Einfluss der Kleidung auf den weiblichen Körper

Den schwerwiegendsten Einfluss auf die Verunstaltung des weiblichen Körpers übt der Missbrauch des Korsetts aus.

Die dadurch verursachte Verengerung des Brustkorbs, namentlich in seiner unteren Hälfte, hat bereits vor mehr als 100 Jahren Sömmering warnend besprochen, und seine Auffassung durch zwei vortrefflich ausgeführte Abbildungen des normalen und durch Schnüren verengerten Frauentorso mit eingezeichnetem Gerippe veranschaulicht (Fig. 248 und 249). Dabei darf jedoch nicht vergessen werden, dass Sömmering um das Jahr 1785 seine Beobachtungen machte, also gerade zu der Zeit, als das Rokoko mit seiner weder vorher noch nachher erreichten Wespentaille in höchster Blüte stand.


Fig. 248. Normaler weiblicher Brustkorb nach. Sömmering. Fig. 249. Durch Schnüren verdorbener weiblicher Brustkorb nach Sömmering.

Die erste Abbildung stellt den Torso der Venus von Milo vor, die zweite den einer französischen Modedame aus dem 18. Jahrhundert. Von der fünften Rippe ab ist bei der letzteren der Brustkorb nach innen gedrückt, so dass die unteren Rippen statt in rechtem Winkel in sehr spitzem Winkel nach dem unteren Rand des Brustbeins zusammenlaufen und sich in der Mittellinie beinahe berühren. Die untere Öffnung des Brustkorbes nach der Bauchhöhle zu ist dadurch auf beinahe ein Drittel seiner natürlichen Größe zurückgebracht.



Noch schärfer tritt uns diese Entstellung vor die Augen in einer Photographie, die Rüdinger nach dem Skelett eines zwanzigjährigen, an Schwindsucht gestorbenen Mädchens machen ließ (Fig. 250). Hier ist bereits von der vierten Rippe ab eine Verengerung der Brusthöhle nachzuweisen.

Fig. 250. Schnürbrust eines 20jährigen an Schwindsucht gestorbenen Mädchens nach Rüdinger.

Wenn nun schon die harte, knöcherne Unterlage so stark durch das Schnüren beeinflusst wird, so ist es begreiflich, dass die weichen Teile in noch viel höherem Maße zu leiden haben.

Wenn wir uns den Verlauf der Muskeln am weiblichen Körper (Fig. 251 und 252) vergegenwärtigen, so sehen wir, dass die stärkste Einschnürungsstelle ringförmig mitten über die langen Bauch- und Rückenmuskeln verläuft und demnach gerade die kräftigsten Muskeln quer zusammendrückt und dadurch in ihrer Tätigkeit brach legt; am meisten zu leiden haben die langen Bauchmuskeln, die vom unteren Brustkorbrand rechts und links neben dem Nabel nach dem vorderen Beckenrand verlaufen.

Fig. 251. Muskeln des weiblichen Rumpfes von vorn.
Fig. 252. Muskeln des weiblichen Rumpfes von hinten.


Auch auf die Eingeweide wirkt das starke Schnüren verderblich ein. Zunächst werden die Lungen in ihrer ganzen unteren Hälfte am Atmen verhindert, und wenn auch die obere Hälfte die Funktion größtenteils übernimmt, so sind doch die zu gezwungener Ruhe verurteilten Organteile ein reiches und viel weniger widerstandsfähiges Feld zur Ansiedlung von Krankheitskeimen geworden. Demnächst wird die Leber verformt und nach unten gedrückt ; mit ihr sinkt der Magen, die Nieren, der Darm in die Tiefe. Nach der Leiche einer einundzwanzigjährigen Selbstmörderin hat Steger in Leipzig ein sehr schönes Gipsmodell (Fig. 253) angefertigt, das diese Verhältnisse deutlich zeigt. Die Leber ist entfernt, so dass man den Magen völlig übersehen kann; sein oberer Rand steht da, wo natürlicherweise der untere stehen sollte. Ist nun auch eine derartige Verlagerung der Baucheingeweide nicht direkt lebensgefährlich, so gibt sie doch Veranlassung zu schweren Verdauungsstörungen, Stuhlverstopfung, Gasbildung u. s. w.

