III. - Der Führer der Mashorqueros stampfte indessen den Schnee in toller Ungeduld...



Der Führer der Mashorqueros stampfte indessen den Schnee in toller Ungeduld.


„Carajo!“ rief er, dem alten Peon dabei einen grimmigen Seitenblick zuschleudernd, „ich glaube wahrhaftig, der Schuft von Vaqueano hat uns betrogen und die vermaledeiten Cringos gewarnt, anstatt ihre Waffen in unsere Hände zu liefern - Gift und Messer, wenn ich das gewiß wüßte.“

Die Anrede war halb an den Alten gerichtet, und dieser, der sich unter dem boshaften, tückischen Blick des Henkers nicht gerade wohlfühlte, erwiderte ruhig:

„Pedro wird sich hüten und uns verraten, er weiß gut genug, daß uns die Burschen nicht entgehen können; aber es ist auch möglich, er hat die Sache dumm angefangen - und dann freilich wär’s böse.“

„Böse für dich, Compañero“, knurrte der andere, „wenn uns die Schufte entgehen, so freu dich, denn ein Kopf ist mir sicher, und wenn er auch keine zwölf Unzen trägt, ist er doch des Mitnehmens wert.“

„Paciencia, amigo“, sagte der Alte trocken und mit unzerstörbarem Gleichmut, „wenn der Tag dämmert, werden wir’s sehen.“

„Und glaubst du, daß ich helles Tageslicht abwarten soll, mich von den Schuften nachher wie einen Hund totschießen zu lassen, wenn ich mich nur in Kugelnähe auf dem Schnee blicken lasse?“ tobte der Henker. „Jetzt, augenblicklich müssen wir den Angriff wagen, oder sie ziehen morgen früh aus und ab vor unseren Augen, ohne daß wir es hindern können. Die Punta del Vaca ist außerdem noch die einzige Hütte, an die ein Anschleichen möglich wäre, wenn ich überhaupt Lust hätte, mich weiter in die Schneeregion hineinzuwagen.“

„Aber, Amigo“, sagte der Alte, „du wirst dir selber -“

„Fuego!“ unterbrach ihn, ingrimmig den Boden stampfend, der Henker, „du wirst reden, wenn ich dich frage, und nun voran! Wohl verstanden, du bleibst dicht an meiner Seite - es könnte sein, daß ich dich brauchte.“

Der Henker wandte sich von ihm ab, der alte Peon aber murmelte leise vor sich hin:

„Glaub’s wohl, um irgendwo zur Scheibe zu dienen, während die übrigen von der andern Seite anschleichen - aber Paciencia!“ Und ruhig seinen Poncho etwas fester um sich ziehend, erwartete er den Entschluß des Anführers, dem er sich, wie er recht gut wußte, offen doch nicht widersetzen durfte.

Der Mashorquero rief jetzt seine Schar rasch zusammen, und mit der Gegend hier, ja mit jedem Stein und Felsenvorsprung seit langen Jahren vertraut, bedurfte es auch weiter keiner Beratung. Klar und deutlich wies er jedem den von ihm bestimmten Platz an, um im entscheidenden Moment hervorzubrechen, und zu diesem bestimmte er den Augenblick, wo die Flüchtigen die Hütte selber wieder verlassen würden, um ihren Weg fortzusetzen.

Die Casucha der Punta del Vaca besteht aus einer Doppelhütte von Steinen, und nur wenige Schritte von ihr entfernt läuft die Bank des Tucunjado in steilem Hang schräg nieder zu dem unten vorbeischäumenden Strom, den selbst der eisige Winter hier oben nicht unter der starren Decke fesseln konnte. Diesen Weg schlug er selber mit dem alten Peon und noch einem von den Seinen ein, bis sie sich dahin durch den Schnee arbeiteten, wo sie durch den Ausbau der Hütte selber geschützt waren und leicht bis dicht hinankommen konnten. Der Mashorquero hatte dabei außer zwei kleinen Terzerolen auch noch einen leichten Lasso, ohne den ein Gaucho selten auf einen Kriegszug ausgeht, an seinem Gürtel hängen, und den übrigen noch einmal einprägend, so nahe als möglich an die Hütte hinanzurücken, begann er selber seinen weniger gefährlichen als mühseligen Pfad zu verfolgen.

Dem alten Peon war indessen die ganze Jagd von Grund aus verleidet worden. Weiteren Mühseligkeiten und Gefahren zu entgehen, hatte er sich den Treubruch gegen die Fremden zuschulden kommen lassen, und jetzt mußte er in stockdunkler Nacht, zitternd vor Frost, dem nämlichen Ort durch den tiefen, eisigen Schnee wieder entgegenkriechen, eine Kugel sein Lohn, wenn er von dort gesehen wurde, während der Mashorquero hinter ihm wenig Umstände gemacht haben würde, ihn sein Messer fühlen zu lassen, so er sich nur im mindesten dessen Befehlen widersetzte. Er wäre auch mit dem größten Vergnügen zum zweitenmal desertiert, aber wie erst hier fortkommen? Und gelang ihm das wirklich, hatten die Fremden dann nicht volle Ursache, seinen guten Absichten jetzt nicht zu glauben und ihn als einen Feind zu behandeln? - Was war überhaupt aus seinem Kameraden geworden?

Nur unendlich langsam rückten sie indessen vorwärts, denn der Schnee gab oft nach unter ihren Füßen, und wenn auch der Abhang im ganzen nicht so steil war, daß er unpassierbar gewesen wäre, kamen doch hier und da einzelne Stellen, an denen es schroff und tief hinabging und die sie zur äußersten Vorsicht zwangen, der dünnen Schneeschicht nicht zu viel zu vertrauen. Endlich erreichten sie den Teil des Ufers, der von dem Eingang der Hütte aus nicht mehr gesehen werden konnte, und der Peon mußte dem Anführer der Bande jetzt genau beschreiben, in welcher der beiden Hütten die Flüchtlinge ihr Lager aufgeschlagen, wieviel Gewehre und Pistolen sie bei sich hätten und von welchem Körperbau die beiden jüngeren Männer wären.

Felipe hatte bis jetzt gehofft, daß er selber zum Rekognoszieren ausgesandt werden würde, und schon allerlei Pläne darauf gebaut. Der Mashorquero schien ihm aber keineswegs zu trauen, und dem mitgenommenen jungen Burschen eins seiner Terzerole und die nötigen Befehle gebend, sandte er diesen nach dem Rücken der Hütte hinauf, um dort das Terzerol auf den ersten der Männer, der sich zeigen würde, aus seinem Versteck heraus abzufeuern und sich nachher auf seine Beine zu verlassen, um wieder zu entkommen.

Der Peon verlangte jetzt von seinem Begleiter wenigstens sein Messer zurück, um sich, im Fall es zu einem Handgemenge käme, verteidigen zu können; der Mashorquero verweigerte ihm dasselbe aber mit einem kräftigen Fluch und schwur, die einzige Art, wie er je wieder ein Messer von ihm bekommen solle, sei zwischen die Rippen oder in die Kehle.

Die Nacht war indessen mehr und mehr vorgerückt, und hinter ihnen stieg schon der Morgenstern über die schroffen Kuppen des mächtigen Gebirges. - Der Tag konnte nicht mehr fern sein, aber noch immer ließ sich nicht das mindeste Zeichen irgendeines lebenden Wesens von der Hütte heraus hören oder erkennen. Der Henker wurde ungeduldig. - So lagen sie wohl noch eine halbe Stunde, die Glieder fast zu Eis erstarrt, und über dem Schnee dämmerte indessen der junge Tag. Während die Schlucht unter ihnen noch in tiefem Dunkel lag, schoß über die schneeigen Kuppen, die schroff und starr in den sternbesäten Nachthimmel hinaufragten, ein lichter bläulicher Schein; die Hänge und Kanten gewannen Ausdruck in Form und Farbe, und es war fast, als ob weiße gigantische Körper aus dämmernden Nebelschleiern emporstiegen und höher wüchsen, indes das steigende Licht ihnen Kraft gab und ihre Glieder reckte.

„Ich halt’s nicht mehr aus“, flüsterte der Peon endlich, der, von dem scharfen Südostwind abgekehrt, vergebens die letzte Stunde schon gesucht hatte, seine Glieder zu erwärmen, „mir ist das Blut in den Adern geronnen.“

„Daß ich’s nicht flüssig mache!“ drohte der Mashorquero, „aber, beim Teufel! mir wird die Zeit hier auch lang, und ich begreife nicht, was die Kanaillen so lange im Baue hält. - Dein Kamerad, der Schuft von Unitarier, hat jedenfalls geplaudert, und mir zuckt’s ordentlich in den Armen, mein Messer da an ihm - und an dir zu versuchen. - Ruhe! was helfen mir deine Beteuerungen, mach dich fertig, wir wollen den Spuren unseres vorangegangenen Spions folgen und der Bande zu Leibe rücken, die übrigen werden jetzt auf ihren Posten sein. - Ich will, beim Teufel! nicht wochenlang im Sattel gehangen haben, um jetzt unverrichteter Sache wieder abzuziehen. Da, Compañero - krieche einmal zurück bis zu jenem kleinen Vorsprung - von da mußt du die Tür der Hütte in Sicht haben - und versuch, ob du nichts von dort erkennen kannst.“

Felipe ließ sich das nicht zweimal sagen - irgendein Grund, aus der Nähe des blutdürstigen Mashorquero zu kommen, schien ihm erwünscht, noch dazu, da es ihm zugleich Gelegenheit bot, seine Glieder wieder zu gebrauchen. Rasch deshalb in seiner eigenen Fährte zurückspringend, erreichte er bald den bezeichneten Platz und hob leise und vorsichtig den Kopf. - Ein einziger Blick verriet dem Peon den ganzen Stand der Dinge, und wie ihm die Gedanken das Hirn durchkreuzten, welchen Weg er jetzt, da ihm ein günstiger Zufall auf kurze Zeit freie Bahn gegeben, am besten verfolgen könne, hatte sich im Nu sein Plan gebildet.

Rasch überzeugte er sich nämlich, daß die Flüchtlinge die Gefahr kannten, in der sie sich befanden, und ihre Annäherung ruhig erwarteten. Er konnte die beiden Gestalten der jungen Männer erkennen, die mit ihren Gewehren in der Tür, aber noch weit genug im Innern standen, um von einem auswärts lauernden Feinde nicht gefährdet zu sein. Der abgesandte Mashorquero dagegen lehnte an der einen Ecke der Hütte wie der Tiger, der auf die Beute lauert, während die übrigen Feinde in kleinen Abteilungen, teilweise schon in Schußnähe, aber immer noch durch schneebedeckte Felsstücke den Feinden verborgen, im Hinterhalt lagen. Hätten sie Feuerwaffen gehabt, die kleine Besatzung wäre der ersten Salve erlegen.

Nahm er jetzt einen Anlauf, so konnte er sicher die Casucha erreichen, ehe die Mashorqueros imstande waren, ihn daran zu verhindern; aber wie dann, wenn ihn die Belagerten nicht hinanließen, vielleicht gar auf ihn feuerten? - „Pest und Tod!“ murmelte er vor sich hin, „ich glaube, die Bestien schössen auf ihren eigenen Bruder.“ - Im offenen Kampf mit ihnen war er der Gefahr aber noch weit mehr ausgesetzt, während seine Kehle juckte, wenn er nur an das Messer des blutdürstigen Mashorquero-Führers dachte. Er sah sich nach diesem um, und die ungeduldige drohende Gebärde desselben machte im Augenblick all seinen Zweifeln ein Ende. Noch einmal das Terrain überschauend und mit den Augen messend, blieb ihm ein Raum von zirka hundertundzwanzig Fuß Breite, um zwischen der nächsten Abteilung der Feinde zur Rechten und seinem jetzigen Tyrannen zur Linken durchzubrechen; die Entfernung bis zur Casucha betrug überdies kaum mehr als dreihundert Schritt, und wenn ihn auch der Schnee im raschen Laufen hinderte, rechnete er doch im Anfang auf die Überraschung der im Hinterhalt Liegenden und später auf den Schutz, den ihm die Gewehre der Europäer bieten mußten. So also sich rasch und entschlossen auf den Kamm der Bank schwingend, hinter der hervor er bis dahin rekognosziert hatte, floh er, hier von dem hartgefrorenen Schnee begünstigt, rasch über die Fläche hin. Wohl sah er, daß sich die Gewehre der Fremden, sowie er sich aus dem Schnee emporhob, gegen ihn wandten; aber nur ein flüchtiger Blick war es, den er dorthin warf, denn links von ihm sprang der Mashorquero, jetzt ebenfalls jeden Versteck verschmähend, auf die Bank und suchte augenscheinlich ihm den Weg abzuschneiden. Was half auch jetzt noch hinter dem Berg halten - ihr Hinterhalt war verraten, und der Mashorquero hätte in diesem Augenblick der Wut und Rache sicherlich gern die Europäer entfliehen lassen, wäre ihm nur dadurch die Wiederergreifung des verräterischen Peons gesichert gewesen.

In tollkühnem Grimm jede andere Gefahr dabei hintansetzend, lief er deshalb dem flüchtigen Alten nach; das Terrain schien ihn auch zu begünstigen, denn jener geriet in eine Schneewehe, durch die er sich nur weit langsamer Bahn brechen konnte. Ein Blick auf die Casucha überzeugte ihn aber auch, daß er sich fast schon in Schußnähe befand, und dem Flüchtigen jetzt auf etwa dreißig Schritt nahe gekommen, riß er das Terzerol aus dem Gürtel, um auf ihn zu schießen. Da sprangen von drüben herüber die anderen Gauchos vor, und diesen nicht in die Hände zu laufen, mußte der Peon noch näher nach dem Führer der Mashorqueros hinüberhalten. Dieser drückte die Waffe auf ihn ab, aber ohne Erfolg, und ingrimmig das Terzerol in den Schnee schleudernd, ergriff er den Lasso, den er lose in der linken Hand trug, und die Schlinge zweimal rasch um den Kopf schwingend, flog sie in furchtbarer Sicherheit über ihr Opfer.

Felipe wäre verloren gewesen, hätte ihn der Schnee, der ihn am raschen Laufen hinderte, nicht auch eben wieder vor der gefährlichen Lassoschlinge gerettet; denn kaum sah er die furchtbare Waffe, deren Sicherheit er nur zu gut aus eigener Erfahrung kannte, gegen sich gerichtet, als er auch blitzschnell in den hier weichen Schnee sank, und schon im nächsten Moment fühlte er, wie die drohende Schnur, durch den weichen Schnee emporgehalten, wie eine Schlange, aber harmlos, über ihn hinglitt. Die Gefahr war vorüber, und emporschnellend floh er der Hütte zu.

Ellington und Don José standen dort beide, die Gewehre im Anschlag, in der Tür, des sonderbaren Schauspiels Zeuge, und im Anfang in der Tat nicht sicher, ob das Ganze nicht eine schlau ausgesonnene Kriegslist sei, an sie heranzukommen. Das Abfeuern des Terzerols bestärkte sie darin fast noch mehr, denn an drei verschiedenen Stellen tauchten nach dem Schuß plötzlich dunkle, drohende Gestalten empor. Der Lassowurf schien aber wirklich ernst gemeint, und das bleiche, erregte Gesicht des Peons, der zu gleicher Zeit ängstliche Blicke nach dem entfernteren Teil ihrer eigenen Hütte warf, schien eher ihre Hülfe anzuflehen als Verrat zu sinnen. Was konnte der einzige Unbewaffnete ihnen auch schaden? - Ungehindert ließen sie ihn deshalb heran, als ein Schuß, dicht neben ihnen abgefeuert, ja fast wie aus der Hütte selber kommend, sie aufs neue erschreckte.

In der nächsten Minute war Felipe an ihrer Seite, ohne sich aber auf eine Entschuldigung oder Erklärung seines Betragens einzulassen, die, wie er recht gut wußte, einen irgend gegen ihn erhobenen Verdacht in diesem Augenblick nur vermehren mußte; er zeigte jedoch auf den sich jetzt wieder zurückziehenden Führer der Mashorqueros und rief, kaum imstande, von der furchtbaren Anstrengung Luft zu schöpfen:

„Dort - den - macht den unschädlich - es ist der Hauptmann der Henker - er kann euch - er kann euch nicht mehr entfliehen.“

„Wir dürfen die Hütte nicht verlassen!“ rief warnend Don José, als er sah, daß Ellington unwillkürlich hinaussprang, um den gefährlichen Feind zu erreichen; aber seines Schwagers grenzenlose Wut gegen die Helfershelfer und Henkersknechte seines grimmigsten Feindes ließ denselben im tollen Übermut der Gefahr trotzen.

„Wir müssen Luft haben!“ schrie er, indem er den Hahn der Büchse spannte und ins Freie sprang. „Pest und Blut über jene Schufte, und jetzt, da uns Gott sein Sonnenlicht gesandt, mögen sie’s wagen, unseren Büchsen entgegenzutreten!“

Mit wenigen Sätzen den freien Plan vor der Hütte erreichend, von wo er das Tal überschauen konnte, sah er eben, kaum zwanzig Schritt von sich entfernt, die flüchtige Gestalt des jungen Spions. Hatte dieser doch gerade von der Hütte selber aus auf den Peon gefeuert, und jetzt floh er der Schlucht wieder zu. Fast unwillkürlich hob Ellington die Büchse, diesem den Todesboten nachzusenden; allein der Führer der Bande war edleres Wild. - Aber wo war der Mashorquero geblieben? Wie in den Boden gesunken, schien er verschwunden. - Ellington sprang noch einige Schritte vor, und nicht viel Zeit hatte er zu verlieren, denn die Helfershelfer eilten von zwei verschiedenen Seiten herzu - da hob sich die dunkle Gestalt wieder aus dem Schnee heraus - die Schlinge wirbelte um seinen Kopf, und während der Engländer überrascht im Anschlag blieb, fühlte er sich plötzlich von einer unwiderstehlichen Gewalt gefaßt und zu Boden gerissen. Das Triumphgeschrei des Henkers tönte in sein Ohr, und das blanke, haarscharfe Messer in der Faust, stürmte dieser heran. Ellington wäre verloren gewesen, hätte Felipe nicht, wie er den Mashorquero in den Schnee niederkauern sah und leicht die Absicht desselben erriet, den jungen Spanier vermocht, dem Freund zu Hülfe zu eilen. - Fiel Ellington, das wußte er jetzt recht gut, so war er selber verloren, und Don José, die Verteidigung der Hütte so lange dem alten Herrn überlassend, kam mit der Doppelflinte eben noch zeitig genug, um das rechte Rohr auf den heranstürmenden Henker abzufeuern und sich dann rasch gegen zwei der anderen Feinde zu wenden, die indessen den Eingang der Hütte zu erreichen suchten.

Hier aber empfing sie der Bleigruß des alten Briten, der trotz seiner vorgerückten Jahre die Tage in Moor und Heide noch lange nicht vergessen hatte und mit zwei wohlgezielten Schüssen auf kaum fünfzehn Schritt Entfernung beide Henker zu Boden streckte.

Es bedurfte keines weiteren Schusses - wie ein Volk zerstreuter Hühner stoben die übrigen der Verfolger, um der furchtbaren Wirkung der Feuerwaffen zu entgehen, nach allen Seiten auseinander. Ellington aber, der sich rasch wieder von der ersten Betäubung des Sturzes erholt und von dem Lasso befreit hatte, sah eben noch die Flucht der Feinde und den herbeieilenden Felipe, der, das in der Casucha gefundene Messer seines früheren Kameraden in der Hand, jetzt ebenfalls herbeieilte und dem Engländer winkte, der Fährte des angeschossenen Mashorqueros nachzugehen. Am steilen Rand der Uferbank war dieser im Schnee verschwunden, aber das strömende Blut verriet die Todeswunde des Unglücklichen, und als sie den Hang erreichten, von wo aus sie das ganze Tal übersehen konnten, taumelte der Henker seinem Grabe entgegen. Ellington hob noch einmal die Büchse, aber senkte sie wieder.

„Schießt!“ schrie der Peon, und ein wildes, unheimliches Feuer blitzte aus seinen Augen.

Bei dem Klang des Wortes drehte sich der zum Tod getroffene Henker nach ihm um und tat, die Hand. krampfhaft auf die Wunde pressend, noch einen Schritt nach vorn - es war sein letzter - der Fuß glitt auf einem der Steine aus - er wollte sich halten, rechts von ihm wich der Schnee, eine steile Kluft hinab schmetterte er in die Tiefe, und in der nächsten Minute spielte die stürmische Flut des Tucunjado mit der Leiche des Henkers.

Felipe war jetzt schlau genug, die Gefahr, in der er geschwebt, um seinem neuen Herren treu zu dienen, gegen die Flüchtigen herauszuheben, und da ihm nun selber der Rückzug abgeschnitten worden, führte er die kleine Schar ihren mühseligen und auch gefährlichen Weg treulich durch den Schnee nach Chile hinüber. Wohl drohte ihnen noch ein grimmer Feind in aufsteigenden Wolken, die den Horizont umzogen und sich in dicken Schwaden über die Höhen legten, aber was ihren Pfad hier bedrohte, schützte sie auch auf der andern Seite wieder um so viel sicherer gegen jeden weitern Verfolger, von denen sich keiner in die Gebirge gewagt hätte, solange solche Wolkennebel einen jener entsetzlichen Schneestürme befürchten ließen.

Zwar mit Hunger und Kälte kämpfend, gewannen sie aber doch drei Tage nach den vorbeschriebenen Szenen die Schneegrenze Chiles - und Rosas’ Arm reichte nicht so weit, sie hier mehr zu gefährden.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Flucht über die Kordilleren