Die Hansa als deutsche See- und Handelsmacht

Volkstümliche Bilder und Erzählungen aus Deutschlands Vergangenheit und Gegenwart.
Autor: Falke, Johannes Dr. (1823-1876) deutscher Archivar, Historiker und Publizist, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Hansezeit, Hanse, Hansa, Städtebund, Hansestadt, Handelsstadt, Küstenländer, Lübeck, Hamburg, Rostock, Wismar,
Nachrichten über den Verfasser. Nach brieflichen und mündlichen Mitteilungen zusammengestellt von Ferdinand Schmidt.

Die Häuslichkeit, der Johannes Falke (geb. 1823) entstammt, ist den Lesern der National-Bibliothek bereits in den Nachrichten über das Leben und den Bildungsgang Jacob Falk’s, seines Bruders, vorgeführt worden. Wie Letzterer, machte er das Gymnasium seiner Vaterstadt durch und bezog darauf die Universität Erlangen, auf der er sich, angeregt durch ausgezeichnete Männer, für das Studium der Geschichte entschied. Mangel an äußeren Mitteln nötigte ihn, Ostern 1848 eine Hofmeisterstelle in Feuchtwangen anzunehmen. Doch in der Rechnung, dass ihm die übernommenen Pflichten Muße zur Fortsetzung der historischen Studien lassen würden und ihm so als Mittel zur Erreichung seines Zieles dienen könnten, fand er sich vollständig getäuscht. Vier Zöglinge von verschiedenem Alter nahmen von Morgens 7 Uhr bis Abends 8 Uhr seine volle Tätigkeit in Anspruch und ließen ihm kaum zur nötigen Erholung, geschweige denn zu weiteren geistigen Anstrengungen Zeit. Dazu bot das Städtchen weder Bücher noch Umgang, und das Einzige, was in diesen Verhältnissen ansprechen konnte, war die Liebenswürdigkeit der Familie, in der er sich befand.

Johannes Falke sollte jedoch nicht lange in einer Lage bleiben, die nur zu geeignet war, seine Kräfte aufzureiben und ihm die Fortsetzung der historischen Studien vielleicht auf immer unmöglich zu machen. Eine Hofmeisterstelle in dem Hause des Botanikers Geheimen Rats von Martius in München gewährte ihm Alles, was er sich lange sehnlichst und immer vergeblich gewünscht hatte. Es wurde ihm hier der zehnjährige einzige Sohn des berühmten Reisenden und Naturforschers zur Erziehung und zum Unterricht anvertraut, und da dieser Sohn nach dem Willen der Eltern auch die Lateinschule besuchte, blieben dem Erzieher Stunden und Tage genug, um sich mit Eifer und Erfolg dem Studium der historischen Wissenschaften hingeben zu können. Durch die bereitwillige Hilfe des Herrn von Martius stand ihm die reiche Münchener Staats-Bibliothek nach Bedürfnis offen. Außerdem bot ihm das Haus des Geheimen Rats, das damals einen der glänzendsten und geistreichsten Mittelpunkte der Münchener Gelehrten- und Künstlerwelt bildete, geistige Anregung und Gelegenheit genug zu einer umfassenderen Ausbildung des Geistes und Gemütes, und zugleich machte es ihm die Stellung in diesem Hause möglich, auch in die Häuser und Familien anderer bedeutender Männer der Universität: des Hofrat von Thiersch, von Vogel, des Professor Schmeller u. A. eingeführt zu werden. Die Zeit, die seine Pflichten ihm übrig ließen, widmete er vor Allem dem fortgesetzten Studium der deutschen poetischen und prosaischen Literatur des Mittelalters, dem Studium der politischen Geschichte und der Staatswissenschaften, wie der Geschichte der darstellenden Künste, wozu ihm München mit seinen reichen Sammlungen und geistreichen Künstlergesellschaften Stoff und Anregung an die Hand gab. Einige Jahre hindurch ließ er auch, angeregt durch das Studium und Übertragen der mittelalterlichen Dichter, seiner poetischen Gabe, die er im eifrigen Verfolgen der Wissenschaft bis dahin stets unterdrückt hatte, freieren Laus und kam dadurch in zwar vorübergehende, doch anregungsvolle Verbindung mit Emanuel Geibel; es herrschte indes die Neigung für das Erforschen und Darstellen der deutschen Geschichte in ihm zu sehr vor, als dass er lange dem Hange zur Ausübung der Dichtkunst hatte nachgeben können. Nachdem sein Schüler in eine technische Schule übergetreten war, kehrte Johannes Falke auf einige Zeit in seine Heimat zurück. Die Überbleibsel der früheren Dom- und Gymnasial-Bibliothek zu Ratzeburg boten ihm mährend seines Aufenthaltes, den er zwischen Lübeck und Ratzeburg teilte, mancherlei Mittel zur Ergänzung seines historischen Wissens und zur Vorbereitung für spätere schriftstellerische Arbeiten. Doch dauerte dieser Aufenthalt länger, als er gehofft hatte, und er hatte jetzt Gelegenheit, alle die Schwierigkeiten kennen zu lernen, welche sich dem anfangenden Schriftsteiler ohne Namen, ohne amtliche Stillung und Verbindung entgegenstellen. Mit großer Freude und schnellem Entschlusse folgte er deshalb einer Aufforderung des Freiherrn von und zu Aufseß, der ihm an dem damals noch sehr jungen germanischen National-Museum in Nürnberg, wo sein Bruder Jakob schon seit einem halben Jahre tätig war, die Stellung eines ersten Sekretärs anbot und ihn dadurch zu einer praktischen Tätigkeit berief. Im September des Jahres 1855 siedelte er nach Nürnberg über.

Nachdem Johannes Falke drei Jahre lang das genannte Amt verwaltet hatte, trat er als Konservator der Handschriftensammlung in die Bibliothek des Germanischen Museums über. Das glückliche Fortschreiten des Museums, die rastlose, unverwüstliche Tätigkeit des Vorstandes, die reiche Fülle des täglich vorliegenden Stoffes, die Anregung, welche die ganze aufstrebende Stellung der Anstalt wirkungsvoll ausübte, das glückliche und seltene Zusammentreffen so vieler strebsamen und jungen Gelehrten — alles dieses regte in diesem kleinen Kreist zu einer Arbeitsfreude und einem Wetteifer an, der unmöglich in den amtlich aufgetragenen Arbeiten sein Genüge finden konnte, sondern unwiderstehlich zur Vollendung größerer Arbeiten, zur umfänglichsten Benutzung der gebotenen Hilfsmittel und Gelegenheiten antrieb. Vor Allem war es der Gedanke einer deutschen Kulturgeschichte, welcher inmitten der vielseitigsten, wenn auch noch nicht reichhaltigen Sammlungen einen freudigen und folgenreichen Widerhall fand. Falke kam sogleich nach den ersten Monaten seines neuen Aufenthaltes mit Dr. J. H. Müller, dem die numismatische Abteilung der Kunstsammlungen des Germanischen Museums übergeben war, in vertraute Freundschaft, welche alsbald mit dem Schluss des Jahres 1855 die Begründung einer kulturgeschichtlichen Zeitschrift, wozu jener schon einige einleitende Vorbereitungen getroffen, zur Folge hatte. Die Buchhandlung Bauer & Raspe (Julius Merz) in Nürnberg erbot sich zur Verlagsübernahme, eine Anzahl rühmlichst bekannter Geschichtsforscher, (darunter Karl Biedermann in Weimar und Georg Brückner in Meiningen) sagten ihre Mitarbeiterschaft zu, und so konnte schon im Januar 1856 das erste Heft, eingeleitet durch eine Abhandlung von Johannes Falke über die Bedeutung der Kulturgeschichte, ausgegeben werden. Vier Jahre führten die beiden Herausgeber die Zeitschrift fort, die zuerst diese Namen in weiteren Kreisen bekannt machte, ohne jedoch verhindern zu können, dass dieselbe mit so vielen andern gutangelegten fachwissenschaftlichen Zeitschriften das Los teilen musste, aus Mangel an zahlenden Abonnenten vom Verleger aufgegeben zu werden. Für Johannes Falke hatte diese Zeitschrift noch insbesondere den Vorteil, dass er hier zuerst in kleineren Aufsätzen den über die Geschichte der deutschen Volkswirtschaft, insbesondere über deutsche Handels- und Zollgeschichte gesammelten Stoff niederlegen konnte. In den Jahren 1859 und 1860 erschien von Johannes Falke „die Geschichte des deutschen Handels“, ein Werk, das großes Aufsehen erregte und wohl wesentlich dazu beigetragen haben mag, dass dem Verfasser ein Ruf von Dresden aus ward, wo er zur Zeit die Stelle eines Sekretärs an dem dortigen Hauptstaatsarchiv bekleidet.
Vorwort.

Die Geschichte des Volkes ist die Summe seines Lebens, und das Volk kennt sich selbst nur in dem Maße, in dem es sein durchlaufenes Leben kennt, seine gesamte Geschichte sich vergegenwärtigt. Nicht alle seine Kräfte und Eigenschaften offenbaren sich in einer und derselben Zeit, nicht alle seine Aufgaben werden zugleich oder in unmittelbarer Folge gelöst. Nach den Gesehen der Entwicklung menschlicher Natur gelangen oft erst in Jahrhunderte langen Zwischenräumen Kräfte eines Volkes zur Erscheinung und stellen sich in Tatsachen und Verhältnissen fest, die in seiner Natur und Begabung unmittelbar nebeneinander liegen. Wollen wir ein Volk in seinem ganzen Wesen und in der Summe seiner Gaben begreifen, so dürfen wir nie die Gegenwart allein, nie einen einzigen begrenzten Zeitraum, und selbst den der höchsten Blüte nicht, als genügende Grundlage ausschließlich betrachten, sondern wir müssen jede Tat, die aus der Natur des Volkes selbstständig und unmittelbar entsprungen ist, jedes Verhältnis das sich mit Notwendigkeit aus dem Zusammenstimmen und der freien Wechselwirkung innerer und äußerer Bedingungen ergeben hat, berücksichtigen. Kein Volk trat je auf einmal mit dem ganzen Umfang seines Wesens in die Erscheinung, aber auch kein Volk erzeugte jemals eine selbstständige Tat, ohne dass ihm nicht eine dauernde Kraft eingeboren wäre, die unter gleichen Verhältnissen und Bedingungen stets Gleichartiges wieder erzeugen könnte.

