Kapitel

Wer heute an dem Schütting, dem alten Schonenfahrerhaus zu Lübeck, das einfache goldene Wappenschild mit seinen drei Heringen betrachtet, der möge sich dabei erinnern, dass von dort aus einst die Geschicke einer Niederlassung gelenkt wurden, welche Jahrhunderte lang einen Namen von großer, weltgeschichtlicher Bedeutung trug.

Land Schonen bildet den südlichsten Teil des jetzigen Schwedens, gehörte aber bis zum Jahre 1658 fast unausgesetzt zum Dänenreiche und fiel erst dann durch den Roeskilder Frieden den Wasas bleibend zu.


Etwa zur selben Zeit, da der deutsche Hof St. Peter zu Novgorod erstand, wandten sich die Ostseestädte auch nach Schonen, um auf den dortigen Märkten zu Falsterbode und Skanör ihren Waren Absatz zu verschaffen. Schon um das Jahr 1203 erlangten hier die Lübecker die ausgedehntesten Zoll- und Handelsfreiheiten, ins Besondere das Recht, einen eigenen Vogt daselbst zu halten, der über alle Streitigkeiten und Vergehen seiner Landsleute zu richten hatte, außer wo es Leib und Leben galt. Auf Verwendung der vorsorglichen Dominikanermönche gestattete der Dänenkönig Waldemar II sogar, dass für die fremden Schiffer zu Falsterbode ein Leuchtfeuer errichtet und das zum Unterhalte desselben nötige Holz aus den benachbarten königlichen Forsten geholt werde. Bald fanden sich hier auch aus anderen Ost- und Nordseehafen zahlreiche Kauffahrer ein, um gleich den Lübeckern an den Küsten der schmalen schonischen Landzunge ihre Buden aufzuschlagen und von dort aus ihr Geschäft ins Innere des Landes zu betreiben.

Die Handelsgegenstände, welche diese Fremden nach Schonen brachten, waren zum größten Teile dieselben, mit welchen sie ihre Kontore in Novgorod und Bergen versorgten. Was indessen dem Lande Schonen in den Augen der Hansen seine eigentliche Wichtigkeit verlieh, war die Vorzüglichkeit des Härings, der sich an den dortigen Küsten alljährlich in zahlreicher Menge einzufinden pflegte.
Noch im zwölften Jahrhundert scheint dieser Fisch seinen Zug hauptsächlich nach den pommerschen und rügenschen Küsten genommen zu haben, daher noch Helmold erzählt, dass die christlichen Kaufleute sich jedes Jahr um die Zeit der Novemberstürme bei Rügen eingefunden und bereitwillig dem dortigen Tempel des Slawengottes Swantewiet ihre Abgaben entrichtet hätten, um ungehindert dann den einträglichen Heringsfang betreiben zu können. Aber schon Helmolds Nachfolger, der Wecker Abt Arnold, spricht ausschließlich von der schonischen Fischerei, „zu der sich die Handelsleute aller umwohnenden Nationen drängen, um gegen Silber, Gold und andere Kostbarkeiten den Hering einzutauschen, welchen doch die Dänen durch die Güte Gottes umsonst haben."

Die rätselhaften Züge und Wanderungen des Herings haben Jahrhunderte hindurch den ganzen Gang des nordischen Handels bestimmt.

Denn dieser Fisch, welchen die Natur mit segensvoller Hand zunächst dem dürftigen Bewohner des Nordens zum Unterhalt bestimmt, hatte früh schon jenseits der Grenzen seiner arktischen Heimat in allen europäischen Landen bei Reich und Arm als vielbegehrte Fastenspeise Eingang gefunden und hatte dadurch bald für die gesamte Handelswelt des Nordens eine Wichtigkeit erlangt, der erst das sechszehnte Jahrhundert einigen Abbruch tat, als die Reform der Kirche dem strengen Fastenbrauch im Abendlande engere Schranken zog. Während des ganzen Mittelalters bildete der Fang und der Verkauf des Herings für die dabei beteiligten Nationen eine Quelle des reichsten Gewinns. Von dem Erscheinen des Herings, der bald die eine, bald die andere Küste zum Sammelplatze wählte, hingen Wohlstand und Blüte weiter Länderstrecken ab. Die Heringsfischerei ward ein Gewerbezweig, der über das Schicksal ganzer Staaten entschieden hat. Ihm verdankte die Hansa [Hanse] einen großen Teil ihres Reichtums und ihrer Macht; in dem Heringsfange erkannte später, als sich der Fisch seit dem Jahre mehr in die Nordsee verzog, der holländische Freistaat die Grundlage seines Wohlstandes und seines Ansehens.

Als die für den Heringsfang günstigste Jahreszeit scheint man noch im zwölften Jahrhundert den Spätsommer und die Herbstmonate betrachtet zu haben. Helmold lässt die Kaufleute erst im November nach Rügen ziehen, bei Arnold von Lübeck gehen die Heringsfischer im August nach Schonen. Indessen mag man bald auch die übrigen Sommermonate und das Frühjahr zum Heringsfange benutzt haben, da dann bereits der Häring zu laichen beginnt und seine großen Wanderungen anzutreten pflegt.

Beim Nahen der Laichzeit verlässt nämlich der Fisch die Tiefen des Meeres und erscheint in zahllosen, gedrängten Zügen in den oberen Wasserschichten. Den größeren Schaaren ziehen gleich Kundschaftern meistens kleine Abteilungen von männlichen Heringen voraus. Vertrauensvoll wenden sich dann diese Schwärme den Küsten der Inseln, Meeresbuchten und Flussmündungen zu, um hier auf den sandigen oder felsigen Ufergründen ihr Laich abzulegen. Aber statt der gastlichen Aufnahme, die sie dort zu finden gehofft, harren ihrer bereits überall die geübten Fischer, die von weither herbeigezogen sind, um dem Meere seinen jährlichen Tribut an Heringen abzufordern.

Nach der Versicherung erfahrener Fischer sind in den meisten nordischen Gewässern die Stunden beim Aufgange und Untergange des Mondes die geeignetsten zum Fange der Heringe. Eine helle Mondnacht lockt den Fisch bei ruhigem Wasserstande oft zu vielen Tausenden bis dicht unter den schimmernden Meeresspiegel, auf dem dann sein leises Plätschern und das Schillern seiner Schuppen einen weithin strahlenden, zauberhaften Glanz verbreitet. Die Fischer nennen das den Heringsblick. Wenn dann der Mond zu schwinden beginnt, werfen diese die großen Netze aus, die meistens schwarz gefärbt sind, um den Fisch nicht zu verscheuchen. Zugleich werden auf den verschiedenen Fahrzeugen Laternen oder Fackeln angezündet, deren Schein auf den Häring eine eigentümliche Anziehungskraft ausübt. So wie dieser die Lichter bemerkt, sucht er sich ihnen zu nähern. Harmlos läuft er dann in die ringsum aufgestellten Netze und nach kurzer Frist kehren die Kähne reichbeladen zu ihren Schiffen oder Landungsplätzen zurück.

Im Allgemeinen verändert der Hering nur ungern das Ziel seiner Wanderungen. Die Insel oder Meeresbucht, nach welcher er einmal seinen Zug gelenkt, darf sicher auf sein Wiederkommen rechnen. Aber der Fisch ist höchst empfindlich gegen Sturm und Kälte, von Wind und Wetter abhängig wie wenig andere. Aus dieser Eigentümlichkeit des Herings erklärt sich vielleicht sein plötzliches Verschwinden aus Gegenden, die ihm vordem Jahrhunderte lang als Sammelplatz gedient.

Zu Anfang des vierzehnten Jahrhunderts brachen über die pommerschen und preußischen Küsten, denen bis dahin die See alljährlich den Hering in reichem Maße zugeführt hatte, verwüstende Sturmfluten ein. Die meisten norddeutschen Chroniken reden von den Veränderungen, welche damals das südbaltische Uferland in Folge der heftigen Meeresbewegungen erlitten hatte. Um das Jahr 1313 oder 1315 zeigte sich dann zum allgemeinen Schrecken der Nordbewohner Deutschlands ein Komet, dessen Einfluss die abergläubische Welt die anhaltende Nässe und Kälte jener Jahre zuschrieb. Im Winter 1322 erreichte der Frost endlich einen so hohen Grad, dass die Ostsee fest zufror; man soll damals von Lübeck ohne Gefahr über das Eis bis nach Dänemark und Preußen gegangen sein.

