Kapitel 9 - Alte Bekannte treffen sich.

9. Alte Bekannte treffen sich.

Mrs. Dayton hatte, ihr am vorigen Abend gegebenes Versprechen zu erfüllen, alle nöthigen Anstalten getroffen, ein paar Tage über Land bleiben zu können. Es war auch, als Mr. Dayton etwas spät am Morgen und ziemlich erschöpft von dem langen Ritt zurückkehrte, beschlossen worden, gleich nach Tisch aufzubrechen und Livelys zu besuchen, mit denen Mrs. Dayton schon in früherer Zeit in Indiana befreundet gewesen.


Die kleine Familie hatte noch nicht lange ihr einfaches Mittagsmahl beendet, und der erst vor einigen Stunden zurückgekehrte Squire eben zwei wiederum für ihn eingetroffene Briefe gelesen und in die Brusttasche geschoben, als Pferdegetrappel vor der Thür gehört wurde und Adele an's Fenster sprang, um zu sehen, wer es wäre, der vor ihrem Hause anhielt. Kaum hatte sie aber den Blick hinabgeworfen, als sie auch überrascht ausrief:

„Mr. Hawes – bei Allem, was da lebendig auf der Erde herumläuft! – Nein, so etwas ist noch gar nicht dagewesen!“

„Und wer ist denn Mr. Hawes?“ frug Squire Dayton lächelnd – „der ist wirklich noch nicht dagewesen. Da Du übrigens den Gentleman so gut zu kennen scheinst, so bist Du es auch vielleicht, derentwegen er uns hier aufsucht.“

„Das ist sehr leicht möglich,“ sagte Adele unbefangen. – „Seine Frau war meine beste Freundin, Du mußt sie noch von früher her kennen, Hedwig – Marie Morris – des alten reichen Morris Tochter. Wissen möcht' ich aber, was ihn nach Arkansas bringt. Ich glaubte, er wäre schon lange in Louisiana auf seiner Plantage.“

„Nun, da kommt er selbst und wird Dir das Räthsel wohl lösen,“ sagte Squire Dayton. Wirklich wurden auch im nächsten Augenblick die leichten schnellen Schritte auf der Treppe gehört, und gleich darauf trat nach kurzem Anklopfen und ohne fast das einladende „Herein“ zu erwarten, derselbe junge Mann in die Stube, den wir schon heute Morgen, freilich unter einem andern Namen, in der Mississippi-Niederung gefunden haben.

„Miß Adele!“ rief er und schritt schnell und die Hand ihr entgegenstreckend, auf die Dame zu – „es freut mich herzlich, Sie so wohl und munter zu finden. Wahrscheinlich habe ich die Ehre, Mister und Mistreß Dayton hier vor mir zu sehen?“

Squire Dayton und Frau verneigten sich, und der Erstere sagte freundlich:

„Unsere kleine Freundin hier hat Sie schon von draußen angemeldet – Mr. Hawes, wenn ich nicht irre – sie erkannte in Ihnen einen alten Bekannten –“

„Dann hätte ich ja kaum der kalten Einführung dieses Briefes bedurft,“ sagte der Betrüger mit einer leisen Verneigung gegen die junge Dame. – „Von Mr. Porrel, jetzigem Staatsanwalt in Sinkville, der so gütig war, nebst einem freundlichen Gruß Ihnen die Meldung zu machen, daß eine so unbedeutende Person wie ich überhaupt existire.“

„Ach, von Porrel – haben Sie ihn erst kürzlich verlassen?“ frug der Squire und nahm den Brief an sich. – „Es ist manches Jahr vergangen, daß wir einander nicht gesehen haben.“

„Und doch spricht er noch mit vieler Liebe und Anhänglichkeit von Ihnen. Er ist vor wenigen Wochen Staatsanwalt geworden und steht sich jetzt ziemlich gut – bekleidet auf jeden Fall einen ganz einträglichen und höchst achtbaren Posten.“

„Aber wie geht es Mistreß Hawes, Sir? Was macht Marie und wo ist sie?“ unterbrach ihn hier Adele. „Sie erwähnen ja kein Wort von ihr und ihren Eltern. Ich glaubte Sie auf Ihrer Plantage in Louisiana.“

„Könnte ich dann schon wieder hier sein?“ frug Sander. „Nein – die Pflanzung in Louisiana haben wir nicht gekauft, denn in Memphis, wo wir glücklicher Weise einen Tag liegen blieben, kamen uns so böse und ungünstige Berichte über jene Gegend zu Ohren, daß wir lieber beschlossen, das geringe Draufgeld im Stiche zu lassen, als so bedeutende Capitalien an ein später fast werthloses Grundstück zu wenden. Da hörten wir von dem Verkauf einer Pflanzung bei Sinkville in Mississippi – landeten dort, fanden die Bedingungen mäßig, Land und Gebäude trefflich, und wurden noch in derselben Woche handelseinig.“

„Und bei Sinkville wohnt jetzt Marie?“ rief Adele freudig. – „Oh wie herrlich! Das liegt ja kaum sechs Meilen von Helena entfernt – ach, da besuche ich sie in den nächsten Tagen.“

„Sie darum zu bitten, ist eigentlich der Zweck meines Hierseins,“ erwiderte Sander – „nur machen Sie sich dann auf einen etwas längeren Aufenthalt gefaßt, denn so schnell läßt Sie Marie gewiß nicht wieder fort. Mir ist sogar der dringende Auftrag geworden, Sie – wenn das irgend möglich wäre – gleich mitzubringen. Drüben am andern Ufer steht mein Cabriolet, und ich habe das Pferd nur deshalb mit herübergebracht, weil ich nicht genau wußte, ob Sie in oder bei Helena Ihren Wohnsitz hätten.“

„Ei, wie wird es dann mit dem Besuch bei Livelys werden?“ sagte Mr. Dayton, „den wirst Du am Ende gar aufschieben müssen.“

Adele sah die Schwester an, und ein leichtes Erröthen färbte ihre Wangen.

„Nein, das geht unmöglich,“ warf aber Mrs. Dayton ein. „Wir haben erst gestern Abend durch den jungen Lively unser Kommen auf heute bestimmt ansagen lassen; Mrs. Lively hat sich auch gewiß eine Menge von Umständen gemach und würde es nun mit Recht sehr übel nehmen, wenn wir unser Wort brächen. Wie wäre es aber, wenn uns Mr. Hawes dorthin begleitete? Geschieht das, so kann Adele ganz gut morgen früh und gleich von dort aus mit Ihnen aufbrechen, und Sie haben doch wenigstens den Weg nicht vergebens gemacht.“

„Sie machen mir durch diese Erlaubniß eine große Freude,“ erwiderte Sander; „zwar riefen mich eigentlich in einem so neuen Besitzthum wohl leicht erklärliche Geschäfte schnell zurück, doch mag Vater einmal auf einen Tag länger meine Stelle versehen. Er ist jetzt, Gott sei Dank, recht kräftig und wohl, und da wird es ihm nicht gleich schaden. – Ueberdies habe ich seit langer Zeit gewünscht, Squire Dayton genauer kennen zu lernen, von dem ich schon so viel Gutes und Liebes in Sinkville gehört.“

„Um so mehr muß ich dann bedauern, das Vergnügen Ihrer Gesellschaft, wenigstens für heute, zu entbehren,“ sagte der Richter verbindlich; „meine Geschäfte erlauben mir nicht, Helena auf mehrere Tage zu verlassen, ich hoffe Sie jedoch recht bald einmal und zwar dann für einen längeren Aufenthalt bei uns zu sehen. Aber da kommen die Pferde,“ unterbrach er sich plötzlich – „nun, Mr. Hawes, jetzt werden Sie gleich das Amt eines Ritters und Beschützers übernehmen können, das sonst von dem weniger Romantischen einer Wache in der Person meines alten Cäsar hätte ersetzt werden müssen.“

„Ich bin stolz auf das Vertrauen, das Sie schon nach so kurzer Bekanntschaft in mich setzen, und werde suchen mich dessen würdig zu zeigen,“ sagte Sanders – „nur Eins macht mich besorgt – der Weg nach Livelys ist mir fremd – ich weiß nicht –“

„Den werde ich Ihnen zeigen,“ rief Adele schnell und erröthete dann, als sie der Schwester Lächeln bemerkte, über den vielleicht zu großen Eifer, den sie hierbei verrathen.

„Einer so schönen Führerin würde ich folgen, und wenn ich wüßte, das Ziel wäre der Tod!“ rief Mr. Hawes rasch.

„Ei, ei, Sir,“ warnte der Richter, „das sind gefährliche Aeußerungen für einen jungen Ehemann – wenn das die Frau hörte –“

„Marie und ich wissen, wie das gemeint ist,“ sagte Adele freundlich und unbefangen. „Mr. Hawes macht auch manchmal Verse, und den Poeten darf man schon ein wenig Uebertreibung gestatten. Doch die Pferde warten; also, Herr Ritter, ich werde Ihre Führerin sein.“

Mit diesen Worten und während Sander noch von Squire Dayton Abschied nahm, ergriff das schöne Mädchen den Arm der Schwester und zog sie lachend mit die Treppe hinab. Cäsar führte dort Mrs. Dayton's Pferde vor, Adele aber leukte, ehe Sander im Stande war, ihr die hülfreiche Hand zu bieten, das kleine muntere Pony an einen zu diesem Zweck dort hingewälzten Stamm und sprang leicht und sicher in den Sattel. Der vermeintliche Eduard Hawes konnte ihr nur noch den kleinen rothsaffianenen Pantoffel, der den Steigbügel bildete, unter die zierliche Fußspitze schieben. Dann schwang er sich ebenfalls auf den Rücken seines ungeduldig scharrenden Thieres, und fort im kurzen Galopp sprengte die kleine Cavalcade den schmalen Waldweg entlang, der, am Fuß der Hügel hin, der etwa sechs bis sieben englische Meilen entfernten Farm des alten Lively zuführte.

