Abschnitt 9

Nunmehr begann die mündliche Verhandlung auf Grund dieser Schriftstücke. Aus der Schwere der Beschuldigungen, aus der Größe der Forderungen, aus dem Ungemache, Verdrusse und Schaden, die beide Theile alle die Zeit über ausgestanden hatten, kann man schließen, wie sehr die Parteien erregt sein mußten und welche Mühe es gekostet haben mag, zu Ende zu kommen. Wirklich konnte auch erst am 26. Juni, also nach viertägigem Tractiren der Schiedsspruch verkündigt werden. Derselbe setzte Folgendes fest:

1) Der Rath zu Wismar soll alle wider Peter Langejohann erlassenen Urtheile kassiren. Sind Eide geleistet und Bürgschaften, durch welche diese freundliche Schlichtung zwischen beiden Theilen verhindert werden könnte, so sollen dieselben machtlos sein.


2) Der Rath soll Peter Langejohann wieder in den Bürgermeisterstuhl einnehmen und wie vordem für den ältesten Bürgermeister erkennen, unbeschadet des neuerlich gemachten Statuts, daß das Wort alle halbe Jahr wechseln solle, so daß Peter Langejohann dasselbe nächsten Michaelis erhalten würde.

3) Peter Langejohann soll sich mit allem Fleiße bemühen, selbst persönlich, falls es nöthig sein würde, daß die Befehdung Wismars, welche der König seinetwegen erhoben, gänzlich niedergelegt werde.

4) Wegen Schaden und Kosten wird der Beschluß zu freundlicher Verhandlung ausgesetzt.

5) Hiemit sollen alle Klagen und Widerklagen, aller Hader und Unwille zwischen den Parteien abgethan sein, so daß keine von beiden, selbst oder durch dritte Personen, die andere bei der im Compromisse festgesetzten Pön kränken und anfallen darf. Peter Langejohann soll der Sache gegen den Rath und dessen Diener nicht weiter gedenken, der Rath nicht gegen Peter Langejohann, dessen Kinder, Freunde und

6) Endlich bestimmen die Schiedsrichter und zwar mit Zuziehung des Propstes von Lübek, daß, nachdem auch M. Johann Langejohanns Sache in dessen Vollmacht von seinem Vater vor sie gebracht ist, dieser den Sohn bewegen soll, von seiner Klage gegen den Rath gänzlich abzustehen und daß deswegen in Zukunft keine Verfolgung des Bischofs und des Kapitels von Ratzeburg oder des Rathes angestellt werden darf. Dagegen soll dann der Rath den M. Johann mit Beneficien bis zum jährlichen Betrage von 50 Mark versehen.

7) Die Schiedsrichter behalten sich nach Laut des Compromisses vor, entstehende Zweifel bezüglich der Deutung des Ausspruches endgültig zu entscheiden.

Der Rath zu Lübek, welchem man den Ausspruch sofort zur Kenntnißnahme mittheilte, erklärte sich mit demselben vollkommen einverstanden und sendete umgehend ein Schreiben an den König mit der Nachricht von glücklicher Beendigung der Sache zurück, mit welchem zugleich Herr Peter eins abschicken sollte. Der Schiedsspruch wurde durch ein Document der drei Städte, welche an dessen Abfassung betheiligt waren, beurkundet, denn von einer Versiegelung durch den Herzog sah man ab, als der Secretär Thomas Rode die unverschämte Forderung von 50 Gulden für dieselbe stellte und bei Verhandlung deswegen nicht mehr als 10 Gulden ablassen wollte, obschon er bei dem Ausspruche Nichts gethan hatte. Auf des Herzogs unwillige Erkundigung in Lübek nach dem Grunde für seine vermeintliche Hintansetzung und sein Verlangen, die Städte sollten nicht vor ihm versiegeln, theilte man ihm den Sachverhalt mit und fügte hinzu, daß, wenn sein Secretär mit 10 oder 12 Gulden zufrieden sein wolle, die Wismarschen diese wohl daran wenden möchten; man könne ja dann ein Exemplar mit dem Siegel des Herzogs und denen der Städte versehen 21).