Ob mit diesen Erscheinungen das Wegziehen der Heringe von den preußischen Küsten im Zusammenhange steht? Der gleichzeitige Chronist Peter von Duisburg erzählt aufs bestimmteste, dass der Hering im Jahre 1313 an jenen Küsten ausgeblieben sei. Damit ist freilich nicht gesagt, dass der Fisch nicht später wiedergekommen. Seinen Hauptseegen führte er indes während der nächsten hundert Jahre den schonischen Küsten zu und verlieh dadurch dem dortigen Verkehr der Hansen eine immer größere Ausdehnung.

Bereits um das Jahr 1329 hören wir von einer neuen deutschen Handelsgesellschaft, die sich zu Ellenboghen, dem heutigen Malmö, gebildet hat. Es ist dies neben Skanör und Falsterbode der dritte schonische Marktplatz, den hauptsächlich die Hanseaten mit ihren Waren versorgten und wo sie eigen Haus und Hof besaßen, um während der Sommermonate in den Städten selbst ihren Groß- und Kleinhandel zu leiten.

Für den Betrieb des Heringsgeschäftes waren ihnen aber außerhalb der genannten Städte hart am Meeresstrande besondere Plätze angewiesen, die genau abgegrenzt waren und die man gemeinhin Vitten nannte. Bitte bedeutet so viel wie Uferland. Eine jede der hansischen Städte, die sich an der Heringsfischerei beteiligte, besaß an der schonischen Küste ein solches Vittengebiet, in dem sie ihre eigene Gerichtsbarkeit führte und wo sie jedem Fremden den Zutritt verwehren durfte. Dort befanden sich die großen Fischerlager nebst den Buden, in denen die Strandvögte, die Aufseher der Vitten, so wie die Bötticher, die Heringssalzer, die Packer und die übrigen Handwerker und Arbeitsleute wohnten. Dort wurden die Heringstonnen verfertigt, dort die Fische gesalzen und verpackt. Von jeder Bude musste ein Erbzins bezahlt werden; ebenso wurden bestimmte Abgaben entrichtet für jede Heringsschute, jeden Wagen, so wie für die Prahme und Lichterschiffe, die zu den verschiedenen Vittenlagern gehörten, und deren man sich beim Löschen der dort anlegenden Kauffahrteischiffe bediente. Fielen Streitigkeiten unter den Vittenbewohnern vor, so hatte jede Stadt ihren eigenen Vogt, den sie zum Schiedsrichter aufrief; zunächst wandte man sich dabei an den Lübecker Vogt, weil fast überall nach lübschem Rechte geurteilt wurde. Nur bei schweren Verwundungen und bei Sachen, die „Hals und Hand" angingen, durften die dänischen Vögte einschreiten.

Alle diese Einrichtungen und Rechte beruhten auf alten Verträgen, welche die verschiedenen Städte im Laufe des dreizehnten und vierzehnten Jahrhunderts mit den Königen von Dänemark eingegangen waren. Auch Waldemar IV hatte es nicht unterlassen, den Hanseaten ihre langjährigen Rechte zu bestätigen, hatte selbst im Jahre 1265 während des Waffenstillstandes den Städten zu ihren Privilegien noch neue hinzugefügt.

Um so größer musste die Entrüstung der Hansen sein, als es im Jahre 1367 auf der städtischen Tagefahrt in Stralsund zur Sprache kam, dass eben derselbe Waldemar trotz der anerkannten Waffenruhe plötzlich von den Bitten der Deutschen auf Schonen völlig unberechtigte neue Abgaben eingefordert habe, dass hansische Kauffahrer im Sunde und Belte vom Dänenkönige ihrer Schiffsgüter beraubt und dass sogar die städtischen Gesandten, die deshalb von ihm Rechenschaft verlangt hätten, mit schnöden Worten abgewiesen seien.

Solche Beleidigungen durfte die Hansa nicht ungeahndet lassen; sie fühlte sich an ihrer empfindlichsten Stelle verletzt. Hatten an der ersten Fehde gegen Waldemar hauptsächlich nur die baltischen Seestädte Teil genommen, so hielten sich jetzt alle Bundesglieder verpflichtet, ihre volle Kraft gegen Dänemark aufzubieten.

