Körperschmuck

Die erste Gruppe, der Körperschmuck, hat seinen Angriffspunkt am Körper selbst und äußert sich nacheinander als Bemalung, Narbenverzierung, Tätowierung, Körperplastik und endlich als Schmuck, der dem Körper gewissermaßen einverleibt wird, wie die Ohrringe, Nasenringe, Nasenpflöcke und Lippenpflöcke, mit einem Worte die festen Schmuckstücke.

Die zweite Gruppe, die eigentliche Kleidung umfasst alle Schmuckgegenstände, die lose an den geeigneten Stellen des Körpers befestigt werden.


Der wichtigste von allen diesen Schmuckstücken ist der Hüftschmuck*), weil er, seiner Lage gemäß, die nach Größe und Gestalt verschiedenartigsten Gegenstände befassen konnte, und darum der größten Entwickelung fähig war. Wichtig, weil er auch Gebrauchsgegenstände, vor allem die Waffen des Jägers in zweckmäßigster und die Bewegung am wenigsten hindernder Weise aufnehmen konnte, und ein rasches Ergreifen mit der Hand ohne weiteres ermöglicht; wichtig aber auch, weil sein häufiges Vorkommen zu der Hypothese Veranlassung gab, dass dabei auf eine bewusste Bedeckung der Geschlechtsteile von Anfang an das Augenmerk gerichtet war.



Dass bei der Frau aus dem Hüftschmuck, dem Gürtel, verhältnismäßig häufiger als beim Manne die Schambedeckung sich entwickelte, trotzdem gerade bei der Frau die Geschlechtsteile viel weniger sichtbar sind, findet seine Ursache hauptsächlich in der monatlichen Reinigung.

Wie Bartels**) auf Grund reichlicher Quellen angibt, gilt die Menstruierende bei fast allen Völkern für unrein, bei vielen sogar für giftig.

*) Lippert (I. pag. 373 ff.) unterscheidet den Schmuck und den Schmuckträger; nach ihm wäre ein Hüftband der Schmuckträger, eine damit befestigte Muschel der Schmuck selbst. Da aber häufig der aus dem Hüftband entstandene Gürtel zum eigentlichen Schmuck wird, so lässt sich Lipperts Einteilung nicht allgemein durchführen, und darum habe ich es vorgezogen, den Gürtel mit der daran befestigten Schmuckgegenständen mit dem gemeinschaftlichen Begriff Hüftschmuck zu bezeichnen.
**) Das Weib in der Natur- und Völkerkunde. 6. Aufl. 1899. pag. 367.


Es wurde bereits erwähnt, dass die Abscheidungsprodukte des menschlichen Körpers am ersten und am stärksten das Anstandsgefühl verletzten. Mag es nun sein, dass die „giftige“ Frau durch die Sitte gezwungen wurde, ein äußeres Zeichen ihres Zustandes zu tragen, oder dass sie selbst ihn möglichst zu verbergen suchte, in beiden Fällen schämte sie sich desselben, und es ist leicht begreiflich, dass häufig aus der dadurch gebotenen zeitweisen, doch stets wiederkehrenden Verhüllung sich eine bleibende Verhüllung, die Schambinde, entwickelt hat.



Einen weiteren Grund für die größere Häufigkeit der primitiven Schambinde bei der Frau führt von den Steinen an, nämlich das Zurückhalten der Schleimhaut. Dieselbe ist hauptsächlich bei Frauen, die geboren haben, durch die Natur häufig geboten, und wenn wir auch annehmen können, dass der Geburtsakt bei vielen primitiven Frauen leichter verläuft als in Kulturländern, so haben mir meine persönlichen Erfahrungen *) an javanischen Frauen und deren äußerst primitiver Geburtshilfe gelehrt, dass üble Zufälle dort sehr viel häufiger vorkommen, als allgemein angenommen wird. Viele Frauen, die wir noch retten könnten, sterben bei den primitiven Völkern an der Geburt, und die Folgen schlechter Geburtshilfe, wie Dammrisse und Vorfälle der Scheide sind sehr häufig.

Vielleicht können wir in diesen durch die Geburt verursachten Momenten den Grund finden, dass bei vielen Naturvölkern nur die verheirateten Frauen die Geschlechtsteile bedecken, während die Mädchen nackt bleiben.

Beim männlichen Geschlechte hielt der Hüftschmuck, um die freie Bewegung des Körpers nicht zu beeinträchtigen, sich stets innerhalb gewisser Schranken, beim weiblichen Geschlecht nahm er allmählich an Umfang und Größe zu, und wurde, bei weiterer Ausbildung der textilen Künste, erst zum Schurz und dann zum Rock.

*) Frauen auf Java. Enke, 1897. pag. 27.

Der Oberkörper blieb unbedeckt, und selbst bis in die heutige Zeit, wo der Rock das typische Kleidungsstück geworden ist, herrscht bei unseren Frauen noch immer das Bestreben vor, die Formen des Oberkörpers möglichst deutlich hervortreten zu lassen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung