Die primitive Kleidung (Hüftschmuck)

Die Befestigung loser, abnehmbarer Schmuckgegenstände bildet, wie bereits im zweiten Abschnitt gesagt wurde, den Anfang der eigentlichen Kleidung. Den besten Stützpunkt am Körper bieten die Hüften und darum ist der Hüftschmuck die erste und zugleich wichtigste Form der weiblichen Kleidung. Erst in zweiter Linie kommen die viel weniger entwicklungsfähigen Verzierungen in Betracht, die auf dem Kopf und um den Hals befestigt werden. Sind doch die Blumen, die ältesten Zierden des weiblichen Hauptes, auch heute noch, wenn auch meist in künstlicher Nachahmung, der beliebteste und verbreitetste Kopfschmuck des schönen Geschlechts.

Die einfachsten und darum wohl auch ältesten und ursprünglichsten Formen des Hüftschmucks liefern den Beweis, den ich oben versprochen habe, dass es sich dabei nur um Verzierung, keineswegs aber um Bedeckung des nackten Körpers handelt; aber auch bei weiter ausgebildeten Formen lässt sich häufig nachweisen, dass die Verhüllung nur Nebensache war.




Die allerprimitivste Form des Hüftschmucks zeigt eine junge australische Frau aus Cooktown (Fig. 051), die von Dr. Thilenius aufgenommen ist. Die kühnste Phantasie kann in dem schmalen Gürtelband keinen verhüllenden Gegenstand erblicken oder behaupten, dass dies Bändchen den Zweck hätte, die Geschlechtsteile zu bedecken. Wenn auch das verwöhnte Auge des Kulturmenschen in der armseligen Schnur keinen Zierrat erblicken kann, so ist sie doch ein solches in den Augen des einfachen Naturkindes.

Fig. 051. Junge Frau aus Südaustralien (Cooktown) mit Hüftenschmuck. (Phot. Dr. Thilenius.)

Als zweites Dokument für die oben aufgestellte Behauptung kann die photographische Abbildung zweier Negermädchen vom Sanga (Fig. 052) dienen. Auch hier ist das schmale, auf den Hüften ruhende Bändchen, trotzdem es zierlicher ist als bei der Australierin, ohne weiteres als Zierrat zu erkennen , das sich mit heller Farbe vom Hintergrund der dunklen mattglänzenden Haut vorteilhaft abhebt. Auch hier ist von einer Verhüllung der Geschlechtsteile nicht die Rede.

Fig. 052. Zwei Mädchen vom Sangafluss mit schmalem Hüftband (Ethnogr. Museum Leiden.)

Diese Abbildung ist von umso größerer Bedeutung, als sich das Bestehen einer derartigen Tracht vor vielen tausend Jahren aus ägyptischen Kunstwerken nachweisen lässt.

Auf der farbigen Tafel sind eine Reihe ähnlicher Trachten von ägyptischen Sklavinnen und Tänzerinnen abgebildet, deren Originale sich im ägyptischen Museum in Berlin befinden*).

*) Vgl. Stratz, Über die Kleidung der ägyptischen Tänzerinnen. Zeitschrift für ägyptische Sprache, 38.

Die erste Figur der Tafel (a) ist ein sehr sorgfältig aus Holz geschnitztes Figürchen von 13,5 cm Höhe. Der linke Arm mit einem von ihm festgehaltenen Gegenstand ist abgebrochen. Am Halse sind drei breite, vergoldete Streifen zu sehen, ein anderer legt sich um die Hüften. Am Verlauf des zum Teil zerstörten Hüftgürtels ist ohne weiteres zu erkennen, dass er oberhalb der Geschlechtsteile verlief und diese nicht bedeckte.

Noch deutlicher ist dies bei dem zweiten Figürchen (b und c), das den Griff eines Bronzespiegels bildet und 12,75 cm lang ist.

Hier ist sogar unterhalb des Hüftschmucks mit der den ägyptischen Künstlern eigenen Gewissenhaftigkeit die Schamspalte und die Behaarung des Schambergs angedeutet. Besonders merkwürdig aber ist, dass in diesem Bildchen, wie aus der Rückansicht zu sehen ist, sogar die Haartracht mit der heutigen der Sangamädchen übereinstimmt.

