Die Erhaltung der Wälder. Ein Beitrag zur Erörterung einer zeitgemäßen Frage

Autor: Womacka, A. F. (?-?), Erscheinungsjahr: 1876

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Themenbereiche
Enthaltene Themen: Wald, Wälder, Waldsterben, Entwaldung, Erhaltung der Wälder, Einfluss auf das Klima, Bedeutung für Mensch und Tier, Wetter, Regen,
Rezension aus: Supplemente zum Tharandter Jahrbuch. 1878

Unter der neueren Waldschutz-Literatur eine der beachtenswertesten Arbeiten, wenn auch nur speziell auf Österreich Bezug nehmend. Verfasser legt besonderes Gewicht darauf, dass sich der Wald selbst erhalten müsse; dass er dies könne, verlangt er mehr gesetzlichen Schutz für den, dem Diebstahl so sehr ausgesetzten Wald, ferner eine durchgreifende Änderung der Dienstorganisation. Er hat darin vollständig Recht, denn was nützen alle belehrenden und sonstigen schönen Reden und Schriften zum Schutze des Waldes, wenn Gesetze und Gerichtspraxis die sogenannte Humanität gegenüber Holz-, Streu- und anderen Dieben auf die Spitze treiben, anstatt energisch einzugreifen. Gelegentlich der Diensteinrichtung eifert er u. A. mit vollem Recht gegen die schablonenhafte Forsteinrichtung, wie sie keineswegs zum Wohle des Waldes vielfach als heiliges Dogma festgehalten wird usw. Verf. spricht ferner für Erhaltung des Großgrundbesitzes, bei Waldherrschaften auch für Fideikommisse. Er verlangt Expropriationsrecht für den größeren Waldbesitzer gegenüber kleinen, eingeschlossenen Parzellen; mäßige Besteuerung des Waldes etc. Bezüglich der eigentlichen Schutzwaldungen hätte Verfasser, dem es sonst an Energie der Forderungen nicht fehlt, auch so energisch sein können, Expropriation durch den Staat zu verlangen, wo sie sich nicht in den Händen sicheren Großbesitzes befinden. Unserer Ansicht nach nicht bloß das einfachste, sondern auch das allein wirksame Mittel zur Erhaltung solcher Wälder in Ländern, wo sonst freie Gebahrung mit dem Grund-, daher auch mit dem Waldeigentum besteht. Es ist ein Hauptfehler z. B. des preußischen Waldschutzgesetzes von 1875, dass es diese Expropriation nicht kennt.

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            „Aller Zustand ist gut, der natürlich
            ist und vernünftig,"
Goethe.

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In der Naturforschung gibt es wohl noch viele Fragen, in deren Beantwortung sich die Meinungen bis zu schroffen Gegensätzen zerteilen. Eine bloße Hypothese ist eben nicht unanfechtbar, und so lange es einem Forscher nicht gelingt, den praktisch mathematischen Beweis zu führen, so lange gehen die Ansichten auseinander.

Eine solcher Fragen gehört der allerdings noch jungen Wissenschaft der Meteorologie an und betrifft den Einfluss des Waldes auf das lokale Klima. In dieser Richtung findet man noch die äußersten Extreme in den Ansichten vertreten, und wenn man von den noch kaum eine genügend lange Zeit umfassenden Ergebnissen der forstlich-meteorologischen Beobachtungsstationen in Baiern und der Schweiz absieht, so bleiben eben nur Ansichten übrig. Eigentümlich ist es, dass mit den Versuchen zur Lösung jener Frage ernstlich erst begonnen wurde, als sie bereits, angesichts nachteiliger Elementarzufälle, welche der beständigen Verminderung der Wälder zugeschrieben wurden, das allgemeine und öffentliche Interesse in Anspruch zu nehmen anfing. Und dennoch ist diese Frage keine neue mehr.

Schon lange haben wohldenkende Männer auf die Folgen der Entwaldung hingewiesen und eindringlich von derselben abgemahnt. „Hütet euch," sagt Lasaulx, „die Axt anzulegen an die Wälder, denn wenn sie fallen, fällt Anderes nach." — Riehl ruft (in „Land und Leute") aus: „Haut den Wald nieder, und ihr zertrümmert die historisch-bürgerliche Gesellschaft!" — Schon vor Dezennien wurden warnende Stimmen laut, fanden aber nicht genug williges Gehör. So haben namentlich A. v. Humboldt und La Pérouse an auffallenden Beispielen in Westindien die Schädlichkeit der Entwaldung nachgewiesen, Blanqui erhob in Frankreich, Marchand in der Schweiz seine Stimme gegen das fortschreitende Übel, Mommsen wies auf Russland hin, und in Deutschland ist es eine stattliche Reihe von Forschern und Volkswirten, welche für den Wald eine Lanze einzulegen keine Gelegenheit verabsäumten. Wer wollte es versuchen, alle die Stimmen zu zählen, die sich zu Gunsten des lieben, schönen Waldes erhoben haben! Klagt doch selbst auch Amerika schon, dass daselbst der allgemeine Gesundheitszustand immer unerquicklicher wird, je weiter gegen Westen die Waldränder gedrängt werden!
Als nun eine Reihe von trockenen Jahren mit mächtigen Wolkenbrüchen eintrat, sah sich ganz Mitteleuropa in Schrecken versetzt, und allgemein gab man zu bedenken, ob wir des „dampfenden Waldes" nicht schon zu wenig haben. In Vereinen und Schriften wurde die Walderhaltungsfrage lebhaft diskutiert und bildete daselbst den Gegenstand eifriger Bemühungen und Bestrebungen, und in der Erkenntnis, dass ein konservatives Vorgehen in der Waldschutzfrage innerhalb der Grenzen eines Landes allein für das allgemeine Wohl nicht ausreiche, wurde 1873 dem internationalen Kongress der Land- und Forstwirte die Aufgabe gestellt, zu erörtern, „welche internationale Vereinbarungen notwendig seien, um der fortschreitenden Verwüstung der Wälder entgegenzutreten". Dies und viele der jüngsten Maßnahmen behufs Überwachung der Behandlung von Wald und Waldboden geben den Beweis, dass es in Österreich maßgebenden Orts mit der Sorge um den Wald, seiner großen Bedeutung in gewerblicher, hygienischer und sozialer Beziehung wegen doch ernst genommen wird. Das sei um dieser Bedeutung willen, welche von dem Nachstehenden vorausgesetzt wird, als eine gewiss sehr erfreuliche Tatsache bezeichnet.