Noch im November des Jahres 1367 traten die Abgeordneten von zwölf Städten der Ostsee und Nordsee in Köln zu einer vorläufigen Beratung zusammen. Dort entschied man sich einstimmig für einen neuen Angriffskrieg, der schon zu Ostern nächsten Jahres eröffnet werden sollte. Zugleich wurden für das gesamte Gebiet der Hansa [Hanse] die umfassendsten Rüstungen angeordnet. Die wendischen, inländischen und die dazu gehörigen Städte sollten darnach zehn Koggen, zehn Schuten und zehn Snikken stellen, jede Kogge mit hundert Mann besetzt. Den sechs preußischen Städten, Kulm, Thorn, Danzig, Elbing, Braunsberg und Königsberg wurde aufgegeben, fünf Koggen zu rüsten. Campen sollte eine Kogge und zwei Rheinschiffe mit hundert und fünfzig Mann Besatzung stellen; Dortrecht, Amsterdam, Staveren, Harderwik und die Städte an der Südersee zusammen eine Kogge mit hundert Mann Bewaffneten; die von Seeland zwei Koggen mit zweihundert Mann. Auf jeder Kogge, so wurde verlangt, mussten zwanzig gute Schützen mit vollen Waffen und starken Armbrüsten sein. Zugleich ward wieder ein Pfundgeld für die ausgehenden Waren und Schiffe bestimmt, um damit die Kriegskosten decken zu können.

Dies waren die einstweiligen Anordnungen, welche auf der Kölnischen Tagefahrt getroffen wurden. Die Beratungen der zwölf dort versammelten Städte hatten acht Tage gewährt, vom 11. bis zum 19. November. Ehe weitere Schritte eingeleitet werden konnten, mussten jene Bestimmungen erst den übrigen Hansestädten mitgeteilt und deren Einwilligung eingeholt werden.

Am 8. Dezember trat dann eine neue Tagefahrt in Lübeck zusammen, eine dritte am 1. Januar 1368 in Rostock. Hier und auf den nächsten Bundestagen wurde, was noch übrig war, verhandelt. Um kein Mittel zur Aufrechthaltung des Friedens unversucht zu lassen, hatte man dem Dänenkönige einen Vergleich angeboten, wonach Waldemar bis zum 2. Februar den Städten einen Schadenersatz von 200.000 Mark reinen Silbers leisten sollte. Als sich die Seestädte aber an diesem Tage zu einer vierten Versammlung in Lübeck einfanden, hatte Waldemar so eben seine ablehnende Antwort eingeschickt.
Der Krieg war unvermeidlich. An der ganzen Küstenlinie von Reval bis zur Scheldemündung ward nun aufs eifrigste gerüstet. Einer nachträglichen Bundesbestimmung gemäß mussten auch noch außer den Schiffen eine Anzahl Wurfmaschinen in Bereitschaft gesetzt und auf je hundert Mann Bewaffnete zwanzig Pferde gestellt werden, um eine Landung an den feindlichen Küsten mit Nachdruck und Erfolg betreiben zu können. Schon waren auch mit dem jütischen Adel Unterhandlungen angeknüpft; ebenso mit den holsteinischen und mecklenburgischen Herren.

An eine Verbindung mit Norwegen war dieses Mal freilich nicht wieder zu denken, da König Hakon in Folge seiner Heirat mit der dänischen Prinzessin Margarethe, der Tochter Waldemars, bereits völlig für die Sache Dänemarks gewonnen war, und seinen Schwiegervater bei der Eröffnung der neuen Feindseligkeiten gegen die Hansa [Hanse] unterstützt hatte.

Desto hilfreichere Hand schien aber jetzt Schweden den Städten leisten zu wollen, nachdem hier im Jahre 1364 der wortbrüchige König Magnus durch den Reichsrat selbst des Thrones entsetzt, und die Krone auf seinen Neffen, einen norddeutschen Fürsten, Albert von Mecklenburg, übertragen worden war.

Auf einer letzten Tagefahrt, welche die Seestädte vor Beginn des Krieges am 16. März in Rostock abhielten, wurden die Flottenführer ernannt. Unter den Lübecker Orlogshauptleuten glänzte vor Allen Bruno von Warendorf, der Sohn des Bürgermeisters Gottschalk, so wie die beiden Ratsmänner Gerhard von Attendorn und Johannes Schepenstede. Ebenso ernannten die übrigen wendischen Städte meistens ihre angesehensten Ratsherren zu Anführern. Bald darauf ging die Kriegserklärung, der sich sieben und siebzig Städte angeschlossen hatten, an Waldemar ab. Allen Bundesgliedern ward nochmals aufs strengste eingeschärft, sich zum ersten Ostertage, dem 9. April, mit Schiffen, Mannschaften und Waffen fertig zu halten, um dann sofort in See gehen zu können. Zum Vereinigungspunkte der sämtlichen Kriegsgeschwader wurde der Sund bestimmt.