Die letzte Figur (d) ist eine 13 cm lange blauglasierte Tonpuppe, die in einem Grabe gefunden wurde. Hier sehen wir den Gürtel sowie die darunterliegenden Geschlechtsteile schematisiert und mehr ornamental dargestellt. Die Kleidung ist durch einige Armringe und eine zwischen den Brüsten sich kreuzende Kette, die sich um den Oberkörper schlingt, vervollständigt. Ob das auf der Stirn und auf den Oberschenkeln sich wiederholende Muster in dunkler Farbe eine Bemalung oder Tätowierung darstellt, oder ob es lediglich dem Bedürfnis der Künstler nach Verzierung entsprungen ist, müssen wir unentschieden lassen. Immerhin sind alle drei Figuren ebenso viele Beweise für die schon damals bestehende Auffassung des primitiven Gürtels als reiner Schmuckgegenstand. Ähnliche Darstellungen finden sich zahlreich genug, Racinet*) gibt deren drei, im British Museum finden sich auf gemalten Basreliefs sowie an kleinen Figuren sehr häufig ähnliche Trachten dargestellt.

*) Le costume historique. II.

Fig. 053. Vier Togomädchen mit Gürtelschmuck aus Kaurimuscheln.

Ebenfalls nur aus dem Gürtel bestehend ist die Tracht der Andamaninnen (Fig. 29) und wird bei diesen nur durch Bemalung des Körpers vervollständigt. Hutchinson*) gibt eine ähnliche Gruppe von Andamaninnen und eine Gruppe von australischen Mädchen, die ebenfalls nur den Gürtel tragen. In dem Atlas von R. Buchta sind neben nackten Niam-Niammädchen zwei andere abgebildet, die gleichfalls nur eine Ranke als Gürtel Tragen.

Fig. 054. Mädchen aus Senegal. (Phot. Vasse.)

*) Living Races of Mankind. I. pag. 53 und 171.

Als weiteres Beweisstück kann ich eine Gruppe von kaiserlich deutschen Reichsangehörigen, vier Mädchen aus dem oberen Togogebiet (Fig. 053), ins Feld führen. Drei derselben tragen den landesüblichen Gürtel aus Kaurimuscheln, welche dort auch als Scheidemünze benutzt werden, die vierte hat um die Hüften einen langen Rotang geschlungen. Im übrigen tragen alle vier nur schmale Halsketten und Strumpfbänder ohne Strümpfe.

Auch im französischen Senegal findet sich das Hüftband noch in seiner ursprünglichen rein schmückenden und nicht verhüllenden Form, wie aus Fig. 054 erhellt.

Angesichts dieser Tatsachen dürfte wohl die Behauptung, dass nur Verzierung und nicht Verhüllung der Schamteile der erste Antrieb zur Kleidung war, als bewiesen gelten.



Es wurde bereits erwähnt, aus welchen Gründen bei der Frau häufiger als beim Manne aus dem Hüftschmuck die primitive Schambinde sich herausbildete.

Die einfachste Form derselben stellt das Uluri der Bakairïfrauen dar, welches von v. den Steinen*) ausführlich beschrieben und abgebildet worden ist. Von den Steinen war so liebenswürdig, mir ein echtes Uluri sowie eine von Ehrenreich aufgenommene Photographie von damit bekleideten Bakaïrifrauen zu überlassen.

*) Unter den Urvölkern Zentralbrasiliens, pag. 189.

Wenn man dieses Bild (Fig. 055) betrachtet, so kann man von den Steinen nur zustimmen, dass das rotgelb schimmernde Uluri des Bakaïriweibes, dieser „Schmuck, mit dem sie einzig prangt“, eher geeignet ist, die Aufmerksamkeit auf die Geschlechtsteile hinzulenken, als dieselben zu verhüllen. Dass dies letztere aber auch gar nicht bezweckt wurde, beweist die Tatsache, dass alle Frauen ihr Uluri in von den Steinens Gegenwart bereitwilligst ablegten, als er sie für seine Sammlung darum bat.

Fig. 055. Acht Karaibenfrauen und Mädchen mit dem Uluri. (Phot. Ehrenreich.)

Eine weitere Stufe in der Entwicklung der primitiven Kleidung des Weibes bildet das Befestigen von Blüten, Blättern und Zweigen an der Gürtelschnur.

In den meisten Fällen wird diese Verzierung an der Vorderseite des Körpers angebracht, nur ausnahmsweise, wie bei einzelnen Stämmen der Andamanen und Zentralafrikaner, an der Rückseite.

Dass aber auch hierbei zunächst nicht an Verhüllung der Geschlechtsteile gedacht wurde, dafür sprechen zahlreiche Berichte von Forschungsreisenden, von denen ich hier nur E min Bey*) anführe. Er hält im Bezirk Amadi am Weißen Nil die Laubschürzen der Frauen für eine „pure Formalität, Muster für die Breite des individuellen Geschmacks“. Eine wirkliche Verhüllung wird bei diesen lose befestigten, sich stets verschiebenden Ranken und Zweigen nur ausnahmsweise erreicht.

*) Zitiert von Bartels. Das Weib. VII. pag. 457.

Noch deutlicher sprechen die Photographien selbst. In dem schönen Atlas von R. Buchta über die oberen Nilländer sind eine ganze Reihe von Afrikanerinnen in diesem primitiven Schmuck abgebildet.

Eine Gruppe von Makrakanegerinnen (Fig. 056) ist diesem Werke entnommen. Einige haben einen kleinen Zweig, andere ein großes Blatt an dem schmalen Gürtelstreifen befestigt, so dass zwar allerdings beim ruhigen Stehen in der Ansicht von vorn die Geschlechtsteile größtenteils verdeckt sind; bei seitlicher Betrachtung aber, sowie bei der geringsten Bewegung wird diese Bedeckung, wie Emin Pascha sagt, zur puren Formalität.

Fig. 056. Makaraweiber mit Gürtel und Blätterschmuck

Noch überzeugender wirkt eine Gruppe von Melanesierinnen von den Salomoninseln (Fig. 057), die von Thilenius aufgenommen sind. Sie tragen an dünner Gürtelschnur ein Büschel Seetang befestigt. Bei den seitlich stehenden Figuren, der dritten von links und der zweiten von rechts, kann man ohne weiteres sehen, dass von einer eigentlichen Schambedeckung nicht gesprochen werden kann.

Fig. 057. Frauen aus Nissan (Salomoninseln) mit Blätterschmuck

Im Laufe der Zeiten nahm aber auch diese primitive Kleidung einen größeren Umfang an. Namentlich auf den australischen Inselgruppen finden sich heute noch die verschiedenartigsten Gürtelzierrate aus unverarbeiteten Bestandteilen der Pflanzenwelt. Die Frauen von Tonga (Fig. 058), von Samoa (Fig. 059, 060, 061) und von Fidsclai (Fig. 062) sind anmutige Beispiele dieser namentlich durch ihre Farbenzusammenstellung wirksamen Pflanzentracht.

Bei den Tonganerinnen besteht der Gürtelschmuck aus langen, bis über die Knie herab hängenden Blattstreifen, die sich beim Sitzen teilen und die Oberschenkel sichtbar machen (Fig. 058). Um die Hüften zieht sich ein bunter Kranz von Blüten, von denen die grünen Ranken herabhängen; das ganze Gewand bildet einen duftigen Blumenstrauß, aus dessen Mitte der schlanke Mädchenkörper als zierlichste Blüte nackt emporsteigt. Das dunkle Haar ist mit einer großen weißen oder farbigen Blüte gekrönt.



Fig. 058. Zwei Mädchen aus Tonga im Blumenschmuck. (Phot. Thilenius.)

Die drei Bilder der Samoanerinnen (Fig. 059, 060, 061) zeigen die mannigfachen Gestaltungen, die der angeborene Geschmack des Weibes diesem so einfachen Pflanzenkleide zu geben weiß. Die eine hat einen grünen Zweig in ihr Haar gesteckt, die andere eine weiße Blütenranke, die dritte schmückt sich mit einem Kranz von Fichtenreisern. Bei der einen besteht das Röckchen aus einer Mischung von grünen und rotbraunen Ranken, die zu dem gelbweißen Körper einen lieblichen Kontrast bilden, die Tänzerin hat einen buntfarbigen Blumenteppich umgelegt, das liegende Mädchen trägt eine doppelte Reihe von leuchtenden Orchideen.

Fig. 059. Mädchen aus Samoa im Blütenschmuck. (Phot. Andrew.)
Fig. 060. Tarpi, Tänzerin des Königs von Samoa im Blütenschmuck. (Phot. Andrew.)
Fig. 061. Mädchen aus Samoa im Blumenschmuck (Aus Selenka, Der Schmuck des Menschen.)