Zu derselben Zeit, als die beiden Damen und ihre Begleiter in den dichten Büschen der Waldung verschwanden, kam eines jener mächtigen Flatboote mit der Strömung den Mississippi herab und beabsichtigte allem Anschein nach, in Helena zu landen. – Außer den fünf Bootsleuten, die mit äußerster Anstrengung ihrer Kräfte die langen, schweren Finnen handhabten, um das Fahrzeug dem Lande zuzuführen, standen noch zwei Männer neben dem Steuernden am Hinterruder, und zwar recht gute Bekannte von uns! der alte Edgeworth und sein Begleiter Tom Barnwell. Dicht bei ihnen aber saß der alte graue Schweißhund gar ernsthaft auf seinem Ende und betrachtete mit unverkennbarem Interesse das Ufer, das er, wie das kluge Thier recht gut merkte, jetzt bald wieder einmal nach langer Wasserfahrt betreten sollte.

Eine Person an Bord zeigte sich jedoch mit dieser Maßregel keineswegs zufrieden, und das war der Steuermann. Vorher schon hatte er eine Menge von Gründen gegen das Landen erschöpft, war aber doch zuletzt gezwungen zu gehorchen, und stand nun in mürrischem Schweigen an seinem Ruder. Endlich brach sich aber sein verhaltener Ingrimm noch einmal in Worten Bahn, und er sagte, einen bittern Fluch der Rede voranschickend:

„Ich will verdammt sein, wenn es nicht barer Unsinn ist, hier in dem Neste anzulaufen. – Arbeiten müssen wir wie das Vieh, um nur wieder aus der Gegenströmung heraus zu kommen, und nicht die Hälfte von dem bekommen wir hier, was sie uns in Vicksburg oder selbst in Montgomerys Point dafür bezahlen.“

„Ich möchte nur wissen, was Ihr fortwährend mit Eurem Montgomerys Point habt,“ erwiderte ihm der alte Edgeworth – „das muß ein wahres Muster von Handelsplatz sein – ein Ideal aller Flatboote.“

„Wo liegt es denn eigentlich?“ frug Tom – „ich bin doch auch früher am Mississippi gewesen, kenne aber den Ort gar nicht.“

„Es wird manchen Ort hier geben, den Ihr nicht kennt,“ brummte der Lootse – „in einem Jahr verändert sich hier verdammt viel. – Seht einmal da drüben Helena – das waren nur ein paar Häuser, als ich zuerst an den Mississippi kam, und jetzt ist's eine ordentliche Stadt. Montgomery baute vor etwa vier Jahren die erste Hütte, und jetzt ist es der Schlüssel zum ganzen Westen, denn alle stromabkommenden Dampfboote gehen natürlich den näheren Weg, durch den Whiteriver in den Arkansas, und passiren dort nie ohne anzulegen. Da leben auch Kaufleute, vor denen man Respect haben muß; uns hat einmal einer – ein Einziger – eine ganze Flatbootladung Mehl abgenommen, und das war noch nicht einmal der reichste.“

„Nun, meinetwegen,“ sagte der alte Edgeworth; „wenn Ihr solch unmenschliches Vertrauen zu dem Neste habt, so wollen wir da anlegen, aber erst will ich sehen, wie der Markt hier steht. Ich habe nun einmal meinerseits Vertrauen nach Helena und sehe gar nicht ein, weshalb wir's nicht wenigstens versuchen sollten, unsere Ladung hier los zu werden. Also greift aus, meine Burschen, greift aus – in ein paar Minuten seid Ihr am Ufer, und dann mögt Ihr Euch heute einen vergnügten Abend machen.“

Die Männer legten sich denn auch mit dem besten Willen von der Welt gegen die schweren Finnen, gaben mit scharfem Nachdruck den letzten Stoß und liefen, während der Eine das an Bord befindliche Ende niederdrückte und rasch zurückzog, mit schnellen Schritten nach, um keinen Zoll breit Raum zu verlieren. So erreichten sie endlich die stillere, dicht vor der Stadt befindliche Stromfläche. Tom ergriff jetzt das lange Bugtau und trat vorn auf die oberste Spitze des Bootes, von dem er, als sie jetzt dicht an den übrigen dort befestigten Fahrzeugen vorbeitrieben, auf das ihm nächste sprang. Auf diesem lief er hin und an's Ufer und befestigte dort das Tau in einem der zu diesem Zweck angebrachten eisernen Ringe. Wenige Secunden später traf das breite, unbehülfliche Fahrzeug schwerfällig gegen die weiche Schlammbank an, und die schnell heraufgenommenen Ruder oder Finnen wurden an Bord gelegt.

Zwei der Flatbootleute blieben jetzt als Wachen zurück, und die Uebrigen, der alte Edgeworth und Tom mit dem grauen Schweißhund an der Spitze, schritten in die Stadt hinauf, um das Terrain zu erkunden, die Preise der nördlichen Produkte zu erfahren und überhaupt auszufinden, ob und in welcher Art sich hier ein Geschäft anknüpfen lasse.

