Abschnitt 3

Sieht man die dem Herzoge gezahlte Summe an, die ihm übrigens als ein freundliches Geschenk übergeben wurde, so scheinen die Wismarschen sich leidlich gut aus der Angelegenheit herausgezogen zu haben, aber es sind jenen tausend Gulden nicht allein die Kosten hinzuzurechnen, welche ihnen aus den wider sie verhängten Maaßregeln unmittelbar erwuchsen, sondern auch die Verluste, die durch den plötzlichen Abzug von Schonen und die Hemmung des Verkehrs mit dem Binnenlande für sie sich ergaben. Mag immerhin, wie berichtet wird, letztere wegen der offenen Verbindung seewärts sich weniger empfindlich fühlbar gemacht haben, so wird sie doch zum mindesten unbequem gewesen sein, während die Interessen derjenigen, welche die „Schonreise versucht“ hatten, durch den unvermutheten Aufbruch bedeutend geschädigt wurden. Das waren aber für die Städte überaus wichtige Interessen. Nach Schonen gingen alljährlich um Jacobi aus den Wendischen Städten Fischer, die dem Heringsfange oblagen, Böttcher, welche die Tonnen besorgten, in die man den Hering schlug, Gewandschneider, Krämer und Handwerker allerlei Art, um ihre Waaren zu vertreiben und Nordische dagegen einzuhandeln in so ansehnlicher Zahl, daß jede Stadt für ihre Angehörigen einen eigenen Vogt, in der Regel einen Rathmann, als Richter für entstehende Händel und Bevollmächtigten zum Verkehre mit den Landesbehörden dorthin sendete, kurz, daß eine Unterbrechung dieses Commercium viel mehr bedeutete als heutzutage der plötzliche Schluß einer Messe oder eine unvorhergesehene Blokade. Der Verdruß über die so erlittenen Verluste hat sich nun freilich in Wismar, wie es scheint, unmittelbar allerdings nicht bemerklich gemacht, aber da die Rathmannen vermuthlich zum größten Theile selbst bei dem Schonenschen Geschäfte betheiligt waren, da Peter Langejohann als wortführender Bürgermeister in seinem tapferen Sinne den Widerstand gegen die herzoglichen Zumuthungen wohl besonders geleitet und gefördert hatte, da noch dazu sein Zerwürfniß mit dem Landesherrn in so enger Verbindung stand mit demjenigen der Stadt und er seine dominirende Stellung vielleicht in nicht allzu rücksichtsvoller Weise zur Geltung gebracht haben mag, so konnte es leicht kommen, daß aus diesen Vorgängen her ein ihm schon widerwilliger Theil des Raths sich dieselben zu Nutzen machte und angeregt wurde, um weiter gegen den Bürgermeister vorzugehen. Man gab ihm wirklich bald gradezu Schuld, den Verlust in Schonen herbeigeführt zu haben, man zieh ihn eigenmächtiger, die Stadt verpflichtender Maaßnahmen und schließlich kam es so weit, daß man ihn vor versammelter Gemeinde laut anklagte, einen falschen Zuversichtsbrief ausgestellt zu haben. Die Herrn Peter sonst wvhlgewogene Bürgerschaft verhielt sich bei diesem unerhörten Vorgange stille, wie es scheint, ein Versuch sich zu rechtfertigen, wurde ihm abgeschnitten und so blieb ihm nichts übrig, wenn er nicht hinter Schloß und Riegel gehen und sich dem zweifelhaften Ausgange eines peinlichen Procefses aussetzen wollte, als dem Rathsstuhle zu entsagen. Er erklärte daher vor dem Rathe in Gegenwart von Notar und Zeugen Abends am 14. December 1463 auf dem Rathhause, wo er mit dem Rathmanne Hans Krevet, seiner Tochter Metke Mann, seinen Söhnen, dem Domherrn M. Johann, dem Kleriker Jakob, Peter und Hinrich, sowie Hinrich Warendorp d. ä. und d. j., Hermen Bigade und Hermen Wittenborg vortrat, daß er wegen Alters und in seinem Amte erduldeter Strapazen sich zu schwach fühle, diesem länger vorzustehen und bat ihn von selbigem zu entlassen. Der Rath sprach durch den Bürgermeister Spek seine Einwilligung in dies Verlangen aus und ließ alsdann durch den Stadtschreiber drei Zettel verlesen. Auf den Laut des ersten verpflichteten sich Peter Langejohann mit Eidam und Söhnen, wegen eines unter des Raths Siegel - dem Secrete - nach Assensen auf Fünen abgesendeten Zuversichtsbriefes Rath und Gemeinde schadlos zu halten. Auf den Laut des anderen bekannte Peter Langejohann, daß er auf sein eigenes Ansuchen aus dem Rathsstuhle entlassen sei, und verpflichtete sich, daß er diese Entlassung nicht weiter zur Sprache bringen, sondern das Beste des Rathes wissen, kein Verbündniß wider denselben machen und, wo das durch die Seinen geschehen würde, ihn mit seinen Gütern schadlos halten wolle. Auf den dritten Zettel endlich verbürgten sich die Angehörigen dem Rathe und der Gemeinde wegen alles entstehenden Schadens, falls ihr Vater und Freund sein Gelübde brechen sollte. Der Rath dagegen versprach seinerseits, Peter Langejohann als Bürger zu schützen und ihn friedlich bei dem Seinigen zu lassen. Damit sei die Sache abgethan, mögen beide Theile, der Rath sowohl wie der abgetretene Bürgermeister, gedacht haben und zufrieden gewesen sein, daß sie nicht zu Ereignissen führte, welche aus ähnlichem Anlasse dreißig und einige Jahre früher in Wismar sich zugetragen hatten.

Peter Langejohann war aber bei der Bürgerschaft nicht unbeliebt, er stand mit einem Theile des Klerus in gutem Einvernehmen und, wenn er selbst auch schwieg, so werden seine Angehörigen und Freunde ihre Klagen über ihm widerfahrenes Unrecht schwerlich zurückgehalten haben. Der Rath erkannte, daß der widerwärtige ehemalige Bürgermeister am Ende auch als ein sehr unbequemer Bürger sich erweisen werde, daß derselbe kaum ohne Rachegedanken sein könne, und die gehässigen Gesinnungen der Einzelnen gegen ihn fanden sich durch die bloße Hinausmaaßregelung Herrn Peters nicht vollständig befriedigt. Man glaubte doch mit einem Processe gegen ihn vorgehen, ihn unschädlich machen zu müssen, und ordnete daher nach deshalb mit einigen ihm abgeneigten Bürgern genommener Rücksprache alsbald seine Verhaftung an. Peter Langejohann war aber zufällig nicht zu Hause, wurde gewarnt und entfloh auf einem Boote nach Lübek, wo er sehr bekannt war und jetzt mit der größten Theilnahme empfangen wurde.


Den Rath brachte dies Entweichen in die allergrößte Unruhe, denn man mußte sich ja sagen, daß Peter Langejohann durch die nach der Handlung vom 14. December gegen ihn angestellte neue Procedur sich seinerseits auch der gemachten Zusagen für entbunden ansehen und nunmehr alle Mittel in Bewegung setzen werde, um seine Ehren und Würden, um die man ihn gebracht, wieder zu gewinnen.