Fig. 253. Verlagerung der Baucheingeweide durch Schnüren. (Gipsmodell von Steger.)

Außerdem endlich werden die großen Blutgefässe, die das Blut der unteren Körperhälfte nach dem Herzen zurückbringen, einem starken Drucke ausgesetzt, und damit werden die drei wichtigsten Funktionen des menschlichen Körpers: Atmung, Verdauung und Blutumlauf in ihrer Tätigkeit schwer geschädigt. Die nächsten Folgen der dadurch hervorgebrachten fehlerhaften Körperernährung sind Blutarmut, Bleichsucht und unnatürlicher Fettansatz, im weiteren Verlauf kommen als Folgezustände eine ganze Reihe von Krankheiten dazu, die Meinert u. a. ausführlich behandelt haben. — Hier wollen wir uns darauf beschränken, das Sündenregister der durch starkes Schnüren verursachten Krankheiten mit ihren lateinischen Namen aufzuzählen: Anämie, Chlorose, Atelektase, Kardialgie, Gastralgie, Gastritis, Hepatitis, Gastroptose, Nephroptose, Enteroptose, Obstipation, Dysmenorrhoe, Amenorrhoe, Metritis, endlich Fettsucht, Neurasthenie, Hysterie, Schwindsucht u. s. w.

Es würde zu weit führen, alle diese Krankheiten in ihrem Zusammenhang mit dem Schnüren ausführlich zu besprechen; als für Damen besonders wichtig sei nur hervorgehoben, dass starkes Schnüren zwar zeitweise die Taille selbst schlanker macht, im allgemeinen aber einen starken, krankhaften Fettansatz an allen übrigen Körperteilen hervorruft und befördert.

Nun aber eine weitere Frage: Wird mit so viel Opfern an Gesundheit und Lebensfreude eine Verschönerung der äußeren Körperform wirklich erzielt? Die Antwort lautet: scheinbar ja, in Wirklichkeit nicht.

Der normale weibliche Rumpf (Fig. 254) verschmälert sich vom breiteren Schulterumfang nach der Taille zu, um von da in weichen Linien nach den Hüften zu wieder breiter zu werden. Die Schönheit der Taille hängt nicht ab von deren absolutem Umfang, sondern ausschließlich vom Unterschied zwischen Taille, Hüften und Schultern.

Fig. 254. Normale Taille.

Die Taille (18 bis 24 cm Durchmesser) muss 12 cm schmäler als die Hüften, und 16 cm schmäler als die Schultern in ihrer größten Breite sein.

In der gewählten Stellung ist die rechte Hüfte gesenkt, so dass die Begrenzung rechts gestreckt beinahe gerade verläuft, während links der Unterschied zwischen Schultern, Taille und Hüften doppelt stark in der Beugung hervortritt. Zugleich aber ist bei dieser Stellung das Relief der Körperoberfläche gut zur Geltung gebracht; die Muskeln der Brust und des Unterleibs sind deutlich durch die Haut hin sichtbar, die Brustdrüsen haften fest und hoch auf ihrer elastischen Unterlage.

Die ersten Folgen des Schnürens zeigt Fig. 255. An dem übrigens gesunden Körper mit gefälligen Formen zieht quer über den Nabel eine dunkle Furche hin, die in der Profillinie einer deutlich ausgesprochenen Einknickung entspricht. Der Unterleib ist nach unten und vorn gepresst, und nimmt die Form an, die man „Spitzbauch“ nennt; der erste Stein auf dem Weg zum Grabe der Schönheit.

Fig. 255. Taille mit Schnürfurche. Spitzbauch.



Eine weitergehende Entstellung des Körpers ist aus Fig. 256 ersichtlich. Die Druckstelle über dem Nabel ist zu einer tiefen, braunverfärbten, blutrünstigen Furche geworden; an dem im unteren Umfang stark zusammengeschnürten Brustkorb sind die Brüste herabgesunken und zu Hängebrüsten geworden. Der Bauch unterhalb des Nabels ist heruntergedrückt und wird zum Hängebauch, der, bei etwas stärkerem Fettansatz, in die hässliche, schwammige Form des Froschbauchs übergeht.

Fig. 256. Taille mit starker Schnürfurche. Hängebauch.

Je früher mit dem Schnüren ein Anfang gemacht wird, je zarter der Mädchenkörper ist, der in das Korsett hineingepresst wird, desto stärker und deutlicher tritt der nachteilige Einfluss des Schnürens zu Tage. Ich habe Mädchen von 15 Jahren mit Hängebrüsten und Froschbäuchen gesehen.

Wenn nun schon am jungfräulichen Körper die Folgen des Schnürens ihren verderblichen Einfluss auf die Schönheit der Formen äußern, so genügt die erste Schwangerschaft, um sie völlig zu zerstören. Die weichen Teile werden dadurch ausgedehnt und sind wegen ihrer geringen Widerstandsfähigkeit und wegen des Schwundes der Elastizität von Haut und Muskeln nie mehr im stände, ihre ursprüngliche Lage und Form wieder einzunehmen. Die Geburt selbst ist wegen der schlecht wirkenden Muskeln eine unendlich schwierige, und danach wird der Rumpf ein schlaffer Sack, dem nur noch das Korsett, der Urheber all dieses Übels, den trügerischen Schein normaler Form eine Zeitlang bewahren kann. Ein derartig entstellter Körper ist für ein geübtes Auge auch durch die Kleider hin deutlich zu erkennen; die große Masse allerdings wird sich durch das künstliche Gebäude leichter täuschen lassen, desto größer aber ist dann auch die Enttäuschung, wenn einmal „des Pudels Kern“ zum Vorschein kommt.

Ein klassisches Vorbild zur Vergleichung natürlicher und verschnürter Körperform bieten die vatikanische Venus (Fig. 257) und die Tänzerin von Falguiere (Fig. 258).

Fig. 257. Vatikanische Venus.
Fig. 258. Tänzerin von Falguière. (Nach einer Photographie von Braun, Clément & Cie. in Dornach i. E., Paris und New York.)


Bei der Göttin sind an dem kräftigen und doch schlanken Rumpfe alle Muskeln mit ihrem feinen Spiel durch die zarte, elastische Haut hin zu sehen; die kleinen, prallen Brüste sind hoch angesetzt auf dem breitgewölbten Brustkorb, der Unterleib ist flach und gespannt.

Bei der Tänzerin ist der Brustkorb durch das Schnüren unten verengert und oben verflacht, die Brüste fangen trotz ihrer Jugendlichkeit bereits an, zu hängen, der Unterleib ist vorgewölbt und hängt schlaff zwischen den durch Fettanhäufung verdickten Hüften herunter.

Eine ähnliche Gegenüberstellung normaler und verschnürter Rumpfbildung am lebenden Körper zeigen die Fig. 46 und 47.

Ebenso wie die Bauchmuskeln sind auch die langen Rückenmuskeln in ihrer Entwickelung gehemmt, bleiben schwächlich und machen den Rücken flach und gebogen. Daraus erklärt sich auch, warum an das Korsett gewöhnte Frauen Rückenschmerzen bekommen, sobald sie die gewohnte Stütze entbehren.

Nach diesen Auseinandersetzungen lassen sich die Anforderungen, die an ein gutgemachtes Korsett gestellt werden müssen, nächst sorgfältiger Anfertigung auf Mass, leicht in Worte bringen:

1. Das Korsett darf nicht zu hoch sein, um die Atmung nicht zu beschränken.

2. Es darf nicht zu stark geschnürt sein, um die Eingeweide nicht zu verlagern.

3. Es muss auf der knöchernen Unterlage des Beckens seinen Stützpunkt haben, um die darüber liegenden weichen Teile nicht zu drücken.