Nur Bill, der Steuermann, ging nicht mit den Nebrigen, sondern schlenderte erst, scheinbar zwecklos, am Ufer hin, bis er die Kameraden aus den Augen verloren hatte. Dann bog er rechts ab, schritt die zum Wasser führende Walnutstreet schnell hinauf und klopfte gleich darauf an ein niederes alleinstehendes Haus, in dessen oberem Fenster im nächsten Augenblick das liebenswürdige Antlitz der Mrs. Breidelford sichtbar wurde. Diese hatte aber kaum einen Blick auf die Straße geworfen und den Besuch erkannt, als sie auch schon wieder mit einem Schrei des Erstaunens, vielleicht der Freude, zurückfuhr, denn gleich darauf wurden ihre schnellen Schritte gehört, wie sie die Treppe in fast jugendlicher Eile herabsprang, den willkommenen Gast einzulassen.

„Nun, Bill – das ist prächtig, daß Ihr kommt,“ waren die ersten Worte, mit denen sie ihn begrüßte, und die allerdings verriethen, daß sie schon früher auf einem, wenn auch nicht gerade vertrauten, doch sicherlich bekannten Fuße gestanden hatten; „seit drei Tagen guck' ich mir schon fast nach Euch die Augen aus dem Kopfe, und immer vergebens. Mein lieber seliger Mann hatte aber ganz Recht – Louise – sagte er immer – Louise –“

„Oh geht mit Eurem verdammten Geschwätz zum Teufel,“ brummte der keineswegs so gesprächige Gast, ohne viel zu berücksichtigen, daß er sich mit einer Dame unterhielt; – „sagt lieber, wie es mit der Insel steht und ob ich irgend wen von den Unseren hier in Helena finden kann.“

„Nu – nu, Meister Brummbär,“ rief die Wittwe beleidigt – „ich dächte doch, man hätte oben im Norden nicht alle Artigkeit verlieren sollen und könnte wenigstens ›guten Tag‹ sagen, wenn man zu anderen Leuten ins Haus käme. – Ich bin auch mein Lebenlang in der Welt herumgekommen und kein Gelbschnabel mehr, daß ich mich von jedem hergelaufenen Narren brauche anfahren zu lassen. Aber ich weiß schon – mein Seliger hatte Recht – Louise, sagte er, – Du bist –“

„Eine liebe, prächtige Frau,“ unterbrach sie, ihr freundlich die Hand entgegenstreckend, Bill, denn er kannte Mrs. Breidelford zu gut, um nicht zu wissen, daß er eben im Begriff gewesen sei, es auf immer mit ihr zu verderben. „Ich sollte doch denken, Ihr hättet Zeit genug gehabt, den rauhen Bill kennen zu lernen. Er gehört allerdings nicht zu den Feinsten, aber er meint's nicht so böse. Also, meine schöne Mrs. Breidelford, wie steht's hier im Territorium? Was macht der Capitain und die Bande, und könnte ich ein paar der Burschen hier in Helena finden – wenn ich ihre Hülfe brauchen sollte?“

„Zehn für einen, Bill,“ rief da plötzlich eine Stimme vom obern Rande der Treppe – „zehn für einen – wie geht's, alter Junge? Bringst Du Beute? Nun die kommt uns gelegen, besonders wenn sie der Mühe werth ist.“

„Blackfoot – so wahr ich lebe,“ jubelte der Steuermann der Schildkröte – und sprang fröhlich zur Treppe – „Du kommst wie gerufen und kannst mir helfen, einen alten Narren von Helena wegzubringen, der es sich nun einmal in den Kopf gesetzt zu haben scheint, hier zu verkaufen. Die Ladung ist nicht bedeutend, aber er führt wenigstens zehntausend Dollar in baarem Golde bei sich und geht, wenn er seinen Kram hier losschlägt, auf das erste beste Dampfboot und uns aus dem Netz.“

„Alle Wetter, das soll er bleiben lassen,“ rief Blackfoot „aber kommt herauf, das besprechen wir oben besser.“

„Ja – ich weiß nicht, ob ich's wagen darf,“ sagte lächelnd der Steuermann und blickte sich nach Mrs. Breidelford um – „unsere liebenswürdige Wirthin –“

„Ach geht zum Teufel mit Eurer Liebenswürdigkeit,“ zürnte die noch immer nicht ganz zufrieden Gestellte – „hinterher könnt Ihr schöne Worte machen. – Doch geht hinauf; – Blackfoot weiß oben Hausgelegenheit, er mag Euch bedienen. Ich habe hier unten noch zu thun.“

„Nun sage mir nur vor allen Dingen, wie steht's mit der Insel,“ rief Bill, als sie oben bei einer Flasche Rum und einem Körbchen voll braungebackener Cracker beisammen saßen – „noch Alles in Ordnung?“

„In bester – die Sachen stehen vortrefflich –“ erwiderte Blackfoot – „aber es ist gut, daß Du heute kamst. – Morgen Abend haben wir, wie Du weißt, unsere regelmäßige Versammlung und es sollen gar wichtige Dinge verhandelt werden. Kelly fürchtet, daß wir über kurz oder lang einmal verrathen werden, und will uns dagegen durch den Ankauf eines Dampfbootes gesichert wissen. Es kommen auch noch andere interessante Sachen vor; Du wirst übrigens noch eine Stunde wenigstens liegen bleiben müssen, sonst kommst Du zu früh an – es dunkelt jetzt gar spät.“

„Ich weiß wohl –“ sagte ärgerlich der Steuermann – „fürchte aber, ich kriege den alten Starrkopf gar nicht mehr von hier fort. – Er glaubt wunder wie große Geschäfte hier zu machen.“

„Hm – wie war' es denn,“ sagte Blackfoot sinnend – „wie wär' es denn da, wenn ich ihm den Bettel abkaufte?“

„Wer, Du? Na, weiter fehlte nichts mehr –“ lachte Bill. „Jemanden, der kauft, brauchen wir gar nicht. – Ueberreden müssen wir ihn, daß er weiter unten einen besseren Markt für seine Waare treffen wird, das Uebrige findet sich von selbst.“

„Bill,“ sagte Blackfoot und stieß sich mit der Spitze seines ausgestreckten rechten Zeigefingers sehr bedeutend gegen die eigene Stirn – „Bill, bist Du denn ganz vernagelt? Hältst Du mich denn für so dumm, daß ich einen Sassafras nicht mehr von einer Sarsaparilla unterscheiden kann? Wenn ich das Boot oder die Ladung kaufe, so versteht sich's doch von selbst, daß ich nicht hier wohne, und daß ich es nothwendiger Weise nach Montgomerys Point oder sonst wohin geschafft haben muß.“

„Bei Gott – ein capitaler Gedanke –“ schrie Bill und schlug mit der Faust auf den Tisch, daß die Gläser gegen einander klirrten – „so soll's sein – Du spielst den Kaufmann, gehst mit uns an Bord, und ich renne uns dann zusammen ganz vergnügt unterhalb der Insel auf den Sand. Halt – da fällt mir aber etwas ein, einen Spaß wollen wir uns noch machen – Du sagst, Du wärst von Victoria – das giebt mir auch eine Entschuldigung, Nr. Einundsechzig rechts liegen zu lassen, anstatt links, wie es im ›Navigator‹ steht – und dann kannst Du meinetwegen auf Montgomerys Point und den jetzigen Handel dort schimpfen. Das wird dem Alten gut thun, dann glaubt er, ich habe Unrecht gehabt, und geht desto eher in die Falle. Er hat überdies eine Art Aversion gegen mich, für die er jedoch keinen Grund weiß – es ist so eine Art Instinct, glaub' ich. – Nun, ich bin nicht böse darüber, er hat alle Ursache dazu und wird, ehe zweimal vierundzwanzig Stunden vergehen, noch mehr bekommen.“

„Was für Ursachen?“ frug Blackfoot.

„Laß gut sein,“ sagte Bill und leerte das vor ihm stehende Glas auf einen Zug. – „Das sind Dinge, von denen ein alter Praktikus nicht gerne spricht. Schweigen über eine Sache hat noch Keinem geschadet, Plaudern aber schon Manchem Unheil gebracht. Doch da kommt Mrs. Breidelford – nun, Frauchen, noch böse? Ich hatte gerade den Kopf voll, als ich in's Haus trat, Blackfoot hier hat aber Alles wieder in Ordnung gebracht.“

Mrs. Breidelford war keineswegs die Person, die lange mit Jemandem gegrollt hätte, der, wie sie wußte, ihr manchen Nutzen bringen sollte und auch schon manchen gebracht hatte. Sie hielt denn auch die ihr zur Versöhnung abverlangte Hand nicht zurück und sagte nur:

„'S ist schon gut, Bill, ich weiß ja, daß Ihr's nicht so böse meint, grob war's freilich immer. Aber was um Gottes willen habt Ihr Euch denn da für einen erschrecklichen Bart stehen lassen? Der sieht ja grausig aus – die Kinder müssen vor Euch davonlaufen. Nein, geht Bill, den müßt Ihr Euch wieder abrasiren, Ihr seid ohnedies nicht so hübsch, daß Ihr einen Stock zu tragen brauchtet, die Mädchen abzuwehren. Da fällt mir dabei ein, was mein seliger Mann immer sagte – Louise, sagte er, es giebt Gesichter in der Welt –“

„Aber, gute Mrs. Breidelford,“ unterbrach sie hier, freundlich ihren Arm ergreifend, Blackfoot – „Sie wissen, um was ich Sie gebeten habe, und ich sitze nun vergebens eine volle Stunde hier und warte darauf. Ich muß wahrhaftig fort, denn erstlich wird Kelly sonst ingrimmig böse, und dann haben wir Beide hier ein Geschäft mit einander abzumachen, das ebenfalls keinen Aufschub leidet, also – wenn es Ihnen irgend möglich wäre –“

