Die Flibustier in Panama. - Historische Skizze

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 3. 1875
Autor: Felix Lilla, Erscheinungsjahr: 1875

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In den ersten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts verließen einige abenteuerlustige Franzosen, angeführt von dem Sieur d'Anambuc, einem Edelmann aus der Normandie, ihr Vaterland und begaben sich nach Westindien, um auf eigene Faust gegen die Caraiben und hauptsächlich gegen die Spanier Krieg zu führen. Zuerst hatten sie ihren Hauptsitz auf der Insel St. Christoph, später an der Nordwestküste von St. Domingo und auf der benachbarten kleinen Insel Tortue (spanisch Tortuga: Schildkröteninsel). Die kriegerischen Unternehmungen dieser Leute, zu denen sich bald verwegenes Gesindel aus aller Herren Länder — ausgenommen Spanien, welches als gemeinschaftlicher Feind betrachtet wurde — gesellte, bildeten den eigentlichen Ursprung des Flibustiertums. Als die spanische Bevölkerung St. Domingos durch große Treibjagden auf den weiten Savannen im Norden der Insel die Bisons oder wilden Ochsen und Wildschweine ausgerottet hatte, vereinigten sich auch die auf solche Art aus ihrem Gewerbe geworfenen Bukaniers oder Stierjäger, meistens Franzosen, welche sich bisher noch von der Seeräuberei ferngehalten, mit den Flibustiern, und von der Zeit ab wurden diese erst recht furchtbar. Ihre Verwegenheit grenzte an das Unglaubliche. In offenen Booten überfielen sie auf hoher See große wohlarmierte und an Mannschaften weit überlegene spanische Kriegsschiffe und eroberten sie in der Regel. „Sieg oder Tod!“ war ihre Losung und nach gewonnenem Sieg das möglichst schnelle Verprassen der reichen Beute ihre einzige Lust.

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Die in Luxus und Weichlichkeit erschlafften Nachkömmlinge der heldenhaften Konquistadoren, der gepanzerten streitbaren Hidalgos, welche einst Pizarros und Cortez' siegreichen Fahnen gefolgt waren, mussten nun schwer die Sünden ihrer Väter büßen. Die anderthalb Jahrhunderte zuvor geschehenen gräulichen Niedermetzlungen der Eingeborenen Perus und Mexikos dienten den Flibustiern als willkommener Vorwand, die Spanier immer von Neuem anzugreifen und zu berauben, ihre Städte zu verbrennen und sie selber mit grausamer Wut zu töten. Insgeheim waren auch die Mächte Europas, vornehmlich England und Frankreich, es Wohl zufrieden, wenn die damals noch furchtgebietende Großmacht Spanien geschwächt wurde. Sie unterstützten und begünstigten deshalb durch lange Jahre heimlich das Flibustiertum und achteten in Friedenszeiten trotz aller feierlichen Verträge wenig auf die heftigen Beschwerden des Madrider Kabinetts, welches sich über die englischen und französischen Seeräuber beklagte, die häufig nicht nur unter der roten Piratenflagge, sondern auch unter ihren heimatlichen Nationalbannern segelten und sich nicht kümmerten um Friedenstraktate und Völkerrecht.

Die bedeutendste Unternehmung der Flibustier wurde im Jahre 1671 ausgeführt unter dem Kommando von Henry Morgan, ihrem geschickten und verwegenen Anführer, der mit seinen Scharen über die Landenge von Darien zog und Panama angriff.

Dieser berühmteste aller Freibeuter war um das Jahr 1630 in Wales geboren und kam in seinen Jünglingsjahren als Matrose nach Barbadoes, wo er das Unglück hatte, als weißer Sklave verkauft zu werden. Doch sein ungestümer Mut, der vor Mordtaten nicht zurückschrak, erlöste ihn bald aus dem Sklavenelend. Er schloss sich den Piraten an, zunächst dem Kapitän Mansfield, mit dem er Cuba in mehreren Plünderungszügen heimsuchte. Auch an dem berüchtigten Raubzuge des Franzosen L'Olonois nahm er Teil. Er half demselben im Jahre 1666 die Stadt Maracaibo plündern und erwarb sich unter diesem schändlichsten aller Freibeuterhäuptlinge eine grässliche Geschicklichkeit im Foltern von Gefangenen, um Angaben über versteckte Schätze heraus zu pressen. Bald jedoch machte er sich ganz selbstständig, und da das Glück an seine Flagge sich heftete, so strömten ihm bald in Menge die tapferen Abenteurer zu.

Im Jahre 1670 befehligte er eine Flotte von 37 Fahrzeugen und mehr als 2.000 der kühnsten Männer, welche die Welt je gesehen. Eine größere Streitmacht hatten die Flibustier noch niemals in der westindischen See entfaltet. Es verstand sich somit von selbst, dass das Ziel der Unternehmung diesmal ein großes sein müsse. Morgan bezeichnete als solches die Plünderung von Panama, welche Stadt damals die größte und reichste der neuen Welt war.

Dort befand sich der große Stapelplatz der Edelmetalle aus den mexikanischen und peruanischen Berg werken. Alljährlich wurden zu bestimmten Zeiten zum weiteren Versandt nach Spanien durch große Mauleselkarawanen ungeheure Quantitäten Gold und Silber über die Landenge nach Portobello transportiert, welche Stadt Morgan bereits im Jahre 1668 einmal gründlich ausgeplündert hatte. Auch segelten jährlich einige große Gallionen — die sogenannten „Silberschiffe“ — westlich durch den Archipel der Philippinen, Manilla anlaufend, nach Spanien und bildeten den Gegenstand der eifrigsten Aufmerksamkeit vieler Piraten, die gierig auf die reiche Beute lauerten. Zu einer Zeit als die Städte im Norden, die englischen Ansiedelungen, fast nur aus schlechten Blockhäusern bestanden, wohnten die Panamesen in massiven Steingebäuden, die mit prächtiger Ornamentik verziert und im Innern luxuriös ausgestattet waren mit kostbaren Möbeln, Gemälden, Skulpturen und Tapeten. Luxus und Üppigkeit herrschten im höchsten Grade. Die reichen Kaufleute hatten außer ihren Stadtpalästen auch reizende Villen auf den kleinen paradiesischen Inseln im Golf, welche man „die Gärten von Panama“ nannte. Die Stadt war Sitz eines Bischofs, hatte acht Klöster von ungeheurem Umfang und zwei herrliche Kirchen, darunter die nach italienischer Art gebaute majestätische Kathedrale. 7.000 Häuser enthielt Panama, von denen 2.000 als Paläste bezeichnet werden konnten. Der Gouverneur Don Juan Perez de Guzman war zugleich Generalkapitän aller Truppen des Königreichs Peru.

Gewiss musste es als ein ziemlich tolles Unternehmen erscheinen, als ein zusammengewürfelter Flibustierhaufen sich die Aufgabe stellte, eine solche große volkreiche und noch dazu durch Batterien und sonstige Verschanzungen wohlbefestigte Stadt zu erobern. Morgan selbst hegte einige Bedenken, nicht über den Erfolg seines Plans, wohl aber über die möglichen gefährlichen Folgen, welche die Nachricht von dem Raubzug in Europa für ihn heraufbeschwören konnte. Es war mit Sicherheit voraus zu sehen, dass der spanische Gesandte in London im Auftrage seiner Regierung alles in Bewegung setzen werde, um Genugtuung zu erhalten und für die Flibustier eine gründliche Züchtigung Seitens der Kriegsflotte Karls II. herbei zu führen. Er beschloss daher, sieh zuvor der Insel St. Katharina zu bemächtigen, um einen festen Punkt zu gewinnen, von welchem aus er unter Umständen nicht nur Spanien, sondern auch England und Frankreich trotzen könne. Die Errichtung eines unabhängigen Flibustierreiches in Westindien war augenscheinlich sein Gedanke. Um jedoch einen Passenden Vorwand für sein Vorhaben zu erlangen, vereinigte er sich mit seinem Freunde, dem gewissenlosen englischen Gouverneur von Jamaika, Sir Thomas Madiford, dessen Unterstützung er durch große Geschenke von seinen geraubten Reichtümern erkaufte, und diese Beiden schmiedeten dann die Lüge zusammen, dass der Gouverneur von Panama die Absicht habe, Jamaika anzugreifen, welcher Gefahr inan zuvorkommen müsse. Don Juan Perez de Guzman, ein durchaus pflichttreuer Beamter, dachte im tiefen Frieden nicht an die Ausführung solcher Waffentat und überhaupt hatten die Spanier genug zu tun, ihre eigenen weitläufigen Besitzungen zu behaupten und sich der Flibustier zu erwehren. So erfreute sich Morgan also sogar der Unterstützung der in jener Gegend befindlichen englischen Regierung.

