Die Handelsverhältnisse des Bundes in England

Ganz anderen Bedingungen war der deutsche Handel in England unterworfen. Standen die Deutschen in den Niederlanden einem in jeder Beziehung gleichgewachsenen, mit den trefflichsten staatlichen und städtischen Einrichtungen ausgerüsteten Volke gegenüber, so fanden sie in England staatliche Verhältnisse, die sich kaum aus dem Rohesten entwickelt hatten, eine Volkswirtschaft, die dem Welthandel nur wenige leicht zu gewinnende Rohstoffe bieten konnte, dagegen einer ungemessenen Zufuhr an allen Dingen bedürftig war, eine Bevölkerung, die ausgerüstet mit allen Gaben, wodurch Deutsche und Niederländer sich auszeichneten, berufen zu einer großen Zukunft und hervorragenden Stellung auf wirtschaftlichem Gebiete, noch aller Mittel und Fähigkeiten zu einer selbstständigen Teilnahme am Welthandel, zu einer nur den eigenen Bedürfnissen genügenden Gewerbstätigkeit ermangelte, eine Regierung, die stets in auswärtige kostspielige Eroberungskriege verwickelt war und nur auf glänzende Eroberungen und Siege die eigenen und des Volkes beste Kräfte gerichtet hielt. Aus solchen Verhältnissen ergab sich die Stellung der deutschen Kaufleute von selbst. Sie begriffen auch dieselbe so rasch und gut und wussten sie durch ihre Überlegenheit an Geld und geistigen Mitteln so klug und erfolgreich aufrecht zu erhalten, dass sie mit Hilfe dieser stets hilfs- und geldbedürftigen Könige und Adligen gegen das unaufhaltsam in trotziger Kraft widerstrebende englische Bürgertum die stets bestrittene Handelsherrschaft Jahrhunderte hindurch behaupten konnten, bis der innere Verfall des Bundes, seine veränderte Stellung im Welthandel, die mittlerweile erstarkte Bildung und Kraft des englischen Volkes und die ganz in ihr Gegenteil verwandelte Wirtschafspolitik der Regierung die fremden Fesseln auf immer abwarf, um später in diesem nördlichen Europa die englische Handelsherrschaft an die Stelle der deutschen zu erheben.

Seit dem Übergang der Angelsachsen nach England hörte wohl eine Handelsverbindung zwischen den britischen Gebieten dieser Angelsachsen und den deutschen Küsten der Nordsee niemals auf, doch finden wir die ersten urkundlichen Spuren des deutsch-englischen Handels erst aus der Zeit des normannischen Königs Heinrich II. (1151 — 1189). Von diesem, wie von Richard Löwenherz, Johann ohne Land, von Heinrich III., Eduard I. und allen folgenden Königen haben wir eine Reihe von Freiheitsbriefen und Bestätigungen für die Kaufleute der deutschen Hansa, welche uns wenigstens im Allgemeinen ihre Stellung in England und in London erkennen lassen. Im 12. und 13. Jahrhundert sind es noch die westlichen Städte der Nordsee, die rheinländischen und westphälischen, welche, sich stützend auf eine althergebrachte Verbindung und befreite Stellung, in England Handelsrechte in Anspruch nehmen, nicht ohne Widerspruch gegen die östlichen Städte, die Österlinge, insbesondere gegen Lübecks und der wendischen Städte Eindringen. Köln steht hier im Alter der Handelsverbindungen und im politischen Ansehen den übrigen Städten bis zum 14. Jahrhundert weit voran. Heinrich II. sicherte ihren Kaufleuten auf dem Markt von London den Verkauf von französischen Weinen zu drei Pfennigen für ein damals übliches Maß und den königlichen Schutz im ganzen Reiche, forderte die königlichen Beamten und Diener auf, sie mit ihrem Eigentum gleich den eigenen Getreuen und Untertanen zu halten, und erstreckte