dem Guten Sicherung und Mehrung ihrer Privilegien. Im Jahre 1451 finden wir wieder den Stapel nach Antwerpen, dann nach Utrecht und Middelburg verlegt, aber auch diesmal nur auf kurze Zeit; 1456 kehren die Hansen mit Mehrung ihrer Privilegien nach Brügge zurück.

Was die Hansa stets wieder nach Brügge führte, war der Weltmarkt, der sich hier entwickelt hatte. Fünfzehn Nationen, Portugiesen, Genueser, Lucceser, Florentiner, Arragonier, Navarreser, Gascogner, Provenpalen und die aus dem nordwestlichen und nordöstlichen Europa hatten hier Komptor und Stapel mit selbstgewählten Konsuln an der Spitze und führten alle Waren Europas zu möglichst freiem Umtausch zusammen. Doch hatte zu Mitte dieses Jahrhunderts der Markt zu Brügge schon merklich gelitten, und die gewaltsamen Kriege Karls des Kühnen und die nach seinem Tode eintretenden politischen Veränderungen störten den Gesamtverkehr in Flandern in dem Maße, dass die Hansa schon im Jahre 1470 daran verzweifelte, ihr Komptor in Brügge schützen zu können. Durch die Empörung gegen Maximilian brachten die flandrischen Städte einen schweren, blutigen Krieg über das blühende Land. Während langer Kriegszeit verschlammte der Hafen von Brügge, t’Zwin, der Weltverkehr zog sich von hier auf Antwerpen und machte diese Stadt zu einem neuen, lebensvollen Mittelpunkt des gesammten nordeuropäischen Handels. Dennoch dauerte es lange, bis die Hansa sich entschloss, der neuen Handelsrichtung nachzugeben und das Komptor auf die Dauer nach Antwerpen zu verlegen.

Noch ein anderer Umstand machte die Erhaltung des hansischen Stapels zu Brügge unmöglich. Das alte Stapelrecht der Hansa verlangte, dass der nach Westen berechnete Warenumtausch in Brügge, und nirgends anderswo, stattfinden sollte. Hier mussten die hansischen Schiffe einlaufen, die nordischen Waren und die eigenen Erzeugnisse verkaufen und die west- und südeuropäischen dagegen eintauschen. So lange die Schifffahrt in der älteren mangelhaften Entwickelung verharrte und die längere Fahrt über Flandern hinaus so gefährlich wie die Fahrt durch den Sund erschien, wurde das Stapelrecht zu Brügge gern und zu eigenem Vorteil eingehalten. Doch im Laufe des 15. Jahrhunderts bildete sich ein unmittelbarer Verkehr zwischen dem Nordosten und Südwesten immer mehr aus, und das Stapelrecht in Brügge begann um so mehr zu einem schädlichen Stapelzwange auszuarten, da das Haupt der Hansa, Lübeck, und die wendischen Bundesstädte von den ältesten Einrichtungen durchaus nicht lassen wollten. Die Städte der Nordsee, vor allen Köln, stets im Widerspruch gegen das wendische Viertel, widersetzten sich auf das Entschiedenste diesem Zwange und den damit verbundenen Abgaben. Die Hansa musste auf dem neuen Komptor in Antwerpen nachgeben und den Kölnern gegen eine jährliche Zahlung von 100 Fl. Schoß und Stapel erlassen. Dieselben Forderungen stellten aber jetzt auch Danzig und die östlichen Städte, so dass immer mehr Ausnahmen vom Stapelzwang und Stapelschoß gemacht werden mussten und der Hansa ein bedeutender Teil ihrer Einnahmen und Bundeseinrichtungen verloren ging. Der niederländische Stapel wurde vernachlässigt und der unmittelbare Handel zwischen dem westlichen und östlichen Flügel des Bundes, den Städten der Niederlande und der Rheingegenden mit den preußischen und livländischen, zu großem Nachteil der wendischen Städte, welche bis dahin diesen Verkehr vermittelt hatten, immer allgemeiner. In Preußen und Livland, das nach dem Falle Nowgorods selbstständiger im russischen Handel hervortrat, waren die westdeutschen Kaufleute um so willkommener, als auch sie immer mehr nach Befreiung von Lübecks Vorherrschaft strebten. So erhob sich innerhalb des Bundes von den Holländern und Seeländern eine gefährliche Mitwerbung gegen den Mittelpunkt des Bundes, die um so folgenschwerer wurde, je mehr sich jene im 15. und 16. Jahrhundert vom deutschen Reiche und deutscher Politik entfernten.