Zur Verproviantierung der Flotte schickte Morgan seinen Vizeadmiral Collier mit sechs Schiffen und 300 Leuten nach der Hondurasküste, um Getreide zu rauben. Mehrere Freibeuterschaaren — hauptsächlich ehemalige Bukaniers, die das Geschäft verstanden — wurden in die Wälder und Savannen geschickt, wo sie eine Menge Bisons und Schweine töteten. Das Fleisch wurde geräuchert, gesalzen oder auch nur bukaniert, d. h. in der Sonnenglut gedörrt. Collier brachte eine große Quantität Mais und noch manche andere Lebensmittel, die er, ohne Umstände zu machen, den Spaniern gestohlen und abgejagt hatte.

Zu gleicher Zeit wurde Kapitän Bradley, ein anderer Unterbefehlshaber, mit drei Schiffen nach der Landenge von Darien geschickt, um das Fort Chagre an der Mündung des gleichnamigen Flusses zu erobern. Die Besatzung, von dem Mut ihres tapferen Kommandanten angefeuert, verteidigte sich mit verzweifelter Hartnäckigkeit, musste aber doch schließlich den Kürzeren ziehen, da sie der Tollkühnheit der Flibustier nicht widerstehen konnte, die es gewohnt waren, ohne Anwendung von Geschützen, nur mit Flinten, Pistolen, Säbeln und Dolchen bewaffnet, Festungswälle zu stürmen. Einen mit Baumwolle umwickelten brennenden Pfeil schossen die Angreifer in das dürre Palmendach eines Hauses innerhalb des Forts, wo die Flamme sich reißend schnell verbreitete. In der Verwirrung, welche die Feuersbrunst verursachte, wurde dann die Eroberung gemacht, die jedoch dem Kapitän Bradley, abgesehen von vielen anderen Flibustiern, das Leben kostete. Eine Kanonenkugel riss ihm beide Beine weg und er starb gleich nach dem Sieg. Fast alle Spanier waren im Kampfe gefallen. Einige von ihnen, die bis zuletzt gekämpft und sich nicht hatten ergeben wollen, stürzten sich, als sie Alles verloren sahen, von der Mauer herab auf die Felsenklippen und fanden so ihren Tod. Die Freibeuter überließen sich nach ihrer Gewohnheit, sobald die Blutarbeit getan war, der tollsten Schlemmerei und dachten nicht einmal daran, die Leichname zu begraben, so dass schon in den nächsten Tagen ein pestilenzialischer Dunst die Atmosphäre vergiftete und schlimme Krankheiten schuf.

Während diese verschiedenen vorläufigen Kriegsoperationen ausgeführt wurden, nahm Morgan selbst die Insel St. Katharina weg. Es befand sich auf derselben eine bombenfeste Zitadelle in so überaus günstiger Lage, dass sie sowohl von der See- wie von der Landseite gänzlich uneinnehmbar schien. Allein der spanische Kommandant hatte solche Angst vor den Flibustiern, dass er auf Morgans schreckliche Drohung, die Besatzung bis auf den letzten Mann niedermetzeln zu wollen, falls dieselbe sich nicht sogleich ergebe, wirklich auf den schimpflichen Handel einging und die Zitadelle übergab. Der Admiral ließ hinreichende Mannschaft darin und segelte alsdann nach dem eroberten Chagre, wo er sich mit den dort lagernden Freibeutern vereinigte und eine Besatzung von 500 Mann in das Fort legte. Die eigentliche Kriegsarmee wurde nun aus 1.300 Flibustiern formiert, welche in 36 großen Kanoes und sieben kleinen Schaluppen sich einschifften, um den Chagrefluss hinauf zufahren. Denn es war Morgans Absicht, den Weg nach Panama so weit wie möglich zu Wasser zu machen.

Da die Fahrzeuge kaum hinreichend Raum für alle die Männer und ihre Waffen boten, so war es unmöglich, die geraubten Lebensmittel mitzunehmen. Man hoffte jedoch unterwegs deren genug zu finden, sollte aber bald inne werden, dass man sich getäuscht habe. Die Spanier hatten durch ihre Spione längst Kunde von der Absicht der Flibustier. Alle Niederlassungen am Chagrefluss waren von ihnen verlassen und die Lebensmittelvorräte entweder weggeschleppt oder vernichtet worden. Davon überzeugten sich die Freibeuter schon am ersten Tage ihrer Fahrt, als sie Abends bei den Niederlassungen am Rio de los Bracos anlangten. Kein Spanier ließ sich blicken, kein einziges Stück Vieh war aufzufinden, sogar die unreifen Feld- und Gartenfrüchte hatte man vernichtet. Die Flibustier quartierten sich für die Nacht in die leeren Häuser und Ställe ein und hatten nichts weiter zu ihrer Erfrischung als ein geringes Quantum Tabak, welchen sie mit Begier kauten und rauchten. Am zweiten Tage erging es ihnen noch schlimmer. Der Fluss wurde so seicht und durch hineingestürzte Bäume so unpassierbar, dass sie die Boote verlassen und den Marsch zu Lande fortsetzen mussten. Durch schauerliche Sümpfe und Moräste, abwechselnd mit fast undurchdringlichem Urwald, marschierten sie den dritten Tag, ohne jedoch etwas Essbares zu finden. Kaum ein Stück Wild ließ sich sehen. Viele Abenteurer aßen Laub und Baumrinde, um den nagenden Hunger zu befriedigen. Die Meisten fühlten sich schwach und krank und Mutlosigkeit bemächtigte sich der Schar. Am vierten Tage wurde der Fluss wieder passierbar. Einige leere Indianerkanoes wurden aufgefunden und die Entkräftetsten darin weiter transportiert. Man erreichte am selben Tage die Ortschaft Torna Cavallos. Die entflohenen Spanier hatten nichts zurückgelassen, als eine Anzahl lederne Säcke von ungegerbten Häuten, über welche die Heißhungrigen sogleich gierig herfielen. Einer der Teilnehmer an dem Raubzuge beschreibt diese Mahlzeit wie folgt: „Leute, welche niemals aus ihren heimatlichen Küchen herausgekommen sind, können Wohl fragen, wie wir so harte und trockene Lederstücke essen, schlucken und verdauen konnten. Ich antworte darauf, dass sie sich dies leicht erklären könnten, wenn sie aus Erfahrung wüssten, was ein rechter Heißhunger ist. Wir zerschnitten das Leder in kleine Stücke, schlugen diese zwischen zwei Steinen, rieben sie tüchtig und tauchten sie oft in Wasser,
um sie weicher zu machen. Endlich schabten wir die Haare ab und rösteten die Lederstücke über dem Feuer. Wenn sie einigermaßen gar waren, so wurden sie mit häufigen Schlucken Wassers hinuntergewürgt.“ Am fünften Tage kamen die Abenteurer in Barbacoa an, wo sie das Glück hatten, in einer Felsenhöhle zwei Säcke Mehl, einige Früchte und zwei Krüge Wein zu finden. Morgan gebot, dass diese wenigen Nahrungsmittel an die Hinfälligsten ausgeteilt werden sollten, von denen einige schon dem Tode nahe waren. Am sechsten Tage wurde glücklicher Weise eine bedeutende Quantität Mais in einer verlassenen Scheune aufgefunden, von welchem Vorrat jeder eine Portion erhalten konnte. Auch fand ein kleines Scharmützel mit Indianern statt. Den darauf folgenden Tag langte die schon wieder hungrig gewordene Schaar in Cruz an, einem ansehnlichen Ort, wo sich große steinerne Magazingebäude befanden, in welchen man aber nichts weiter auffand, als 16 Krüge Peruanischen Wein, der sogleich mit vielem Behagen getrunken wurde. Unmittelbar darauf empfanden die Flibustier heftige Krankheitssymptome und glaubten deshalb, dass der Wein vergiftet gewesen sei, welcher Gedanke die größte Bestürzung hervorrief. Sie täuschten sich aber doch in dieser Beziehung. Nur die genossenen schlechten Nahrungsmittel und der plötzliche Weingenuss verursachten die Krankheitserscheinung. Nach und nach erholten sich alle davon. Hier mussten nun auch die letzten Kanoes verlassen werden. Man befand sich auf der Wasserscheide, nur noch acht französische Meilen von Panama. Am achten Tage wurde der schreckliche Marsch von Neuem angetreten und gegen Abend eine Felsenschlucht passiert, wo aus der Höhe auf einmal ein Pfeilregen auf sie niederfiel. Zwanzig Flibustier wurden im ersten Augenblick der Überraschung getötet. Die Übrigen ermannten sich, rannten die Anhöhe hinauf und schlugen den dort postierten Indianerhaufen rasch in die Flucht. Am neunten Tage marschierten die Freibeuter über eine schöne baumlose Savanne. Gegen Mittag erklommen sie einen hohen Hügel und erblickten nun in der Ferne die blauen Fluten des stillen Ozeans. Sie entdeckten sechs Schiffe, die jedenfalls von Panama kamen und wahrscheinlich nach der Insel Taroga segelten. In dem Tal zu ihren Füßen sahen sie eine Menge Ochsen, Kühe, Pferde und Esel. Nun war der Jubel groß, denn die Hungersnot hatte nun ein Ende. Viele schöne Ochsen wurden von den geübten Bukaniers geschwind gefangen und geschlachtet. Die erschöpften Leute verzehrten, um den ersten Hunger zu stillen, ungeheure Portionen Fleisch fast ganz roh, so dass das Blut, wie der schon oben erwähnte Teilnehmer berichtet, ihnen stromweise über die Bärte lief. Es wurde Rast gehalten und bis tief in die Nacht hinein geschmaust, wodurch alle merklich wieder zu Kräften kamen. Am zehnten Tage erstiegen die Flibustier einen anderen Hügel und nun erblickten sie endlich die Türme von Panama. Wie einst die Kreuzfahrer beim ersten Anblick der heiligen Stadt erhoben sie ein lautes Freudengeschrei, warfen die Hüte in die Luft und schrien begeistert: „Viktoria!“

