Öffentliche Preisgabe und Prostitution.

In Lydien, Karthago und auf Zypern bestand sogar die Sitte, dass junge Mädchen sich Preis geben durften, um sich ihre Mitgift für die Ehe zu verdienen; die Erfordernis der Keuschheit der Frau, auf die heute die Männerwelt ein so großes Gewicht legt, war damals, wie die Geschichte lehrt, nicht vorhanden.

Von König Cheop von Ägypten wird behauptet, dass er aus den Erträgnissen der Prostituierung seiner Tochter eine Pyramide gebaut, und ein anderer ägyptischer König, Rhampsinit — der um 2000 vor unserer Zeitrechnung lebte — machte öffentlich bekannt, als er in seiner Schatzkammer einen in sehr raffinierter Weise ausgeführten Diebstahl entdeckte, um dem Diebe auf die Spur zu kommen — dass seine Tochter, sich Jedem Preis gebe, der ihr eine besonders interessante Geschichte zu erzählen wisse. Unter den Bewerbern, so erzählt die Fama, befand sich auch der Dieb. Nachdem jener seine Erzählung beendet und den Lohn dafür in Empfang genommen, wollte ihn die Königstochter festhalten. Statt seiner Hand erfasste sie die abgeschnittene Hand einer Leiche. Dieser neue gelungene Streich veranlasste den König, öffentlich zu erklären, ihm jede Bestrafung zu erlassen und ihm seine Tochter zur Frau zu geben, wenn er sich melde; was denn auch geschah.




Aus solchen Verhältnissen entsprang denn bei manchen Völkern, z. B. den Lydiern die Sitte, dass die Abstammung der Kinder durch die Mutter legitimiert wurde und sie nach der Mutter erbten. Dasselbe gilt heute noch bei manchen Völkern in Mittel- und Ost-Afrika. Auch bestand bei den alten Völkern vielfach die Sitte, die auch bei den alten Germanen Geltung geliebt haben soll, dass dem einkehrenden Gaste als Zeichen der Gastfreundschaft die Frau oder Tochter für die Nacht überlassen wurde.

Im gebildeten Griechenland waren die öffentlichen Frauenhäuser allgemein eingeführt. Solon machte sie in Athen, 594 vor unserer Zeitrechnung, zu einer staatlichen Institution und wurde dafür von einem Zeitgenossen also besungen: „Solon sei gepriesen! denn Du kauftest öffentliche Frauen für das Heil der Stadt, der Sitten einer Stadt, die erfüllt ist von kräftigen jungen Männern, welche sich ohne Deine weise Einrichtung den störenden Verfolgungen der besseren Frauenklasse überlassen hätten.“ So wurde für die Männerwelt als naturgemäßes Recht durch Staatsgesetz anerkannt, was, von den Frauen getan, als verachtungswürdig und Verbrechen galt. Und dieser Geist ungleicher Beurteilung besteht noch heute fort.

Auch führte man in Athen der Göttin Hetära einen prachtvollen Tempel auf. Durch ihre Schönheit, wie durch ihren Geist, berühmte Hetären, wie Phryne, Lais von Corinth, Gnathaena, Aspasia, die spätere Gattin des berühmten Perikles, genossen in der angesehensten griechischen Männerwelt die allgemeinste Verehrung und hatten zu ihren Zusammenkünften und Gelagen Zutritt, wohingegen die ehrbaren griechischen Frauen ausschließlich auf das Haus angewiesen waren. Die ehrbare griechische Frau durfte nirgends öffentlich erscheinen, sie ging auf der Strasse stets verschleiert und war höchst einfach gekleidet. Sie hatte mir sehr geringe Bildung, weil diese bei ihr mit Absicht vernachlässigt wurde, sie sprach schlecht und besaß weder ,,Raffinement, noch Politesse.“ Demosthenes, der große Redner, präzisierte das geschlechtliche Leben der Männer Athens kurz dahin: „Wir heiraten das Weib, um eheliche Kinder zu erhalten und im Hause eine treue Wächterin zu besitzen; wir halten Concubinen zu unserer Bedienung und täglichen Pflege, die Hetären zum Genuss der Liebe.“ So war die Frau zum bloßen Kindergebärapparat herabgedrückt und zum treuen Hunde gemacht, der das Haus bewacht. Der Herr des Hauses lebte nach seinem bon plaisir, seiner Willkür. Die Folge war, dass die Griechen nicht nur jedem häuslichen Leben gänzlich entfremdet waren, sondern auch allmählich eine große Verachtung gegen die Frauen empfanden, die sie doch selbst in dieser unwürdigen Stellung erhielten, und schließlich die Befriedigung ihrer Leidenschaften in der Unnatur, der Knaben- und Männerliebe suchten. Es gab ebenso gut öffentliche Häuser mit männlichen Prostituierten, wie mit weiblichen. Ja es wurden, wie Aristoteles in seiner ,,Politik“ meldet, die Frauen in späteren Jahren von den Männern absichtlich fern gehalten und die Männerliebe begünstigt, damit die Frauen nicht zu vielen Kindern das Leben schenkten.



Ganz ähnlich gestalteten sich einige Jahrhunderte später die Dinge in Rom. Hier nahmen die Ausschweifungen und die Unnatur zuletzt eine solche Ausdehnung an, dass die Heiraten fast gänzlich eingestellt wurden und die Kaiser die strengsten Gesetze für das Heiraten erlassen mussten. Um sich sowohl gegen die Ausschweifungen ihrer Gatten zu rächen, wie sich gegen die schweren Strafen des Ehebruchs, die dem weiblichen Teile angedroht waren, zu schützen, ließen sich die angesehensten Damen Roms in die Register der Aedilen eintragen, welche als Polizeibeamte die Prostitution zu überwachen hatten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Frau und der Sozialismus.