Eine Angelegenheit untergeordneten Ranges war freilich noch nicht beseitigt. Hamburg, welches einen Angriff der Dänen von der Elbe her fürchtete, sträubte sich, an der bevorstehenden Fehde Teil zu nehmen. Ein Mittel, die Stadt zur Teilnahme zu zwingen, lag außerhalb der Macht der Hansa [Hanse]. Der Bund konnte sich nur auf die Drohung beschränken, Hamburg nötigenfalls auszustoßen. Hierüber ward noch verhandelt. Ende März war die Sache noch nicht beseitigt. Indessen konnte dies, wie die Dinge einmal lagen, nicht weiter von Einfluss sein.

Am 16. April, am Tage Quasimodo, sollten alle Hauptleute mit ihren Schiffen bei Seeland vereinigt sein, um sogleich die Feindseligkeiten zu eröffnen. Wie bei der ersten Fehde, gedachten die Städte mit einem Gesamtangriffe auf Seeland zu beginnen.

Die Ostertage rückten heran. Mit gespannter Erwartung sah der ganze Norden Deutschlands dem Augenblicke entgegen, wo der Entscheidungskampf anheben würde. Da erhalten die Seestädte die Kunde, dass Waldemar sich am grünen Donnerstage in aller Stille auf und davon gemacht habe. Die Einmütigkeit und Entschiedenheit der Städte hatten den König bedenklich gemacht. Auf einem mit reichen Schätzen beladenen Schiffe war er an die pommersche Küste gefahren und von dort vorläufig nach Brandenburg gegangen, um so dem nahenden Ungewitter auszuweichen. Vor seiner Abreise hatte er den Marschall Henning Podebusk zum Reichsverwalter ernannt, und hatte für den Fall, dass mit den Städten zu unterhandeln sei, ihn und den Reichsrat bevollmächtigt, den Frieden einzuleiten.

In den Beschlüssen der Hansa [Hanse] konnten diese Ereignisse begreiflicher Weise keine Änderung hervorrufen. Noch im April nahm der Krieg seinen Anfang. Die Flotten von der Südersee, von Seeland und von Holland, welche sich bei Marstrand an der südlichen Küste Norwegens versammelt hatten, begannen von dort aus in furchtbarer Weise alle umliegenden Städte und Ortschaften zu verheeren, um vorerst König Hakon zu beschäftigen und ihm die Unbill zu vergelten, die er in Gemeinschaft mit Waldemar den deutschen Kauffahrern angetan hatte. Dann brachen die Ostseehanseaten mit ihren Bundesgenossen gegen die dänischen Lande los. Wieder ward Kopenhagen geplündert und sein Schloss erobert. Fast nirgend stieß man auf nachhaltigen Widerstand. In rascher Folge fielen die Inseln Amager und Hveen, Nyköping auf Falster nebst den blühenden Handelsplätzen am Sunde, Helsingör, Skanör, Ellenbogen und Falsterbode in die Hände der Sieger. König Albert von Schweden bemächtigte sich Ystadts und Lunds; von Süden her drangen die Holsteiner und der jütische Adel bis Wiborg und Aalborg vor. In alle festen Plätze wurden starke Besatzungen gelegt.

Mit Beginn des Winters trat dann Waffenruhe ein. Aber schon im nächsten Frühjahre 1369 schickten sich die Hanseaten zu neuen Verheerungen und Plünderungen der dänischen Inseln an. Bei Helsingborg, das Jahrs zuvor vergeblich von ihnen belagert worden war, wurden frische Streitkräfte zusammengezogen, um endlich auch diesen letzten Platz am Sunde zu erobern. Daneben nahm an der schottischen Küste der Heringsfang und der Handel der deutschen Kaufleute wieder ungestört seinen Anfang. Wo feindliche Schiffe sich zeigten, wurden sie aufgebracht. Die Beutezüge in den dänischen Gebieten waren so einträglich, dass sich die hansische Tagefahrt im Herbste 1369 fast ohne Bedenken dafür entschied, in gleicher Weise den Krieg auch im folgenden Jahre fortzusetzen, bis es endlich den Dänen gefallen würde, um Frieden zu bitten.

Während so die städtischen Flotten zwei Sommer hindurch alle Gewässer und Küsten des Dänenreiches in Furcht und Schrecken setzten, tagten daheim ihre Ratsboten bald zu Lübeck, bald zu Rostock, bald in einer der anderen Seestädte, um dem Schauplatze des Krieges möglichst nahe zu sein, mit leichter Mühe das ganze Unternehmen überwachen und die dringendsten Bundesgeschäfte sofort erledigen zu können. Fast allmonatlich vereinigten sich die Abgeordneten der Städte zu den Tagefahrten. Dorthin gelangte zuerst jede neue Siegesbotschaft; dorthin statteten die Flottenanführer über den Gang des Krieges, über die Stärke der Mannschaften Berichte ab, um ihre weiteren Verhaltungsbefehle entgegenzunehmen. Dort fanden die Abrechnungen statt über die Kriegskosten und über das eingegangene Pfundgeld; dort endlich wurden von den versammelten Städteboten die Maßregeln beraten, die in Betreff der eroberten Plätze und Gebiete einzuschlagen seien.

Als die Nachricht von der Eroberung Kopenhagens in Lübeck eingetroffen war, fasste die Tagefahrt am 24. Juni 1368 den Beschluss, den Kopenhagener Hafen durch Versenkung einer Anzahl großer Schiffe für alle Zeit zu verderben. Die preußischen Städte erhielten den Auftrag, von dem in ihren Häfen erlegten Pfundgelde die zu jenem Zwecke erforderlichen Fahrzeuge anzuschaffen. Bei dieser Maßregel ließ jedoch die Erbitterung der Hanseaten es nicht bewenden. Jahres darauf beschlossen die Bundesgesandten auf dem Tage zu Lübeck, auch das Schloss von Kopenhagen einzureißen. Die wendischen Städte sollten deshalb etwa fünfzig Steinmetze nach Kopenhagen schicken, um die dortigen Befestigungswerke abtragen zu lassen. Ehe man zur Ausführung dieses Vorhabens schritt, wollte man nur die Übergabe Helsingborgs abwarten, das sich noch immer tapfer hielt. Schon im Juli 1369 hatten die Städte sicher darauf gerechnet, dass binnen Kurzem Helsingborg fallen würde. Jetzt stand man im Spätherbste, und noch immer waren alle Versuche der Belagerer, sich zu Herren des Platzes zu machen, ohne Erfolg geblieben.

So mussten die Städte sich abermals auf das nächste Jahr vertrösten, wo der Krieg mit neuer Macht beginnen sollte. Unerwarteter Weise trafen gegen Ende November der dänische Reichsmarschall Henning von Podebusk und die königlichen Reichsräte in Stralsund ein, um kraft der ihnen von Waldemar gegebenen Vollmacht mit der Hansa [Hanse] einen Frieden zu unterhandeln.

Dänemark war erschöpft, das Volk des Krieges müde. Die deutschen Städte, jene „sieben und siebenzig Hänsen", die Waldemar vor dem Ausbruche der Fehde höhnisch mit „sieben und siebenzig Gänsen" verglichen hatte, von deren Bisse nichts zu befürchten stände, dieselben Städte diktierten jetzt den Frieden. Bereits am St. Andreastage, am 30. November, waren die einzelnen Bedingungen festgestellt. Sechs Monate später, war der Vertrag zu Stralsund von Podebusk, der hohen dänischen Geistlichkeit, den weltlichen Reichsräten des Königs und im Namen der Hansa [Hanse] von sieben und dreißig Städten unterzeichnet.

Der Gewinn, den die Hanseaten aus diesem Frieden zogen, gewährte ihnen reichen Ersatz für die Einbuße, die ihr Handel durch Waldemars Übermut und durch den Krieg erlitten hatte. Auf fünfzehn Jahre wurden ihnen aus den schonischen Schlössern Helsingborg, Malmö, Skanör und Falsterbode, so wie aus den dazu gehörigen Landesdistrikten zwei Drittel aller Einnahmen und Gefälle zugesichert. Erst nach Verlauf der bestimmten Frist sollten diese Gebiete wieder dem Dänenreiche überantwortet werden. Für den Fall, dass jene Zusage in irgend welcher Art gebrochen würde, sollte der dänische Hauptmann Kurd Moltke „sich so lange zu den Städten halten, bis es wieder gut gemacht wäre."

Das Schlusswort jenes Stralsunder Friedens, der die Hansa [Hanse] auf fünfzehn Jahre zur Herrin des Sundes erhob und ihr für die Zukunft bei jeder Königswahl in Dänemark eine entscheidende Stimme einräumte, lautet aber folgendermaßen:

„Unser Herr König Waldemar soll den Städten die oben gedachten Friedensartikel mit seinem großen Insiegel besiegeln, falls er bei seinem Reiche bleiben und dasselbe nicht etwa einem anderen Herrn überlassen will. Wäre es jedoch, dass unser Herr König Waldemar sein Land Dänemark bei seinem Leben einem Anderen gestatten will, dann sollen und wollen wir es nicht gestatten, es sei denn, dass die Städte ihre Zustimmung geben und dass er ihnen ihre Freiheiten mit seinem großen Insiegel besiegelt habe. Ebenso soll man es halten, wenn der vorbenannte unser Herr König Waldemar mit Tode abginge, was Gott verhüte. Desgleichen wollen wir keinen Herrn annehmen, es sei denn mit dem Rate der Städte."

In einer besonderen Urkunde ward dann noch festgestellt, dass König Waldemar den Frieden binnen sechzehn Monaten unterzeichnen solle; geschehe das nicht innerhalb dieser Frist, so solle der dänische Reichsrat und das Reich dennoch verbunden sein, die Bedingungen zu halten, „auch wenn der König sie nicht besiegelt."

Aber Waldemar unterzeichnete. Während aller dieser Vorgänge, die über das Schicksal Dänemarks so wichtige Entscheidungen gebracht hatten, war der König unausgesetzt in der Fremde umhergezogen, war bald in Brandenburg, bald in Pommern, bald in Meißen gewesen und hatte daheim den Reichsrat schalten lassen, wie es ihm beliebte. Vier Monate nach dem Abschluss des Friedens mit der Hansa [Hanse] finden wir Waldemar beim Kaiser Karl IV in Prag. Erst Jahrs darauf begab er sich wieder gen Norden, um seinem Reiche näher zu sein und am 27. Oktober 1371 erfolgte endlich, wie verlangt war, seine Bestätigung der Stralsunder Friedensbedingungen.

Vier Jahre später, am 24. Oktober 1375, starb der König, nachdem er sich noch kurz zuvor vergeblich an die Städte gewandt hatte, um diese zu bewegen, ihm seine schonischen Schlösser herauszugeben.

Um dieselbe Zeit, da mit Waldemar IV der Mannsstamm des Svend Estrithson in Dänemark erlosch, unternahm Kaiser Karl eine Reise ins nördliche Deutschland, die ihn zu Ende Oktober auch nach Lübeck führte. Fast ein Menschenalter war bereits verflossen, dass Karl die deutsche Kaiserkrone trug. Diese ganze Zeit hindurch war das Hauptstreben seiner Regierungstätigkeit auf die Erweiterung seiner Hausmacht gerichtet gewesen. Für die Bedeutung, die in der nationalen Kraftentwicklung des deutschen Nordens lag, war dem Kaiser von Anfang an kein Verständnis gegeben. Erst jetzt, als nach dem glorreichen Ausgange der dänischen Fehde die Macht der Hansa [Hanse] sich vor den Augen ganz Europas aufs glänzendste bewährt hatte, schien auch bei dem Kaiser einige Teilnahme für das Werk der stolzen Nordbewohner seines Reiches zu erwachen. Im Jahre 1375 zog er hinab ins baltische Land.

Dass Karl damals, wie Einige meinen, den Wunsch gehegt hat, sich zum Haupte und Beschützer des norddeutschen Städtebundes ernennen zu lassen, um dadurch Böhmen den Eintritt in die Hansa [Hanse] zu verschaffen und so den Handel seiner Erblande zu heben, mag immerhin wahr sein. Urkundlich lässt sich das nicht beweisen. Nur von dem festlichen Empfange, den die Lübecker ihrem kaiserlichen Herrn bereitet und von der Huld, mit welcher dieser die ihm erwiesenen Ehren aufgenommen, wissen gleichzeitige und spätere Chroniken Vieles zu berichten.

Die Kaiserin hatte ihren Gemahl auf seiner Reise begleitet. In dem Gefolge der Majestäten befand sich eine große Anzahl von norddeutschen Fürsten, die den Glanz des Reisezuges vermehrten. Als man bei der wenige Minuten von Lübeck entfernten St. Gertrudenkapelle anlangte, wurde ein kurzer Halt gemacht. Hier legten der Kaiser und die Kaiserin ihren Schmuck an. Dann setzte sich der Zug wieder in Bewegung. Voran ein Ratsherr zu Pferde, der die Schlüssel der Stadt trug, zum Zeichen, dass sie dem Kaiser unterworfen sei. Ihm folgten die Fürsten mit den Reichsinsignien. Das Pferd des Kaisers leiteten zwei Bürgermeister, das der Kaiserin zwei Ratsherren. Am Tor wurden die hohen Gäste von den Bürgerfrauen Lübecks empfangen. Als sich der Zug der Domkirche näherte, stimmte die Geistlichkeit den Gesang an: „Ecce advenit Dominator.“ Dann ging es durch die Königsstraße zu dem nachmaligen Dartzowschen Hause an der Ecke der Johannisstraße, welches zur „Herberge" des Kaisers eingerichtet war. Aus der ganzen Umgegend waren die Fremden herbeigeströmt, um den Kaiser zu sehen. Beim Dunkelwerden brannten vor allen Häusern Leuchten, „unde was so licht in der Nacht als in deme Dage."

Als der Kaiser den gesamten Rat der Reichsstadt bei sich versammelt hatte, um den Bürgermeistern und Ratsherren für den ihm gewordenen Empfang zu danken, hieß er sie: Herren; und als der Bürgermeister Jakob Pleskow diese Ehre bescheiden abzulehnen suchte, erwiderte Karl: „Ihr seid Herren! Die alten kaiserlichen Register weisen aus, dass Lübeck eine der fünf Hauptstädte des Reiches ist und dass die Ratmänner Eurer Stadt zugleich kaiserliche Räte sind, welche überall in den Rat des Kaisers treten dürfen, ohne dass sie deshalb Erlaubnis nachsuchen."

Diese fünf Städte aber sind, wie Detmar hinzufügt, Rom, Venedig, Pisa, Florenz und Lübeck.

So waren im Laufe des vierzehnten Jahrhunderts die Hansa und der deutsche Ritterorden zum Gipfel ihres Ansehens emporgestiegen. Zur selben Zeit, da jener kaufmännische Städtebund alle nordischen Meere mit dem Ruhme seiner Taten erfüllte, hatte, wie wir gesehen, der baltische Ritterstaat im Nordosten des Reiches seiner Herrschaft zu Lande immer weitere Grenzen gezogen und den slawischen Nachbaren gegenüber sich eine achtunggebietende Stellung erkämpft.

Bis zum Ausgang des Jahrhunderts erhielten sich diese beiden Mächte, in deren Händen nunmehr die Geschicke der gesamten deutschen Ostseelande ruhten, in ungeschwächter Kraft und voller Glorie.

Inzwischen aber waren in der Lage der europäischen Verhältnisse besonders da, wo diese die Hansa [Hanse] und das Ordenshaus berührten, Veränderungen eingetreten, die bereits im Laufe des fünfzehnten Jahrhunderts zu ihrer vollen Geltung zu gelangen wussten. Litauen, der erbittertste Feind des Ordens, hatte seit dem Jahre 1386 durch die Vereinigung mit Polen den festen Bestand einer Großmacht gewonnen. Elf Jahre später wurde durch Margarethe von Dänemark die Kalmarer Union geschlossen, welche die drei skandinavischen Staaten zu einem Gesamtreiche verbinden sollte. Gleichzeitig war im Westen Deutschlands das burgundische Herzogtum entstanden, das bald seinen Blick auf die Erwerbung der niederländischen Städte der Hansa [Hanse] richtete. Schon regten sich auch im fernen Osten am Don und an der Wolga neue Kräfte; im September 1380 erfocht Dmitri Donskoi auf den kulikowschen Ebenen seinen entscheidenden Sieg über den Tatarenkhan Mamai: Russland tat die ersten mühsamen Schritte, um die Herrschaft der Asiaten abzuschütteln und seine europäische Selbständigkeit wieder zu erlangen.

Diese verschiedenen Ereignisse blieben nicht ohne Einfluss auf die Entwicklung des deutschen Nordens. Bereits zu Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts zeigte sich, dass es für die Hansa [Hanse] und den Ritterstaat einstweilen mit den Tagen des Glanzes vorbei und dass hier wie dort die alte Kraft im Abnehmen begriffen war.