Morgan berief seine Offiziere zu einem Kriegsrat. Es wurde beschlossen, gleich am nächsten Tage die Stadt anzugreifen. Unterdessen war in derselben Alles in Aufregung. Fünfzig Reiter kamen aus einem der Tore, um den Feind zu rekognoszieren. Sie näherten sich bis auf Musketenschussweite dem Flibustierlager und schrien: „Ihr Hunde sollt uns kennen lernen!“ 200 Fußsoldaten marschierten gleichfalls aus der Stadt, um alle Passagen im Rücken der Ankömmlinge zu besetzen. Denn es sollte
kein Einziger von ihnen lebendig entrinnen, das war des Gouverneurs Meinung.

Die Abenteurer kümmerten sich um diese Anstalten sehr wenig. Sie wunderten sich darüber, dass man sie nicht sogleich angriff und ihnen Zeit zum Ausruhen ließ. Ihre Schnappsäcke waren mit Fleisch gut gefüllt. Sie hielten eine vortreffliche Mahlzeit, stellten die nötigen Wachen aus und legten sich dann zum Schlafe nieder ins Gras. Die Spanier feuerten die ganze Nacht durch Kanonen Schüsse ab, um ihre Wachsamkeit zu zeigen.

Am folgenden Morgen, den 27. Januar 1671, rief das Geschmetter der Trompeten die Flibustier zum Kampfe. Morgan, der im Landkrieg ebenso erfahren war wie im Seekrieg, hatte seine Dispositionen vortrefflich getroffen. Er verließ mit seiner kleinen Armee die Landstraße und schlug einen Umweg durch ein dichtes, fast unwegsames Gehölz ein. Darauf waren die Panamesen nicht vorbereitet, welche nur auf den Hauptwegen Batterien und Verschanzungen aufgeworfen hatten, die sie nun verlassen mussten, um sich dem Feind an der von ihm gewählten Stelle entgegenzuwerfen. Sie hatten, als ihnen der Plan der Flibustier klar wurde, nicht einmal mehr Zeit, ihre schweren Geschütze aus den Batterien wegzubringen.

