Die Erotik in der Fotografie

Die geschichtliche Entwicklung der Aktfotografie und des erotischen Lichtbildes und seine Beziehungen zur Psychopathia Sexualis.
Autor: Erich Stenger Dr. (1878-1957) Professor, deutscher Fotochemiker, Sammler, Historiker und Theoretiker der Fotografie, Erscheinungsjahr: 1931

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Kunst, Akt, Fotografie, Weib, Körper, Erotik, Schönheit, Frauenleib, Liebe, Geschlechtsmerkmale, Sinnlichkeit, Frauenkörper, Lust,
Die Kunst wurzelt von ihren Uranfängen zutiefst im Erotischen. An dem Feuer der Liebe hat die heilige Flamme der Kunst sich entzündet. Die Göttin der Schönheit ist zugleich die Göttin der Liehe. Nichts anderes als der brennende Wunsch, das ersehnte, das geliebte Weib bildlich darzustellen, hat den Menschen zum Künstler gemacht und ihn dazu angetrieben, die Schönheit des weiblichen Körpers, die sein Auge und durch das Auge seine Sinne reizte, nachzubilden und bildhaft festzuhalten. Die primitive Ausdruckskunst der Urzeit weiß das Erotische nicht anders darzustellen als in der Betonung der weiblichen Geschlechtsmerkmale, und Jahrtausende waren nötig, ehe es die Künstler verstanden, im naturalistischen oder idealisierten Akt das erotische Fluidum der Frau zum Ausdruck zu bringen. Nicht umsonst haben die Griechen den Mythos von Pygmalion erfunden, der in so glühender Liebe zu dem von ihm gemeißelten Frauenleib entbrennt, dass die Statue sich belebt und ihm ihre Gunst schenkt. Und weiter fort durch die Jahrhunderte — in jeder Venus, die dem Mars sich gibt, in jeder Danae, die den Goldregen empfängt, in jeder Leda, die wollüstig den Schwan umschlingt, in jeder Susanne, die sich der geilen Alten erwehrt — immer wieder sehen wir die Luft, die alle diese Frauengestalten umgibt, wie eine geballte, Wolke mit Erotik geladen. Ja die sinnenfreudige Renaissance hat 5 selbst in die Darstellung ihrer Madonnen und Heiligen bisweilen die schwüle Sinnlichkeit heidnischer Göttinnen hineingezaubert.
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Das Erotische an sich in einem nackten Frauenkörper darzustellen, bedeutete ein hohes Maß von Ausdruckskunst, ein so schwieriges Problem, dass nur der geniale Künstler es zu lösen vermochte. Tizians „Danae“, Goyas „Maya“ oder Manets „Olympia“ sind in weit höherem Maße von Erotik erfüllt, als ein obszöner Kupferstich, auf dem ich weiß nicht was geschieht.

Bei der Darstellung des nackten Körpers wollten und konnten die Erotiker nicht haltmachen, es reizte sie, den bewegten Akt zu bilden, das Linienspiel der Glieder, die ausdrucksvolle Geste der Liebesumarmung festzuhalten, das Weib als Spenderin der Lust und als Opfer der Lust in ihrer höchsten Ekstase bildlich wiederzugeben. Das größte, das heiligste Mysterium des menschlichen Gefühlslehens — die Erotik— musste notwendiger Weise immer wieder zum künstlerischen Problem werden.

Das Wort Erotik ist hier im weitesten Sinne verstanden, es begreift alles in sich, was mit Eros, dem Gott der Liebe, zusammenhängt. Als erotisch kann ebenso wohl das Bild einer kauernden Venus angesprochen werden, als irgendein frivoler Kupferstich des 18. Jahrhunderts, ebenso gut die Jo des Correggio als die obszöne Zeichnung eines Pascin. An die Kunst lässt sich in jedem Belang so schwer ein Maßstab legen, dass die Frage, wo das Erotische aufhört und das Obszöne anfängt — solange es sich um ein Kunstwerk handelt — kaum jemals zu beantworten ist.


Abb. 001 Susanna und die beiden Alten Gemälde von Francesco Albani Kunsthandlung Fritz Gurlitt, Berlin

Abb. 002 Liegender Akt mit hervorragendem künstlerischen Geschmack aufgenommen Fotografie um 1870

Erotik 000 Cover

Erotik 000 Cover

Erotik 000 Halbakt Foto Residenz-Atelier, Wien

Erotik 000 Halbakt Foto Residenz-Atelier, Wien

Erotik 000 Titel

Erotik 000 Titel

Erotik Lektüre, kolorierte Fotografie um 1860, Sammlung Carl Schulda, Wien

Erotik Lektüre, kolorierte Fotografie um 1860, Sammlung Carl Schulda, Wien

Erotik Der Ehegatte als Daguerreotypiste, Satirische Lithographie von Ch. Vernier, Um 1840, Sammlung Professor Erich Stenger, Berlin

Erotik Der Ehegatte als Daguerreotypiste, Satirische Lithographie von Ch. Vernier, Um 1840, Sammlung Professor Erich Stenger, Berlin