III. Margaretha Zwanziger.

Bisher haben wir uns in der vornehmen, der sogenannten gebildeten Welt bewegt - zahlreichere und schlagendere Belege dafür, daß Gift mit Gift vertrauet macht, und zur Wiederholung der einmal gelungenen Tat verlockt, ohne daß es dazu eines gewichtigen, für Alle hinreichenden Beweggrundes bedürfte, indem vielmehr die Bosheit eines Selbstsüchtigen Gemütes mit seinem Hass, oder doch mit seiner Geringschätzung und Gleichgültigkeit gegen das Leben Anderer vollkommen genügen zur Verübung der schwärzesten Missetaten - schlagendere Belege hierzu, sagte ich, liefern die niedrigeren Schichten der bürgerlichen Gesellschaft.

Die Brinvillier und die Ursinus waren diabolische Naturen, gleichsam Aristokratinnen in ihrem Metier - anders dagegen Margaretha Zwanziger, die demokratischer mit Gift wirtschaftete, indem sie, erbittert ob ihrem vielfach selbstverschuldeten Schicksal, einen Hass auf alle Menschen werfen konnte, welchen ein besseres Loos beschieden war, als ihr selbst.


Geboren in Nürnberg 1760 (also Altersgenossin der Ursinus), und zwar ominöser Weise im Gasthof zum Schwarzen Kreuz, welcher ihren sehr früh verstorbenen Eltern gehörte, wuchs sie unter fremder, mehrmals wechselnder, Aufsicht heran, erhielt eine oberflächliche, durch empfindelnde Romanleserei verschrobene Bildung, und heiratete, 19 Jahre alt, als charakterloses und in hohem Grade gefallsüchtiges Mädchen, den Notar Zwanziger, einen schon älteren Junggesellen, der die Abende lieber in der bisher gewohnten Weinstube, als in der neuen Häuslichkeit zubrachte, während sein Gretchen ihr affektiertes Verlangen nach dem Umgang mit vornehmen edeldenkenden Männern und empfindsamen Herzen durch die Lektüre von Werther’s Leiden, Pamela und ähnlichen Romanen zu stillen suchte. - Nachdem sie majorenn geworden, erhielt sie ihr elterliches Vermögen ausgezahlt, und dieser momentane Überfluss, der leider nicht unerschöpflich war, verleitete beide Ehegatten zu einer unsinnigen Verschwendung, zu einem Leben in Saus und Braus. Bälle, Reduten, Theater und Landpartien wurden besucht und mitgemacht, nicht ohne die bedenklichsten Ausschreitungen, zu welchen er durch seine Liebe zum Wein, und sie durch ihre Eitelkeit und ihren Hang zur Romantik verleitet wurden. So daß Madame, auf einem Balle, sich sogar von einem Offizier entführen und von ihrem weinseligen Mann scheiden ließ jedoch nur, um wenige Tage nach eröffnetem Scheidungsurteil sich zum zweiten Mal mit dem gutmütigen Notar trauen zu lassen. - plötzlich starb ihr Mann (1795), wahrscheinlich nicht an Gift, sondern in Folge des unmäßigen Weintrinkens, und nun begann für die mittellose bereits zur gemeinen Dirne herabgesunkene Wittwe ein Leben voller Entbehrungen und Enttäuschungen. - Sie, die früher gewohnt war, zu befehlen, sich bedienen und von vielerlei Herrn den Hof machen zu lassen - sie wurde jetzt durch die Not gezwungen, seihst in fremde Dienste zu gehen: natürlich nur bei vornehmen ,,also edeldenkenden“ Herrschaften, allein ihre verschrobenen Ansprüche auf eine zarte, delikate Behandlung, womöglich auf Gleichstellung mit der Herrschaft, fanden trotz ihrem untertänigen falschfreundlichen Benehmen nirgends Erhörung, so oft sie auch den Dienst wechselte; im Gegenteil erfuhr ihre sogenannte Delikatesse, d. h. ihr überall durchblickendes Auchvornehmseinwollen so viele Zurechtweisungen, Demütigungen und Kränkungen, dass sich am Ende in ihrem selbstgerechten Innern nichts als Gift und Galle, Neid und Missgunst, Menschenhass und Menschenverachtung aufgespeichert hatten - ein psychischer Gährungsstoff, der sich notwendig Luft schassen mußte. Im Jahre 1805 diente sie in Weimar bei einer Kammerherrnfamilie, aber schon nach 6 Wochen waren ihr Dienst und Herrschaft so verleidet, daß sie sich heimlich auf und davon machte, diesmal nicht ohne einen kostbaren Juwel mit sich zu nehmen. Die Folge hiervon war, daß M. Zw. aus Nürnberg alsbald in den Zeitungen als Diebin öffentlich ausgeschrieben wurde, und dies nötigte sie, ihren nun ehrlos gewordenen Namen mit dem ihrer Eltern ,,Schönleben“ zu vertauschen. Auch mied sie von jetzt an die hohen Herrschaften und die größeren Städte, und so finden wir die nunmehrige Wittwe Schönleben im März l808 als Haushälterin bei einem Justizamtmann Glaser im Baireuthischen. der von seiner Frau getrennt lebte, und bei welchem sie sich so einzuschmeicheln wusste, daß sie trotz ihrer Hässlichkeit und ihrer 48 Jahre sich der Hoffnung hingab, Frau Justizamtmännin werden zu können. Das einzige Hindernis schien ihr die noch lebende rechtmäßige Ehefrau zu sein. Also kam es darauf an, diese zu beseitigen. Zu diesem Behufe unterstand sich die freche Haushälterin ganz von sich aus, mit allen nur erdenklichen Mitteln eine Versöhnung zwischen den beiden Gatten zu Stande zu bringen, und triumphierte auch wirklich als Friedensstifterin. Die auswärts wohnende Frau ließ sich überreden zu ihrem Mann zurückzukehren, wurde mit phantastischem Pomp empfangen, und in die mit Girlanden und Inschriften geschmückte Wohnung eingeführt, nur um vier Wochen später als Leiche wieder hinausgetragen zu werden.

Gestorben war sie (im Juli 1808) an dem Arsenik, welchen ihr die Zwanziger im Tee, und ein zweites Mal im Kaffee beigebracht hatte und doch stellte sich dieser abscheuliche Mord als eine ganz fruchtlose Tat heraus. Der Wittwer zeigte so gar keine Neigung, sich wieder zu verheiraten, daß die enttäuschte Wittwe für geraten fand, ihr Glück anderswo zu versuchen. Sie wurde Haushälterin bei dem noch ledigen Amtmann Grohmann, einem robusten, nur oft an der Gicht leidenden Dreißiger. Dieser Dienst passte ganz zu ihren Plänen: ein unverheirateter, nicht zu junger, und doch zeitweilig fremder Pflege bedürftiger Mann. Wie viel Gelegenheit für eine zudringliche und dienstfertige Person, ihren Patienten sich zu Dank zu verpflichten! Auch war ihr dies bereits in einem hohen Grade gelungen, als sie eines Tages durch heimliches Lesen in den Briefen ihres treulosen Herren die Gewissheit erlangte, daß sie von ihm auf das Nichtswürdigste hintergangen worden sei, indem er sein tiefstes Geheimnis, seine Liebe zu einem jungen Mädchen, ihr bisher vorenthalten habe, und sie dadurch zum zweiten Male um die Möglichkeit, Frau Amtmännin zu werden, gebracht worden sei. Diese vermeintliche Treulosigkeit mußte er mit seinem Leben büßen. Kurz vor der Bekanntmachung seiner Verlobung, Anfangs Mai 1809, erlag er den fürchterlichen Vergiftungskrämpfen, während man allgemein als Todesursache die Gicht ansah, die sich auf innere Organe geworfen haben möge. - Über die Schönleben, die natürlich in Tränen zerfloss, hörte man nichts als Lob und Bewunderung ob der Treue und Ausdauer, mit welcher sie Tag und Nacht ihren kranken Herren gepflegt hatte, und dieser Ruf verschaffte ihr schon nach 8 Tagen eine neue Anstellung in der Umgegend bei dem Justizamtmann Gebhard, der täglich einer Vermehrung seiner Familie entgegensah, und deshalb fremder Aushilfe bedurfte. - Also der dritte Amtmann, bei dem sie ihr Glück versuchte, und die dritte Aussicht, ihren immer morscher werdenden Witwenstuhl doch noch zu verrücken. Auch beeilte sie sich diesmal mehr als bisher. Am 13. Mai hatte sie den Dienst angetreten, und schon am 17. vergiftete sie zwei, mit Bier angefüllte Steinkrüge, den einen schwächer, den andern stärker, und brachte der Wöchnerin sofort aus dem ersteren einen Labetrunk, der aber nur große Hitze und Trockenheit erzeugte in Verbindung mit einem brennenden Durst, welcher dann am 19. Mai durch ein Glas aus dem zweiten Kruge für immer gestillt wurde. Am 20. starb die Leidende mit dem Ausrufe: „Um Gotteswillen, Ihr habt mir Gift gegeben!“ - Und dennoch schöpfte Niemand Verdacht! - Im Gegenteil, die Schönleben blieb noch Monate lang im Hause als Pflegerin des mutterlosen Kindes, und ihre 3 Mordtaten wären unvergolten geblieben, wenn sie nicht nebenbei das Vergiften gleichsam zu Scherz und Spott betrieben, und eine Menge ihr aus irgend einem Grunde missfälliger Personen bloß angegiftet hätte, um sich dann an den Ausbrüchen ihres Schmerzgefühls zu weiden, und sie ihre Macht fühlen zu lassen.
Am frechsten geschah dies am 1. September 1809, wo der Amtmann mit Freunden Kegel schob und Bier aus seinem Keller holen ließ. Alle 5 Mitspieler wurden nach dem Genuss des Bieres von heftigen Kolikschmerzen und Erbrechen befallen, und drangen nun mit Entrüstung in ihren Wirt, eine so unheilbringende Person sofort zu entlassen. Dies geschah denn auch. Bevor sie aber am anderen Morgen abreiste, machte sie sich noch allerhand im Hause zu schaffen: sie füllte eigenhändig die Salzbüchse, weil das von guter Vorbedeutung für die zurückbleibenden sei; sie kochte den Kaffee für die beiden Dienstmägde und tat selbst den Zucker in die Tassen, und ihren kleinen Pflegling fütterte sie zum Abschied, unter Herzen und Küssen, mit Bisquit und Milch.