Fig. 259 stellt ein 22jähriges Mädchen aus Scheveningen, das nie ein Korsett getragen hat, bekleidet dar, Fig. 260 dieselbe in nacktem Zustand. Der Körper bietet, mit Ausnahme der etwas zu vollen Brüste, völlig normale Formen; namentlich ist der Umriss des Rumpfes und der Uebergang zu den Hüften von seltener Reinheit. Noch deutlicher ist dies zu sehen in der Ansicht von hinten, die zugleich ein Zeugnis ablegt von der vorzüglichen Entwickelung der Rückenmuskeln (Fig. 261).

Fig. 259. Scheveninger Mädchen von 22 Jahren.
Fig. 260. Dieselbe entkleidet
Fig. 261. Dieselbe in der Ansicht von hinten.


Auf meinen Wunsch legte das Mädchen, das von Beruf Modell ist, ein Korsett ihrer Schwester an, die ungefähr dieselben Körperformen hat (Fig. 262) — sie selbst besaß keines. Auf der danach gefertigten Aufnahme lassen sich alle Fehler des Korsetts deutlich erkennen. Zunächst ist es nicht auf Maß gemacht und passt sich der Figur nicht an. Es geht so hoch hinauf, dass der untere Teil des Brustkorbs sich nicht beim Atmen ausdehnen kann und drückt auch auf die Brüste. Trotz sehr mäßiger Schnürung hat es aber bereits den Umriss eingedrückt, und die weichen Teile in einem leichten Wulst über den Beckenschaufeln vorgewölbt und herabgedrückt, um so mehr, als es nicht bis über diese hinabreicht. Ein gut gearbeitetes Korsett müsste unten mindestens eine Hand breit tiefer reichen und oben eine halbe Hand breit früher aufhören.

Fig. 262. Dieselbe mit einem fehlerhaften Korsett.

Wenn schon unmittelbar am unverdorbenen Körper eine fehlerhafte Wirkung des Korsetts so sehr hervortritt, dann kann man sich leicht denken, in welchem Grade sie bei regelmäßigem Gebrauche gesteigert wird.

Um den Einfluss des Korsetts auf den weiblichen Körper objektiv beurteilen zu können, habe ich drei Serien von je fünfzig übrigens gesunden Frauen aus verschiedenen Ständen näher untersucht. Die Resultate waren die folgenden:

1. Serie. Fünfzig wohlgebaute Frauen mit sorgfältig nach dem Körpermaß angefertigtem französischem Korsett: Keine einzige zeigte eine Druckstelle am Körper, außer leichten Striemen von den Falten des Hemdes; weder Unterleib noch Brustkorb war missbildet; der Umfang der Taille war ohne Korsett der gleiche als mit demselben.

2. Serie. Fünfzig wohlgebaute Frauen mit schlecht sitzendem, nicht nach Maß angefertigtem Korsett : Sämtliche hatten Striemen, die auch eine Viertelstunde nach Ablegen des Korsetts hoch sichtbar blieben und zum Teil braun verfärbt waren. Bei allen war der Umfang der Taille ohne Korsett mindestens 1 Zentimeter größer, als mit Korsett, bei fünfzehn sogar 7 Zentimeter größer. Dreißig hatten keine deutlichen Veränderungen des Rumpfes, die auf die un zweckmäßige Bekleidung zurückgeführt werden konnten, bei zwanzig bestand sanduhrförmige Einschnürung der Körpermitte, Verengerung der unteren Brustapertur, braunrote Druckstellen und Hängebauch in größerem oder geringerem Maße.



3. Serie. Fünfzig wohlgebaute Frauen aus den niederen Ständen, die nur ausnahmsweise ein Korsett trugen:

Alle fünfzig hatten Druckfurchen von den Rockbändern, nur fünf hatten abgesehen davon einen normalen Rumpf, die übrigen fünfund vierzig zeigten zum Teil sehr tief greifende Einschnürung in der Taille, Hängebauch, krummen Rücken und Missbildung des Brustkorbs.

Daraus geht hervor, dass bei der heutigen, entschieden viel zu schweren Kleidertracht durch ein gut sitzendes Korsett der schädliche Einfluss auf die Körperform ganz, durch ein schlecht sitzendes nur teilweise aufgehoben wird, dass aber die Kleider in ihrer jetzigen Form ohne Korsett getragen noch viel schädlicher sind.