Die Städte der deutschen Niederlande waren in ihrer Entwickelung hinter den flandrischen zurückgeblieben. Kunst und Gewerbe blühten hier später, das Kapital sammelte sich langsamer, die Verbindungen und Unternehmungen blieben beschränkter; dagegen waren sie überlegen an unternehmendem, aufstrebendem Handelsgeist, an einfachen nüchternen Sitten, an Ernst und Willensfähigkeit. Die dem Mittelpunkte des Reiches näher gelegenen Städte Frieslands, Gelderns und Oberyssels hielten fest zu der Hansa und machten weniger widerstrebende Sonderabsichten geltend, während Dortrecht, Delft, Amsterdam, Leiden, Mecheln und die übrigen holländischen Städte schon unter Karl V. ebenso sehr dem deutschen Reiche fremd, wie der wendisch-hansischen Handelspolitik entgegen waren. Sie erstrebten entschieden die Aufhebung jedes Stapelzwanges und einen freien, unmittelbaren Handel überall, vor Allem nach Livland und Russland. Die Hansa aber verlangte, dass die holländischen Schiffe ihre Ladung nach Hamburg bringen sollten, damit sie von hier durch die Vermittelung der wendischen Städte nach dem Osten gelangen könnte. In den großen Kriegen gegen Waldemar IV. schlossen sich die holländischen Städte der Hansa an, in der darauf folgenden Friedenszeit versuchten sie vergebens, eine freie Fahrt in die Ostsee zu erreichen, und suchten darum in allen späteren Verwickelungen der Hansa mit Dänemark und den nordischen Reichen durch Sonderpolitik ihre Sondervorteile. Auch in Bergen sollten nach dem Willen der Hansa die Holländer nur mit zwei Schiffen an der Brücke anlegen, Livland gar nicht besuchen und am Heringsfang auf Schonen nur unter sehr beschränkenden Bedingungen Teil nehmen. Die Holländer suchten auf jede Weise diese Zwangsregeln zu umgehen, segelten heimlich in die verbotenen Häfen — Klipphäfen — besonders nach Femarn, und verbanden sich zuletzt offen mit dem Unionskönig Erich gegen die Hansa. Dadurch entstand innerhalb des Bundes ein fünfzigjähriger verderblicher Krieg, der mit Kaperei und Seeraub beide Meere unsicher machte. Die Ostseehansen waren in diesem Kriege durchaus im Nachteil; ihre reichsten Handelsflotten konnten die Küsten Hollands nicht umgehen und wurden hier rücksichtslos gekapert. So wurden im Jahre 1427 dreißig, 1435 dreiundzwanzig reich beladene preußische, nach Spanien segelnde Handelsschiffe genommen, dagegen kaperten die Bremer elf holländische Schiffe, und auch die Danziger taten durch ihre trefflichen Kriegsschiffe den Holländern manchen Abbruch. Die Hansa verbot jede Einfuhr holländischer Waren und jede Ausfuhr dorthin, der holländische und seeländische Adel rüstete darauf 70 Kaperschiffe und legte im Jahre 1440 und 1441 den Handel auf Hamburg ganz nieder. Dieser dem Bunde höchst verderbliche Krieg dauerte bis zum Jahre 1480, aber auch der jetzt geschlossene 24jährige Friede wurde nicht gehalten. Die Hansa wollte die freie Mitwerbung der Holländer auf der Ostsee unter keiner Bedingung zulassen, und diese erstrebten solche als eine Lebensfrage mit allen Mitteln. Unter gegenseitigen Räubereien und Handelsverboten, die den holländischen Städten durch Abschneiden der Zufuhr von deutschen Gewerbserzeugnissen großen Schaden brachten, unter unaufhörlichen Klagen über ungerechten Stapelzwang, ungebührliche Zollplackereien und Erhebungen, welche besonders den Holländern zum Vorwurf gemacht wurden, dauerte dies Verhältnis zum Nachteil des gesamten Bundes das ganze Jahrhundert, ohne dass von der Hansa ein immer mächtigeres Einströmen des holländischen Handels in der Ostsee verhindert werden konnte.

In Frankreich blieben die Handelsverhältnisse der Hansa im 15. Jahrhundert ziemlich stetig, erreichten aber wegen der ununterbrochenen Kriegszustände dieses Reiches keine hohe Bedeutung. Die Hansa stand mit den französischen Königen stets in freundschaftlichem Verhältnis und erwarb ohne Widerspruch die Erneuerung ihrer erworbenen Handelsgerechtsame. Von Karl VI. erhielt sie im Jahre 1392 einen allgemeinen Schutzbrief und von Ludwig XI, mehrere auf den Handel in den einzelnen französischen Häfen berechnete Privilegien, welche Karl VIII. am Schlusse des Jahrhunderts bestätigte und vermehrte. Die hauptsächlichsten Gegenstände der Ausfuhr aus Frankreich waren neben Tüchern, Waid und Salz die Weine, welche die Hansen in den ältesten Zeiten aus Rochelle, dem von ihnen am meisten besuchten französischen Hafen, später auch aus Bordeaux holten. In der Bretagne war Nantes der Mittelpunkt ihres Verkehrs, in der Normandie Dieppe, Honfleur und Harfleur. In Nantes ließen sich schon früh hansische Kaufleute häuslich nieder, erwarben bürgerliche Rechte und eine hervorragende Handelsstellung.

Der Handel mit Spanien und Portugal war zum Schluss des 14. und in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts manchen Schwierigkeiten und Störungen unterworfen. König Johann II. von Castilien schloss im Jahre 1383 den Hansen seine Häfen und nahm ihnen 84 Schiffe. Auch die Seekriege mit den Holländern störten, indem diese z. B. im Jahre 1438 eine ganze nach Spanien segelnde preußische Handelsflotte wegnahmen. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts wurde der Verkehr mit Spanien und noch mehr mit Portugal lebhafter, seitdem dieses auf dem Wege der Entdeckungen die außerordentlichsten Fortschritte machte und dadurch eine neue Periode des Welthandels vorbereitete. In Lissabon, das damals sich zu einem der ersten Welthandelsplätze emporschwang, gründete die Hansa schon 1452 eine bevorrechtete Niederlassung, die noch im 16. Jahrhundert bestand und an welche besonders Danzig großen Anteil nahm. Von hier aus hauptsächlich wurde auch der Handel mit dem südlichen Spanien geführt, wo Sevilla eine hervorragende Stelle einnahm, während an der Nordküste Spaniens Bilbao und Bayonne auf gradem Wege von den Hansen besucht wurden.
Von einem direkten Handel mit Italien haben wir auch im 15. Jahrhundert keine Nachrichten. Die Handelsgegenstande der italienischen Städte wurden meist in Brügge und Antwerpen, später in Lissabon eingetauscht, oder sie kamen durch Vermittelung der süddeutschen Handelsplätze auf den deutschen Landstraßen in die hansischen Städte.

In England hatte die Hansa bis zum Schluss des 14. Jahrhunderts sich die entschiedenste Vorherrschaft im Handel erworben. Die Grundlage derselben war die charta mercatoria, Eduards I. vom Jahre 1303, welche ursprünglich allen fremden Nationen erteilt, später durch die Hansa zu ausschließlichen und drückenden Vorrechten umgewandelt wurde. Zu Ende des 14. Jahrhunderts lebte deswegen die Hansa in stetem Kampfe mit den englischen Gemeinden, der sich durch das ganze 15. Jahrhundert fortspann und um so heftiger wurde, je selbstständiger und wirkungsvoller diese im Welthandel mitzuwerben vermochten. — Der Mittelpunkt des deutsch-englischen Handels war das hansische Komptor in London, dessen ältesten Kern die „Gildhalle“ bildete. Sie lag am rechten Ufer der Themse in der Straße kovegard ward, und hatte gegen die Themse zum Löschen der Ladungen eingerichtete Quais. Zu diesem Gebäude erwarb die Hansa unter Richard II. ein zweites großes Gebäude, das durch die Windgoos Alley mit dem ersten verbunden war; ein drittes Gebäude Steelhouse oder Steelgard so genannt von dem Stahlstempel, mit dem hier die Tücher gestempelt wurden, schloss das Ganze und gab ihm den Namen des Stahlhofes. Die gesamten Komptorgebäude waren mit Mauern und Toren gegen unerwartete Überfälle von Seiten des feindlich gesinnten Volles geschützt und nur von unverehelichten Kaufleuten und ihren Dienern, den Meistern, Gesellen und Knechten, auch von deutschen Handwerkern, insbesondere von Goldschmieden, unter strenger Zucht und Ordnung bewohnt. Frauen durften den Hof nie betreten, kein Factor die Nacht außerhalb desselben zubringen, und wer eine Eingeborene heiratete, verlor das Komptor- und Hansarecht. Der das Ganze beaufsichtigende Kaufmannsrat bestand aus dem Oldermann, seinen zwei Beisitzern und neun Ratsmännern, die alle gemeinsamen Angelegenheiten in allgemeinen wöchentlichen Versammlungen erledigten. Gewählt wurde dieser Kaufmannsrat am Neujahrstage durch einen jährlich von der Gesamtheit ernannten Ausschuss von zwölf Männern, wobei Niemand eine Wahl ausschlagen durfte. Außerdem übten vier Schoßmeister die Verwaltung, denn das Komptor hatte bedeutende Einnahmen und Schätze, so dass dasselbe schon an Eduard IV. aus den Vorräten 1.000 Pfund leihen konnte. Alljährlich mussten, 14 Tage nach der Wahl des Rates, in öffentlicher Versammlung die Ordnungen des Hofes vorgelesen werden, die im Wesentlichen dieselben waren, wie auf den anderen Komptoren. Seit 1414 hatte das Komptor sein eigenes Siegel, das nur der Aldermann führte. Auch Nichthansen, wenn sie Deutsche waren, wurden auf dem Hofe zugelassen, durften aber erst nach sieben Dienstjahren und nach Erlangung des Bürgerrechts auf eigene Rechnung Handel treiben. Andere hansische Niederlassungen, die aber sämtlich mit dem Stahlhofe in Verbindung standen, waren zu Bristol, Lynn, York, Hull, Boston, Rochester u. s. w. Die oberste Aufsicht über alle und über den Stahlhof hatte die Hansa und deren Haupt Lübeck.

Die hauptsächlichsten Ursachen des Streites der Hansa mit dem Gewerbe und dem Handelsstand in England waren die Zollbefreiungen der Deutschen bei Ein- und Ausfuhr, die Vorrechte der Hansen beim Einkauf der englischen Stapelwaren, vor allen der Wolle und der ungeschorenen und ungefärbten Tücher, ihr freier Handel Gast mit Gast ohne Vermittelung des Eingeborenen, ihr unbeschränkter Kleinhandel mit allen Gegenständen der Einfuhr und ihre unbehinderte Ausfuhr der englischen Rohprodukte, welches Alles eine selbstständige und gewinnbringende englische Reederei unmöglich machte. Gegen diese Vorrechte der Hansa kämpften die englischen Gemeinden seit dem 14. Jahrhundert mit jedem Mittel, das sich ihnen bot, und verschmähten selbst den gewaltsamsten Seeraub nicht, wenn nur den Gegnern dadurch Abbruch geschah. Sie kämpften um ihre Existenz, um alle Bedingungen, welche allein für sie die Grundlagen einer wirtschaftlichen Selbstständigkeit werden konnten, gegen Feinde, die bis dahin noch alle Bedingungen und Mittel zu einer vollständigen Handelsherrschaft in Händen hatten, und ruhten nicht, bis sie die bevorrechtete und vorherrschende Stellung der Hansa in England gänzlich gebrochen hatten.

Schon gegen das Ende des 14. Jahrhunderts begann von Seiten der englischen Regierung ein zeitweiliges Vorgehen gegen die Hansa. Richard II. erließ, gezwungen durch die ungestümen Beschwerden des englischen Kaufmannsstandes, im Jahre 1381 eine Schifffahrtsakte, welche den königlichen Untertanen verbot, in anderen Schiffen, als in englischen, Waren aus- oder einzuführen; auch sollte der größte Teil der Bemannung aus Engländern bestehen, bei Verlust des Schiffes und der Waren. Eine gleichzeitige Parlamentsakte verbot die Ausfuhr von gemünztem und ungemünztem Metall und befahl, die Fremden nur mit Waren und Wechseln zu bezahlen. Eine andere vom Jahre 1403 setzte fest, dass die Fremden alle eingeführten Waren binnen drei Monaten nach der Ankunft absetzen, nicht mit Fremden handeln und in den Städten nur bei den ihnen bezeichneten Wirten wohnen sollten. Doch erreichte die Hansa durch Geldspenden und Handelsverbote den Widerruf der nachteiligen Gesetze oft schon im nächsten Jahre, um sie aber bald darauf wieder von der englischen Kaufmannschaft hartnäckiger und ungünstiger zur Geltung gebracht zu sehen. Das ganze 15. Jahrhundert ist erfüllt von diesem ununterbrochenen Kampf zwischen der hansischen Handelsherrschaft und dem aufstrebenden englischen Handelsgeiste, mit stets und rasch wechselndem Erfolge, mit Sieg und Gegensieg, ohne jede Aussicht auf dauernde Versöhnung. Auf beiden Seiten handelte es sich um Lebensfragen und Lebensbedingungen, und kein anderer Zielpunkt des Kampfes war denkbar, als die gänzliche Niederlage der einen Partei.

