Die Handwerker-, Arbeiter- und ähnlichen Vereine in Preußen. 1864.

Aus: Der Arbeiterfreund. Zeitschrift des Zentralvereins in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen.
Autor: Brämer, Karl (?-?), Erscheinungsjahr: 1866

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Handwerkervereine, Arbeitervereine, Genossenschaften, Arbeiterbildungsvereine, Verbreitung von Einsicht, Bildung, Sittlichkeit, Brudersinn, Mathematik, Rechnen, fremde Sprachen, Französisch, Englisch, Zeichnen, Modellieren, Gesang, Dichterkenntnis, Musterwerkstätten,
Obwohl seit fast einem Vierteljahrhundert Handwerker-, Arbeiter- und ähnliche Vereine in Preußen bestehen, so fehlte es dennoch bisher an genaueren Nachrichten über diese „Genossenschaften zur Erwerbung und Vermehrung des geistigen Kapitals“, wie Dr. Engel und der statistische Kongress sie bezeichnet haben. Durch die öffentlichen Blätter drang nur spärliche Kunde von ihrem Vorhandensein und Wirken in das größere Publikum, kaum dass die benachbarten Vereine davon Kenntnis hatten. Eine nähere Verbindung aber fehlte lange Zeit gänzlich und nur einmal wurde dazu in Preußen selbst ein Versuch gemacht, auf den wir später zurückkommen werden. Dem dadurch zutage tretenden und oft recht fühlbaren Mangel abzuhelfen ist Zweck der gegenwärtigen Darstellung der Einrichtungen und Erfolge dieser Vereine, - einer Statistik, wozu die Vereine selbst das Material liefern sollten.

Zunächst war es notwendig, zu ermitteln, welche Vereine vorhanden sind, und dies geschah außer durch Benutzung gedruckter Quellen durch die Direktion der Lebensversicherungs-Gesellschaft „Germania" in Stettin, die ihre Agenten damit beauftragte und uns von dem Resultate - wofür wir hiermit unseren Dank aussprechen - freundlichst Mitteilung machte. Danach sollten über 200 Handwerker-, Arbeiter- Arbeiterbildungs- und Gewerbevereine (welche letzteren allerdings zum großen Teile nicht eigentlich in den Rahmen dieses Aufsatzes gehören) in Preußen bestehen. Nun bot dem Unternehmer der Zentralverein in Preußen für das Wohl der arbeitenden Klassen eine weitere Unterstützung. Von der Vorbereitungs-Kommission des internationalen statistischen Kongresses, der im September 1863 in Berlin tagte, war ein Formular entworfen worden, welches die meisten Fragepunkte enthält, die irgendwie Wichtigkeit für die genannten Vereine haben und, diesem Formular hatte der Kongress zugestimmt. Dasselbe ist durch Vermittlung des Zentralvereins um Mitte Januar v. J. - in einigen Fällen später - an die Vereine mit der Bitte um Ausfüllung versendet worden*)

Die Hoffnung; die wir auf die Bereitwilligkeit der Vereine gesetzt hatten; uns durch Ausfüllung und Rücksendung der Formulare in ihrem eignen Interesse zu unterstützen; ist jedoch nur zum kleineren Teile in Erfüllung gegangen. Nur 63 Vereine haben dem Gesuche entsprochen; wir vermögen das Bedauern darüber nicht zu unterdrücken; dass die übrigen Vereine nicht in gleicher Weife bereit gewesen sind; unsere keineswegs unbescheidene Bitte zu erfüllen. Gern geben wir uns jedoch der Hoffnung hin; dass diese Vereine inskünftige den Formularen einige Beachtung schenken und wir dann im Stande sein werden; die vorliegende Arbeit nach allen Richtungen hin zu vervollständigen.

                                Vorgeschichte.

Die meisten älteren Handwerker-, Arbeiter- etc. Vereine entstanden zu Anfang der vierziger Jahre [des 19.Jahrhunderts]. Ihr Zusammenhang unter einander war nur sehr lose; die damaligen Verhältnisse gestatteten das nicht anders; indessen ward ein geistiges Zusammenwirken der Vereine von dem Vorstand des Berliner Handwerkervereins (Johannisstraße Nr. 4) in der Art eingeleitet; dass die gegenseitige Zusendung von Jahresberichten und andern Drucksachen begann. Erst die Umwälzung im März 1848 machte es möglich; das Bedürfnis einer lebhafteren Verbindung auf eine mehr entsprechende; durchgreifende und nachhaltige Weise zu befriedigen. Der Gedanke eines Kongresses von Abgeordneten aller Handwerker-, Arbeiter- etc. Vereine tauchte auf; und der genannte Vorstand; sowie derjenige des geselligen Vereins zu Stralsund (Rundschreiben vom 30. März 1848) machten ihn sich zu eigen.

Alle Vereine Deutschlands; welche zum Zweck die Verbreitung von Einsicht; Sittlichkeit und Brudersinn unter den Handwerkern und Arbeitern haben; wurden zu dieser Zusammenkunst eingeladen.

Die Vorlagen betrafen:
1) Aufstellung gemeinsamer Grundsätze für alle Handwerkervereine in Bezug auf Gesetzgebung und in Bezug auf die Verwaltung;
2) Verbindung aller Handwerkervereine Deutschlands zur lebendigeren Verwirklichung der Vereinszwecke in den einzelnen Vereinen und im ganzen deutschen Gewerbestande.
Die Einsicht sollte durch Unterricht in Mathematik und Rechnen; der deutschen Sprache; fremden Sprachen; namentlich der französischen und englischen; Zeichnen und Modellieren, Gesang und Dichterkenntnis, durch Turn- und Waffenübungen gewonnen werden, sodann aber auch durch gegenseitige Mitteilungen über Erfindungen, Vervollkommnungen, Handgriffe etc. in Gewerben, womöglich durch Vormachen in Musterwerkstätten, die mit dem Vereine verbunden sind.

*) Vgl. das Rundschreiben des Vorstandes; abgedruckt auf S, 472-473 des zweiten Jahrgangs dieser Zeitschrift. Dass nur ein Teil der Vereine Antwort eingesendet hat; wird Diejenigen nicht verwundern; welche ähnliche Arbeiten unternommen haben. Dem Bilde; welches hiermit dargeboten wird; tut dieser Mangel indessen kaum einen Abbruch; wer Interesse an der Sache nimmt; erkennt aus den mitgeteilten Berichten zur Genüge; wie weit sie gediehen ist; und wie viel noch fehlt; unter Anderem und besonders; an welchen Punkten tüchtige Männer ihre Geisteskraft ansetzen sollten. Die Redaktion.

Zur Hebung der Sittlichkeit wurden Besprechungen über Vorträge und andere Gegenstände (hierzu ein Fragekasten) Gesang (gemeinsames Liederbuch), gesellige Unterhaltung und gemeinsame Vergnügungen empfohlen.

Um Brüderlichkeit hervorzurufen und zu pflegen, sollten gleiche Berechtigung aller Mitglieder, Zulassung aller Stände zu den Vereinen, gegenseitige Unterstützung mit Rat und Tat, eine Lehrlingsschule unter tätiger Mitwirkung der Mitglieder aus dem Gesellenstande in die Satzungen aufgenommen werden.

Eine enge Verbindung der Vereine sollte herbeigeführt werden durch Kongresse, deren nächster 1850 stattfinden sollte, durch Briefwechsel und Mitteilung sämtlicher Drucksachen, durch gegenseitiges Besuchsrecht und brüderliche Aufnahme, durch Förderung neugebildeter Vereine und Gründung neuer, namentlich auf dem platten Lande, durch allmähliche Umwandlung des Herbergslebens, endlich durch eine eigne Zeitschrift für die Vereine. Vorgeschlagen war ferner die Errichtung von Kreis- und Provinzial-Hauptvereinen und eines Zentralvereins für ganz Deutschland.

Außerdem verlangte die Vorlage eine Adresse an die deutsche Nationalversammlung in Frankfurt behufs Anerkennung und Unterstützung der Handwerkervereine von Seiten der deutschen Nation.

Der Kongress wurde am 18. Juni im Lokale des einladenden Vereins durch den Vorsitzenden desselben, jetzigen Bürgermeister, Geheimen Regierungsrat Hedemann eröffnet; am zweiten Sitzungstage leitete Nees von Esenbeck, Vorsitzender des Breslauer Arbeitervereins, und am dritten Dr. Rieß aus Berlin die Verhandlungen.

Auf letztere selbst näher einzugehen, können wir hier wohl um so mehr unterlassen als die nächstfolgenden Jahre bekanntlich die Vereine fast überall ersterben sahen, merkliche Resultate also nirgends zu Tage treten konnten.

Wie aber zur Zeit des Kongresses das Vereinsleben in Deutschland blühte, davon gibt Zeugnis, dass auf demselben 91 Vereine aus 72 Städten durch 71 Abgeordnete vertreten waren; schriftlich beteiligten sich 26 Vereine aus 24 Städten.

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