Kann man sich einen entzückenderen Anblick denken, als diese zierlichen Menschenblumen, geschmückt mit ihren duftenden Schwestern aus dem Pflanzenreiche; gibt es eine lieblichere Beschäftigung für junge Mädchen, als jeden Tag aus den reichen Schatzkammern der Natur deren schönste Blüten zu einer stets neuen und wechselnden, farbenschillernden Hülle zusammenzubinden, um damit den schlanken Körper zu verzieren. Freilich muss dieser Körper schön sein, um sich dieses Schmuckes wert zu machen, freilich werden auch an den Geschmack der Trägerin große und täglich wiederkehrende Forderungen gestellt, und beides, Schönheit wie Geschmack, sind nicht jedem gegeben. Da ist es allerdings viel bequemer, den Körper möglichst zu verhüllen und den mangelnden Geschmack durch den bezahlten einer Modistin zu ersetzen, wie dies bei uns ja leider so die Regel ist.

Fig. 062. Fidschiinsulanerin mit Gürtelschmuck aus Seetang. (Godefroy-Album.)

Aber die Folgen sind auch dementsprechend. Wenn man auf den Tummelplätzen europäischer Eleganz die farbigen Gemüsebeete betrachtet, die über den Häuptern runzeliger Megären vorüberschwanken, dann kann man nur mit Wehmut an jene bescheidenen Kinder der Natur zurückdenken, denen eine einzelne Blume genügt, um ihre Jugend zu schmücken, und die im Alter weise den bunten Farben entsagen.

Wie aus den Abbildungen hervorgeht, ist auch diese Hülle trotz ihres Farbenreichtums nur eine sehr dürftige. Bei jeder Bewegung teilen sich die am Gürtel befestigten Streifen und lassen den Körper durchschimmern.

Außerdem aber wird eine vollständigere Hülle nur bei festlichen Gelegenheiten angelegt, während im täglichen Leben, bei der Arbeit im Hause, gar keine oder nur eine sehr viel einfachere Kleidung getragen wird.

Eine von Ehren reich aufgenommene Gruppe von Ipurinaindianerinnen aus Brasilien (Fig. 063) zeigt zwei derselben in dem festlichen baumwollenen Fransenbehang, während die dritte, rechts stehende, nur mit dem klassischen Feigenblatt geschmückt ist, das dort im täglichen Leben das einzige Kleidungsstück bildet.

Fig. 063. Ipurinaindianerinnen, zwei mit Baumwollenschurz, die dritte mit einem Blatt bekleidet. (Nasenstäbchen.) (Phot. Ehrenreich.)

Dieses Bild zeigt außerdem bei den beiden rechtsstehenden Frauen den festen Nasenschmuck in der Form eines weißen Stäbchens.

In seiner weiteren Ausdehnung haben wir den Pflanzengürtel bereits kennen gelernt bei den Mädchen aus dem Kongogebiete (Fig. 036), deren Grasröcke den geschmackvollen Blumenkleidern der Samoanerinnen an Schönheit bei weitem nachstehen, jedenfalls aber mehr als die bisher betrachteten Formen den Charakter der Verhüllung tragen.

Mit fortschreitender Entwicklung werden statt der vergänglichen Blüten und Blättern, die jeden Tag erneuert werden müssen, festere Zierraten zur Kleidung verwendet, und an den Gürtel schließen sich die ersten Anfänge des Schurzes aus dauerhafterem Material. Mit dem Schurze aber, mit seiner Herstellung aus weniger vergänglichen Stoffen ist eine dauernde, gleichmäßige Verhüllung der Geschlechtsteile die Regel, und damit tritt nun auch das Schamgefühl stärker hervor.

Dass dasselbe in keiner Weise mit dem größeren oder geringeren Grad der Verhüllung zusammenhängt, haben wir an den beiden Bildern der Feuerländerin Kamana gesehen (Fig. 001 und 002), von denen das letztere in vortrefflicher Weise die tiefe Beschämung wiedergibt, die durch das Fehlen eines kaum handtellergroßen Stückchens Leder hervorgebracht wird.

Die Entwicklung des Schurzes aus dem von Muscheln gebildeten Gürtelschmuck beleuchten die drei Abbildungen 064, 065 und 066 in vortrefflicher Weise.