„Hat der Mensch eine Eile,“ sagte die Dame und fing an, nach Etwas zu suchen, das unter einer Unzahl geheimer Falten und Röcke entweder auf Nimmerwiederfinden versteckt oder verloren war. Mrs. Breidelford's Hirn mußte selbst eine solche Vermuthung kreuzen, denn sie fing plötzlich an, sich ganz schnell und ängstlich überall zu betasten, und ein erschrecktes – „Na, weiter fehlte mir nichts,“ theilte ihre Lippen. Der fragliche Gegenstand, was es auch immer war, gab sich aber endlich ihrem Griffe kund – ihre Züge heiterten sich wieder auf, ein tiefer Seufzer – die dem Herzen entnommene Last – hob ihre Brust, und sie brachte, nachdem sie untergetaucht und einen der zahlreichen Röcke beseitigt hatte, eine alte braunlederne Tasche mit Stahlbeschlägen zum Vorschein. Diese öffnete sie mit einem kleinen daran hängenden Schlüssel und nahm eine Anzahl von Banknoten wie sorgfältig in Papier gewickelte Geldstücke heraus. „So – hier, Ihr Vampyr – der Ihr einer armen, allein stehenden Wittwe das Letzte abnehmt, was sie an baarem Gelde besitzt –“ sagte sie dabei – „hier, Ihr unersättlicher Einkassirer, der so regelmäßig jeden Monat kommt, wie Vollmond und Neumond, und noch brummt, daß er nicht genug hätte –“

„Ja, ja,“ lachte Blackfoot – „Euch wär's schon recht, wir lieferten Euch blos die Waaren und bekümmerten uns weiter nicht darum, was Ihr dafür bekämet. Das glaub' ich; Ihr solltet Euch aber wahrhaftig nicht beklagen; denn wenn irgend Jemand Nutzen daran hat, so seid Ihr es, und sitzt noch dazu warm und sicher in Helena, während wir draußen in Nacht und Gefahr unser Leben verbringen –“

„Warm und sicher?“ rief Mrs. Breidelford scharf – „Ihr schwatzt, wie Ihr's versteht. – Sicher; als ob nicht gestern Abend so ein schlechtes Geschöpf versucht hätte, hier, während ich nur in die Nachbarschaft gegangen war, ein paar Freunde zu besuchen, die mich eingeladen hatten, bei mir mit Nachschlüsseln einzubrechen.“

„Was? bei Euch?“ rief Blackfoot schnell – „sollte das nur um zu stehlen geschehen sein?“

„Nur um zu stehlen, Mr. Blackfoot? Ich dächte, da wäre für eine arme, allein stehende Wittwe gar kein nur weiter dabei. Nur um zu stehlen, jetzt bitte ich Einen um Gottes willen, was verlangt Ihr denn sonst noch von einem Diebe oder Einbrecher, Sir? – Aber mein lieber seliger Mann hat mir das schon immer gesagt – Louise, sagte er, Du hast zu viel Vertrauen – Du bist zu gut – Du wirst noch theure Erfahrungen in Deinem Leben machen, Du wirst noch viel betrogen, noch viel gekränkt werden – sagte er, das liebe Herz, was jetzt in seinem kalten Grabe liegt. Aber ich kenne das nichtsnutzige Weibsbild, das sich alle mögliche Mühe giebt, in fremder Leute Häuser hineinzukommen. – Ich kenne die Landstreicherin, von der Niemand weiß, wo sie herkommt und wo sie hingehört. – Wenn sie mir nur einmal unter die Augen kommt, wenn sie nur wieder einmal die Frechheit hat, mit ihrer unschuldigen Schafsmiene zu sagen: Guten Morgen, Mrs. Breidelford –“ dann will ich ihr doch –

„Und wer ist es? – Wer glaubt Ihr denn, daß irgend eine Absicht dabei gehabt haben könnte, Euer Haus zu durchforschen?“ frug Blackfoot.

„Laßt's nur gut sein –“ zürnte die immer noch gereizte Dame, ohne den Fragenden einer weiteren Antwort zu würdigen – „ich weiß schon selbst, wo mich der Schuh drückt. Aber so viel ist gewiß, was ich in meiner Kiste habe, danach braucht Niemand zu fragen. – Ich bin eine ehrliche Frau und bezahle Alles, was ich kaufe, mit baarem Gelde; woher es die haben, von denen ich kaufe, das kann ich, als Lady, nicht wissen, das geht mich auch nichts an. – Louise – sagte mein Seliger immer – bekümmere Dich um Deine eigenen Angelegenheiten und nicht um die an derer Leute. Einer Frau ziemt es, häuslich und zurückgezogen zu sein; das ist es, was uns das zarte Geschlecht so lieb macht, sagte mein Seliger, und wenn Du die eine Schwäche nicht hättest – und die hab' ich, das weiß ich, und halte es deshalb auch, weil ich es weiß, für keinen so großen Fehler – so wollte ich Dich mancher Frau als Muster aufstellen. Und ich denke, wenn das der eigene Ehemann zu einer Frau, und das noch dazu, wenn sie mit einander allein sind, sagt, so muß es wohl wahr sein und nicht blos geschmeichelt.“

Blackfoot hatte indessen, ohne den Redeschwall der Wittwe weiter einer Bemerkung werth zu halten, ruhig das ihm übergebene Geld gezählt und in seine weite Brieftasche gepackt, während Bill aufgestanden und an's Fenster getreten war, von dem er einen Theil des Flusses übersehen konnte.