dieses Schutzversprechen auch auf ihr Haus in London, Gildhalle und auf alle ihre Handelswaren gegen Bezahlung der rechten Zölle. Dagegen schrieb derselbe König im Jahre 1176 an die Stadt Lübeck: „Er habe gehört, dass die Kaufleute von Lübeck und andern deutschen Städten sein Reich besuchen wollten, er verspreche ihnen Schutz und Gunst und alle Gewohnheiten und Freiheiten, welche sie schon zur Zeit seiner Vorfahren genossen hätten; er befreie ihre gestrandeten Schiffe vom Strandrecht, so lange noch ein lebender Mensch sich auf denselben befinde.“ Den Kölnern erließ wieder König Richard eine Abgabe von der Gildehalle, und erlaubte ihnen, alle Märkte seines Reiches zu besuchen. Die folgenden Könige Johann, Heinrich III. und Eduard I. bestätigen dieses. Auf der andern Seite gewannen auch die östlich gelegenen deutschen Städte mit Lübeck an der Spitze dieselben Privilegien. Die Kaufleute von Braunschweig erhielten im Jahre 1230 von Heinrich III. das Recht des freien Handels und Wandels, unter der Bedingung, dass sie sich durch ein schriftliches Zeugnis als die Leute des Herzogs Otto von Braunschweig ausweisen könnten. Die Kaufleute von Gothland erwarben im Jahre 1237 dieselbe Gunst und eine Befreiung vom Zoll bei Ein- und Ausfuhr. Die von Lübeck wurden im Jahre 1257 in besonderen königlichen Schutz genommen; ihre Güter sollten nie gegen ihren Willen für des Königs Bedürfnis weggenommen und Niemand von den Lübeckern wegen der Schulden Anderer in Anspruch genommen werden, es sei denn der Lübecker Bürge geworden oder die Stadt Lübeck habe den Untertanen des Königs das Recht verweigert. Dazu erwarben Lübeck und Hamburg die Erlaubnis, gegen Zahlung der gebührenden fünf Schillinge überall im Reiche ihre eigene Hansa gleich den Kaufleuten von Köln zu haben.


Trotz dieser Fortschritte auch der österschen Städte sehen wir während des 13. Jahrhunderts die niederrheinischen und westphälischen Städte, namentlich Köln und Tiel, im älteren Besitze von Vorrechten, jenen mancherlei Hindernisse im englischen Verkehr bereiten. Lübeck klagte deshalb im Jahre 1226 beim Kaiser Friedrich II., der sie darauf in besonderer Urkunde für die Fahrt nach England von allen Missbräuchen und Handelsbeschwerungen befreit, welche Köln, Tiel und deren Genossen gegen sie aufgebracht haben, und ihnen mit jenen gleiche Freiheiten verheißt. Doch blieben hier die westlichen Städte in entschieden hervorragender Stellung, auch nachdem schon die Einzelhansen zu einer Gesamthansa ,,der deutschen Kaufleute in London sich aufhaltend“ umgewandelt und Hamburg, Bremen und Lübeck darin aufgenommen waren. Diese gemeinsame Hansa erscheint zuerst im Jahre 1282 in einem Streite zwischen den „Kaufleuten von der Hansa Deutschlands“ (mercatores de Hansa Almannie) und der Stadt London. Die Stadt behauptete, die Kaufleute dieser deutschen Hansa seien in den Besitz gewisser Freiheiten nur gekommen unter der Bedingung, dass sie für die Erhaltung des damals sehr baufälligen Bischofstores sorgten. Der vom König ernannte Untersuchungsrichter entschied für die Stadt, die Vorsteher der Hansa bewilligten im Namen dieser auch sogleich 240 Mark Sterling, und versprachen, das Tor in Zukunft stets in gutem Stand zu erhalten und im Falle der Not die Bewachung zu einem Drittel der Mannschaft zu übernehmen. Dafür erhielten sie mit der Bestätigung der alten Freiheiten das Recht, einen eigenen selbstgewählten Aldermann wie früher zu haben, der aber Bürger von London und von der Obrigkeit dieser Stadt beeidigt sein müsse. Die Unterschriften dieser Urkunden enthalten neben Bürgern von Köln, Dortmund und Münster nur aus den östlichen Städten einen Hamburger. Königliche Urkunden gebrauchen erst im Jahre 1315 und 1320 die Bezeichnung „Kaufleute der deutschen Hansa, in England sich aufhaltend.“

