Die Gewinnung des Graphits auf Ceylon. Mit vier photographischen Aufnahmen aus Ceylon von O. Haeckel

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1922
Autor: Karl Prechtel, Erscheinungsjahr: 1922

Exemplar in der Bibliothek ansehen/leihen
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Ceylon, England, Graphit, Rohstoff, Bleistifte, Bergwerk, Faber, Gruben, Rostschutz, Russland, Sibirien
Im Haushalt kennt man den Graphit zum Schwärzen eiserner Öfen und Herdplatten und der Ofenrohre, um sie vor Rost zu bewahren. Auch ist allgemein bekannt, dass die Bleistifte diesen Stoff enthalten. Graphit kommt von graphein = schreiben; dies deutet auf eine bestimmte Verwendung dieses Minerals. Wie kommt es nun, dass man die Graphit enthaltenden Stifte Bleistifte nennt? Griechen und Römer und nach ihnen auch spätere Kulturvölker benützten zum Linienziehen auf Pergament eine flache Scheibe aus Blei. Seit dem vierzehnten Jahrhundert verwendeten italienische Künstler Stiele oder Stifte aus einer Mischung von Blei und Zinn zum Zeichnen, Überwog in der Zusammensetzung der beiden Minerale das weichere Blei, so erzielte man damit einen dunkleren Strich; war mehr Zinn beigemischt, so wirkte die Zeichnung zarter und heller. Künstler und Architekten des vierzehnten und fünfzehnten Jahrhunderts zeichneten mit solchen „Silberstiften“. Vom Gebrauch des Bleies zu diesen Zwecken, wozu aber auch noch das Schreiben zu erwähnen ist, stammt also unsere Bezeichnung Bleistift für dieses aus Graphit hergestellte unentbehrliche kleine Gerät. Dass man auch Stifte aus Silber zum Zeichnen auf kreidiger Schicht benützte, ist aus dem fünfzehnten Jahrhundert bezeugt.

**********************************************
Vor etwa vierhundert Jahren entdeckte man in England in Borrowdale bei Keswick eine Graphitader und stellte aus dem dort zutage geförderten Material Bleistifte her, die nun ihren Weg in die Welt fanden. Die dichten und festen Teile des Graphits wurden in Stäbchen zersägt und in Holz gefasst; Zedernholz wird zu diesem Zweck 1683 erwähnt. Cäsalpin und Ferrante Imperato lobten schon 1596 und 1599 diese Stifte, da sie zum Zeichnen viel bequemer als Tinte und Feder seien; Imperato sagt, man könne alles damit Gezeichnete nach Belieben stehen lassen oder auslöschen und mit der Feder darüber zeichnen, was bei einer mit Blei oder Kohle hergestellten Zeichnung nicht ginge.

Mit der Entdeckung dieses Vorkommens war die Grundlage einer neuen englischen Industrie geschaffen, und man versuchte, sich alle damit verbundenen Vorteile möglichst zu sichern. Der Berg, in dem sich der Graphit fand, ist etwa siebenhundert Meter hoch, und ungefähr in halber Höhe befand sich der Eingang zum Bergwerk. Im letzten Drittel des achtzehnten Jahrhunderts kam es zu regelrechten Kämpfen um dieses begehrte Material. Räuber rotteten sich zusammen, es wurde gestohlen, und viele in der Nähe des Berges wohnende Leute wurden durch Raub und Diebstahl von Graphit reich. Eine Gruppe von Bergleuten hatte einen förmlichen Angriff auf die Grube unternommen. Als Sieger im Angriff behaupteten sie sich eine Zeitlang im Besitz, bis Militär anrückte und im Kampf die Oberhand gewann.

Nun suchten sich die Eigentümer der Grube vor ähnlichen Überfällen zu sichern. Sie ließen ein festungsartiges Gebäude mit eineinhalb Meter dicken Mauern errichten, Schießscharten anbringen und die Fenster vergittern. Im Erdgeschoß dieses Bauwerks befanden sich vier Räume. In einem führte eine Falltür zu der damit verschließbaren Grube, aus der man den kostbaren Graphit zutage förderte; in diesem Teil der „Festung“ kleideten sich die Bergleute um, zogen ihre Grubenkittel an und kehrten nach sechsstündiger Schicht dorthin zurück. Um jeder Veruntreuung zu begegnen, mussten sie unter Aufsicht ihre Grubenkleidung ablegen.

In einem anderen der vier Räume sortierten und reinigten zwei Männer den von den Bergleuten geförderten Rohstoff. Sie blieben während der Arbeit eingeschlossen. Mit geladenen Gewehren bewaffnete Aufseher schützten das Bergwerk vor räuberischen Überfüllen.

In der Grube arbeitete man nur sechs Wochen im Jahre. Trotz dieser außerordentlich kurzen Förderzeit soll der Wert des gewonnenen Graphits eine Million Franken betragen haben. Auf alle Weise suchte man sich die Vorteile dieser Fundstätte für die Herstellung von Bleistiften zu sichern. Die englische Regierung verbot strengstens die Ausfuhr von Graphit in anderer Form als der von Bleistiften. Um die Mitte des achtzehnten Jahrhunderts setzte man sogar Todesstrafe auf widerrechtliche Ausfuhr! In jener Zeit entstand auf dein Kontinent die Überzeugung, dass „englische Bleistifte“ die besten der Welt seien. Nach dem Gesetz der Trägheit, das auch auf geistigen Gebieten wirksam ist, hielt man sogar noch später an dieser Annahme fest, als die Borrowdaler Gruben nur noch unreines Material lieferten, das nicht mehr wie einst im Naturzustand zu Bleistiften verwendet werden konnte.

In Nürnberg wird im Jahre 1683 der Bleiweißstiftmacher Staedler erwähnt. In dieser betriebsamen Stadt gab es 1726 mehrere, die den Beruf ausübten, und im selben Jahr veranlasste Friedrich Wilhelm III. den Bleistiftmacher Schmidt aus Schwabach zur Einführung dieses Gewerbes in Berlin. In Stein bei Nürnberg errichtete 1761 Kaspar Faber seine kleine Werkstatt.

In Deutschland und Österreich gab es in vielen Gegenden Graphitlager; eignete sich das Material auch nicht überall zur Bleistiftfabrikation, so doch zu feuerfesten Ziegeln, Schmelztiegeln und dergleichen. Wollte man Bleistifte daraus Herstellen, so musste das Graphitpulver mit verschiedenen bindenden Stoffen vermengt werden. Seit dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts, als Nicolas Jacques Conté in Frankreich und Joseph Hardtmuth in Wien den Ton als Bindemittel anwendeten, ist die Technik der Herstellung immer weiterentwickelt worden.

Um 1827 kam durch England, dessen einst so ergiebige Schätze in Borrowdale erschöpft waren, Graphit von der Insel Ceylon in den Handel.

Für die deutsche Industrie ist die Entdeckung von Graphitlagern in Sibirien nahe der Grenze von China bedeutsam geworden. Der Kaufmann und Forschungsreisende J. P. Alibert kam im Osten Sibiriens in die dortige Gebirgsgegend. Teilweise von der Hoffnung beseelt, Gold im Gestein zu finden, stieß er auf reinen Graphit. Nach vieler Mühe und Arbeit gelang es ihm 1847, auf der Höhe des Felsengebirgs Batougul etwa zweihundertvierzig Meter über dem Meer und vierhundert Werst westlich von Irkutsk eine Mine anzulegen, die ausgezeichnet reinen Graphit ergab. Die Förderung dieser Gruben ist 1856 durch das Haus Faber für die deutsche Industrie gerettet worden, und inzwischen entfaltete letztere sich zur Beherrschung des Weltmarktes.

Auf Ceylon befinden sich die reichsten Gruben im Westen des Gebirges, da dort die Eisenbahnverbindungen für den Transport günstig sind. Die Gewinnung und Verarbeitung des wertvollen Materials geht in primitiver Weise vor sich. Man arbeitet im Tagebau und schafft den Rohstoff in Fässern fort, um ihn an anderer Stelle zu zerschlagen, zu sieben, mit Wasser zu reinigen, weiter zu zerkleinern, zu schlämmen, zu trocknen und zu verpacken.

Von der vielfältigen Verwendung des Graphits zu allerlei technischen Zwecken kann nur einiges erwähnt werden. In der Eisengießerei und Stahlfabrikation ist dieser Mineralstoff unentbehrlich; Kamine, Ofen, Röhren verdanken ihm ihren grauen, metallglänzenden, vor Rost schützenden Überzug; auch für Holz und Ton liefert er eine dauerhafte Anstrichfarbe. Bedeutend ist die Graphittiegelfabrikation zu Schmelzzwecken. Bekannt sind die Passauer Schmelztiegel, die schon von Georg Agricola (1490 bis 1555) gerühmt wurden. Man stellt dort auch Muffeln, Windröhren, Sandbadschalen, feuerfeste Ziegel, Kochgeschirre, Waschkessel und vieles andere her. Im Elektrizitätswesen spielt Graphit für Batterieelemente und Kohlen eine wichtige Rolle. Als guter Leiter der Elektrizität ist er in der Galvanoplastik wertvoll, weil man Formen aus verschiedensten zu diesen Zwecken geeigneten Stoffen damit überziehen kann, um sie für den galvanischen Strom leitend zu machen. Künstliche Schleif- und Poliersteine werden aus Retortengraphit hergestellt. Graphit in Mischung mit anderen Stoffen gibt einen ausgezeichneten luftdichten Kitt für Dampfkessel und Gasröhren. Ferner ist Graphit dienlich zur Verminderung der Reibung von Maschinen, wobei er entweder als feinstes Pulver oder mit Fett und Ölen gemischt gebraucht wird. Feingeschlämmt lässt er sich statt des Öls für die Zapfen in Uhren, selbst bei Chronometern, anwenden. Graphit fand in der Medizin Aufnahme gegen Flechten und Krätze. Das feine Grau verschiedentoniger Filzhüte dankt diesem Mineral seinen besonderen Reiz. Was aber wichtiger ist, Tausende von Menschen finden Beschäftigung in der Verarbeitung dieses vielgebrauchten Naturproduktes, an dem auch unser Land nicht arm ist.

Transport des Graphits in Ochsenwagen auf Ceylon.

Ceylon, Herstellung von Fässern für den Graphittransport

Ceylon, Herstellung von Fässern für den Graphittransport

Ceylon, Sieben des ausgesuchten Graphits

Ceylon, Sieben des ausgesuchten Graphits

Ceylon, Sortieren des Rohgraphits

Ceylon, Sortieren des Rohgraphits

Ceylon, Transport des Graphits in Ochsenwagen

Ceylon, Transport des Graphits in Ochsenwagen