Der König antwortete von Sylvesborg in Schonen auf die Nachricht von Beilegung der Sache und die Bitten um nunmehrige Wiederaufhebung der Hemmung der Wismarschen. Es freue ihn, so schrieb er, daß man Peter Langejohann, den braven Mann, der so unrechtfertig gegen Gott und alles Recht gekränkt und gequält worden sei, in Wismar wieder eingenommen habe. Wenn er, der König, auch bei manchen Leuten daselbst viel übele Nachrede und Widerwillen erfahre wegen seines Einschreitens, so habe er doch nur um Gottes und des Rechtes willen der Sache sich angenommen. Den geschehenen Fürbitten gemäß sollten jetzt alle Maaßregeln gegen die Wismarschen aufgehoben sein und deren vorige Rechte und Privilegien wieder in Kraft treten, vorausgesetzt daß sie den Schiedsspruch genau beobachteten. Seine persönlichen Ansprüche an dieselben sollten bis weiter auf sich beruhen bleiben und könnten gelegentlich durch seine Räthe und Lübek festgestellt werden. Diese Nachricht gab Lübek am 22. Juli; es war die höchste Zeit, denn S. Jacobi Tag, die Schonreise, war vor der Thüre.

Es ist oben bereits hervorgehoben worden, von wie eminenter Bedeutung der Verkehr auf Schonen für die Wendischen Städte war und daß auf ihm zu einem großen Theile der Wohlstand demselben beruhte. Da dieser aber wiederum die Macht der Städte bedingte, so hatten sie alle mit einander das größte Interesse, die Quellen der Prosperität Wismars im Flusse zu erhalten und darauf hinzuarbeiten, daß die Leistungsfähigkeit dieses Bundesgliedes nicht in Abnahme gerathe, was außer durch längeren Ausschluß vom Nordischen Geschäfte auch durch innere Unruhen zuwege gebracht werden konnte, die aus Anlaß des nahrungslosen Zustandes gewiß mit Recht befürchtet werden durften. Um also möglichst bald die Wismarschen aus ihrer übelen Lage zu befreien, haben die Städte ohne Zweifel darauf bestanden, daß nur Klage und Antwort in Schriften verfaßt, hernach aber durch mündliche Verhandlung die Sache zu Ende geführt werden sollte, weil eben eine solche dieses am schnellsten zu bewirken geeignet war. Auch der Herzog wird damit einverstanden gewesen sein, daß derjenige Weg eingeschlagen wurde, welcher der kürzeste zu sein versprach, da ihm aus diesen Dingen Verdruß und Aerger hinreichend erwachsen waren, als daß er eine längere und, wie er wohl sah, fruchtlose Beschäftigung mit denselben hätte für wünschenswerth halten sollen 22). Der Kläger hat zweifelsohne bereitwilligst in das beliebte Verfahren eingewilligt, schon deshalb, weil ein solches seiner gewiß nahezu unerträglichen Lage am frühesten ein Ende scherte. Der Rath aber wird sich vermuthlich gesträubt haben, ehe er sich zur Zustimmung bequemte, denn wenn er auch nicht geringe Verlangen tragen mochte, daß die Mühe und Noth, die Arbeit und die Kosten, welche diese Geschichte mit sich gebracht hatte, ein Ende nähmen, und so sehr er auch wünschte, daß die Wismarsche Flagge wieder freie Fahrt hätte, und seinen Bürgern der Nordische Markt nicht länger verschlossen bliebe, so wird man sich doch gesagt haben, daß im Falle des Unterliegens der Widerpart um so früher wieder eingenommen werden müsse, je kürzer die Procedur sei. Konnte man einem solchen Ausgange derselben entgegensehen?




21) Thomas Rode (welcher zwanzig Jahre später als Probst zu s. Jacob in Rostock ein gewaltsames Ende nahm) schickte ein versiegeltes Exemplar ein und erklärte sich mit allem zufrieden, wenn es nur mehr sei, als die gebotene Summe. Im Wismarschen Archive findet sich dasselbe nicht mehr.
22) Der Lübische Chronist, Grautoff a. a. O. S. 305, berichtet: Ok was deme hertoge gelovet ene summen geldes, wen de borgermester wedder inqueme, de moste me eme geven altohant, er he uthe der stad schedede. Wäre das richtig, so stünde die Förderung des schleunigen Verfahrens durch den Herzog außer Zweifel, aber daß der Rath dies versprochen, ist doch nicht möglich und von Peter Langejohann mehr als unwahrscheinlich. Glaublich ist aber allerdings, daß der Herzog eine Entschädigung für seine Bemühungen überhaupt gefordert und erhalten hat.