Bis zum 14. Jahrhundert hatten die deutschen Kaufleute keineswegs schon eine Ausnahmestellung vor den übrigen Fremden in England gewonnen, sondern die königlichen Freibriefe wurden allen gemeinsam gegeben, doch mit Voranstellung der „Hansa der deutschen Kaufleute“. So erwarben im Jahre 1303 von Eduard I. die Kaufleute aus Deutschland, Frankreich, Spanien, Portugal, Navarra, Lombardei u. s. w. gemeinsam den wichtigen Freibrief, der ihnen Allen im englischen Reiche Schutz und sicheres Geleit zusichert, ihre Waren von Brücken-, Mauer- und Pflastergeld befreit, einen unbehinderten Großhandel mit Eingebornen und Fremden, den Kleinhandel mit Krämerwaren und Gewürzen, unbehinderte Ein- und Ausfuhr gegen Bezahlung der üblichen Zollabgaben gestattet. Sie dürfen sich im Reiche mit ihren Waren aufhalten, wo und wie lange sie wollen, und entsteht wegen eines abgemachten Handelsgeschäfts ein Streit, so soll derselbe nach dem Rechte des Ortes entschieden werden, wo der Vertrag geschlossen wurde. Werden ihnen unter dem Vorwande eines Notzustandes Waren genommen, so soll der volle Wert derselben sogleich ausbezahlt werden, oder ihnen sonst zu ihrer Befriedigung Genüge geschehen, auch sollen weder der König noch seine Diener ihren Waren den Preis setzen. Ihre Rechtssachen sollen in allen Städten und Flecken des Königs von den Beamten und Marktaufsehern binnen Tagesfrist nach dem Kaufmannsrecht, soweit dies tunlich ist, erledigt, jede Nachlässigkeit, bestraft und der entstandene Schaden ersetzt werden. Bei solchen Rechtssachen, Verbrechen gegen Hals und Hand ausgenommen, soll überall, wo die hinlängliche Anzahl Kaufleute aus den genannten Ländern beisammen ist, das Gericht halb aus den Kaufleuten, halb aus unbescholtenen Männern des Ortes zusammengesetzt sein. In allen Märkten soll an einem bestimmten Orte eine öffentliche Wage aufgerichtet und dem Käufer und Verkäufer die Richtigkeit und Gleichheit der Wagschalen und des Wagbalkens gezeigt werden, der Wäger soll beim Wägen die Hand von der Wage wegtun und im ganzen Reich einerlei Gewicht und Maß sein, mit königlichem Stempel versehen, doch darf Jeder 25 Pfund und darunter mit eigener Waage abwägen, wo es nicht älteren örtlichen Freiheiten entgegen ist. In London wird ein erprobter Mann bestellt, der die Schuldklagen der Kaufleute allein zu erledigen hat, und welcher Richter sich in der Erfüllung seiner Pflichten gegen die Kaufleute säumig beweist, wird bestraft. Alle diese Freiheiten sollen von den Nachfolgern des Königs bestätigt und durch keine dawiderlaufenden beeinträchtigt werden.“ Dagegen mussten die Kaufleute neue Zollabgaben dem stets geldbedürftigen König bewilligen, bei der Einfuhr von jedem Fass Wein 2 Schilling, bei der Ausfuhr von jedem Sack Wolle 40 Pfennige Aufschlag, außer dem alten Zoll von ½ Mark, von jeder Last Leder oder Felle ½ Mark, von dreihundert Schaffellen 40 Pfennige, von jedem Scharlachtuch 2 Schillinge, von gröberem Tuch 12 bis 18 Pfennige, von einem Zentner Wachs 12 Pfennige, von allen übrigen Waren von jedem Pfund Silbers Wert 3 Pfennige, alles dieses neben dem alten Zoll.