Deutschland hat keine einige Handelspolitik, keinen wirkungsvollen Einfluss auf das Meer und über die Meere, keine Kriegsflotte und keine Seemacht — ,,und weil Ihr dies Alles nicht habt,“ rufen selbstsüchtige Nachbarn uns zu, „so ist das Alles auch für Euch weder notwendig, noch möglich.“ Dass aber Deutschland durch Jahrhunderte in den nordeuropäischen Meeren die herrschende Seemacht gewesen ist, vergessen sie; und dass Deutschland dieses nur durch einen kleineren Teil seines Gesamtkörpers ohne Zutun von Kaiser und Reich — durch einen Städtebund — zu werden vermochte, das sollte doch genügen, um ebenso sehr die Möglichkeit wie die Notwendigkeit seines Berufes für das Meer zu beweisen.

Die Bedingungen, welche damals die deutsche Seemacht schufen und schaffen mussten, sind keineswegs himmelweit von denen verschieden, welche heute eine deutsche Seemacht fordern. Zwar von den Küstenstrecken, welche den Bund der deutschen Hansa räumlich umfassten, sind zur Zeit Holland und die russischen Ostseeprovinzen entfremdet, aber jenes trat schon mit dem Anfang des 15. Jahrhunderts in offne Feindschaft gegen den Bund, und diese waren stets mehr ein beherrschtes, als ein gleichberechtigtes Glied seiner Macht. Die dazwischen liegenden Küstengebiete, das eigentliche Vaterland der Hansa, sind deutsch wie damals und haben vor jenen Zeiten voraus, dass aus hundertfältiger Zersplitterung wenigstens größere Teile sich gebildet haben, und zwei deutsche Königreiche, das eine als europäische Großmacht, mit breiter Ufergrenze beide nördlichen Meere berühren. Die Städte der Hansa standen damals voran im nordeuropäischen Seehandel, Bremen und Hamburg haben auch heute nach den Welthäfen Englands die erste Stellung gewonnen; die deutsche Handelsflotte war damals die erste Europas, heute steht sie nur der englischen an Bedeutung nach. Warum sollte nicht wieder sein können, was schon einmal war? Die Notwendigkeit ist dieselbe, die Bedingungen sind nicht ungünstiger. Warum sollte dem vereinten Reiche nicht möglich sein, was vereinzelten Städten auf so großartige Weise gelungen ist? Deutschland vermag, wenn auch nicht Herrschaft, doch Macht zur See wiederzugewinnen.

Ich wählte die Darstellung der Hansa als der deutschen Seemacht im Mittelalter für die National-Bibliothek, weil nach dem Verfall dieses Bundes noch nie so allgemein, so klar und so dringend, wie heute, das Bedürfnis; nach der Wiederherstellung des leider Verlorenen und doch so Unentbehrlichen im deutschen Volke sich ausgesprochen hat. Dieser allgemeinen Stimme einen Dienst zu erweisen, habe ich, für Jedermann fasslich, das allmähliche Emporwachsen der Hansa, den Umfang und die Formen ihres Seehandels, die Zielpunkte und Mittel ihrer Handelspolitik, die Dauer und Art ihrer Seeherrschaft geschildert. Doch bemerke ich, dass ich die Entwicklung der einzelnen Städte und des Städtewesens als außerhalb dieser Darstellung liegend betrachtet und die Hansa nur als das handelspolitische Bündnis der norddeutschen Städte aufgefasst habe. Dass nach dem Ausgang des Mittelalters, warum und wie dieselbe verfallen musste, habe ich, weil es außerhalb der Zwecke dieser Darstellung und des ihr zur Grundlage dienenden Zeitraumes des 13., 14. und 15. Jahrhunderts liegt, nur teils angedeutet, teils in den hervorragenden Ereignissen mit kurzen Zügen dargelegt.

Einschiffung im Mittelalter

Einschiffung im Mittelalter

Handelshaus im Mittelalter

Handelshaus im Mittelalter

Lombardischer Geldwechsler und Jude

Lombardischer Geldwechsler und Jude

Raubritter überfallen einen Handelszug

Raubritter überfallen einen Handelszug

Zug zum Markt - Zollabgabe

Zug zum Markt - Zollabgabe

Öffentliche Badestube

Öffentliche Badestube

Braunschweig Stadtansicht

Braunschweig Stadtansicht

Greifswald Stadtansicht

Greifswald Stadtansicht

Goslar Stadtansicht

Goslar Stadtansicht

Lübeck Das Holstentor

Lübeck Das Holstentor

Magdeburg Stadtansicht

Magdeburg Stadtansicht

Rostock Stadtansicht

Rostock Stadtansicht

Wismar, Stadtansicht

Wismar, Stadtansicht

Stralsund Stadtansicht

Stralsund Stadtansicht