Abschnitt 5

Sicherheit gegen eine Wiedereinführung Herrn Peters in die Stadt durch Gewalt und wider Willen des Raths gab das Einverständniß mit Herzog Heinrich allem Ansehen nach wohl, doch aber schützte es den Rath dagegen nicht, daß er bald von dieser, bald von jener Seite im Laufe des folgenden 1465 Jahres in mehr als lästiger Weise daran erinnert wurde, daß Peter Langejohanns Sache nicht aufgegeben sei. Zunächst war es M. Johann, der mutige Anwalt seines Vaters, welcher nimmer abließ für diesen zu agitiren, wodurch der Rath schließlich sich veranlaßt sah, da die Mahnungen des Bischofs, sich ruhig zu verhalten, bei dem Kleriker kein Gehör fanden, in Schönberg zu beantragen, daß die Renten von M. Johanns Lehnen, sowie dessen sonstige Güter und Einkünfte mit Beschlag belegt werden möchten. Von dieser Maaßregel rieth aber der Bischof entschieden ab, weil M. Johann sich dann alsbald mit einer Klage wider den Rath, sowohl wie gegen ihn selbst an die höhere Instanz wenden würde, was dann noch mehr Noth machen dürfte, und empfahl vielmehr ihn zuvörderst wegen Bruch des Compromisses zu verklagen, welches der Erzbischof von Kreta zwischen ihnen vermittelt habe. Gleichzeitig scheint auch von einer Ausweisung die Rede gewesen zu sein, und das Kapitel M. Johann nach Ratzeburg gefordert zu haben, doch ist es zu ernsteren Auftritten dermalen nicht gekommen. Auch der jüngere geistliche Bruder, Jacob Langejohann, hat offenbar nicht stille gesessen und wurde schwerlich aus einem anderen Grunde am 12. Juli nach Schönberg geladen. Auswärts war Hinrich Langejohann thätig; gab dieser doch Anlaß, daß selbst ein Dänischer Ritter, Jurian Lauwerensson von Bohus an den Rath schrieb, man möge doch die Städte als Vermittler oder als Schiedsrichter annehmen.

Von persönlichen Bemühungen Herrn Peters für seine Sache findet sich in der ersten größeren Hälfte des Jahres 1465 keine Spur. Dies läßt sich etwa dadurch erklären, daß man ihm in Lübek gerathen hat, nachdem die Städte mit ihren Vermittelungsversuchen bei den Wismarschen gescheitert, auf eine zu solchen geeignetere Zeit zu warten. Möglich ist aber auch, und diese Erklärung scheint doch vorzuziehen, daß der ehemalige Bürgermeister Bedenken trug sich dorthin zu wenden, wo er eindringlichere Mahnungen, kräftigeren Beistand finden mochte. Landesfürstliche Hülfe war diejenige, welche Peter Langejohann nachzusuchen jetzt noch übrig schien, aber es wird ihm nicht zweifelhaft gewesen sein, wie die frühere Aussöhnung mit dem Herzoge doch keine aufrichtige gewesen; deutlich genug sprach der Brief desselben an den Rath. So meldete er sich denn, gewiß mit Widerstreben und geringem Vertrauen, am 10. August beim Herzoge Heinrich mit der Bitte, den Rath zu Wismar anzuhalten, daß derselbe ihm vor dem Herzoge und den Städten, die sich vergeblich bemüht hätten die Sache beizulegen, zu Rechte stehe, doch erhielt er erst auf ein zweites Ansuchen Ende des Monats die Antwort, der Herzog wolle ihm die Erklärung der Wismarschen mittheilen. Derartiges war eben vorauszusehen, doch mußte Herr Peter sich in Geduld fassen und that denn auch zunächst keine weiteren Schritte, als daß er sich am 18. October zu Segeberg ein Fürschreiben vom Dänischen Könige auswirkte, welches dem Rathe empfahl, jenem doch vor den Städten Rechtes zu pflegen. So ein Empfehlungsschreiben hatte nun nicht allzuviel zu bedeuten; der Rath wußte, daß die Sache beim Herzoge in guten Händen sei und wird den kommenden Dingen getrost entgegen gesehen haben.