Diesen Freibrief machten von jetzt an die deutschen Kaufleute zu dem Mittel- und Zielpunkte ihrer Handelspolitik in England. Zunächst hatten sie dadurch vor anderen fremden Kaufleuten nichts voraus; da aber nach und nach die Zölle erhöht und die verliehenen Freiheiten geschmälert wurden, so mussten sich die Kaufleute der andern Reiche, die ein festes Zusammenstehen nicht kannten, allen Veränderungen unterwerfen und kamen in immer nachteiligere Handelsverhältnisse, während die mächtige deutsche Hansa auf Grundlage jenes Freibriefes die gewonnene handelspolitische Stellung mit allen Mitteln der Staats- und Finanzkunst noch lange zu erhalten wusste. Freilich wurden diese von Regierung zu Regierung gemehrten Freiheiten und deren Inhaber dem aufstrebenden englischen Bürgertum um so verhasster und drückender, dieses in dem Widerstand gegen die deutsche Handelsherrschaft von Jahrzehnt zu Jahrzehnt heftiger und gewaltsamer. Doch die Könige blieben der Hansa noch lange gewogen und zugleich von ihr abhängig, denn nur von den hansischen Kaufleuten konnten sie allein zu jeder Zeit Geld erhalten, und die Kaufleute waren klug genug, solches nie zu verweigern, wenn mit Bestätigung und Mehrung der Freiheiten bezahlt wurde. Eduard III. erhielt im Jahre 1369 ein Hilfsgeld von 100 Pfund Sterling, „aus freiem Willen, ungenötigt noch gezwungen durch Recht oder Herkommen und ohne Folge für die Zukunft.“ Auch tatsächliche Hilfsleistungen im Kriege mit Schiffen und Zufuhren von Kriegsbedürfnissen verweigerten die Hansen nicht, nur wollten sie dergleichen nicht zur gebotenen Pflicht werden lassen. In der Könige Interesse lag es, dass die Ausfuhr und Einfuhr der Hansa möglichst bedeutend blieben, denn die daraus fließenden Abgaben bildeten ihre sicherste und reichhaltigste Einnahmequelle, wahrend die Produktion und der Ausfuhrhandel der Untertanen tief darniederlagen und noch lange nicht eine Aussicht auf ausgiebige Einnahmen versprachen. Die englischen Könige konnten noch nicht daran denken, eine Handelspolitik, welche später England zur Handelsherrschaft emporheben half, jetzt schon gegen den deutschen Handel in Anwendung zu bringen, durch Erschwerung und Absperrung der fremden Ein- und Ausfuhr die Wirtschaft des eigenen Volkes, Gewerbe, Handel und Schifffahrt der eigenen Städte und Seehäfen langsam, doch sicher emporzubringen und mit Verzichtleistung auf die Gegenwart eine für die Zukunft um so reichere Einnahmequelle auf die Wohlfahrt des eigenen Landes zu begründen. Derselbe König, der allein in jener früheren Zeit, in Folge eines Vorfalls in Sluys mit Verboten gegen die Kaufleute der deutschen Hansa vorging, derselbe Eduard III. befestigte später am meisten ihre Stellung und ließ sie aus allen Streitigkeiten sieg- und erfolgreich hervorgehen.

Im Jahre 1344 hatte ein Kölner Bürger einen Abgeordneten Eduards III. auf der Heimreise von Rom gefangen genommen. Da der König vergeblich bei der Stadt Köln Genugtuung verlangte, ließ er die Güter des Erzbischofs von Köln und aller bei diesem Friedensbruche Beteiligten mit Beschlag belegen. Als aber unter solchem Vorwande auch Güter der Stadt Dinant, welche zur Diözese des Bischofs von Lüttich gehörte, angehalten wurden, gab der König diese sogleich frei, da die Geschädigten bewiesen, dass sie zur deutschen Hansa in England und zu denen gehörten, welche die Gildehalle in London besitzen. Zwei Jahre später wurde derselbe Ausspruch für alle Mitglieder der Hansa in England wiederholt, denn sie hatten das Recht, für die Schuld Dritter nicht in Anspruch genommen zu werden. Im Jahre 1346 wurde das Schiff eines englischen Kaufmanns von Seefahrern aus Greifswald, Stralsund und Lübeck an der englischen Küste überfallen, ausgeplündert und nach Stralsund geführt, wo man demselben Könige Zurückgabe und Schadenersatz verweigerte. Der König befahl, alle Güter- der Kaufleute dieser drei Städte bis zum Belaufe von 300 Pfund mit Beschlag zu belegen, mit Ausnahme der Güter, welche Gliedern der deutschen Hansa in London gehören. Die Beamten von Boston und Ravennes nahmen nun lübischen Kaufleuten Waren im Belang von 380 Pfund, vorgebend, diese hätten ihre Teilnahme an der deutschen Hansa in London nicht behauptet. Die Beraubten aber wandten sich dagegen an des Königs Kanzleigericht, das auch auf königliche Anordnung sogleich eine Untersuchung anstellte, die Eigentümer als Mitglieder der Hansa von jeder Entschädigungspflicht freisprach und ihnen alle Waren wieder zurückgeben ließ.