Kaum eine halbe Stunde nach ihrer Abreise aber wurden zuerst das Kind und etwas später auch die beiden Mägde von heftigen Schmerzen und Erbrechen befallen, und nun erst, in frischer Erinnerung an die gestrige Kegelpartie, schöpfte auch der Amtmann ernstlichen Verdacht, und machte eine gerichtliche Anzeige gegen die Schönleben, nachdem sich zuvor noch ergeben hatte, daß nicht blos jene von ihr gefüllte Salzbüchse, sondern die ganze Salztonne im Hause stark mit Arsenik vermischt war. - Um die Mitte des Oktober 1809 wurde das boshafte Weib in Nürnberg von der Polizei aufgegriffen, und zum Beweis, daß man sich in der Person und ihrem Metier nicht geirrt hatte, fanden sich in ihren Kleidern drei mit Arsenik und Fliegenstein gefüllte Papiersäckchen vor. Ihr freches Leugnen der Hauptschuld zog die Untersuchung sehr in die Länge, und so geschah es, daß sie erst 1811 im September ihr Leben auf dem Schaffot endete, nicht ohne unmittelbar vorher von dem Personal des unter freiem Himmel gehegten hochnotpeinlichen Halsgerichts mit einer zierlichen Verneigung Abschied genommen zu haben.

Wir perlassen auch dieses Verbrecherleben voller Lüge und Bosheit, können aber nicht umhin, ihm wenigstens ein Verdienst um die Wissenschaft nachzurühmen. Am Tage vor ihrem Tode nämlich erbat sie sich noch eine Unterredung mit Ihrem humanen und desshalb von ihr liebgewonnenen Untersuchungsrichter, und legte ihm unter Anderem auch das Bekenntnis ab, daß ihr Tob für die Menschen ein Glück zu nennen sei, denn lebend würde es ihr nicht möglich gewesen sein, ihre Giftmischereien zu unterlassen.

Einen schlagenderen Beleg für unsere Ansicht von der verführerischen, zauberartig verlockenden Wirkung des Giftes auf das Gemüt Derjenigen, welche einmal in verbrecherischer Absicht sich damit befasst und es erfolgreich angewendet haben - einen besseren Beleg dafür könnte es kaum geben, wenn nicht eine vierte Genossin: