Kapitel 12 - Der Mulatte.

12. Der Mulatte.

Der Mulatte, denn dieser war es, hielt noch immer die wieder festangedrückte Thür in der Hand. Vorsichtig lauschte er dabei dem geringsten Ton, um sich erst vollkommen davon zu überzeugen, ob auch wirklich Alle schliefen und nicht vielleicht ein Einzelner nur ruhig auf der Lauer liege, den nächtlichen Feind zu beobachten und zu überfallen. – Lange verharrte er auch in dieser Stellung und glich eher einer aus dunklem Stein gehauenen Statue, als einem menschlichen, athmenden Wesen.


Undurchdringliche Finsterniß herrschte in dem kleinen Raume, welcher die von des Tages Anstrengung und Hitze ermüdeten Männer umschloß. Das Feuer im Kamin war niedergebrannt, und nur zwischen den oberen Balken hindurch fand das matte Dämmerlicht des Mondes einen schwachen Eingang. – Nichts regte sich – kein Ton wurde laut, als das regelmäßige Athmen der Schlafenden. Der Mulatte konnte das Schlagen seines eigenen Herzens deutlich, ja so deutlich hören, daß er schon fürchtete, es müsse ihn verrathen, und er preßte die breite schwielige Hand fest darauf, diese augenblickliche Schwäche zu besiegen.

Endlich mochte er sich wohl überzeugt haben, daß ihm hier noch keine Gefahr drohe. Er griff jetzt leise hinauf über die Thür, wohin die Farmer stets auf dort eingeschlagene Pflöcke ihre langen Büchsen legen, und ein triumphirendes Lächeln durchzuckte sein dunkles Angesicht, als er den Lauf der gehofften Waffe fühlte. Schnell und ohne Zögern hob er sie herunter. Nun mußte er aber auch noch die Kugeltasche haben, und dem Jägergebrauch nach hing diese an der andern Seite beim Kolben, und zwar an demselben Haken, der diesen trug.

Mit einem Schritte war er drüben, aber – „Pest!“ knirschte er leise zwischen den Zähnen hindurch, als er den leeren Platz dort fühlte. Sie war nicht da, und wo sollte er jetzt zwischen den nur leicht schlafenden Männern die kleine Tasche finden? Mußte ihn nicht das unbedeutendste Geräusch verrathen, und würde es ihm möglich sein, zu entkommen, sobald er erst einmal von diesen kühnen und in der Verfolgung so scharfsichtigen Söhnen des Waldes entdeckt und wirklich verfolgt würde? Hier aber half kein Besinnen, denn er wußte, daß ihn sein weißer Begleiter nicht ohne Gewehr durch die Sclavenstaaten der Freiheit entgegenführen würde, Ueberdies war er nun doch einmal mitten zwischen den Feinden; die Zähne also fest auf einander gepreßt, die Rechte am Griff des scharfen Stahls, fühlte er seinen Weg links an der Wand hin und hoffte dabei die ersehnte Kugeltasche auf irgend einer Stuhllehne, oder auf jeden Fall neben dem Kamin aufgehangen zu finden.

Jetzt war er an dem Wandschrank, der das einfache Haus- und Küchengeräth der Familie trug, und unten – er streifte mit dem Bein daran – stak der Schlüssel. Das mußte jedenfalls der Aufbewahrungsort für Lebensmittel sein, und so stark quälte ihn in diesem Augenblick nagender Hunger, daß er alles Andere vergaß, ja selbst die Gefahr nicht achtete, der er sich aussetzte, und so geräuschlos wie möglich die kleine Thür öffnete.

Mit welcher Gier fühlte er aber dort eine große Schüssel, die, wie er sich bald überzeugte, Milch enthielt. Freudig hob er sie an die trockenen Lippen, um in langen, durstigen Zügen die süße Labung einzusaugen. Kaum konnte er sich entschließen, wieder abzusetzen, und tappte nun vor allen Dingen nach etwas Compacterem umher, was er auf seine Wanderschaft mitzunehmen gedachte. Er fand zwar nur wenige Stücken Maisbrod, schob diese jedoch schnell in sein Hemd vorn, das der Gürtel zusammenhielt, und hob nun noch einmal das Gefäß an den Mund.

„Laßt mir auch noch 'was drinnen!“ sagte da plötzlich eine Stimme dicht neben ihm, und fast wäre ihm vor lähmendem Schreck das schwere Gefäß aus der Hand gestürzt. – Seine Glieder bebten – regungslos stand er da und wagte kaum zu athmen.

„Mr. Cook!“ sagte dieselbe Stimme jetzt wieder – „Mr. Cook!“

„Was giebt's?“ frug dieser schlaftrunken aus seinem Bett – „treib' ihn hinaus – er ist über die Fenz gesprungen.“

„Wer?“ frug Sander erstaunt.

„Der Rappe,“ murmelte Cook.

„Unsinn – schwatzt der im Schlafe von Pferden und Fenzen – ich glaubte, Ihr wäret aufgestanden und tränkt einmal.“

„Ja, ja – was giebt's?“ rief jetzt Cook, der sich, munter werdend, im Bette aufrichtete – „rieft Ihr mich?“

„Ich bin fürchterlich durstig,“ sagte Sander, „und glaubte, ich hörte Euch trinken. – Wo steht denn das Wasser?“

„Draußen vor der Thür, auf dem kleinen Brett – gleich links,“ erwiderte ihm der jetzt ganz munter gewordene Cook – „der Flaschenkürbis zum Ausschöpfen hängt dicht darüber am Nagel. Wollt Ihr aber nicht lieber Milch trinken? im Schranke steht eine ganze Schüssel voll – sie wird doch bis morgen früh sauer.“

Der Mulatte setzte schnell und leise die Schale nieder und zog das Messer aus der Scheide – seine Entdeckung schien jetzt unvermeidlich, denn in der Dunkelheit durfte er, ohne sich zu verrathen, keinen Schritt wagen. Wußte er doch gar nicht, wohin und auf wen er treten konnte.

„Nein, ich danke,“ sagte Sander – „Wasser wäre mir lieber; das ist aber eine Finsterniß hier, man kann Hals und Beine brechen.“

„Blast die Kohlen im Kamin ein wenig an,“ rief ihm Cook zu – „rechts in der Ecke liegen ein paar Kienspäne.“

Der Mulatte faßte sein Messer mit festerem Griff und hoffte jetzt nur noch, sobald das Feuer emporflackerte, auf die erste Ueberraschung der Männer, um das Freie glücklich zu erreichen. Vorher durfte er keinenfalls wagen, seinen Platz zu verlassen, da er im Dunkeln ja kaum die genaue Richtung kannte, die er zu nehmen hatte, und ihm überdies dort, wo er sich gerade befand, noch allein die Hoffnung blieb, nicht entdeckt zu werden. Sander blies jetzt mit aller Macht in die heiße Asche, vermochte aber keine Flamme zu erwecken, sondern blies sich nur die Asche ein paar Mal selber in die Augen. Endlich sprang er unwillig wieder auf und rief aus:

„Der Teufel mag das Feuer holen; – nicht die Probe von einer Kohle ist mehr zu finden.“

„Ihr könnt ja nicht fehlen und braucht gar nicht aus dem Hause zu treten,“ bedeutete ihn Cook – „wenn Ihr auf die Schwelle tretet, habt Ihr den Wassereimer gleich linker Hand.“

„Wie viel Uhr ist's?“ frug jetzt James, der ebenfalls wieder munter geworden war.

„Es kann noch nicht so spät sein!“ erwiderte Sander – „aber, Donnerwetter, jetzt hab' ich mir die Knochen an einem Büchsenschloß geschunden – und – was ist denn das? Die Thür steht ja hier auf – da wird wahrscheinlich einer von den verwünschten Kötern hereingekommen sein. Wer läßt aber auch die Büchse hier unten stehen!“

„Nun, meine Büchse kann es doch wahrhaftig nicht sein!“ rief Cook, „die hab' ich gestern Abend selbst hinauf auf ihren Platz gelegt.“

„Dann ist sie auch von selber wieder heruntergekommen,“ brummte Sander, „denn hier steht sie, und das Zeichen davon trag' ich am Schienbein.“

„So hat sie der verwünschte Junge gehabt – he, Bill!“

„Oh laßt den um Gottes willen schlafen; es wäre schade, das schöne Schnarchen zu stören. Der Herr sei uns gnädig, der bläst ja wie nach Noten!“

Sander legte bei diesen Worten das Gewehr wieder an seine Stelle hinauf, trat dann in die Thür, fand den Eimer und trank das kühlende Wasser mit mehreren Ausrufungen unverkennbaren Wohlbehagens.

„Ach!“ sagte er, als er mit dem langstieligen Flaschenkürbis wieder den Nagel suchte, an dem er gehangen, „das that gut – es giebt doch nichts Herrlicheres, wenn Einen recht durstet, als ein Schluck Wasser.“

„Besonders, wenn halb Whisky drin ist,“ fiel hier Cook ein, der ebenfalls zum Eimer trat, seinen Durst zu löschen – „wo sind denn aber all' die Hunde? – he Deik – he Ned, Bohs, Watch, hallo hier! Wo steckt Ihr Canaillen alle!“

Die Thiere, die bis jetzt hinten am Hause gelegen hatten, kamen winselnd hervor, wedelten vor der Thür herum und wollten an ihrem Herrn hinausspringen.

„Fort mit Euch, Ihr Bestien – nieder!“ rief aber Cook – „was liegt Ihr alle miteinander dort hinten unter dem Hirschfleisch? – Einer ist genug. – Du, Watch – willst Du hinaus – Du, Bohs – so hol' doch der Teufel die Hunde – willst Du fort, Canaille!“

„Was haben sie denn?“ frug James.

„Ei, die Sappermenter wollen mit aller Gewalt hier herein,“ rief Cook ärgerlich – „und schnüffeln, als wenn sie eine wilde Katze auf dem Baume hätten – hol' sie der Henker!“

Mit vieler Mühe gelang es ihm erst, die Thür zu schließen, denn die beiden größten der Hunde schienen sich ihren Weg in das Innere der Wohnung erzwingen zu wollen. Endlich aber brachte er den hölzernen Pflock vor, tappte, während er Sander dabei führte, zu seinem Lager zurück und legte sich wieder nieder, schimpfte jedoch dabei noch fortwährend auf die „Bestien“, wie er sie nannte, die draußen vor der Thür lagen und winselten.

Sander schlief endlich wieder ein, Cook wälzte sich aber noch immer unruhig auf dem Bett herum, denn die Hunde wurden mit jedem Augenblick lärmender, und kratzten jetzt schon an der Pforte und an der Seite des Gebäudes, an welcher der Schrank stand. Einer – wahrscheinlich Bohs, der Hausgelegenheit kannte – hatte sich sogar durch irgend ein lockeres Brett unter dasselbe gearbeitet und heulte nun hier auf schauderhafte Art.

„Nein!“ schrie Cook endlich, indem er wieder aufsprang – „das ist zum Rasendwerden. Wenn die Canaillen jetzt nicht augenblicklich ruhig sind, so begehe ich einen Mord. Sie müssen aber doch wahrhaftig etwas wittern, sonst könnten sie sich ja gar nicht so toll und wunderlich anstellen.“

„Wittern?“ brummte Sander, der durch den Lärm ebenfalls wieder munter geworden war – „was sollen sie denn hier wittern? – Ich hatte, als ich in der Thür stand, die Büchse in der Hand, und nun glaubt das dumme Viehzeug wahrscheinlich, wir wollten Waschbärjagen gehen. – Mir wär's jetzt gerade so.“

Cook stolperte indessen mit halb verbissenem Fluchen zur Thür, riß diese auf und begrüßte hier die ihn fröhlich anbellenden Köter mit einem Hagel von Schimpfwörtern, wie auch noch anderen, derberen Gegenständen, die ihm gerade in die Hand fielen.

„Da!“ rief er dabei, als er etwas nach dem ihm zunächststehenden schleuderte – da, Du Canaille – und da – Du Beest, Du – und da, das für Dich, Du feinpipige Quietscheule, Du, und das für Dich, Du nichtsnutzige heulende Hundeseele. Und nun rührt Euch wieder, Ihr Racker, – muckst Euch, wenn Ihr es wagt. Und Du, Bohs, kommst unter dem Hause vor – hierher, Sir – hol' Dich Dieser und Jener; rühr' Dich aber noch einmal, dann weißt Du, wie wenig ich Spaß verstehe. Fort mit Euch, an's Fleisch, wo Ihr hingehört – Du, Bohs – zurück da – daß Du Dich unterstehst!

Die Hunde gehorchten endlich, wenn auch mit vielem Widerstreben, und Cook schloß die Thür zum zweiten Mal.

„'S ist doch eine Finsterniß hier,“ sagte er jetzt, während er sich umdrehte, um zu seinem Bett zurückzutappen, daß „man die Hand nicht vor Augen sehen kann; – wo bin ich denn hier eigentlich hingerathen? – Wetter noch einmal, das ist hier der Schrank – da muß ich ja rechts hinüber.“

„Hier lieg' ich,“ sagte Sander, der sein Lager mit ihm theilte.

„Komme gleich!“ erwiderte Cook, und stand in diesem Augenblick unter dem gezückten Jagdmesser des Mulatten, kaum zehn Zoll von diesem entfernt, der sich, so dicht es gehen wollte, an die Wand gedrängt hatte. Ein einziger Schritt – ein einziges Ausstrecken der Hand mußte ihn mit dem hier Eingeschlichenen in Berührung bringen, und daß der zum Aeußersten getriebene Gelbe sich dann auch nicht bedenken würde, den Feind unschädlich zu machen, der für den Augenblick seiner Flucht hemmend im Wege stand, war vorauszusehen. Cook's guter Geist lenkte jedoch seine Schritte, daß er sich dicht vor der dunkeln Gestalt wandte und quer über Bill's Bett, über diesen und James hinweg, seinem eigenen Lager zuschritt, auf das er sich ermüdet warf und auch bald wieder einschlief.

Grabesschweigen herrschte auf's Neue in der kleinen Wohnung. – Das regelmäßige Athmen unterbrach allein wieder die Stille, und vorsichtig hob der Mulatte jetzt noch einmal die Schale, trank auch den letzten Rest Milch, und schlich nun so geräuschlos als möglich zur Thür zurück. Da stieß er mit dem Fuß an einen ihm durch Cook in den Weg geschobenen Stuhl, und zwei Stimmen athmeten nicht mehr – er wußte, sie waren erwacht oder wenigstens gestört. Bewegungslos blieb er an seiner Stelle und fand bald, daß – glücklich für ihn – nur das Letzte der Fall gewesen sein mußte, denn bald darauf fielen sie wieder in den allgemeinen Chor ein, und Dan begann, seinen Weg weiter zu fühlen.

Als er aber den Stuhl vorsichtig bei Seite schieben wollte, berührte sein Finger an der Stuhllehne einen Ledergurt; rasch fuhr er daran hinunter und fand hier – die lang' ersehnte Kugeltasche. Schnell hing er sie um seinen Nacken, und wollte eben den Stuhl verlassen, da fühlte er auf dem Sitz desselben noch eine zweite. Welches war nun die richtige? Und einen Moment stand er unschlüssig – aber auch nur einen Moment, denn solche Kleinigkeit konnte ihn nicht lange die gefährliche Lage vergessen machen, in der er sich befand. Um sicher zu gehen, nahm er alle beide, trat geräuschlos an die Thür, fühlte nach der Büchse, die Sander wieder hinaufgelegt hatte, hob sie leise herab, und zog jetzt den Pflock heraus, der die Thür verschlossen hielt.

Waren die Hunde noch auf der Wacht? – In diesem Falle war' er verloren gewesen, denn die Meute, die erst vor wenigen Wochen einen fünfjährigen Bären gestellt und bezwungen hatte, würde den fast wehrlosen Schwarzen augenblicklich in Stücke zerrissen haben. Sein Herz schlug daher, als er die Thür ein klein wenig öffnete, wie ein Hammer. Glücklicher Zufall – keiner der Hunde lag vor der Thür. – Der Befehl des Herrn hatte sie alle hinter das Haus gewiesen, und konnte er jetzt nur fünfzig Schritt Vorsprung gewinnen, so war er gerettet – geräuschlos öffnete er die Pforte.

„Seid Ihr es, Mr. Hawes?“ frug jetzt James, der in diesem Augenblick von dem kalten, gerade über ihn hinstreichenden Luftzug erwachte – „ha – wer ist an der Thür?“

Keine Antwort erfolgte – kein Laut ließ sich hören, und der Fragende glaubte schon geträumt zu haben. Der Dieb aber stand auf der Schwelle – im Freien – die kalte Nachtluft kühlte seine in Fiebergluth brennenden Wangen, und vorsichtig glitt er in der Dunkelheit dem nahen Dickicht zu, um die schlafenden Wächter nicht zu ermuntern und unentdeckt zu entkommen. Schon hatte er die niedere Fenz erreicht, welche die Wohnung umgab, und zitternd überstieg er sie, als er mit dem linken Fuß den Stiel einer Hacke berührte, die daran lehnte und jetzt umfiel.

Da schlug Bohs an – ihm folgte Watch, und im nächsten Augenblick brachen die Hunde um das Haus herum. Mit langen, mächtigen Sätzen floh aber auch jetzt der Mulatte, die gewonnene Büchse hoch emporhaltend, dem Walde zu, hatte gerade, als die Meute auf seiner Fährte heulend anschlug, das Dickicht erreicht, rief, da er den Gefährten nicht sehen konnte: „In's Wasser – in's Wasser!“ – sprang dann selbst, ohne auch nur eine Secunde Zeit zu verlieren, in den kleinen Bach und watete, so schnell es ihm möglich war, stromab.

Noch hatte er sich übrigens keine fünfzehn Schritt von der Stelle, wo er den Wasserrand zuerst betrat, entfernt, als auch die Hunde, bellend und kläffend, mit den Nasen am Boden, dort ankommend, ohne Weiteres hindurchsetzten und auf der andern Seite in der Irre umhersuchten. Da schlug ein junger Brake, wahrscheinlich auf einer Kaninchen- oder Waschbärenfährte, an, und obgleich Bohs und Watch im Anfang gar nicht gesonnen schienen, dem Lärmenden zu glauben, so wurden sie doch zuletzt selbst durch das wilde Toben der Meute verlockt und brachen jetzt in langen Sprüngen hinterher, um die Jagd nicht zu versäumen und in der Verfolgung, wie gewöhnlich, die ersten zu sein.

„Hahaha,“ lachte der Mulatte vor sich hin, als er dem sich weiter und weiter entfernenden Toben lauschte – „wie sich das Hundezeug jetzt abquälen wird, um etwas zu finden, was gar nicht da ist. Aber die Zeit vergeht – heh, Cotton – wo seid Ihr?“

„Hier!“ flüsterte dieser, der leise in dem Bach heranschritt – „alle Wetter, das hätte schlecht ablaufen können – und die Büchse hast Du wohl auch nicht?“

„So? Meint Ihr etwa? – Hier ist sie – nehmt schnell – da – die Taschen auch, eine von beiden wird wohl die rechte sein. Aber nun fort; hatten wir früher, als die Hunde noch am Hause lagen, vortrefflichen Wind, so wird er jetzt, wenn sie zurückkehren, um so schlechter.“

„Wir müssen in die Hügel. – Dort entgehen wir am leichtesten jeder Verfolgung,“ sagte Cotton.

„Ja, aber den Bach dürfen wir in der ersten halben Stunde noch nicht verlassen, und nachher heißt's erst recht Fersengeld geben. Cook ist ein verdammt guter Spürer, und die Anderen werden ihm wohl auch nichts nachgeben.“

„Also fort!“ flüsterte sein Begleiter, während er mit dem Ladestock versuchte, ob die Waffe geladen sei – „hier wird's mit jeder Secunde unsicherer, und seit ich das Eisen in der Hand fühle, ist mir's um hundert Procent leichter um's Herz.“

Die beiden Männer schritten jetzt schnell in dem seichten Bach hinauf, der mehrere der niederen Hügel von einander trennte, und verließen ihn erst dann, als er sich zu weit westlich wandte und sie doch vor allen Dingen dem Arkansasfluß zustreben mußten. Es war dies eine Stelle, wo sich die Ufer von beiden Seiten ziemlich schroff und felsig emporhoben und nur rechts in eine ebenere, aber auch steinige Fläche ausliefen, während sie links bis zum Gipfel des höchsten Bergkammes aufstiegen.

Dieser wollten sie, ihre Bahn wieder zurücknehmend, folgen, denn sie wußten, daß sie dann Helena oder doch die Umgegend der Stadt erreichen mußten. Hier hofften sie im Stande zu sein, sich eine Weile versteckt zu halten. Drohte ihnen aber auch da Gefahr, ei nun, so ließ sich dort leicht ein Boot stehlen, um damit das gegenüberliegende sichere Ufer zu erreichen.



„Ei, so wollt' ich denn doch, daß die verdammten Hunde beim Teufel wären!“ rief James aufspringend – „das ist ja ein Heidenlärm die ganze Nacht hindurch – kein Auge kann man zuthun. Nun hör' nur Einer die Bestien!“

„Hallo – was giebt's?“ sagte jetzt auch, gewaltsam den Schlaf abschüttelnd, Cook – „mit wem spracht Ihr, James – wer war an der Thür?“

„Was haben denn die Hunde?“ frug ebenfalls der noch halb schlaftrunkene Sander.

„Mit wem ich sprach?“ sagte der Angeredete, sich die Augen reibend, „ja wie zum Henker soll ich denn das wissen? Die Thür ging auf, das wollt' ich beschwören, und ich dachte, es wäre Einer von Euch; ich war aber so im Schlafe, daß ich mich geirrt zu haben glaubte und wieder zurück auf's Kissen fiel. Gleich darauf ging der Skandal mit den Hunden los, die jetzt in –“

„Beim ewigen Gott – die Thür ist offen und meine Büchse fort!“ schrie in diesem Augenblicke Cook, der indessen auf die Schwelle getreten war, dort aber kaum den innern Vorstecker weggezogen fand, als er auch schon, fast instinctartig, nach der eigenen Waffe griff.

„Kann man denn die Thür von außen öffnen?“ frug jetzt Sander.

„Gott bewahre!“ rief Cook, ingrimmig mit dem Fuße stampfend, „die Spalten sind alle sorgfältig mit Klötzen und Brettern vernagelt – Einer von Euch muß den Vorstecker wieder zurückgezogen haben.“

„Es hat sich Keiner von uns gerührt!“ rief James.

„Dann ist auch Jemand hier drinnen gewesen,“ – tobte Cook – „Pest und Donner – jetzt weiß ich auch, weshalb die Hunde so außer sich waren und mit Teufelsgewalt hier herein wollten – und ich Esel muß dem Schuft auch noch forthelfen.“

„Habt Ihr kein Feuerzeug hier im Hause?“ frug jetzt Sander – „es ist ja eine Dunkelheit, daß man Hals und Beine brechen möchte.“

„Wartet – laßt mich vor –“ sagte James – „ich will gleich Feuer anmachen – ich weiß hier Hausgelegenheit – Ihr findet's doch nicht.“

Cook tappte indeß im Dunkeln nach den Kugeltaschen umher.

„Himmel und Hölle,“ brummte er dabei vor sich hin – „sollte der gottvergessene Halunke – Bill – Bill! Hat der Bengel einen Schlaf – Bill! Sag' ich – wo hast Du die Kugeltasche hingehängt?“

Bill fuhr nun zwar empor, als er seinen Namen hörte, begriff jedoch noch lange nicht, was man von ihm wollte. James aber, emsig damit beschäftigt, einzelne Kohlen unter der Asche vorzuschüren und zu neuer Gluth anzublasen – sagte:

„Auf dem Stuhl – links von der Thür – hängt die eine – und die andere – verdammte Asche, das beißt schändlich in den Augen – und die andere muß auf dem Sitze liegen – die gehört zu meiner Büchse.“

„Auf welchem Stuhl?“ rief Cook schnell, indem er den ihm nächst stehenden von oben bis unten befühlte.

„Auf dem dicht an der Thür – zwischen dieser und dem Schranke.“

„Dann sind sie fort!“ knirschte Cook, den Stuhl gewaltsam von sich schleudernd, daß er über den noch immer halb schlafenden Bill wegfiel und diesen schneller, als es sonst wohl der Fall gewesen, auf die Beine brachte.

„Beide?“ rief James erschreckt und leuchtete mit einem eben entzündeten Kienspan überall im Zimmer umher – „die meine auch? Beim ewigen Gott – auf den Stuhl da habe ich sie selbst gelegt – die Büchse ist auch fort und die Thüre offen – über das Geschehene brauchen wie also gar nicht mehr im Zweifel zu sein. Der diebische Hund war hier im Zimmer und lacht sich jetzt in's Fäustchen.“

In wilder Hast kleideten sich nun die Männer an, während Bill das Feuer im Herde heller lodern machte und das Licht ebenfalls wieder anzündete, daß sie wenigstens den kleinen Raum übersehen konnten. Cook's Wuth aber, als er das geleerte Milchgefäß fand, kannte keine Grenzen, und er schwur und fluchte auf höchst gotteslästerliche Art. Was aber jetzt thun? Nach den Sternen war es kaum Eins vorbei, und in solch dunkler Nacht ohne die Hunde eine Verfolgung zu beginnen, wäre Wahnsinn gewesen. Ließen sie aber die Flüchtigen bis Tagesanbruch unverfolgt, so gewannen diese einen solchen Vorsprung, daß ein Nachsetzen hoffnungslos werden mußte.

„Daß man auch gar nichts mehr von den Hunden hört!“ rief James ärgerlich und horchte noch immer nach ihnen in die Nacht hinaus, „das Beste wird doch am Ende sein, ich sattle mein Pferd und reite in den Wald. Vielleicht sind die Thiere der rechten Spur gefolgt, haben den Schuft auf irgend einen Baum getrieben und liegen darunter und heulen.“

„Unsinn!“ sagte der alte Lively, der indessen ebenfalls mit Ankleiden fertig geworden war – „wenn der Bursche da aus der Thür sprang, als Du ihn anriefst, – denn das habe ich deutlich gehört – so hat er auch höchstens zweihundert Schritt Vorsprung gehabt, ehe ihm die Hunde auf den Hacken waren, und dann blieb ihm keine Zeit mehr zu entkommen. In hundert Schritt weiter mußten sie ihn eingeholt haben, wären sie wirklich der richtigen Fährte gefolgt. Nein, sie sind in's Blaue hinein getobt, und wer weiß, wann sie wieder zurückkommen.“

„Wie wär's denn, wenn wir einmal das Horn bliesen, Vater?“ sagte Bill, „vielleicht sind sie nicht so weit fort und können es noch hören.“

„Wird wenig helfen, wir wollen's aber versuchen. – Tod und Teufel, was für ein Hauptspaß wäre das geworden, wenn die Hunde den Schuft auf frischer That erwischt hätten!“

„Nun, zu spät ist's noch immer nicht!“ brummte James, „ich habe wenigstens eine Kugel im Rohr, und die, hoff' ich, werd' ich dem nächtlichen Halunken wohl noch auf den Pelz brennen. Wo aber zum Donnerwetter ist denn mein einer Schuh? – Ich habe doch alle beide hier neben einander hingestellt?“

„Ich kann meine Stiefel auch nicht finden,“ sagte Sander – „nun weiter fehlte nichts, als daß uns die Canaille auch noch das Schuhwerk mitgenommen hätte.“

„Die werden draußen liegen,“ brummte Cook ärgerlich, während er in die Thüre trat – „ich habe, glaub ich, solche Dinger wie Schuh oder Stiefeln nach den verwünschten Kötern geworfen, als sie das Heulen gar nicht lassen wollten.“

„Sehr schön das,“ meinte Sander, als er jetzt draußen im Dunkeln mit bloßen Füßen zwischen den Spänen und Holzstücken nach den verlorenen Schuhen umhersuchte, „das geht sich hier prächtig, barfuß auf den scharfen Splittern – Herr Gott – ich glaube – ich habe mir die Zehen abgestoßen.“

James kam ihm jetzt mit einem brennenden Kienspan zu Hülfe, und sie fanden bald ihr wild umhergestreutes Schuhwerk, während Cook den Schall des Horns laut und gellend in die stille Nacht hinaustönen ließ. Lange aber mußte der Farmer vergeblich blasen, und schon wollte er das einfache Instrument unmuthig bei Seite werfen, als ein leises Winseln wenigstens einen der sich nähernden Rüden verkündete. Gleich darauf kam auch Vohs, den langen buschigen Schwanz fest zwischen die Läufe geklemmt, mit dem Bauch fast die Erde streichend, heran und schlich demüthig zu seinem Herrn hinan. Es war fast, als ob er diesem auf jede nur mögliche Art und Weise darthun wollte, wie tief zerknirscht er sich seines so ganz eines ordentlichen Hundes unwürdigen Betragens wegen fühle und wie leid ihm der begangene Fehler thue.

Cook war jedoch über des treuen Thieres Rückkehr viel zu sehr erfreut, als daß er es lange hätte mit Vorwürfen überhäufen sollen. Er schleuderte ihm nur als erste Begrüßungsformel einige Kernflüche entgegen, die Bohs auch ohne weitere Bemerkung einsteckte, und streichelte dann dem durch ein einzig gütiges Wort Beruhigten mit unverkennbarer Freude den Kopf.

„So recht, mein Alter – laß die anderen Canailleu laufen, wir Beide wollen dem Burschen schon auf die Spur kommen. Wird's nur erst wieder hell, so müßte er ja mit dem Bösen im Bunde stehen, wenn er nicht wenigstens eine Fährte hinterließ, denn durch die Luft kann er doch wahrhaftig nicht davongesegelt sein.“

„Wo aber jetzt suchen?“ sagte James – „ich begreife gar nicht, daß die Hunde, die so dicht hinter ihm gewesen sein mußten, seine Spur sollten verloren haben.“

„Paßt einmal auf, der hat den Bach angenommen,“ betheuerte der Alte. „Der Wind streicht von hier dort hinüber, wittern konnten sie ihn nicht gut, und wenn er von seiner Fährte absprang, so ist nichts wahrscheinlicher, als daß die Hunde dadurch irre geführt wurden.“

„Dann wird er sich auch stromab, dem Mississippi zu gemacht haben,“ rief James; „wo der Bach wenigstens für ein Canoe schiffbar wird, hat er das vielleicht angebunden und ist, während wir in den Bergen auf kalter Fährte umherhetzen, lange im Strom oder im andern Staate drüben.“

„Dort hat gestern Abend kein Canoe gelegen,“ wandte hiergegen der junge Cook ein, „das weiß ich gewiß. Noch vor Dunkelwerden war ich mit Turner's Henry unten, um ein paar Fische zu fangen, und wir sind unter jedem Busch in der ganzen Nachbarschaft herumgekrochen.“

„Waren keine Fährten zu sehen?“ frug sein Vater.

„Nicht eine, denn wir schauten uns auch noch besonders genau nach Otterzeichen um, und hätten doch gewiß in dem weichen Boden die Fußstapfen eines Mannes erkennen müssen.“

„Dann sind sie in die Hügel,“ rief Cook. „Hat übrigens hier, wie ich kaum noch zweifeln kann, der verdammte entsprungene Mulatte die Hand im Spiele, so sei Gott unseren Pferden gnädig – dann dürfen wir auch keinen Augenblick Zeit mehr verlieren.“

„In Nacht und Nebel wird Ihnen aber eine Verfolgung wenig nützen,“ nahm hier Sander das Wort, der bis dahin sinnend am Kamin gestanden. – „Wär' es nicht besser, Sie warteten das Tageslicht ab und ritten dann gleich zum nächsten Richter, die nöthige Anzeige davon zu machen?“

„Und was sollte der uns helfen?“ frug der alte Lively verächtlich, während er aus Leibeskräften in den verkehrten Aermel seiner Jacke fuhr – „wenn der 'was ausrichten wollte, müßte er uns doch immer wieder dazu rufen. Nein, nach müssen wir, und das gleich. Bill mag die Pferde holen; glücklicher Weise sind sie drüben über dem Bache im Schilfbruch, wo der Mulatte nicht hin sein kann, sonst hätten ihn die Hunde schon.“

„Ja wohl, Lively hat Recht,“ rief Cook, „wir können ja, so lange es dunkel ist, die Pferde an den Zügeln nehmen und vorsichtig am Bachufer hin suchen. Begreift Bohs erst einmal, was wir wollen, so hat's weiter gar keine Noth.“

„Mit dem einen Hunde wird es freilich eine langweilige Geschichte werden,“ meinte James, „Bohs kann doch blos auf einem Ufer suchen und der Flüchtling indessen immer auf dem andern den Bach verlassen haben, wenn er – was überhaupt noch erst bewiesen werden muß, diesem wirklich gefolgt ist.“

„Gefolgt muß er ihm sein,“ meinte Cook, „sonst hätten ihn die Hunde auf jeden Fall gespürt. – Wie dem aber auch sei, Glück gehört allerdings zu einer solchen Nachthetze. Bleiben wir jedoch ruhig im Haus, so können wir gar nicht erwarten, daß wir irgend etwas ausrichten, denn hierher kommt er nicht wieder. Also fort, Bill', hol' uns die Pferde – die Sättel liegen dort in der Ecke – gehen Sie mit, Mr. Sander?“

„Ei, das versteht sich,“ lachte dieser, „bin ich auch kein so vorzüglicher Spürhund, wie ein alter Pionier, so hoffe ich doch meinen Mann zu stehen. – Uebrigens möchte ich Sie noch einmal darauf aufmerksam machen, ob es nicht doch vielleicht besser wäre, die Sache zuerst den Gerichten anzuzeigen; wir können ja nachher immer noch –“

