Bemalung

Schließlich sei noch angeführt, dass alle jetzt noch der Bemalung huldigenden primitiven Völker, daraufhin befragt, ohne weiteres sagen, dass sie sich nur der Verschönerung wegen bemalen, dass die Bemalung aller dieser Völker bei festlichen Gelegenheiten sorgfältiger und ausgedehnter angewendet wird als im täglichen Leben, und dass schließlich bei nackten Völkern der ganze Körper, bei den bekleideten Völkern aber nur die sichtbaren Teile desselben bemalt werden.

Ein Schmuck hat keinen Zweck, wenn er nicht bewundert werden kann.


Auch hierfür finden sich die weiteren Belege bei Joest.

Wenn wir bis jetzt gezeigt haben, dass die Bemalung des Körpers ganz allgemein verbreitet ist, und dass sie ursprünglich nur zu kosmetischen Zwecken angewendet wurde, so bleibt noch nachzuweisen, dass sie auch die älteste Form des Körperschmucks gewesen ist.

Dafür spricht, dass gerade die ihrer Kultur nach am niedrigsten stehenden heutigen Primitivvölker, wie die Feuerländer, die Australier, die Buschleute, die ausgedehnteste Körperbemalung besitzen, dafür spricht, dass man bei Überresten von Urmenschen aus der Steinzeit Farbstoffe gefunden hat, dafür spricht endlich, dass die Bemalung des Körpers das einfachste, naheliegendste und darum wohl auch das erste Schmuckmittel gewesen ist.



Zusammenfassend können wir also behaupten:

Die Bemalung des Körpers ist die älteste Form der Körperverzierung, sie findet sich noch heute mehr oder weniger vollständig bei Angehörigen aller Rassen, wird von den meisten als Schmuck betrachtet und ist nur in einzelnen Fällen durch Sitte und Kultur zu einem symbolischen oder religiösen Abzeichen geworden.

Die rote Farbe findet sich, wie gesagt, am häufigsten und weitesten verbreitet.

Fig. 028 ist der Kopf eines Zulumädchens, das sich festlich bemalt hat. Die Nase ist glänzend rot gefärbt, auf Stirn und linker Wange ist ein rotes Dreieck gezeichnet, das letztere von innen mit Weiß gefüllt.

Fig. 028. Zulumädchen mit rot und weiß bemaltem Gesicht.

Außer den Negerinnen und den bereits erwähnten Rothäuten färben sich die Australierinnen, Melanesierinnen, kurz alle wenig bekleideten Völker mit Vorliebe rot. Aber auch bei bekleideten Rassen werden nicht bedeckte Körperteile rot gefärbt. So beizen sich die Perserinnen und Türkinnen die Nägel der Hände und Füße, den Hals und die Ohren mit Henna rot, und nicht nur die Schauspielerinnen, sondern zahlreiche andere Frauen aus den gebildeten europäischen Kreisen bemalen Lippen und Wangen mit roter Schminke. Die weiße Farbe ist nach der roten wohl am meisten verbreitet; bei den dunklen Rassen, weil durch den Gegensatz die dunkle Haut stärker gehoben wird, bei den hellen Rassen, um diesen Rassenvorzug noch mehr zu erhöhen.

Bei einer Gruppe von Andamanen (Fig. 029) bildet die in verschiedenartigster Weise angebrachte weiße Bemalung nebst einem schmalen Gürtel den einzigen Körperschmuck.

[/b]Fig. 029. Andamanen mit weißer Körperbemalung[/b]

Hutchinson*) gibt die Photographie einer Gruppe von Australierinnen, die zum Zeichen der Trauer weiß angestrichen sind.

*) Living Races of Mankind.

Von der außerordentlich weit verbreiteten Sitte des Weißschminkens und Puderns des Gesichts und Halses mögen hier zwei Beispiele genügen; eine birmanische Schauspielerin (Fig. 030) und eine chinesische Dame aus den höchsten Kreisen (Fig. 031).

Fig. 030. Weißgeschminkte birmanische Schauspielerin. (Phot. M. Ferrars.)
Fig. 031. Weißgeschminkte chinesische Dame.


Nicht nur in der etruskischen, griechischen, ägyptischen und indischen, sondern auch in der chinesischen, japanischen und birmanischen Kunst finden wir die Männer meist dunkel, braun oder gelblich, die Frauen hellgelb oder weiß dargestellt. Die an und für sich hellere Haut der Frau, die durch das abgeschlossene Leben im Hause nicht von der Sonne gebräunt wird und dadurch noch heller bleibt, galt und gilt noch heute als ein großer Vorzug, und dieser Vorzug wird in der naiven Kunst noch stärker zum Ausdruck gebracht.

Bei den nicht mittelländischen Völkern, wie Chinesen, Japanern und Birmanen, ist wohl das weiße Frauenideal mit dem Buddhismus zusammen in die Kunst hinübergetragen worden, und hat von da aus auch in der weiblichen Kosmetik Eingang gefunden, denn die festliche Farbe der Mongolen, die auch heute noch in einzelnen Gegenden angewendet wird, ist Gelb. Das Weißschminken der Chinesinnen und Japanerinnen können wir als ein bewusstes oder unbewusstes Streben nach den Vorzügen der höher stehenden Rasse betrachten.

Viel stärker ausgesprochen findet sich dies Bestreben bei allen Mischrassen; selbst bei den brünetten Südeuropäerinnen ist das Pudern des Gesichts, der Arme, und, wo nötig, auch des Halses und der Brüste sehr beliebt.

Und bei uns? Man erinnere sich der reizenden Szene in Sudermanns „Es war einmal“, wo das junge Mädchen die Puderdose ihrer verheirateten Freundin erwischt und in stillem Entzücken ihr Gesicht bis zu der interessantesten Blässe mit Mehl bestreut. Die Freundin überrascht sie und sagt: „Ja, wir haben es alle einmal so gemacht.“

Die schwarze Farbe findet ihre ausgedehnteste Anwendung bei den dunklen Rassen, um deren angeborene Hautfarbe noch glänzender und tiefer zu machen.

Bei hellen Rassen wird sie nur im kleinen angewendet, zum Färben der Augenbrauen, der Haare, als Schönheitspflästerchen, zum Hervorheben der weißen Haut durch die Kontrastfarbe.

Die gelbe Farbe findet sich besonders häufig bei Mongolen und mit ihnen verwandten Stämmen.

Die Javanen am Hof von Solo und Djokja färben bei Festen ihren ganzen Oberkörper, Arme, Gesicht, Hände und Füße hell safrangelb, bei den Balinesen wird der ganz oder teilweise entblösste Oberkörper der Männer rotbraun, der Frauen hellgelb gefärbt zu feierlichem Aufputz.

In meinem Besitz befinden sich zwei derartige, sehr sorgfältig geschnitzte und bemalte Holzfiguren, die einen balischen Fürsten und seine Frau darstellen.



Genau dieselben Farben finden sich merkwürdigerweise auch in den alten ägyptischen Wandmalereien wieder.

Die blaue Farbe ist neben Rot bei vielen amerikanischen Indianerstämmen beliebt*). Cäsar**) fand sie bei den keltischen Urbewohnern Britanniens.

Von den jetzt ausgestorbenen Bewohnern Tahitis berichtet Bougainville: „So wie die französischen Damen sich die Backen rot anpinseln, so streichen sich die Damen in Tahiti ihr Hinterteil blau an.“

Die heiligen Tempelmädchen von Nara in Japan waren im Jahre 1892 — vielleicht ist das jetzt nicht mehr der Fall — im Gesicht ganz weiß geschminkt, wie Clowns ; die Lippen waren blau gefärbt, und auch auf den Wangen war ein blauer Schimmer angebracht (Fig. 032).

Fig. 032. Tempelmädchen aus Nara mit blaugefärbten Lippen

*) Vgl. Schurtz, Urgeschichte der Kultur. 1900. Tafel V. Gesichtsbemalung der Odschibwä.
**) De bello Gallico. V. 14.


Schließlich sei noch erwähnt, dass außer Farben auch häufig mehr oder weniger wohlriechende Stoffe mit oder ohne Farbenzusatz zur Erhöhung der körperlichen Reize von Frauen verwendet werden.

Die große Auswahl europäischer Toilettenwasser, vom Eau de Lis bis zum Rosenöl, ist bekannt genug. In Niederländisch-Indien reiben sich die Javaninnen ebenso wie viele mehr oder weniger europäische Damen mit einem Brei von feuchtem Kalk und starken Essenzen ein, der nach dem Trocknen abgerieben wird und neben einem weißlichen Schimmer auf der Haut einen meist sehr starken Geruch hinterlässt. Die Samoanerinnen benutzen den Saft wohlriechender Pflanzen, die Eskimofrauen Lebertran und Urin, Hottentottinnen, Dschagga und Schillukfrauen Asche und Kuhmist. Die Geschmäcker sind eben verschieden und es gibt mancherlei Arten, sich bei Männern beliebt zu machen.

Eine sehr ausführliche Zusammenstellung der verschiedenen Farben und ihrer Verbreitungsgebiete hat Joest gemacht, auf den ich für weitere Einzelheiten verweise.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frauenkleidung und ihre natürliche Entwicklung
028. Zulumädchen mit rot und weiß bemaltem Gesicht

028. Zulumädchen mit rot und weiß bemaltem Gesicht

029. Andamanen mit weißer Körperbemalung

029. Andamanen mit weißer Körperbemalung

030. Weißgeschminkte birmanische Schauspielerin

030. Weißgeschminkte birmanische Schauspielerin

031. Weißgeschminkte chinesische Dame

031. Weißgeschminkte chinesische Dame

032. Tempelmädchen aus Nara mit blaugefärbten Lippen

032. Tempelmädchen aus Nara mit blaugefärbten Lippen

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