Eine Gruppe von fünfzehn Dschaggamädchen (Fig. 064) zeigt, dass alle den Gürtelschmuck tragen; bei einzelnen ist daran ein kleiner Schurz befestigt, der nicht viel größer ist als eine Patronentasche und bei seiner geringen Größe sowie seiner losen Befestigung kaum im Stande ist, als eigentliche Bedeckung zu dienen.

Fig. 064. Gruppe von fünfzehn Dschaggamädchen mit Gürtelschmuck, zum Teil mit Schurz bekleidet. (Phot. Dr. Egger.)

In größerer Ausdehnung und durch geeignete Befestigung dem Körper mehr anliegend sehen wir diesen aus Muscheln, häufig auch aus Glasperlen verfertigten Schurz bei zwei Kaffernmädchen (Fig. 065), die Selenka in seinem „Schmuck des Menschen“ veröffentlicht und mir freundlichst überlassen hat.



Fig. 065. Drei Kaffernmädchen, wovon zwei in Gürtelschmuck und Schurz. (Aus Selenka, Schmuck des Menschen.)

Auch bei dem Basutomädchen (Fig. 021), das als Vertreterin der schwarzen Rasse oben abgebildet wurde, ist durch das zwischen den Beinen durchgeschlungene Tuch eine völlige Verhüllung der Geschlechtsteile erreicht.

Bei einer weiteren Gruppe von Kaffernfrauen aus Natal (Fig. 066) ist der nationale Schurz zum Teil schon durch ausgiebigere Erzeugnisse europäischer Industrie verdrängt worden, zum Teil noch in seiner ursprünglichen Form vorhanden.

Fig. 066. Fünf Natal-Kaffernfrauen, zum Teil im Schurz, zum Teil in Tücher gekleidet. (Coll. van der Goot.)

In noch ziemlich primitiver Form finden wir einen Schurz aus Baumwollenbündeln bei einer Gruppe von Frauen aus Neuirland (Fig. 067). An zweien derselben sind noch Spuren von Narbenschmuck an Brust und Bauch zu bemerken, ein weiteres Beispiel, wie sich die verschiedenen Stadien der Körperverzierung in buntem Wechsel durcheinander schieben.

Fig. 067. Frauen aus Neuirland mit Baumwollschurz (Hamburger Ethnogr. Museum)

Aber nicht nur Pflanzen, Perlen, Muscheln und Leder, auch Metall sieht man hier und da als Gürtelschmuck schon frühzeitig verwendet.

Ein kleines Mädchen aus fürstlichem Hause von Celebes (Fig. 068) kann allerdings behaupten, dass sein ganzer Anzug aus gediegenem Silber besteht, anderseits aber ist die Ausdehnung seiner Bekleidung auch eine äußerst summarische.

Fig. 068. Kleines Mädchen Celebes mit silbernem Lendenschild. (Ethnogr. Museum Leiden.)

Ein ähnlicher Schmuck, wenn auch nur von Kupfer, findet sich bei den Hindus, aber auch von diesen wird er hauptsächlich bei Kindern angewendet (Fig. 069).

Fig. 069. Kinder aus Rangoon, wovon einzelne ein kupfernes Lendenschild tragen.

Ein gleiches ist der Fall in Sumatra und Java, wo ich den Schmuck nur bei Kindern von wohlhabenderen Leuten gesehen habe ; arme Leute lassen ihre Kinder in diesen glücklichen Zonen nackt herumlaufen.

Die alten Hindudarstellungen lassen vermuten, dass derartige Metallgürtel mit und ohne schurzförmige Verlängerung früher auch von Erwachsenen getragen wurden.

Als höchste Stufe der primitiven Kleidung ist die umfangreichere Schürze zu betrachten.

Den damit erreichten Abschluss der primitiven Kleidung stellen drei Mädchen dar, die je einer der drei heute noch bestehenden Hauptzonen primitiver Kleidung angehören, es sind zwei Karayamädchen aus Südamerika (Fig. 070), eine Admiralitätsinsulanerin aus dem australischen Gebiet (Fig. 071) und ein natalsches Kaifernmädchen aus Afrika (Fig. 072).

Fig. 070. Zwei Karayámädchen mit Bastschürze. (Phot. Ehrenreich.)
Fig. 071. Mädchen von den Admiralitätsinseln mit geflochtener Schürze. (Hamburger Ethnogr. Museum).
Fig. 072. Kaffernmädchen mit doppelter Lederschürze. (Coli. van der Goot.)


Die Karayämädchen tragen eine Bastbinde um die Hüften geschlungen, welche vorn übereinandergesteckt als Schürze bis über die Kniee herabhängt. Beim Niedersitzen wird das freie Ende zwischen den Beinen durchgeschoben. Auf dem Bilde sind die beiden Mädchen in dem Augenblick dargestellt, als sie aufstanden, bevor sie die Schürze nach vorn gezogen hatten.

Besonders zierlich ist die geflochtene Schürze des Mädchens von den Admiralitätsinseln; auch bei ihr ist am rechten Oberschenkel noch ein Überrest von Narbenschmuck zu sehen.

Das Kaffernmädchen endlich trägt eine doppelte Lederschürze , die vorn und hinten im Gürtel befestigt ist. Mit den angeführten Beispielen sind die Hauptformen, in denen die primitive Kleidung sich heute noch findet, im wesentlichen vertreten. Es lassen sich selbstverständlich noch eine ganze Reihe größerer und kleinerer Unterschiede auffinden; sowohl bei südamerikanischen als bei den australischen Stämmen sind viele, die sich durch besondere Kennzeichen voneinander unterscheiden, in der Hauptsache aber lehnen sie sich doch alle an die hier gegebenen Grundformen an.



Zusammenfassend können wir also sagen: Die eigentliche Kleidung der Frau, die bewegliche, abnehmbare Verzierung des Körpers, besteht ursprünglich aus einem schmalen Bande, das auf den Hüften ruht. Durch Zunahme an Umfang und sorgfältigere Ausstattung wird das Band zum Gürtelschmuck.

Aus den am Gürtel befestigten Zieraten entwickelt sich der Schurz, erst als Blätterschurz dem Pflanzenreiche in unveränderter, vergänglicher Form entnommen, später aus verarbeiteten Bestandteilen von Pflanzen in Verbindung mit mineralischen und tierischen Elementen in dauerhafter Form hergestellt.

Mit der gewohnheitsmäßigen Bedeckung der Geschlechtsteile durch den Schurz oder die daraus hervorgegangene Schambinde treten zugleich die ersten Regungen des Schamgefühls auf.

Das Endergebnis der natürlichen Entwicklung der primitiven Kleidung ist der Hüftschmuck als Gürtel mit der daran befestigten Schürze oder dem kurzen Röckchen.

Die Bestandteile der primitiven Kleidung sind vorzugsweise dem Pflanzenreiche entnommen, und zwar zunächst in der unveränderten Form von Zweigen, Ranken, Blättern und Blüten. Erst später treten dazu verarbeitete Pflanzenelemente, wie Baumwolle, Fäden, Matten und primitive Gewebe, oder Bestandteile des Mineralreichs und Tierreichs, wie edle Metalle, glänzende Steine, Muscheln, Zähne, Klauen, Federn und Felle. Die tierischen Elemente sind ursprünglich nur eine Zierde des Mannes, des Jägers, der sich mit seiner Beute schmückt. Wie von den Steinen berichtet, schmücken sieb noch heutigentags bei den Bakairi nur die Männer mit Federn und Zähnen, die Frauen aber ausschliesslich mit Pflanzenstoffen. Erst sekundär geht der tierische Schmuck, die Jagdbeute, auch auf das Weib über.

Die geographische Verteilung der primitiven Kleidung schließt sich, wie aus den beigefügten Karten (Fig. 012 u. 013) ersichtlich, eng an das Gebiet der völligen Nacktheit an und umgibt dasselbe in weitem Kreise. Deshalb finden wir heutzutage die primitive Kleidung hauptsächlich in Südamerika, in Afrika, in Australien und Neuguinea und weit darumhin auf den Inselgruppen des Großen Ozeans.

Neben diesen Gegenden, in denen die primitive Kleidung recht eigentlich als Volkstracht angesehen werden kann, finden sich Spuren davon in gewissen Ständen und im häuslichen Leben auch bei anderen Völkern. Allerdings ist dies bei Männern in noch viel höherem Masse der Fall.

Die Schambinde ist das einzige Kleidungsstück des männlichen Arbeiters in Japan, China, auf den Sundainseln, in ganz Indien, in Arabien und zum Teil auch in Ägypten; die Schürze als einziges Kleidungsstück der arbeitenden Frau findet sich in diesen Gegenden zwar auch, aber nur als große Ausnahme.