Noch einmal sei hier betont, dass ich nur vor dem Missbrauch des Korsetts warne, dieses selbst aber für unentbehrlich halte, solange die Kleidung im ganzen nicht so leicht geworden ist, dass sie dieser Stütze entraten kann.

Außer den schon erwähnten Vorzügen eines gut sitzenden Korsetts hat Hans W. Singer*) noch auf einen weiteren aufmerksam gemacht. Die über das Korsett gezogene Kleidertaille behält viel länger ihre ursprüngliche Form und Frische, während ein ohne Korsett getragenes Kleid sehr bald Falten bekommt und abgetragen aussieht. Aus diesem Grunde wird schon aus Sparsamkeitsrücksichten das Korsett von vielen Frauen geschätzt.

*) Beilage zur Münchener Allgemeinen Zeitung. 3. März 1902.

Nächst der Taille sind es die Waden, deren Form durch den Druck zu stark gespannter Strumpfbänder verdorben wird.

Fig. 263, die Rückansicht einer jungen Holländerin, zeigt diesen Fehler deutlich ausgeprägt. Entsprechende Darstellungen haben uns aus früherer Zeit Rembrandt, Rubens u. a. erhalten. Abgesehen von der Entstellung hat der Druck unterhalb des Knies einen nachteiligen Einfluss auf den Blutumlauf im Unterschenkel und verursacht Blutstauung, Krampfadern und Unterschenkelgeschwüre. In den besseren Ständen findet sich heutzutage diese Befestigung der Strumpfbänder nur ausnahmsweise; meist werden sie über dem Knie oder am Gürtel befestigt.

Fig. 263. 23jähriges Mädchen mit Schnürfurchen der Strumpfbänder unterhalb der Knie.

Ein weiterer Körperteil, der viel unter unzweckmäßiger Bekleidung zu leiden hat, ist der Fuß. Ein kleiner Fuß gilt als schön und wer ihn nicht hat, sucht ihn durch enge Schuhe vorzutäuschen.

Wir haben oben bereits gesehen, dass durch den Absatz die Haltung des Körpers sehr stark beeinflusst wird, jedoch blieb die Frage bisher unerörtert, ob es gut ist oder nicht, hohe Absätze zu tragen. Die Ansichten darüber sind geteilt. Nach meiner Meinung ist auch hier, wie beim Korsett, ein zu viel zu vermeiden, ein nicht zu hoher und nicht zu schmaler Absatz jedoch zweckmäßig und anempfehlenswert. Durch den Absatz wird die Ferse vom Boden gehoben und damit die Bewegung des Gehens erleichtert, die Muskelkraft gespart, ohne dass der Körper dadurch irgendwie benachteiligt wird, der Absatz erhöht vielmehr die Leistungsfähigkeit des Körpers in der Bewegung. Darum kann man Absätze besonders für die Strasse anempfehlen, wo mehr Bewegung gemacht wird, und fürs Haus, für die Ruhe, absatzlose Schuhe oder Sandalen.

Ist aber der Absatz zu hoch, dann verkümmern die der vorderen Spitze des Schuhes angedrückten Zehen, werden wund und bekommen Hühneraugen. Ist der Absatz zu schmal, dann leidet darunter die Sicherheit des Gehens und Stehens.

Die Folgen zu enger Schuhe sind mehr lästig als gefährlich; Hühneraugen, verkrümmte Zehen, wunde Stellen sind die bekanntesten unter den kleinen, der Übertreibung in der Mode entspringenden Qualen.

Dies sind in der Hauptsache die schädlichen Einflüsse des Missbrauchs der modernen Kleidung auf den weiblichen Körper.

Bisher haben wir jedoch nur von dem gesunden, normalen Körper gesprochen. Wie viel Frauen aber haben einen normalen Körper und wie viele erhalten ihren Körper normal?

Denken wir uns, dass von 150 im Jahre 1870 geborenen Mädchen 100 am Leben geblieben sind. Nach 10 Jahren haben, wie die Statistik uns lehrt, 35 englische Krankheit gehabt und 15 sind skrofulös oder haben Anlage zur Schwindsucht.