Denselben Vorschub fand die deutsche Hansa beim Parlament. Nach einer Parlamentsakte vom Jahre 1335 hatte sich Eduard III. darüber beschwert, dass ihm und seinen Untertanen zu großem Schaden einige Einwohner von Städten, Flecken und Seehäfen nicht dulden wollten, dass fremde Kaufleute Güter bei ihnen einführen, die doch andern Untertanen unentbehrlich und nützlich seien, zumal die Einheimischen dieselben teurer verkauften als die Fremden. Daraufhin wurde beschlossen, dass diese Fremden, wie die Eingebornen, Korn, Wein, Fleisch, Fische und andere Lebensmittel, Wolle, Tuch und andere Waren, woher sie kommen mögen, in Städten, Flecken, Häfen, auf Messen und Märkten überall frei kaufen und verkaufen und die Privilegien der Städte und Märkte zum Nachteile des Königs, der Prälaten, der Barone und Großen keine Kraft haben sollen. Dasselbe Gesetz wurde im Jahre 1350 erneuert und auf den Kleinhandel der Fremden ausgedehnt. Eine andere Parlamentsakte unter demselben König verordnet über Kauf- und Verkauf der Fremden an den Stapelplätzen, über Beschaffenheit und Verpackung der Wolle und stellt fest, dass, im Falle von Streitigkeiten, bei einem Handelsgeschäfte sechs Richter, zwei Deutsche, zwei Lombarden und zwei Engländer gewählt werden sollen; haben die fremden Kaufleute eine Klage, so sollen sie zwei aus ihrer Mitte ernennen, welche mit dem Mayor und den Constables dieser Stapelstädte entscheiden. Aus diesen Akten sehen wir, wo und wie die fremden Kaufleute Schutz gegen das Widerstreben und die Feindseligkeiten der englischen Gemeinden fanden. Die Könige verbanden sie sich durch Geld- und Hilfsleistungen, durch Zollabgaben und die Gelder, womit sie die Erneuerung ihrer Freiheitsbriefe auf drei oder fünf Jahre erkauften, durch freiwillig gegebene Geldzuschüsse und Darlehne, denn auch die Könige von England versetzten, wie z. B. Eduard III. im Jahre 1344, gleich den Königen von Dänemark, selbst die Königskrone den hansischen Kaufleuten. Die landbesitzende Geistlichkeit und den Adel fesselten die Kaufleute teils durch ähnliche Geldvorschüsse, teils dadurch, dass sie die sichersten und zahlungsfähigsten Abnehmer für die Erzeugnisse ihrer Landgüter, für Wolle, Felle und Leder, Hörner, Fleisch- und Fettwaren, Getreide, für das Zinn der Bergwerksbesitzer waren, und dagegen den prachtliebenden und glanzbegierigen Großen alle Gegenstände des Luxus und der adligen Bedürfnisse zuzuführen vermochten, zu welchem Allen die geldarmen und ungebildeten englischen Handels- und Gewerbsleute damals noch ganz und gar unfähig waren. — Im 14. Jahrhundert hatten sogar die hansischen Kaufleute den Betrieb der englischen Bergwerke im ausgedehntesten Maße in die Hand genommen. Im Jahre 1347 bestätigte Eduard III. einen Vertrag, wodurch sein ältester Sohn, der Prinz von Wales, dem Tideman Lymburgh die Zinnbergwerke des ganzen Herzogtums Cornwallis auf 3 ¼ Jahr unwiderruflich zur Benutzung übergab; alles Zinn, welches im Herzogtum Cornwallis und in der Grafschaft Devonshire gewonnen und verkauft wird, hatte Tideman darnach das Recht, zu kaufen. Die Einkünfte des Prinzen aus diesen Bergwerken hatte er einzunehmen und davon zu Westminster die Rechnung zu legen, dafür aber von Johannis bis Michaelis dem Prinzen 1.000 Mark, für jedes der drei folgenden Jahre in drei Fristen, zu Ostern, Johannis und Michaelis, zu gleichen Teilen 3.500 Mark zu entrichten.

Nach diesen Verhältnissen richtete sich die Handelspolitik der englischen Regierung und des Parlaments. Dem Scheine nach war diese eine Freihandelspolitik, in der Tat das gerade Gegenteil, doch nur zum Vorteil der Fremden und der eigenen Finanzen. Die Freihandelspolitik sieht in der Freigebung des Verkehrs für alle nicht besondere finanzielle Zwecke für die Regierung, sondern will allein so viele Untertanen, wie nur möglich, an diesem Verkehr und seinen Früchten teilnehmen lassen und den aus dieser Arbeitsbefreiung erblühten allgemeinen Wohlstand des Reiches als sicheren und ausgiebigen Fruchtboden einer verständigen und nachhaltigen Staatswirtschaft zu Grunde legen. Die Zollabgaben, welche die Freihandelspolitik an den Grenzen gestattet, sollen nicht einseitig die Regierung bereichern, noch aus alleiniger Rücksicht auf die Staatseinnahmen so hoch wie möglich geschraubt werden, sondern der Grundsatz allein darf leiten, dass die Zölle möglich wenig den Verkehr behindern, und die daraus erzielten Einkünfte nicht zu fremden Zwecken, sondern zur Hebung der gesamten Volkswirtschaft, des Verkehrs und der Verkehrsmittel, zur Besserung und Sicherung der Land- und Flussstraßen u. s. w. verwendet werden. Die Handelspolitik der englischen Könige aber suchte nur finanzielle Vorteile und legte den Nachdruck auf die aus einem begünstigten Freihandel am sichersten erzielten Zollabgaben. Sie dachte nicht daran, die Zolleinnahmen zu irgend etwas Anderem als zu eigenen politischen Zwecken zu verwenden, und war gänzlich unbekümmert um das Wohl und Wehe des Volkes, das auf eigenem Boden unter den ungünstigsten Bedingungen den in Handelsmitteln und Bildung weit überlegenen Fremden gegenüberstand. Statt dessen verkaufte und bestätigte sie um Geld den Hansen die jetzt immer drückender werdenden Vorrechte zum größten Nachteil des eigenen Volkes, betrachtete nicht den Gesamtverkehr des Landes als das einzige Mittel eines sicheren Wohlstandes, sondern als die ausgiebigste Quelle für die eigenen Finanzen. Sie ging so weit, dass sie zeitweilig den eigenen Untertanen die Ausfuhr der Stapelwaren Englands, Wolle und Tuch, Zinn, Leder und Felle verbot und nur den Fremden erlaubte, überhaupt alle Einrichtungen in Bezug auf diese Ausfuhr so traf, dass die Fremden jede Erleichterung, die Einheimischen nur Behinderung erfuhren. Verschiedene Hafenstädte, welche die Fremden mit ihren Schiffen leicht erreichen konnten, wurden als Stapelplätze bestimmt, wohin allein alle auszuführenden Stapelwaren, insbesondere die Wolle, gebracht werden musste. Als auswärtigen Wollstapel bestimmte der König statt Brügge den Markt von Calais, und nahm seinen Untertanen einen Eid ab, dass sie nie einen andern Stapel jenseits des Meeres suchen wollten. Trotz alledem erhoben schon im 14. Jahrhundert die aufstrebenden englischen Gemeinden eine gefährliche Mitwerbung gegen die Kaufleute der deutschen Hansa und schlossen sich gleich diesen in Gesellschaften zusammen, um mit vereinter Kraft und Kapital wirken zu können. Zuerst drängten sie sich in die Stapelgesellschaft der fremden Kaufleute, welche den Handel mit den englischen Stapelwaren an sich gerissen hatten, und führten diese Waren gegen das offene Verbot des Königs und des Parlaments selbst aus. Eduard