In Yumoto in Japan sah ich einige Frauen in diesem Kostüm in den Schwefelbädern beschäftigt, aber auch in Berlin traf ich bei der Ausübung meines Berufs im Speicher eines Hauses an einem glühendheißen Julitage eine Wäscherin in dieser primitiven Toilette und konnte sie damals nur beneiden.

Die Frauen der Eskimos sind, wie bereits gesagt, innerhalb ihrer Hütten völlig nackt bis auf ihre Tätowierung.

Was die Rassen anbelangt, so findet sich die primitive Kleidung neben der absoluten Nacktheit als Volkstracht bei den meisten protomorphen Rassen und bei der schwarzen Rasse, entsprechend der niedereren Kulturstufe, auf der diesen Rassen angehörige Völker stehen. Aus dem gleichen Grunde trifft man bei diesen Völkern neben der primitiven Kleidung die verschiedenen Formen des festen Körperschmucks weit häufiger und in viel größerer Ausdehnung an, als bei den höheren Kulturvölkern.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung
051. Junge Frau aus Südaustralien (Cooktown) mit Hüftenschmuck

051. Junge Frau aus Südaustralien (Cooktown) mit Hüftenschmuck

052. Zwei Mädchen vom Sangafluss mit schmalem Hüftband

052. Zwei Mädchen vom Sangafluss mit schmalem Hüftband

054. Mädchen aus Senegal

054. Mädchen aus Senegal

055. Acht Karaibenfrauen und -Mädchen mit dem Uluri

055. Acht Karaibenfrauen und -Mädchen mit dem Uluri

056. Makrakaweiber mit Gürtel- und Blätterschmuck

056. Makrakaweiber mit Gürtel- und Blätterschmuck

057. Frauen aus Nissan (Salomoninseln) mit Blätterschmuck

057. Frauen aus Nissan (Salomoninseln) mit Blätterschmuck

058. Zwei Mädchen aus Tonga im Blumenschmuck

058. Zwei Mädchen aus Tonga im Blumenschmuck

059. Mädchen aus Samoa im Blütenschmuck

059. Mädchen aus Samoa im Blütenschmuck

060. Tarpi, Tänzerin des Königs von Samoa im Blütenschmuck

060. Tarpi, Tänzerin des Königs von Samoa im Blütenschmuck

061. Mädchen aus Samoa im Blumenschmuck

061. Mädchen aus Samoa im Blumenschmuck

062. Fidschiinsulanerin mit Gürtelschmuck aus Seetang

062. Fidschiinsulanerin mit Gürtelschmuck aus Seetang

063. Ipurina-Indianerinnen, zwei mit Baumwollenschurz, die dritte mit Feigenblatt bekleidet. (Nasenstäbchen)

063. Ipurina-Indianerinnen, zwei mit Baumwollenschurz, die dritte mit Feigenblatt bekleidet. (Nasenstäbchen)

064. Gruppe von Dschaggamädchen mit Gürtelschmuck, zum Teil mit Schurz bekleidet

064. Gruppe von Dschaggamädchen mit Gürtelschmuck, zum Teil mit Schurz bekleidet

065. Drei Kaffernmädchen, wovon zwei in Gürtelschmuck und Schurz

065. Drei Kaffernmädchen, wovon zwei in Gürtelschmuck und Schurz

066. Fünf Natal-Kaffernfrauen, zum Teil im Schurz, zum Teil in Tücher gekleidet

066. Fünf Natal-Kaffernfrauen, zum Teil im Schurz, zum Teil in Tücher gekleidet

067. Frauen aus Neuirland mit Baumwollenschurz

067. Frauen aus Neuirland mit Baumwollenschurz

068. Kleines Mädchen aus Celebes mit silbernem Lendenschild

068. Kleines Mädchen aus Celebes mit silbernem Lendenschild

069. Kinder aus Rangoon, wovon einzelne ein kupfernes Lendenschild tragen

069. Kinder aus Rangoon, wovon einzelne ein kupfernes Lendenschild tragen

070. Zwei Karayämädchen mit Bastschürze

070. Zwei Karayämädchen mit Bastschürze

071. Mädchen von den Admiralitätsinseln mit geflochtener Schürze

071. Mädchen von den Admiralitätsinseln mit geflochtener Schürze

072. Kaffernmädchen mit doppelter Lederschürze

072. Kaffernmädchen mit doppelter Lederschürze

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