Nach weiteren 10 Jahren haben 20 von den 50 noch übrigen Mädchen infolge ihres Strebens, stets schlank und blass zu bleiben, durch starkes Schnüren, durch Essigtrinken u. s. w. ihren Körper völlig verdorben.

Wieder 5 Jahre später werden von den 30 letzten mindestens 25 durch zu langes Tragen des Korsetts bei fortschreitender Schwangerschaft, durch die namentlich in Deutschland und Frankreich herrschende Sitte der nicht genug spannenden Bekleidung im Wochenbett, durch zu frühes Aufstehen nach der Niederkunft ebenfalls die normale Leibesform eingebüßt haben.

Wir haben also unter 100 jetzt lebenden Frauen: Verunstaltet durch englische Krankheit 35, Skrofulöse etc. 15, starkes Schnüren etc 20, durch unzweckmäßige Behandlung bei Geburt und Wochenbett 25, Gesamtsumme der Verunstalteten 95 = Völlig normale Frauen 5

Von den 100 sind demnach nach 25 Jahren nur noch 5 übrig geblieben, die völlig gesund und schön sind.

Diese 5 können ihre bloßen Füße sehen lassen, können ungestraft das Korsett weglassen, sie können sich kleiden wie sie wollen, sie werden immer schön bleiben.

Aber die 95 anderen sind in erdrückender Majorität, sie geben den Ton an und sie dulden keine Mode, die nicht auch den meisten von ihnen ermöglicht, wenigstens schön zu scheinen, Vorzüge zu heucheln, die sie nicht besitzen und so den Schein der Schönheit zu retten.

Deshalb hat die Mode viel weniger den Zweck, einem schönen Frauenkörper zu seinem Recht zu verhelfen — der hat keine Kleidung nötig — , als vielmehr, Fehler zu bedecken, um dadurch einer größtmöglichen Anzahl weniger gut gebauter Körper zu ermöglichen, einen gefälligen Eindruck zu machen.

Die Schlussfolgerungen aus diesem, sowie den vorhergehenden Abschnitten zu ziehen, soll im folgenden versucht werden.



Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung
248. Normaler weiblicher Brustkorb nach Sömmering. und 249. Durch Schnüren verdorbener weiblicher Brustkorb nach Sömmering

248. Normaler weiblicher Brustkorb nach Sömmering. und 249. Durch Schnüren verdorbener weiblicher Brustkorb nach Sömmering

250. Schnürbrust eines 20jährigen an Schwindsucht gestorbenen Mädchens nach Rüdinger

250. Schnürbrust eines 20jährigen an Schwindsucht gestorbenen Mädchens nach Rüdinger

251. Muskeln des weiblichen Rumpfes von vorn

251. Muskeln des weiblichen Rumpfes von vorn

252. Muskeln des weiblichen Rumpfes von hinten

252. Muskeln des weiblichen Rumpfes von hinten

253. Verlagerung der Baucheingeweide durch Schnüren

253. Verlagerung der Baucheingeweide durch Schnüren

254. Normale Taille

254. Normale Taille

255. Taille mit Schnürfurche. Spitzbauch

255. Taille mit Schnürfurche. Spitzbauch

256. Taille mit starker Schnürfurche. Hängebauch

256. Taille mit starker Schnürfurche. Hängebauch

257. Vatikanische Venus

257. Vatikanische Venus

258. Tänzerin von Falguière

258. Tänzerin von Falguière

259. Scheveninger Mädchen von 22 Jahren

259. Scheveninger Mädchen von 22 Jahren

260. Dieselbe entkleidet

260. Dieselbe entkleidet

261. Dieselbe in der Ansicht von hinten

261. Dieselbe in der Ansicht von hinten

262. Dieselbe mit einem fehlerhaften Korsett

262. Dieselbe mit einem fehlerhaften Korsett

263. 23jähriges Mädchen mit Schnürfurchen der Strumpfbänder unterhalb der Knie

263. 23jähriges Mädchen mit Schnürfurchen der Strumpfbänder unterhalb der Knie

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