Kapitel Zwei

Wenn wir zugeben, dass die Möglichkeit der Dispositionsfreiheit für jede Kulturgattung mit der Steigerung der Betriebsintensität wächst, und wenn wir annehmen, dass auch bei der Forstwirtschaft eine solche Zunahme der Betriebsintensität die natürliche Folge der Aufhebung der Grundlasten, der Entwicklung des allgemeinen Gewerbewesens und des Aufschwungs der Industrie sein muss, so gelangen wir zu dem gewiss berechtigten Schlüsse, dass auch die Fähigkeit des Waldes, sich von der Notwendigkeit der Staatsaufsicht zu emanzipieren, einer beständigen Steigerung unterliegt, und dass einmal für ihn der Zeitpunkt erscheinen muss, wo er im Stande ist, sich selbst zu erhalten. Diesen Punkt, den der selbsterhaltenden Tätigkeit, bei einem dem Bedürfnisse des Landes in Rücksicht auf die klimatischen Verhältnisse angemessenen Waldstande baldmöglichst zu erreichen, muss vor Allem das Ziel alles forstwirtschaftlichen Strebens sein.

Es wäre jedoch selbstverständlich Illusion, wollte man meinen, dass sich dieser natürliche Zustand mit Gewalt herbeiziehen lässt. Hier gilt der Grundsatz: „Alle wirtschaftlichen Verhältnisse regeln sich von sich selbst und durch sich selbst." Die Steigerung der Betriebsintensität hängt von zu vielen außerforstlichen Faktoren ab, welche nicht in der Gewalt des einzelnen Wirtschafters stehen, sie ist mit ein Effekt des allgemeinen volkswirtschaftlichen Gesamt-Lebens und Webens.


Gleichwohl gilt für den Einzelnen sowohl als auch für den Staat die Pflicht, alle Hindernisse zu beseitigen, welche den Weg zu jenem anstrebenswerten Ziele versperren oder erschweren, und in dieser Richtung öffnet sich für die Zukunft noch ein weites Feld wirtschaftlicher Tätigkeit*). Es unterliegt kaum einem Zweifel, dass sich der Wald, mit Verständnis und Liebe behandelt, dankbar erweisen wird. Nicht plötzlich und unverzüglich — des Waldes Einwickelungsgang ist immer ein langsamer und viel Zeit in Anspruch nehmender. Aber nach und nach wird seine Wirtschaft, wenn diese auf natürliche Grundlagen gestellt wird, ins „nationalökonomische Gleichgewicht“ treten, selbst dann, wenn es der Besitzer oder der Wirtschafter verschmäht, dem Leitstern des Weiserprozentes zu folgen; in jenes Gleichgewicht nämlich, welches eintritt, sobald das Erträgnis des Waldbodens dem der anderen Bodenkulturgattungen die Wage hält und daher aus der Gefahr kommt, umgewandelt zu werden.

Die erfolgreiche Lösung der Walderhaltungsfrage kann nur und muss im Wald selbst ihren Anfang nehmen. Es ist dies, wie es scheint, im Ganzen noch nicht nachdrücklich genug betont worden. Preßler allein hat das nationalökonomische Moment einerseits ausdrücklich und ausführlich in seine Waldbautheorie, oder, um uns seiner markanten Ausdrucksweise zu bedienen, in seine „innerforstliche Wirtschaftswissenschaft" hineinbezogen und andererseits die Walderhaltung von der Annahme und Anwendung seiner Grundsätze gewissermaßen mit abhängig erklärt. Wenn es auch unter den jetzigen Produktions- und Geldmarktverhältnissen schwer hält, sich zu dem Zugeständnisse zu entschließen, dass vor den letzteren alle anderen Forsteinrichtungsprinzipien absolut weichen müssen, so muss seiner Ansicht, dass für die Entwicklung und Kräftigung der Lebensfähigkeit des Waldes zuvörderst eine „rentable, frische und kräftige Waldbautechnik", getragen von dem lebendigen Gedanken und befreit von der Zwangsjacke des altererbten Schablonismus, die erste und unerlässlichste Bedingung sei, mit vollem Herzen zugestimmt werden. In dieser Richtung sind allerdings gerade die mächtigsten Hindernisse, die sich auf dem Wege zur zweckentsprechenden Hebung der Betriebsintensität in die Quere stellen, zu beseitigen, und hier stellt es sich als ausschließliche Sache der Forstbesitzer selbst dar, für den vaterländischen Wald sowohl, als auch für das eigene Interesse, indem sich beiderlei identifiziert, mit Energie zu wirken.

Wir fassen hier zweierlei ins Auge: die gemeingewöhnliche Wirtschaftspraktik und die Dienstorganisation, wobei wir, da bei den Wäldchen der Kleingrundbesitzer von rationeller Forstwirtschaft füglich nicht gut die Rede sein kann, bloß die Forste des Großgrundbesitzes in Betracht ziehen wollen. Zugleich verwahren wir uns von vornherein gegen den eventuellen Vorwurf, als wollten wir alles nachstehend Gesagte auf alle und jede Wirtschaft des Großbesitzes anwenden und keinerlei Ausnahme «erstatten. Im Gegenteil, es ließen sich sehr erfreuliche Ausnahmen bezeichnen.

Zunächst in Bezug auf die Forsteinrichtung lässt sich konstatieren, dass die fraglichen Arbeiten bei ausgedehnten und umfangreichen Besitzständen von zentralistischen Bureaux, bei einzeln selbstständigen Domänen nur zu häufig von Fremden, die dem betreffenden Dienstorganismus gar nicht angehören, besorgt werden. Hier liegt der Schablonismus sofort auf der Hand. In beiden Fällen wird das, was als raffinierteste Leistung des Geistes und Gedankens, als das von klarem Bewusstsein getragene Produkt des eindringlichen Studiums der lokalen, den Wirtschaftserfolg einzig und allein bedingenden Verhältnisse zu gelten hat, zur oberflächlichen mechanischen Handwerksarbeit; denn für die Bureaux ist für alle Objekte in der Regel ein leitendes System vorgeschrieben, der Fremde aber hat seine Schablone im Kopfe oder in natura in der Tasche, und es handelt sich in jenem wie in diesem Falle nur um die Ermittlung der in den Rahmen gehörigen Zifferansätze, gleichviel ob sich der Rahmen dem Bedürfnisse des Objektes und den Intentionen des Besitzers anpasst oder nicht. Dem revierverwaltenden Personale steht dann in dieser Richtung kein oder ein nur sehr untergeordneter Einfluss zu.

Eine klare Einsicht in das Produktionsleben der verschiedenen Standorte verlangt aber nicht eine kurz abgemessene Arbeitszeit des Einrichters, sondern eine ganze Reihe von Beobachtungsjahren, welche dem in und mit seinem Wirtschaftsobjekte lebenden und arbeitenden Revierverwalter ausschließlich zu Gebote steht.
Es lässt sich aber auch ein fortlaufender enger Zusammenhang von Wirtschaftseinrichtung und Verwaltung nachweisen. Der Waldbau im engeren Sinne gilt hauptsächlich als Ausführung der Einrichtung. Wenn wir, wie natürlich, die Holzproduktion nach dein herrschenden Marktbedürfnisse einrichten wollen, zu diesem Behufe aber nicht allein über den Quantitäts-, sondern auch über den Qualitätszuwachs der Einzelbestände fortlaufend im Klaren sein müssen, so ergibt sich für den Wirtschafter als Hauptaufgabe nicht bloß die Ausnutzungs-, sondern auch namentlich die Begründungs- und Erziehungstechnik in intellektueller Beziehung. Diese letztere steht in inniger Wechselbeziehung zur Einrichtung, indem diese ihre Quelle, aus welcher sie die zu ihrem Gedeihen notwendige Wahrheit und Wirklichkeit schöpft, in jener erblickt und derselben dann wiederum als Leitstern dient.

Die durch den mächtigen Aufschwung und Fortschritt der Forstwissenschaft zu bedeutender Feinheit gebrachte Bestandswirtschaft, welche, die starren Fesseln der unzuverlässigen Zukunftsberechnung von sich streifend, den allseitigen Bedürfnissen ohne zu große Opfer am sichersten gerecht zu werden vermag, verträgt eben jenen Schablonismus durchaus nicht, und wenn und wo eine schaffensfreudige Wirtschaft, welche nicht auf einseitiger und kurzsichtiger Vorliebe für dies oder jenes, sondern auf der Erkenntnis des wirklich Notwendigen und Ersprießlichen eingeführt werden soll, da muss jener Schlendrian, welcher nur zu häufig aus dem im Grunde keineswegs verwerflichen, einer mechanisch-geistlosen Praktik aber zumeist den Weg ebnenden Fachwerke hervorgeht, entschieden bekämpft und beseitigt werden.

Um dazu zu gelangen, bedarf es einer gründlichen Reform der Dienstorganisation.

Unleugbar hat die Aufhebung von Robot und Frohne einen gewaltigen Umschlag in die Arbeitsverhältnisse der Bodenproduktion gebracht und wesentlich andere Grundlagen für deren Praktik geschaffen. Hiebei half wohl auch der allgemeine Fortschritt im Gewerbewesen mit. Vielleicht auf jedem anderen Gebiete, wo umwälzende Katastrophen die Existenzbedingungen für die Zukunft, die Grundmauer verrückten und veränderten, Huben Einsicht und Klugheit einen neuen modifizierten Bau begonnen und mit Erfolg weiter fortgeführt und ausgebaut. Im Domänenwesen, wenigstens im privaten*), sehen wir aber nach allen Seiten noch immer denselben Wirtschafts- und Dienstorganismus, wie er vor Jahrhunderten gegründet und eingerichtet worden. Es muss auffallen, dass sich im großen Ganzen in dieser Richtung noch so wenig vom Fortschritt verzeichnen lässt. Noch immer wird auf so vielen Domänen ein zahlreiches, glänzend uniformiertes Forstpersonal für eine große Anzahl kleiner Reviere unterhalten, noch immer sind Forstschutz, Kulturarbeit und bloße Überwachung der Holzschlägerei die einzige Aufgabe des Försters, und noch immer muss sich der Forstmann so oft unter der demütigenden Bevormundung des angeblich intelligenteren Ökonomiebeamten beugen.

In längstvergangenen Zeiten, da die Jagd die Haupt-, das Holz aber Nebenfache war und wirtschaftlich kaum in Betracht kam, bestand das Forstpersonal selbstverständlich nur aus Jägern, die, ohne Schulbildung, großenteils den unteren Volksklassen entnommen waren. Späterhin, als das Holz einen Wert gewann und man damit zu haushalten anfing, wurden forstverwaltende Beamte für den ganzen Umfang der Domänen angestellt und die Jäger denselben untergeordnet, ohne dass man von ihnen mehr verlangte als waidgerecht zu sein und die Holzrechnung auf dem Kerbholze zu führen. Nach und nach fing man an, in die Waldwirtschaft auch einige Wissenschaft zu tragen; da begannen auch die Jäger sich zu mausen, und weil das Forstwesen auch für die Diener zu einem einträglichen Geschäfte wurde, so lernten auch Söhne aus besseren Familien die Jägerei, Allmählich schraubte sich das untergeordnete Forstpersonal in den Mittelstand herauf, und sobald einmal eine Forstwissenschaft begründet war, so verlangte man vom Jäger auch etwas mehr als Jägerei und Forstschutz. Es galt, auch die Schläge kunstgerecht zu kultivieren und die Rechnung ordnungsmäßig auf dem Papiere zu führen. Einige Schulbildung ward für den Eintritt in die Forstpraxis zur Bedingung gemacht und endlich, um tüchtige Förster zu erziehen, wurden sogar mit Privatmitteln eigene kostspielige Forstschulen eingerichtet und erhalten.

*) Der Kürze wegen fassen wir hier und im Folgenden mit den privaten Waldungen auch alle Gemeinde-, Corporation-, Stiftung- und die Wälder anderer moralischer Personen zusammen.

Gleichwohl blieb solch' einem in einer Forstschule ausgebildeten Förster oder Forstadjunkten kein größerer Wirkungskreis angewiesen als das Revier, dem seine Vorgänger vor mehr als einem Jahrhundert vorstanden, obgleich Jagd, Forstschutz, Kulturausführung und Holzschlägerei-Überwachung noch immer dieselben mechanischen Verrichtungen sind, wie ehedem. Die im Steigen begriffene Betriebs-Intensität hat wohl eine größere Häufung dieser Verrichtungen bewirkt, in ihrer Natur aber nichts geändert. Die Förster von heutzutage stehen im Allgemeinen — erfreuliche Ausnahmen lassen sich wohl auch hier konstatieren — mit ihrem Wirkungskreis und ihrer Beschäftigung auf einem vollkommen verschrobenen Standpunkt.

Hier ist die Intelligenz nicht richtig platziert, Wissenschaft und Gedanke sind unzertrennliche Freunde. Wo aber das Denken nicht gestattet, dort ist wissenschaftliche Bildung nicht nur überflüssig, sondern auch schädlich, da die triebwerksmäßige Arbeit auf den gebildeten Mann geist- und gemüt-tötend wirkt und ihn zum unbrauchbaren Werkzeug macht. Wo sich aber die Wissenschaft als unabweisliches Erfordernis darstellt, dort muss der Gedanke wirken, den Mechanismus in Lebenstätigkeit versetzen und erhalten, nicht aber in selbstausgeführter mechanischer Arbeit untergehen.

Die Unterscheidung zwischen Forstverwaltungs- und Forstschutzdienst besteht wohl seit jeher, aber man hat es in der Verwendung der Arbeitskräfte für beiderlei zu ziemlicher Begriffsverwirrung gebracht. Nehmen wir ein Beispiel: Ein 4—5.000 Hektar großer Wald ist in etwa acht Reviere zu 500—600 Hektar geteilt. Jedem Revier steht ein Förster vor und der Mehrzahl dieser Förster sind Adjunkten beigegeben. Nebstbei ist eine erkleckliche Anzahl von Hegern angestellt, Förster und Adjunkten bestehen aus gebildeteren Zöglingen der Forstschulen. Das Ganze leitet ein Oberförster (Waldbereiter, Forstmeister oder wie sonst die Titulatur beliebt ist), und auch ihm steht ein Adjunkt ausschließlich fürs Schreibfach zur Hand. Sehr oft bestehen im Forstkontrolleur und Unterförster noch Zwischenstufen. Die Geschäftseinteilung ist folgende: Einrichtungsarbeiten werden vom zentralistischen Einrichtungsbureau, oder von Fremden, in manchen Fällen auch vom leitenden Oberförster besorgt. Die Forstverwaltung, nämlich die amtliche Übernahme der Forstprodukte, ihr Verkauf, die Aussteckung der Holzschläge, die Holzschätzung, die Geldverrechnung u. s. w. gehört in den Wirkungskreis des Oberförsters (Forstmeisters). Was bleibt für den Förster und seinen Adjunkten übrig? Nichts als die oben erwähnten mechanischen Arbeiten: Forstschutz, Kultur, Holzschlägerei-Überwachung und Holzausfolgung — Arbeiten, welche auch die Heger verrichten und vom Förster in nur zu häufigen Fällen den Hegern ziemlich vollständig überlassen werden, so dass es für ihn nichts zu tun gibt. Der Adjunkt hilft ihm dabei. Wenn nun die Heger diesen Verrichtungen gewachsen sind — und sie sind es ja gewiss! —, so ist nicht zu begreifen, was die Mittelstufen zwischen dem verwaltenden Beamten und dem Waldheger bedeuten sollen.

Was wäre aber für jenen Wald eigentlich erforderlich? Es genügen zwei Forstverwalter, denen, wenn es Absatzverhältnisse und Betriebsintensität, Ausgedehntheit oder Beschwerlichkeit der Reviere erheischen, je ein Assistent beigegeben ist. Einesteils zur Kontrolle und Lokalinspektion, andernteils für die den ganzen Waldbesitz der Domäne betreffenden, für die Reviere nicht trennbaren Geschäfte, dann für die Vermittlung zwischen Forstverwaltung und höchster Stelle wäre ein Forstamt mit einem Forstmeister und eventuell einem Forstassistenten zu errichten. Zum Schutze des Waldes, zur Ausführung der Kulturarbeiten, zur Überwachung der Holzschlägerei und zur Holzausfolgung reichen einfache Waldheger, mit Sorgfalt aus der Klasse der Handarbeiter rekrutiert, nicht nur vollkommen aus, sondern sie sind für jene Arbeiten, weil körperlich rüstiger und abgehärteter, eigentlich noch tauglicher als an Forstschulen erzogene Förster und Forstadjunkten. Der Erfolg hängt lediglich von der Richtigkeit der inneren Dienstorganisation eines solchen Apparates ab. Dem wissenschaftlich gebildeten Forstverwalter muss ein entsprechender Wirkungskreis zustehen, in welchem er seine Kenntnisse entfalten, seine intellektuelle Kraft erproben, seinen Ehrgeiz befriedigen kann und vollauf und unausgesetzt Beschäftigung und Anregung zur Tätigkeit findet. Er soll selbstständiger Verwalter im vollen Sinne des Wortes sein: Forstertragsregelung, Betriebsführung und Produktenverwertung sind das angemessene Feld seiner Tätigkeit.

Bezüglich des Dienstes der Heger macht sich nicht minder die Notwendigkeit der Beseitigung der jetzt landläufigen Einrichtungen und Gepflogenheiten fühlbar. Das gegenwärtige Verhältnis des Waldhegers zu seinem nächsten Vorgesetzten ist in der Regel ein viel zu patriarchalisches; zur Dorfbewohnerschaft steht er zumeist in einem Abhängigkeitsverhältnis, da er in der Regel schlechter bezahlt ist als der geringste Taglöhner. Neigung zur nichtstuenden Waldbummelei und Stolz auf die Waffe machen noch zu allermeist die Hegerstellen begehrlich, und Vorliebe fürs Jagdwesen findet man auf denselben weitaus öfter als Gewissenhaftigkeit, Pflichtgefühl und wirkliche Vorliebe für Waldschutz und Forstdienst. Wie oft werden außerdem Leute dazu verwendet, die weder lesen noch schreiben können, keine Ordnung und keine Subordination gelernt haben, während doch gerade in dem Institute der Waldhegerschaft die Möglichkeit nahe liegt, braven Soldaten, welche Dienststrenge und Pünktlichkeit gewohnt sind, eine gute Versorgung zu gewähren und dabei ihre, wenn auch bescheidenen, geistigen Errungenschaften auszunützen und zu verwerten.

Die Sicherheitswache einer Stadt wäre, daran zweifelt wohl Niemand, eine absurde Karikatur, wollte man in ihrer Organisation Zustände bestehen lassen, wie sie sich im Dienste der Sicherheit des Waldeigentumes fast überall noch vorfinden. Soll aber das letztere einen ausgiebigen Schutz genießen, so muss die Organisation der Waldhegerschaft jener der Sicherheitswache irgendwie, womöglich nach militärischem Zuschnitt, nachgebildet werden. Eine zweckmäßige Ausrüstung mit Uniform, kurzem, leichtem Hinterlader, Patronentasche, Dienstbuch u. dergl.; die Unterordnung unter einen nötigenfalls berittenen Oberheger oder Forstwart; die unausgesetzte Invigilierung durch denselben, militärisch strenge Kontrolle und Visitation, bedingungslose Verantwortlichkeit — das alles stellt im Forstschutz-, Holzschlägerei- und Kulturwesen gewiss dankbarere Erfolge in Aussicht, als der gegenwärtig beliebte Schlendrian. Es wäre wohl auch zu erwägen, ob in dieser Hinsicht nicht auch das Prinzip der Arbeitsteilung durchführbar wäre.

Man wird vielleicht einwenden, dass auf diese Art für den jagdlustigen Besitzer, ein großer Wert an seinem Gute verloren ginge, indem im Fallenlassen des gegenwärtigen Institutes der Förster die Gefahr des vollständigen Herabkommens der Jagd läge. Es hat aber mit der Jagd dieselbe Bewandtnis wie mit dem Walde: die Jagdverwaltung wird jeder Forstverwalter sehr gerne besorgen, sie bildet ja auch für ihn ein Vergnügen; der Jagdschutz und alle übrige mehr handwerksmäßige Leistung wird vom gemeinen und billigeren Mann leicht erlernt und ebenfalls gern geübt werden. Übrigens entspricht ein glänzendes Jagdpersonal nur noch den Verhältnissen eines reichbegüterten Kavaliers, und dieser wird wohl immer in der Lage sein, sich ein eigenes Jagdpersonal zu halten, sofern der Organismus des Forstwirtschaftspersonals seiner Passion nicht ausreichend Rechnung zu tragen verspricht.

Es sind aber noch besondere Momente zu beachten. Dass die Zeit, welche die Bedeutung des Waldes selbst auf einen anderen Standpunkt gebracht, aus dem grauen Jägertum eine umfangreiche, blühende Wissenschaft herausgebildet hat, deren Träger nicht die Büchse auf dem Buckel, sondern der sorgsam vorausrechnende Zollstab, davon weiß im gemeinen Leben von den Laien der Wenigste das Wahre. Zumeist bekannt ist der alte Jäger, wie er in diversen Geschichtsbüchern und auf der Bühne seine Rolle spielt, und — die Livrée. Der wahre Forstmann genießt im sozialen und selbst auch im gewerblichen Verkehr jene Achtung nicht, welche ihm seine Wissenschaft und fein Bildungsgrad im Verhältnis zu anderen wissenschaftlichen Fächern und Fachmännern einräumen sollte. Beweisen davon begegnet man nicht zu selten in Besprechungen der Tagespresse, so oft sie sich auf unser Gebiet beziehen, auch wohl in den scheelen Blicken, mit welchen die Forstsektion der Hochschule für Bodenkultur betrachtet wird. Dagegen aber: wie staunt man zum Beispiel einen Eisenbahn-Ingenieur als den Inbegriff aller Weltweisheit an! Wie achtet und schätzt der Großindustrielle selbst den technisch-leitenden Ingenieur seines Fabrik-Etablissements! Und was haben diese Leute, die allerdings als intelligente Männer in der Tat alle Achtung verdienen, vor dem wahrhaft gebildeten Forstmann voraus?

Die Ursache dieser Missachtung ist zweierlei: einmal der Umstand, dass zu häufig noch im Privatforsthaushalt die wirkliche Fach-Intelligenz, als zu unpraktisch und zu kostspielig, verachtende Zurückweisung findet; zum zweiten der Büchsenspannerfrack und der weißwollene Handschuh. Auf die Erörterung dieser letzteren Ursache sei verzichtet, denn sie führt nur zu leicht zur Herbe. Dagegen verlangt der erste Punkt hier jedenfalls eine nähere Besprechung.

Ebensowenig, wie die Ignoranz und der mechanisch gedrillte Schablonismus auf dem Gebiete der Großindustrie und der Verkehrs- und anderer moderner Anstalten einen Boden finden, ebenso wenig ist der Wald für sie gewachsen, soll er seiner privat- und nationalökonomischen Aufgabe entsprechen und zur selbsterhaltenden Tätigkeit gedeihen. Auch im Walde müssen fortan der lebendige Gedanke, der Geist der Wissenschaft und die schöpferische Kraft der Intelligenz wirken und walten; auch im Walde ist dies ein Gebot der Zeit. „Die Intelligenz und Tatkraft des Bewirtschafters," sagt Komers in seinem Jahrbuch von 1872, „ist eine Kardinalbedingung der Verzinsung des Grund- und Betriebskapitals. Der Mangel der ersteren führt, selbst wenn beide Kapitale in richtigem Verhältnis stünden, zu schlechter oder gar keiner Verzinsung — heute unabweislicher als vor zwanzig Jahren." Die Richtigkeit dieses Ausspruches wird kein Einsichtsvoller negieren wollen und ebensowenig die Anwendbarkeit desselben in vollstem Maße auf die Forstwirtschaft.
Mag es auch Überwindung kosten! das bisher übliche vielgliedrige Oberförster-, Förster- und Unterförstersystem mit allen Mittel- und Zwischenstufen beruht auf überlebten Traditionen, und ist an und für sich der allgemeineren Verwendung der wahren Intelligenz hinderlich und letzterer selbst abträglich. Man stelle sich tüchtige, gebildete Forstverwalter (allenfalls auch mit dem Titel „Förster") mit angemessenem Wirkungskreis, möglichst freier Bewegung und einem ausreichenden, wohlorganisierten Schutzpersonal an, fordere von ihnen rastlose Tätigkeit und entsprechenden Wirtschaftserfolg, aber achte und schätze sie auch als die Ingenieurs seines Holzproduktions-Etablissements und gewähre ihnen unbefangen die ihrer Bildungsstufe angemessene Behandlung und gebührenden Lebensunterhalt.

Natürlich wird das aus den „guten, alten Zeiten" stammende patriarchalische, das Bewusstsein der persönlichen Würde des gebildeten Mannes nur zu leicht verletzende absolute Dienstverhältnis einem mehr dem Vertragsverhältnis sich nähernden weichen müssen, das dem Beamten, so lange ihn nicht die Beförderung in einen höheren oder weiteren Wirkungskreis ruft und so lange er sich nicht eines Vergehens gegen Recht und Moral schuldig macht, die Sicherheit seiner Zukunft bis zum Lebensende gewährleistet. Gewiss wird Einer schlecht und wenig arbeiten, der schlecht bezahlt, Tag und Nacht vor der üblen Laune feines Herrn, vor seiner Entlassung, vor einer Zeit der Entbehrung, der Not und des Elends zittern muss, und deshalb in so vielen Fällen strebt, se payer par ses mains und sein Schäfchen bei Zeiten ins Trockene zu bringen, während der Andere, dem das potenzierte Ehrgefühl des Gebildeten innewohnt, der bei seinem Dienstherrn vorurteilslose Achtung findet, angemessen honoriert und unausgesetzt beschäftigt ist, gewiss weniger kostspielige und drakonisch strenge Inspektionen und Kontrollmaßregeln notwendig macht.

Ebenso gewiss ist es, dass die als mächtiger Sporn für die Tätigkeit der Verwaltungsorgane zu bezeichnenden Tantièmen und Prämien nur bei einem gebildeten, nach vorwärts strebenden, unablässig das neue Bessere herbeiziehenden Personal zu verfangen vermögen und nur bei dem selbstständigen Wirtschafter, der den unmittelbarsten und Haupteinfluss auf die Rente und deren Steigerung übt, und da auch nur dann einen Sinn haben, wenn sie nach richtigem Prinzip eingerichtet und wohl verstanden worden sind.

Allein abgesehen davon, dass die Requisition der Intelligenz die Herbeiziehung an und für sich besserer Arbeitskräfte bedeutet, stellt sie sich uns als unerlässliche Pflicht dar, wenn wir bedenken, dass nicht allein der mercantile animus der heutigen Wirtschaft, der, so gut es die Schwerfälligkeit der Forstprodukte zulässig macht, dem übrigen Güterverkehr nachzueifern beginnt, sondern auch die Anwendung der Wissenschaft nach ihrem gegenwärtigen Standpunkte unbedingt ein tätiges Gehirn verlangt. Ignoranz und Halbheit im Wissen vermögen den Geist gar nicht zu erfassen und zu begreifen, der in der jüngsten Zeit, seit kaum zwei Dezennien, von hochverdienten Männern in die Wissenschaft hineingetragen und der Forstwirtschaft der Zukunft zur Richtschnur gegeben worden ist.

Den Einwurf, dass die Intelligenz für die Bodenproduktion zu teuer sei, sucht nur der Mangel an richtigem Verständnis dessen zu begründen. Wenn die Intelligenz, wie oben erwähnt, unrichtig platziert wird, dann ist sie allerdings zu teuer. Es kann keinem Fabrikanten einfallen, sich eine Anzahl Techniker anzuwerben, um sie mechanische Handarbeiten verrichten zu lassen. Am rechten Orte wirkt die Intelligenz gewiss segensreich, und da sie im Forstwesen die Bildung bedeutend größerer Verwaltungsrayons ermöglicht, die Zahl ihrer Stellen also verringert, so wird das höhere Salär oft mehr als aufgewogen werden.

Es kann deshalb nicht laut genug betont werden, dass sich eine gründliche Dienstorganisations- und Wirtschafts-Reform mit als eine der Hauptbedingungen der Walderhaltung darstellt. So lange nicht ein frischer, lebenshauchender Odem durch den Wald zieht, so lange nicht der Anfang gemacht wird, den Wald von dem faulen, stagnierenden Element der veralteten Diensteinrichtung zu befreien, so lange werden wir von dem Wege dahin, wo der Wald die Rolle seiner Erhaltung selbst übernimmt, abgelenkt bleiben.