„Hol's der Henker, Blackfoot,“ rief er jetzt, „wir müssen an's Werk gehen, sonst vertrödeln wir hier die schöne zeit mit gar nichts. Wenn wir die Sache noch heut Abend abmachen wollen, so ist weiter kein Augenblick zu verlieren. Es wäre aber auch vielleicht kein großes Unglück weiter, wenn es morgen früh geschehen müßte. Zwischen der Insel und dem linken Ufer stört uns Niemand, noch dazu, wenn Ihr selbst mit an Bord geht. Dann haben wir keine lange Arbeit und können in die Sache rasch und geräuschlos genug abmachen. Ueberhaupt will mir das Schießen bei Nacht nicht sonderlich gefallen. Am Tage kümmert sich Niemand darum, Nachts frägt aber ein Jeder, der es hört – was war das? Wo kam das her? Also, wie wär's, wenn wir jetzt einmal zu dem alten Hosier hinuntergingen und ihm auf den Zahn fühlten? Es sollte mich schändlich ärgern, wenn er hier einen Käufer fände und uns die ganze schöne Beute so förmlich vor der Nase weggeschnappt würde.“

„Ich bin dabei,“ sagte Blackfoot und stand auf – „bei unserem Plane bleibt's also, und Mrs. Breidelford – was unsere Verabredung betrifft, so führt das Boot, von dem ich vorher sagte, ein roth und grünes Fähnchen hinten auf dem Steuerruder – das Uebrige wissen Sie. Guten Morgen.“

Die würdige Dame schien allerdings keineswegs damit zufrieden, ihre Gäste zu verlieren, ohne vorher genau zu wissen, was sie eigentlich für Pläne hätten; die beiden Verbündeten bekümmerten sich aber nicht weiter um sie, verließen rasch das Haus und schritten dem Flußrand zu.

Indessen waren die Wabasch-Männer langsam in die Stadt hinaufgeschlendert. Während aber die Bootsleute in einer der Groceries – in Helena ziemlich gleichbedeutend mit Schenkläden – eintraten, die durstigen Kehlen zu erfrischen, suchte Edgeworth sich nach den gegenwärtigen Preisen der Producte zu erkundigen und erfuhr bald, daß er hier eigentlich weniger Nutzen zu erwarten habe, als er vielleicht gehofft hatte. Die Kaufleute schienen auch nicht einmal zum Kaufen geneigt. Mit dem Innern standen sie, eine reitende Briefpost abgerechnet, in gar keiner Verbindung, und das, was sie an eigenen Bedürfnissen in der Stadt brauchten, lieferte ihnen zu den billigsten Preisen Mrs. Breidelford. An diese wurde er denn auch, wenn er seine Waaren hier abzusetzen gedenke, gewiesen.

„Höre, Tom,“ sagte jetzt der Alte, als sie ziemlich im Reinen über den Stand der Dinge hier zum Boot zurückschritten – „ich habe mir doch Helena anders gedacht, wie es wirklich ist, wir werden hier nichts ausrichten können. Dem Burschen, dem Bill, trau' ich aber auch nicht recht. Weiß der liebe Gott, was ich gegen den Menschen habe, aber ich kann ihn nicht ansehen, ohne mich zu ärgern, und fühle doch, daß ich Unrecht thue, denn er hat uns bis hierher ganz gut und trefflich geführt. Der schwatzt mir da immer so viel von Montgomerys Point vor – am Ende hat er da Freunde oder Verwandte, oder gar ein eigenes Geschäft, für das er billig zu kaufen gedenkt; dem möcht' ich auf den Grund kommen. Von hier aus soll es nun blos fünfzig Meilen bis nach Montgomerys Point, und ein wenig weiter bis zur Mündung des Whiteriver sein. Bis dahin möcht' ich aber, wenn das irgend an ginge, meine Ladung verkauft haben. So setze Du Dich also in unsere kleine Jolle und fahre sachte am Ufer hinunter voraus. Provisionen kannst Du Dir ja mitnehmen. Am Mississippi liegen mehrere kleine Städtchen, wo Du anlegen und Dich erkundigen kannst. Findest Du aber nichts, bis Du nach Montgomerys Point kommst, nun so hast Du dort wenigstens Gelegenheit, an Ort und Stelle vorher genau die Verhältnisse und Preise zu erfragen, ehe ich mit dem Boote hinkomme. Ich will indessen bis morgen früh hier bleiben, denn ich muß mir meine Büchse wieder in Stand setzen lassen, in der, weiß der liebe Gott wie das geschehen konnte – plötzlich und ganz von selber die kleine Feder gebrochen ist. Man kann hier auf dem Mississippi manchmal nicht wissen, wie man die Waffe braucht, und ich möchte überhaupt nicht gern mit einem nutzlosen Schießeisen in der Welt herumfahren.“