Nach einem mühsamen zweistündigen Marsch durchbrachen die Abenteurer das Gehölz und sahen sich nun der spanischen Armee gegenüber, welche der Gouverneur Don Juan Perez de Guzman selber kommandierte. Es waren vier Regimenter Infanterie, 400 Reiter und 2.000 wilde Stiere, welche letztere ebenfalls in der Schlacht Verwendung finden sollten und von einigen Hundert Indianern und Schwarzen getrieben wurden. Die Soldaten waren alle sehr gut bewaffnet und die Reiter tummelten sich auf vortrefflichen Pferden so munter, als ob es zu einem Stiergefecht ginge.

Die Flibustier wurden doch etwas besorgt, als sie die ungeheure Übermacht des Feindes sahen. Sie hatten keine andere Wahl mehr, als zu siegen oder zu sterben, und so schwuren sie sich gegenseitig zu, dass sie bis zum letzten Blutstropfen fechten wollten. Morgan teilte seine Leute in drei Haufen und schickte den ersten, der aus 200 der besten Schützen bestand, voraus. Sogleich gab der spanische Anführer seiner Reiterei Befehl, auf den vordringenden Feind loszusprengen und einzuhauen und auch die wütend gemachten Stiere ihnen entgegen zu treiben. Aber das Terrain war der Kavallerie nicht günstig; die 200 Scharfschützen konnten rechtzeitig hinter einem tiefen Morast Posto fassen und schossen von da aus mit außerordentlicher Sicherheit die Reiter von ihren Pferden, so dass schließlich von den 400 nur 50 sich retteten. Auch der Angriff der Stiere misslang gründlich; die Bukaniers von St. Domingo, diese alten furchtbaren Stierjäger, waren hier recht in ihrem Element; sie schossen viele der Tiere tot und jagten die anderen durch wildes Geschrei und Flaggenschwenken auf die Spanier zurück, in deren Reihen sie eine arge Verwirrung brachten. Nach solchem glücklichen Anfang richteten die Flibustier ihr Feuer auf die spanische Infanterie, die sich tapfer wehrte, aber doch nicht widerstehen konnte. Über 600 Soldaten lagen bald, durch die mörderischen Kugeln der sicher und möglichst hinter Verstecken schießenden Abenteurer niedergestreckt, tot oder schwer verwundet auf dem Schlachtfeld. Die Überlebenden ergriffen die Flucht. Viele von ihnen, die nicht mehr in die Stadt kommen konnten, suchten ihre Sicherheit in dem hohen Schilf am Meeresufer. Allein dort wurden sie bald entdeckt und ohne Gnade niedergesäbelt.

In der Stadt war die Verwirrung grenzenlos. Vergeblich suchte Don Juan Perez de Guzman die vor Angst halb wahnsinnigen Einwohner, die nur an Flucht und Verbergung ihrer Schätze dachten, zum Widerstand zu bewegen. Er konnte kaum mehr auf den Rest seiner entmutigten Soldaten rechnen. Morgan, der ebenfalls viele der Seinigen in der Schlacht verloren hatte, begriff, wie wichtig es sei, den Schrecken und die Verwirrung zu benutzen. Noch am nämlichen Tage erstürmten die Flibustier die Stadt und nach drei Stunden eines mörderischen Kampfes war Henry Morgan Meister von Panama.

Nun begann eine wilde Plünderung, ein gräuliches Morden und Foltern. Viele Einwohner hatten sich mit ihren Familien und Schätzen nach der Insel Taroga geflüchtet, aber für Alle hatten die Schiffe im Hafen bei Weitem nicht ausgereicht. Ungeheure Vorräte von Waren aller Art waren in der Stadt aufgehäuft, welche für die Flibustier jedoch keinen Wert hatten, da sie dieselben unmöglich über die Landenge schleppen konnten. Ihr einziges Augenmerk war auf Juwelen, Gold und Silber gerichtet, und davon brachten sie denn auch eine solche Masse zusammen, dass der Wert sich sicherlich auf mehrere Millionen Pfund Sterling belief. Morgan ließ dann schändlicher Weise Feuer in die Stadt werfen, und in wenigen Tagen ging das Prächtige Panama in Flammen auf. Noch Wochen lang nachher rauchten die gewaltigen Schutthaufen. Nur der isoliert gelegene, jetzt von Morgan bewohnte Palast des Gouverneurs, zwei Klöster und das armselige Quartier der Maultiertreiber blieben verschont.

Die Hauptbeute entging freilich den Flibustiern. Es war dies eine große Gallione, welche die Frauen der vornehmsten und reichsten Einwohner an Bord hatte und mit Gold, Silber, Juwelen und den kostbarsten Kirchenschätzen von Panama beladen war. Niemals hat auf dem Wasser ein Schiff geschwommen, welches größere Reichtümer trug. Morgan wurde fast wahnsinnig vor Wut, als diese Prise, welche er schon sicher zu haben glaubte, ihm entschlüpfte durch die Schuld eines Unterbefehlshabers, der sich zur unrechten Zeit mit seiner Bootsmannschaft betrank und darüber die Gallione aus den Augen verlor. Es wurden Fahrzeuge ausgerüstet, die in südlicher Richtung umher kreuzten, aber das Juwelenschiff nicht mehr entdecken konnten. Statt dessen hatte man das Glück, eine andere von Cartagena kommende Gallione aufzugreifen, welche mit Lebensmitteln beladen war und auch einige Kisten mit Smaragden und anderen rohen Edelsteinen an Bord hatte.

Da die Flibustier nach ihrem großen Erfolg vorläufig nicht die Besorgnis zu hegen brauchten, von irgend einem Feinde angegriffen zu werden, so quartierten sie sich ruhig in den verschont gebliebenen zwei Klöstern und im Gouvernementspalast ein und beschäftigten sich damit, ihre Gefangenen zu foltern, um verborgene Schätze herauszupressen. Außerdem brachten sie ihre Tage und Nächte in der fürchterlichsten Schlemmerei zu.

Nach vierwöchentlichem Aufenthalte wurde endlich der Rückzug nach Chagre angetreten. Mit Gold, Silber und Kleinodien belud man 175 starke Maulesel, außerdem schleppte noch jeder Abenteurer seinen Privatraub. 600 Gefangene wurden mit fortgeführt, auf deren Auslösung man ein ungeheures Lösegeld setzte, welches abgesandte Mönche von den Spaniern in Cartagena und Maracaibo holen sollten. So zogen die Räuber und Mordbrenner durch die weiten Wälder, Savannen, Moräste und Felsenschluchten der Landenge von Darien und nirgends stellte sich ihnen ein mutiger Feind entgegen. In Cruz wurde Halt gemacht, und es fand hier die Auslösung der Gefangenen statt, da die Sendlinge von Maracaibo ankamen und das Lösegeld überbrachten. Morgan führte bei dieser Gelegenheit zugleich einen meisterhaften Spitzbubenstreich aus. Er ließ seine Leute die Waffen niederlegen; umgeben von seiner ihm treu ergebenen Leibwache zwang er sie dann, alle ihre bei sich geführten
Schätze auszuliefern, unter dem Vorwande, dass in Chagre die regelmäßige Teilung erfolgen solle, in Wahrheit aber, um sich den Löwenanteil zu sichern, da ihm eigentlich nur ein Viertel von der gesamten Beute kontraktlich zukam. Am 9. März erreichten die Flibustier Chagre, wo nun die Teilung des Raubes vorgenommen wurde, die Morgan, der mit seinen Vertrauten die meisten und kostbarsten Juwelen bei Seite geschafft hatte, unredlicher Weise auf nur 443.200 Pfund Silbergewicht angab. Die benachteiligten Freibeuter murrten hierüber laut. Es fand eine Empörung statt und Mordanschläge wurden gegen den Admiral ausgeheckt. Dieser, der unter solchen bedenklichen Umständen nicht mehr hoffen durfte, ein westindisches Flibustierreich gründen zu können, ging bei Nachtzeit an Bord seines Schiffes und segelte mit seinen sämtlichen Vertrauten, die ihn in drei anderen Fahrzeugen geleiteten, nach Jamaika. Die überlisteten Flibustier waren wütend und wollten den Flüchtigen nachsetzen, allein es fehlte ihnen Proviant. Diesen mussten sie sich erst mit vieler Mühe aus der ausgesogenen Gegend zusammenrauben. Als sie dann später aufbrachen, gingen viele von ihnen in einem gewaltigen Sturme zu Grunde; wenige erreichten Jamaika, wo sie gegen ihren vom dortigen Gouverneur beschützten Admiral nichts ausrichten konnten, sondern noch froh sein mussten, dass sie nicht als rebellisches Gesindel gehangen wurden.