„Wir wollen um Gottes willen die Gerichte nicht bemühen,“ sagte James unwillig – „jetzt haben wir auch wirklich gar keine Zeit mehr, an sie zu denken. Der Dieb ist noch dazu bewaffnet, und gut bewaffnet, denn Cook's Büchse schießt scharf, und da sind wir es sogar den Nachbarn schuldig, ihm wenigstens, wenn wir ihn wirklich nicht einholen könnten, doch so dicht auf den Fersen zu bleiben, daß er weiter keinen Schaden anrichten kann.“

„Ja, wahrlich, gut bewaffnet ist er,“ – knirschte Cook zwischen den zusammengebissenen Zähnen hindurch, indem er sich den breiten Ledergurt mit dem Jagdmesser umschnallte. „Gott sei ihm aber gnädig, wenn er mir unter die Hände fällt; das Eisen renne ich ihm zwischen die Rippen bis an's Heft.“

Er sprang jetzt hinaus, dem Sohne mit dem Einbringen der Pferde zu helfen, die mit solch' nächtlichem Ritt keineswegs einverstanden schienen. Auch die Hunde kehrten nun nach und nach einzeln zurück, doch hatten sie sich zu schlecht bewährt, um großes Vertrauen beanspruchen zu können. Sie erhielten deshalb mit Wort und Peitsche gemessene Befehle, beim Hause zu bleiben, denn die Jäger fürchteten, auch nicht ohne Grund, durch die vielen Nasen Unheil und Verwirrung anzurichten. Bohs blieb jetzt seines Herrn einzige Hoffnung, aber auch diese war schwach genug, wenn er bedachte, wie unsicher eine solche Verfolgung sei; wußte ja doch der Hund nicht einmal, welches Wild er hetzen sollte.

Der alte Lively ging nun vor allen Dingen an das andere Haus, um seine Büchse von dort zu holen und Cook damit zu bewaffnen, er selbst nahm einen leichten Reifel, der ebenfalls über dem Kamine lag, und seines kleinen Kalibers wegen sonst nur zu Eichhörnchenjagden benutzt wurde. Sander bekam eine alte Schrotflinte – ebenfalls Cook's Eigenthum, die dieser einmal von einem deutschen Krämer erhandelt hatte, und also bewaffnet gingen die Männer an die Verfolgung des kühnen Diebes.

Das Einzige, was ihnen jedoch nur eine Aussicht auf Erfolg versprach, war, gleich von Haus aus den klugen Hund auf die Fährte zu setzen, und dieser schien auch da recht gut zu begreifen, was er eigentlich solle. Am Bach hörte aber jede Spur auf, und stromauf und ab suchten sie nun mit ungeschwächtem Eifer, bis der Morgen schon seinen grauen Dämmerschein über die rauschenden Wipfel der Niederung ausgoß, ohne daß sie ihrem Ziele auch nur eine Hand breit näher gerückt wären.

Trotz Bill's Betheuerung hatten sie nämlich noch einmal den Bach hinab gesucht, freilich ohne auch nur das mindeste Zeichen von einem Boote zu finden, und sie mußten es sich nun eingestehen, stromauf liege noch die einzige Möglichkeit, den Flüchtling einzuholen.

„Es bleibt uns nichts weiter übrig,“ sagte Cook endlich unmuthig, „als noch einmal in die Hügel zu steigen. – Es wird jetzt hell, und wer weiß, ob der Bursche nicht doch vielleicht in der Dunkelheit seine Fährte irgendwo so hinterlassen hat, daß wir sie bei Tageslicht erkennen und dann natürlich verfolgen können. Du, Bill, magst die Pferde bis zu dem zweiten Hügeldurchschnitt nehmen – reite nur voran und warte dort, wo wir vorgestern den Bienenbaum fällten. Brauchen wir sie eher, was ich von Herzen wünschen will, so blase ich das Horn. Finden wir aber ihre Spuren bis dorthin nicht, so bleibt uns nichts Anderes übrig, als verschiedene Richtungen einzuschlagen, um die Nachbarn von dem Geschehenen in Kenntniß zu setzen, und dann vereint eine förmliche Treibjagd anzustellen. Gefangen muß und soll der Bursche werden, denn einem Hinterwäldler in die eigene Wohnung einzubrechen und seine Waffen zu stehlen, das ist ein Vergehen, das schon seiner unerhörten Frechheit wegen exemplarische Strafe verdient.“

So großen Eifer nun auch die Jäger bei dieser Verfolgung zeigten, so unbehaglich schien sich Sander dabei zu befinden, und er wäre sicherlich, da er ja auch mit seiner Kleidung gar nicht auf den Wald eingerichtet war, zurückgeblieben, hätte ihn nicht die Furcht angetrieben, jener Flüchtling könne mit zur Insel gehören und, wenn eingefangen, vielleicht Sachen gestehen, die für sie von verderblichster Folge sein mußten. War er gegenwärtig, so konnte er in solchem Falle ein Geständniß entweder verhindern, oder doch die Folgen ablenken, und möglicher Weise auch die Flucht des Diebes, wer es immer sein mochte, begünstigen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Flusspiraten des Mississippi