„Die Feder gesprungen?“ sagte Tom verwundert, „nun da möchte ich doch wahrhaftig wissen, was die gesprengt hat – Ihr habt ja noch oben an den Ironsbank den Truthahn von der Uferbank heruntergeschossen.“

„Ja – und bei dem Schuß muß sie gebrochen sein, sonst weiß ich's auch nicht,“ erwiderte der Alte. – „Doch das macht nichts – es ist ein Büchsenschmied hier im Orte, und der kann mir bald eine neue Feder hineinsetzen; also halte Dich dazu, mein Junge, und sieh, daß Du gute Geschäfte machst. – Soll ich Dir aber nicht lieber ein paar von den Leuten mitgeben? Besser wär's überhaupt, Du nähmst Einen zum Rudern mit, daß Ihr abwechseln könntet.“

„Ei bewahre,“ lachte Tom – „die Sonne meint's wohl gut, ich brauche mich ja aber auch nicht zu übereilen. Schickt mir nur Bob, den Tennesseer, herunter, daß er mir ein bischen hilft, die Jolle mit alle dem auszurüsten, was ich unterwegs brauchen könnte – die kleine Whiskykruke nicht zu vergessen und – bleibt nicht so lange, daß ich doch wenigstens noch vor Dunkelwerden ein tüchtiges Stück stromab komme. Halt, noch Eins!“ rief er, als er sich schon zum Gehen gewandt hatte. – „Oberhalb Montgomerys Point, wo nach dem Navigator hier Nr. Siebenundsechzig liegen soll, gebt mir ein Zeichen, daß Ihr kommt. Ihr könnt entweder schießen oder hängt noch besser eins von Euren rothen Flanellhemden als Fahne auf, daß ich Euch nicht etwa vergebens ein paar Meilen entgegenfahre.“

Und leichten Schrittes wanderte der junge Mann zum Ufer hinab, wo er mit Hülfe der beiden dort zurückgebliebenen Bootsleute bald die Jolle herrichtete. Er spannte dann durch schon zu diesem Zwecke vorbereitete Seitenhölzer ein schmales Sonnensegel darüber aus, und stieß bald darauf, Edgeworth noch einen freundlichen Gruß hinüberwinkend, vom Ufer ab und in die Strömung hinaus.

Der alte Mann stand noch eine Weile am Ufer und sah dem kleiner und kleiner werdenden Boote sinnend nach, als er dicht hinter sich Schritte hörte. Wie er sich umwandte, erkannte er aber seinen Steuermann, der die Abdachung der Uferbank herabkam und jetzt neben ihm stehen blieb.

„War denn das nicht Tom?“ sagte der Bärtige, während er die Augen nicht von dem kleinen Fahrzeug abwandte – „ich dächte doch, er hätte von oben so ausgesehen.“

„Ja, das war Tom,“ erwiderte Edgeworth kurz, und schickte sich an, in die Stadt zurückzugehen.

„Nun, was zum Teufel fährt denn der voraus?“ rief der Steuermann erstaunt – „ist ihm unsere Gesellschaft nicht mehr gut genug? und nimmt dann auch noch die Jolle vom Boot mit. – Wenn wir sie nun brauchen?“

„Dann werden wir uns ohne sie behelfen müssen,“ sagte der Farmer ruhig. – „Wenn's Euch übrigens interessirt – er ist nach Montgomerys Point voraus, um die Preise meiner Ladung kennen zu lernen. – Morgen früh wollen wir nach.“

Ein höhnisches Lächeln durchzuckte die wilden Züge des Bootmanns, als er die willkommene Kunde hörte, und Edgeworth würde, hätte er den triumphirend frohlockenden Blick gesehen, der aus seinen dunkeln Augen blitzte, sicherlich aufmerksam geworden sein. So aber achtete er gar nicht auf den ihm verhaßten Steuermann, der ihn jedoch noch einmal mit den Worten aufhielt:

„Es ist ein Kaufmann von Victoria oben im Union-Hotel, der von Eurer Ladung gehört hat – er frug mich, ob Ihr auf dem Boote wäret oder vielleicht einmal hinauf kämet – er hat Lust zu kaufen –“

„Wo liegt Victoria?“ frug Edgeworth und blieb, sich gegen seinen Steuermann wendend, stehen.

„Victoria? ein bischen oberhalb der Whiteriver-Mündung, auf dem andern Ufer drüben,“ sagte dieser, „von Montgomerys Point aus kann man's sehen, es ist etwas weiter unten.“

„Und wie heißt der Mann?“

„Ich weiß nicht – ich habe ihn nicht gefragt – er sieht auch eigentlich nicht recht aus wie ein ordentlicher Kaufmann – Ihr könnt ja selber mit ihm sprechen.“

Edgeworth schritt langsam dem Union-Hotel zu, und Bill murmelte mit tückischem Lachen, während er am Ufer hin die Stadt entlang wanderte:

„Geh nur, Du alter Narr, und sieh zu, ob sich Deine Gebeine im Mississippi eben so gut halten werden, wie die Deines Sohnes am Wabasch. – Geh und handle noch einmal – es ist der letzte Handel, den Du auf dieser Welt abschließest.“

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Flusspiraten des Mississippi