Der Erfinder Talbot

Kaum war zu Anfang des Jahres 1839 die erste Kunde der Erfindung Daguerres in die Welt hinausgegangen, da meldete sich unter zahlreichen angeblichen Vor- und Miterfindern ein Mann, welcher in der Folgezeit den größten und wichtigsten Anteil an der Ausgestaltung der Lichtbildnerei erlangen sollte. Es war der englische Privatgelehrte William Henry Fox Talbot (1800 — 1877) in Lacock Abbey. Bereits im Jahre 1834 hatte er mit Versuchen begonnen, das Bild in der Camera obscura durch Halogensilberschichten auf Papier festzuhalten. Die geringe Lichtempfindlichkeit dieser Schichten zwang zu außerordentlich langen, praktisch unmöglichen Belichtungszeiten; das entstehende Bild war negativ, d. h. die in der Natur hellen Bildteile erschienen dunkel; die Fixierung der Bilder gelang Talbot nur mit größten Schwierigkeiten, bis ihn Herschel auf das Natriumthiosulfat als Lösungsmittel der unverbrauchten Silbersalze hinwies.

Als Talbot im Januar 1839 von den Ergebnissen Daguerres hörte, wies er sogleich auf sein eigenes Verfahren hin und beanspruchte die Anerkennung der Erstrechte, allerdings ohne Erfolg, da Niépce und Daguerre schon viel früher mit ihren Arbeiten begonnen hatten, und da die scharfen Metallplattenbilder Daguerres den unzulänglichen Papierkopierversuchen Talbots weit überlegen waren. Wie Daguerres Methode erst durch die Entdeckung der Quecksilberentwicklung brauchbar und lebensfähig geworden war, so ging es auch dem Verfahren Talbots, der im Jahre 1841 fand, dass das auf Jodsilberpapier entstehende latente oder nur schwach sichtbare Bild durch Gallussäure entwickelt oder verstärkt werden könnte; auch dieser so wichtige Fund war durch einen Zufall zustande gekommen. Talbot überzog Papier nacheinander mit Silbernitrat- und Jodkaliumlösung und einer wässerigen Lösung aus Silbernitrat, Gallus und Essigsäure (Gallosilbernitrat); nach der Belichtung in der Kamera wurde das Bild durch Überstreichen mittels Gallosilbernitrat hervorgerufen und zum Schluss in Natriumthiosulfatlösung lichtecht gemacht. Von diesen negativen Papierbildern, die mittels Wachs durchscheinend gemacht wurden, stellte Talbot positive Kopien auf Chlorsilber-Auskopierpapier her. Seinem Verfahren gab er den Namen „Kalotvpie“, den man zu Ehren des Erfinders in „Talbotypie“ änderte.


Abb. 16/17 Was um das Jahr 1860 als pikant galt

Wenn auch Talbots Bilder nicht die Brillanz und Schärfe der Daguerreotypien erreichten, so hatte doch sein Verfahren die für die gesamte Fortentwicklung der Lichtbildnerei wichtigste Eigenschaft, dass vom erstentstandenen Negativ beliebig viele positive Papierbilder hergestellt werden konnten. Talbot ist der Erfinder des Fotografischen Kopierprozesses und neben Daguerre der Entdecker der Fotografischen Hervorrufung.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Erotik in der Fotografie
Erotik 016-017 Was um das Jahr 1860 als pikant galt

Erotik 016-017 Was um das Jahr 1860 als pikant galt

alle Kapitel sehen