Morgan lebte jetzt friedlich eine Zeit lang auf Jamaika, wo er seinen ungeheuren Raub zum Teil in
ausgedehntem Grundbesitz anlegte, so dass er der bedeutendste Pflanzer und Sklavenhalter der Insel wurde. Selbstverständlich hatte er seinen Freund, den Gouverneur Thomas Madiford, reichlich bedacht. In England zog sich aber nun über diesen beiden Biedermännern ein Unwetter zusammen. Der freche Angriff auf Panama, geschehen im tiefen Frieden, hatte dort doch, bei aller Missgunst gegen Spanien, Entrüstung erregt, welche der spanische Gesandte nach Kräften schürte. Sir Thomas Lynch wurde als neuer Gouverneur nach Jamaika geschickt; er nahm seinen gewissenlosen Vorgänger und Henry Morgan in Haft und spedierte sie nach London, wo sie einige Jahre im Tower gefangen gehalten wurden. In seinem Gefängnis gab Morgan verschwenderische Gastereien, welche in Mode kamen, so dass viele Höflinge ihn besuchten. Der berühmte Freibeuter wusste durch reiche Geldgeschenke einflussreiche Personen auf seine Seite zu bringen, welche den König so lange bearbeiteten, bis er den Gefangenen freisprach.

Es waren aus Jamaika, wo die Einwohner aus dem Seeraub und der tollen Verschwendungssucht der Flibustier den größten Vorteil gezogen hatten, so viele Klagen über den neuen strengen Gouverneur eingelaufen, dass auch dieser Umstand sehr bei der Entschließung des Monarchen ins Gewicht fiel. Sir Thomas Madiford und Henry Morgan kehrten nach Jamaika zurück, wo Letzterer zu den höchsten Ehrenämtern emporstieg und seine Reichtümer wie ein echter Lebemann genoss. Er starb im Jahre 1688. Einige Schriftsteller behaupten, dass seine letzten Lebensjahre verbittert worden seien durch die schrecklichsten Gewissensqualen der zahlreichen Mordtaten und Schändlichkeiten wegen, die er während seiner bewegten abenteuerlichen Laufbahn begangen. Auch wird gesagt, dass er keines natürlichen Todes gestorben sei. Ein Obimann, ein Negerarzt, den er in seiner Krankheit brauchte und in früheren Jahren einmal hatte Peitschen lassen, soll ihn aus Rachsucht auf ausgesucht grausame Art durch Gift ums Leben gebracht haben.

Nach seinem Tode war die Glanzzeit des Flibustiertums vorüber, obgleich einzelne verwegene Abenteurer dieser Art noch bis zur Mitte des. vorigen Jahrhunderts die westindische See und die angrenzenden Küsten unsicher machten. Dann aber schafften die englischen, französischen und spanischen Kreuzer genügende Sicherheit und man hörte in Friedenszeiten, wenn keine offizielle Kaperei stattfinden konnte, in den dortigen Meeren wenig Klagen mehr über Seeraub.

Piraten an Bord

Piraten an Bord

Angriff der Barbaresken

Angriff der Barbaresken

Rudersklaven an Bord der Piratengaleere

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Schiffssoldaten im Kampf mit Seeräubern

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Angriff auf die Landungstruppen

Angriff auf die Landungstruppen

Beschuss des Piratennestes

Beschuss des Piratennestes

Sturmangriff auf die Piratenburg

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Schatzkiste am Ostseestrand

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Piratenkapitän - Buried Treasure

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Zweikampf um den Kapitänsposten

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Piraten fordern ihren Tribut von den Bewohnern einer eroberten Stadt

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Seeräuber in Pose

Seeräuber in Pose

Kaperkapitän Keitt

Kaperkapitän Keitt

Verfolgungsjagd

Verfolgungsjagd