III. erlaubte erst gegen Ende seiner Regierung den Untertanen die Ausfuhr der Stapelwaren unter denselben Bedingungen wie den Fremden. Damals schon begann eine nur aus Engländern bestehende Gesellschaft eine kaufmännische Wirksamkeit, die im Laufe der folgenden Jahrhunderte dem Handel der Hansa und ihrer bevorrechteten Stellung allmählich den Boden unter den Füßen wegziehen sollte. Die Gesellschaft von Thomas Becket, später die Adventurers oder die wagenden Kaufleute genannt, bildete sich damals zunächst zur Betreibung des englischen Tuchhandels, der freilich im 14. Jahrhundert nur halbfertige und ungefärbte Stoffe ausführte und bis dahin ganz in den Händen der Hansischen war. Bestimmtere Nachrichten über die Fortschritte dieser Gesellschaft haben wir erst aus dem folgenden Jahrhundert.

Über die inneren Verhältnisse der Hansa in England berichtet am ausführlichsten das Schreiben vom Jahre 1303, worin die deutsche Hansa in London der Stadt Rostock dankt, dass diese ihrem Versprechen gemäß den Hafen der Stadt Lynn von ihren Kauffahrern nicht mehr hat besuchen lassen, dagegen hätten Schiffe aus Stralsund, Wismar und Lübeck, trotz des Versprechens, durch Besuch jenes Hafens den gemeinsamen Beschluss der Hansa vernichtet. Diese Schiffer und Kaufleute seien deswegen auch aus der Hansa Recht und Freiheiten gestoßen worden und auch Rostock und die andern Städte sollten die Übertreter zum warnenden Beispiel für andere und zum gebührenden Rechte für die gemeinsame Strafkasse bestrafen. Die Stadt Lynn hatte nämlich den Hansagenossen, wenn sie mit Fischen, Tüchern, Honig und anderen Waren dorthin kamen, jeden Tausch mit den Fremden untersagt, kein Hansagenosse sollte weniger als zehn Stücke Wachs, tausend Stücke Pelzwerk, zehn Tonnen Stockfisch auf einmal verkaufen. Auch machten die Bürger von Lynn, wenn von Norwegen ein Schiff mit Heringen ankam, das Vorkaufsrecht geltend, ließen die von Deutschen eingeführten Mühlsteine nicht außerhalb der Stadt verhandeln, noch gekauftes Getreide dort niederlegen, schmälerten die ausbedungene Bezahlung oder brachten gekaufte Waren zurück, nahmen zu willkürlich festgesetzten Preisen Waren mit Gewalt angeblich zu des Königs Bedürfnis, erhoben doppelte Auflagen und Zölle u. s. w. ?? So sehen wir hier auf der einen Seite den zu Gewaltsamkeiten stets geneigten Hass der englischen Gemeinden, auf der andern Seite ein entschiedenes und kraftvolles Zusammenstehen und Handeln der Hansa als einer fest geschlossenen Gesellschaft.

Von einem Handel der Deutschen mit Schottland wissen wir aus diesem Zeitraum, obwohl die erste Nachricht schon vom Jahre 1297 ist, wenig. Die fortwährenden Kriege zwischen England und Schottland, die meistens zu Seeräubereien ausarteten, machten diesen Verkehr oft ganz unmöglich. Von einer hansischen Niederlassung in Schottland haben wir zu keiner Zeit Nachricht. Der Warenaustausch zwischen Schotten und Deutschen, der niemals aufhörte, fand meistens auf den flandrischen Märkten statt. Ebenso gestaltete sich das Handelverhältnis der Deutschen zu Irland, wohin auch, doch in dieser Zeit noch in höchst unbedeutender Weise, die deutsche Schifffahrt sich erstreckte.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Hansa als deutsche See- und Handelsmacht