Aus solcher Zuversicht störte den Rath aber wieder der unermüdliche M. Johann auf. Dieser hartnäckige Ankläger war vergebens, stille zu schweigen, ermahnt und aufgefordert, die Stadt zu meiden und brachte schließlich den Rath dahin, daß derselbe ihn, als er mit einer Anzahl verdächtiger Persönlichkeiten eingeritten kam, Gewaltthätigkeiten besorgend, durch den Official in Haft nehmen ließ. Das muß sich in der ersten Hälfte des Novembers zugetragen haben, denn am 17. bat der Bischof, man möge doch die Entlassung des Gefangenen gegen Bürgschaft gestatten, sonst solle, falls das nicht annehmlich erscheine, der Official ihn so lange bewahren, bis man sich mündlich verständigt haben werde. Zu diesem Behufe fertigte der Rath den Protonotarius M. Gottfried Perseval nach Schönberg ab, wo man dahin übereinkam, daß der Bischof Herrn Dethlev Hoyer senden solle, um die Sache in Wismar zu ordnen, wo derselbe auch am 10. Decbr. eintraf, ohne doch etwas, ausrichten zu können, weil der Inhaftirte inzwischen den Rath durch Vorbereitungen zu einem Processe bei der Curie noch mehr gegen sich aufgebracht hatte. Man hatte den Propst von Lübek in Verdacht, daß er ihn hiebei unterstützt habe, doch leugnete derselbe auf die vom Rathe veranlaßte Beschwerde des Herzogs beim dortigen Kapitel jegliche Betheiligung auf das Bestimmteste ab und ebenso verneinte des Propstes Notar, Marcus Mehlmann, welcher zwei Mal bei zufälliger Anwesenheit in Wismar M. Johann, den er seit lange von Rom her kannte, im Gefängnisse besucht hatte, wie das auch die Geschwister und andere Personen thaten, eine Bestellung von Procuratoren oder sonstige Schriftstücke für den Gefangenen ausgefertigt zu haben. Dieser blieb nun aber fortan in Haft.

Den ersten Theil des Jahres 1466 geschah nichts von Seiten der Langejohanns. Die Incarceration M. Johanns machte Verständigungen mit ihm schwierig und, da seine Angelegenheit so enge mit der des Vaters verflochten war, so wird dieser um so bedenklicher gewesen sein, weitere Schritte zu thun, als jenes Rath, wie nicht zu bezweifeln, von entscheidender Geltung bei den Seinigen war. Endlich im März rührte Herr Peter sich wieder und erkundigte sich beim Herzoge, wie es wohl mit der im August des abgewichenen Jahres versprochenen Erklärung stehen möge. Erst als nach einem Vierteljahre noch keine Antwort eingelaufen war, meldete er sich nochmals und jetzt dringlicher, denn bisher, indem er bat, daß, wenn der Rath keine Erklärung von sich geben würde, der Herzog, wie er ihm zugelobt und besiegelt habe, ihm helfen wolle, und hinzufügte, der Herzog möge doch jenem keine Briefe oder andere Documente wider ihn und die Seinen an irgend Herren und Fürsten und sonderlich nicht an den König von Dänemark geben, es ihm auch nicht verargen, wenn er, wo die Wismarschen nicht auf ihn, den Herzog, hören wollten, Gott und Fürsten und Herren und alle rechtlichen Leute in seiner Bedrängniß um Hülfe anspräche. Zugleich hielt er um ein Fürschreiben an das Kapitel zu Ratzeburg als Richter seines gefangenen Sohnes an, vor welchem sich derselbe zu Rechte erboten habe. Aber auch da ist Herr Peter ohne Antwort geblieben und zwar wohl nicht wider Vermuthen; er war ohne Zweifel darauf vorbereitet und hat überall keine Hülfe vom Herzoge erwartet, sich aber trotzdem an ihn gewendet, um nichts unversucht zu lassen, ehe er sich anderweitig nach Beistand umthat. Von Rechts wegen würde er freilich, wie die Angehörigen des enthaupteten Bürgermeisters Bantzkow, diesen nunmehr bei Kaiser und Reich haben suchen müssen, aber der Kaiser war fern, machtlos, das Reich in Verwirrung; vielmehr war die dominirende Macht in diesen Gegenden bei der Krone von Dänemark. Hier war Vermögen zu helfen, so wie Bereitwilligkeit mit dieser Hülfe hervorzutreten, und es fehlte dem Vertriebenen aus früherer Zeit her nicht an Verbindungen am Dänischen Hofe und Freunden, die sein Anliegen um Beistand und Hülfe wirksam zu unterstützen vermochten.

Die Bemühungen Peter Langejohanns beim Könige waren denn auch seinen Hoffnungen gemäß von Erfolg gekrönt. Derselbe forderte unter dem 28. Juni von Kopenhagen aus Lübek und Rostock auf, es ins Werk zu richten, daß Herrn Peters Angelegenheit vor ihnen, Hamburg und Lüneburg (!) geschlichtet würde, dann aber, als diese vermuthlich ihre vergeblichen Schritte berichtet, eindringlich vierzehn Tage später die erbgesessenen Bürger und die Aelterleute der Aemter zu Wismar, sie möchten, nachdem er beim Rathe wiederholt darum angehalten, man solle doch Herrn Langejohann wieder einnehmen und, wenn man Zusprache zu demselben zu haben vermeine, solche in rechtliche Erkenntniß von Lübek, Hamburg und Rostock stellen, jetzt ihrerseits dazu thun, daß der Rath sich dem nicht länger entziehe, wo nicht, so werde er Peter Langejohann nicht im Stiche lassen und den Wismarschen den Verkehr in seinen Reichen hemmen. Dieses energische Auftreten des Königs kam völlig unerwartet und die Folgen der angedrohten Maaßregel waren in Wismar in zu frischer Erinnerung, als daß nicht Rath und Bürgerschaft in die größte Aufregung hätten kommen sollen. statt aber den vom Könige gewiesenen Weg einzuschlagen, welcher zugleich derjenige war, auf dem der Rath seine Ehre und der Stadt Ansehen und Freiheit am Besten wahrte, verleitete die feindselige Gesinnung gegen König Christierns Schützling den Rath, daß er mit Hülfe Herzogs Heinrich jenen von letzterem abzuziehen versuchte. Sofort hat man dem Landesherrn Nachricht gegeben und seine Intercession angerufen. Selbiger, gleichfalls überrascht und aufgebracht dazu, schrieb alsbald an den König und hielt diesem, seines zu Gnaden angenommenen Bittstellers nicht zum Besten gedenkend, vor, daß er, der Herzog, seiner Unterthanen zu Ehren und Recht mächtig sei und diesen nicht gebühre, vor Lübek und Hamburg Rechtes zu pflegen, so wie auch, daß der König ja durch seine Vermittelung den Wismarschen auf fünf oder sechs Jahre sicher Geleite für die Schonreise und in seinen Landen überhaupt zugesagt habe. Die Drohung werde in der Hast ausgesprochen sein und hoffe er, daß der König seine Zusicherung, wie bisher, beobachten werde. Von Seiten des Raths aber entschloß man sich, durch Sendeboten unmittelbar bei diesem Vorstellungen zu erheben. Solche gingen zunächst nach Lübek, erbaten sich dort Begleiter und zogen mit ihnen nach Heiligenhafen, wo sich der König grade aufhielt. Die Abgesandten wurden jedoch von diesem sehr kühl aufgenommen und versuchten umsonst, denselben umzustimmen. Schließlich mußten sie sich bequemen, am 25. Juli Punctationen folgenden Inhalts zu genehmigen.