Die Feuerwehr in Konstantinopel. 1875

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 14. 1875
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Türkei, Konstantinopel, Istanbul, Feuersbrünste, Feuerwehr, Feuergefahr, Feuermänner, Baupolizei, Preußen, nach preußischem Vorbild, Schicksal, Fatalitätsglauben, Schicksal,
Keine größere Stadt Europas ist wegen ihrer zahlreichen Feuersbrünste so sprichwörtlich bekannt wie Konstantinopel, wo allerdings eine Baupolizei seither nicht existierte und der übliche Holzbau nebst der Enge und Krümmung der Gassen und der willkürlichen Bauart die Feuersgefahr permanent machte. Beinahe kein Jahr vergeht, ohne dass nicht größere Feuersbrünste ganze Quartiere in Asche legen und Tausende von Menschen ihrer Habe berauben und obdachlos machen.

*********************************************************
Neuerdings hat denn nun die türkische Regierung begonnen, eine geregelte Feuerwehr einzurichten und beim Wiederaufbau abgebrannter Quartiere eine gewisse Ordnung und Regelmäßigkeit in den Bauvorschriften durchzusetzen. Früher aber war dies ganz anders; bei dem Fatalitätsglauben des Muselmannes, der in Allein, was ihm begegnet, eine Schickung Gottes sieht, konnte man die Leute nicht bewegen, bei der Löschung eines Brandes hilfreiche Hand anzulegen oder ihr Eigentum gegen Brand und Feuersgefahr zu versichern. Sie stierten stumpfsinnig in die Glut, welche ihre Habe verzehrte, und riefen: „Kesmeth!“ (es ist Verhängnis;). Diesem Übelstand wurde durch Sultan Mahmud zuerst abgeholfen, welcher die Soldaten zwang, bei Feuersbrünsten zu löschen und zu retten. Seither ist es besser geworden und die späteren Regierungen haben ihr Möglichstes getan, um ein geordnetes Feuerlöschwesen einzuführen. Es wurden nämlich die Hamals oder Lastträger in Feuerrotten eingestellt, der Polizei untergeordnet und mit tragbaren Feuerspritzen versehen, zu deren jeder ein Tschausch oder Polizeidiener als Obmann kommandiert ist. Sobald Feuerlärm ausbricht, haben die Hamals und Kaitdschi (Bootsleute) sich nach den Sammelplätzen ihrer Rotten zu begeben und machen sich dann mit ihren Feuerspritzen auf den Schultern und unter Führung ihrer Obmänner im schnellsten Lauf und unter betäubendem Geschrei, dass man ihnen die Straße freimache, auf den Weg nach der Brandstätte. Unser hübsches lebendiges Bild S. 324 zeigt unseren Lesern eine derartige Scene aus dem Straßenleben von Konstantinopel, wo sich solch schneidende Kontraste von abendländischer Verfeinerung und morgenländischem Schmutz und Verkommenheit begegnen.

Unter der gegenwärtigen Regierung und besonders in Folge der großen Feuersbrünste, welche in den jüngst vergangenen fünf Jahren mehrere der schönsten Stadtteile von Konstantinopel heimsuchten und teilweise in Trümmer und Asche legten, ist für die Verbesserung des Feuerlöschwesens in der türkischen Hauptstadt noch unendlich mehr geschehen. Man hat nämlich einige Pompiers aus Paris mit Offizieren und Unteroffizieren kommen lassen und eine stehende militärische, sowie eine gezwungene und freiwillige bürgerliche Feuerwehr eingerichtet und einexerziert und dieselbe unter den Befehl des Polizeimeisters der Hauptstadt gestellt. Es wurden eine Anzahl großer fahrbarer Feuerspritzen angeschafft und unter die verschiedenen Quartiere der Stadt verstellt, und als diese noch nicht ganz hinreichten, um der neu eingerichteten Feuerwehr die gewünschte Präzision und Leistungsfähigkeit zu erstellen, erbat sich die türkische Regierung von dem Berliner Branddirektor Scabell auf diplomatischem Wege einige tüchtige Leute, um die Konstantinopler Feuerwehr ganz nach preußischem Muster und Reglement einzurichten, und nun ist man mit den erzielten Resultaten so zufrieden, dass man diese Feuerwehr nach preußischer Ordonnanz auch auf die größeren Provinzialstädte auszudehnen gedenkt.

Die Feuerwehr in Konstantinopel 1875

Die Feuerwehr in Konstantinopel 1875