Im Jahre 1422 finden wir die englische Stapelgesellschaft an den deutschen Küsten der Ostsee, trotz Lübecks und der wendischen Städte eifrigem Widerstreben, schon fest eingenistet, denn auch hier machten die preußischen Städte den Sondervorteil eines unmittelbaren Handels mit den westlichen Handelsvölkern Europas geltend. In Danzig hatten die Engländer zuerst ein Kaufhaus und Komptor nach deutschem Muster, das aber in Folge der Streitigkeiten vom Danziger Rat geschlossen wurde. Sie sollten fortan nur in Bürgerhäusern wohnen, eine Kopfsteuer zahlen und während des Winters keinen Handel treiben. Diese feindselige Maßregel der Hansa beantwortete man in London mit einer Erhöhung der Zölle auf Salz, Wachs und alle Tonnengüter und es machte sich zugleich die gegenseitige Eifersucht in gewaltsamen Seeräubereien Luft. Erst um das Jahr 1435 kam durch Vermittelung des preußischen Ordensmeisters Paul von Rußdorf eine Aussöhnung zu Stande, wodurch der Hansa alle seit hundert Jahren erworbenen Freiheiten bestätigt wurden. Einige Jahre darauf folgte wieder die Erneuerung der Parlamentsakte, welche den freien Handel der Fremden unter einander verbot und jedem fremden Handelsmann in seinem Hauswirte einen Aufseher gab, der dessen Ein- und Verkauf zu verzeichnen hatte. Innerhalb eines Jahres hatte die Hansa die Aufhebung dieser Akte wieder durchgesetzt, während die Kapereien von Seiten des englischen Adels und Handelsstandes ununterbrochen fortdauerten. Im Jahre 1458 nahmen sie 16 Lübische nach Spanien bestimmte Kauffahrer auf einmal. Die Zerstörung Bergens und die Vertreibung der Engländer von dort durch Bartel Voet gehört ganz und gar mit ihren Beweggründen und Absichten in diesen Kampf. Auch die Hansen, und insbesondere Lübeck und Danzig, versäumten nicht, auf offener See gewaltsam zuzugreifen, und insbesondere erwarb ein Danziger Seeheld, Paul Beneke, in diesem Kaperkriege bei den Engländern einen gefürchteten und bei der Hansa einen gefeierten Namen. Heinrich VI. versuchte dieselbe Politik, wodurch die dänischen Könige die Hansa in zwei Hälften zu spalten gewusst hatten. Er nahm der gesamten Hansa den Stahlhof und alle Freiheiten und ließ sie nur den Kölnischen Kaufleuten, doch blieb diese Stadt in ihrer Freundschaft zu den Engländern allein, alle anderen Städte dagegen blieben der wendisch-hansischen Politik treu.

Im Jahre 1472 wurde der Kaperkrieg heftiger, als je. Die Engländer raubten an der holländischen, die Danziger an der englischen Küste, und die Hamburger und Bremer landeten mit einer Kriegsflotte in England, verheerten die Küsten tief ins Land hinein, hängten jeden Engländer auf, der in ihre Hände fiel, und kehrten mit reicher Beute zurück. Endlich erfolgte durch Karls des Kühnen Vermittelung ein längerer Friede im Jahre 1473 zu Utrecht. Den Hansen wurden die Privilegien erneuert, als Schadenersatz der Stahlhof in London und die Komptorgebäude zu Boston und Lynn als Eigentum zurückgegeben und außerdem 10.484 Lvs. als Schadenersatz versprochen; alle Beschwerdepunkte und insbesondere die Zollplackereien sollten abgestellt werden. Die Stadt London versprach, die hansischen Freiheiten anzuerkennen, auch wenn sie den städtischen widersprechen würden. Dagegen musste jetzt die Hansa den Engländern den freien Ostseehandel einräumen. Dieser Vertrag blieb zwar im Wesentlichen bis zu Elisabeths Regierungszeit bestehen, mit ihm blieben aber auch alle Streitpunkte, und der Kampf dauerte, wenn auch weniger heftig und gewalttätig, doch ununterbrochen fort, bis er endlich durch Elisabeth in der gänzlichen Niederlage der Hansa ein Ende fand.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansa als deutsche See- und Handelsmacht