Es wurde zwar in neuester Zeit nachzuweisen versucht, dass die Sorge um den Wald gewissermaßen eine überflüssige sei, weil die Wälder auf das lokale Klima und die Regenmenge einer gewissen Gegend keinen Einfluss üben, da beiderlei nur von der geographischen Lage, der Terrainbildung, namentlich von der Art und Weise, wie die einzelnen Gegenden von den äquatorialen und polaren Luftströmungen betroffen werden, abhängig bleibt, kurz gesagt, weil nicht die Wälder den Regen machen, sondern der Regen die Wälder. Dies ist im Grunde genommen keine neue Ansicht; denn schon Boussingault hat den Grundsatz ausgesprochen, dass die Entwaldung die lokale Niederschlagsmenge nicht vermindere und die Vegetation auf letztere keinen Einfluss habe.

In Bezug auf die Regenmenge haben in der Tat selbst die bisher bekannt gewordenen Messungen (Ebermayer u. A.) keinen nennenswerten Einfluss des Waldes nachzuweisen vermocht. Gewiss ist es, dass der Wasserdunst, der in einer Gegend als Regen niederfällt, nicht in derselben Gegend aufgestiegen, sondern von den Luftströmungen aus weit entfernten Himmelsstrichen herbeigeführt worden ist. Aber es lässt sich ebenso wenig leugnen, dass die Wälder, wenn auch bei weitem nicht in dem Maße wie die kalten Luftströmungen, mit zur Kondensation der atmosphärischen Luftfeuchtigkeit beitragen, indem sie in ihrer schattigen Kühle eine ungleich bedeutendere Feuchtigkeitsmenge aufhalten als die kahlen Landstrecken und dadurch die über ihnen stehenden Luftschichten kühler erhalten. An trüben Tagen bemerkt man in Gegenden, wo Wald und Feld mannigfach wechseln, die über den Wäldern stehenden Nebel viel dunkler als über den kahlen Strecken; es muss also die Luftfeuchtigkeit daselbst viel dichter, in größerem Maße kondensiert sein. Dove, in Bezug auf Meteorologie jedenfalls eine der kompetentesten Autoritäten, weist selbst darauf hin, dass die Beschaffenheit des Bodens bei den Niederschlägen gerade keine ganz unwesentliche Rolle mitspielt, und dass lokale Ursachen allerdings zum Beispiel keinen Landregen aufzuhalten vermögen, aber für den Zug der Gewitter und Hagelwetter von Bedeutung sind. „Diese Wirkung des Bodens auf den über ihm befindlichen Luftkreis," sagt er, „verändert sich mit der veränderten Beschaffenheit desselben, und nach dieser Seite hin hat der Bewohner des Landes einen Einfluss auf das Klima desselben." Humboldt („Asie centrale") sagt: „Die Seltenheit oder der gänzliche Mangel an Wäldern steigert zugleich die Temperatur und die Trockenheit der Luft, und letztere übt, indem sie die Größe der verdunstenden Wasserflächen und die Vegetationskraft im Rasen vermindert, eine Rückwirkung auf das lokale Klima aus."

Dass aber die Wälder einen wesentlichen Einfluss auf die Bodenfeuchtigkeit, auf die Bildung von Quellen und auf den Wasserstand der Bäche und Flüsse und dessen Regelmäßigkeit üben, lässt sich angesichts unzweifelhafter Erfahrungen, die wir besitzen, noch weniger bestreiten. Im Schatten des Laubdaches, namentlich in dem kühl erhaltenen Boden, erfolgt die Verdichtung der in der herbeiströmenden wärmeren Luft enthaltenen und vom Boden absorbierten Feuchtigkeit leichter und ausgiebiger, und wird von den Massen hygroskopischer Baumabfälle begierig aufgesaugt und zurückgehalten. Der Boden erhält dadurch die wohltätige Frische, die Quelle die nötige Nahrung; denn die Tröpfchen sickern vermöge der Schwerkraft nach abwärts in die kühle Tiefe, es kann sie weder die Sonne, sie samt und sonders in Dunstform umwandelnd, weglecken, noch ein Luftstrom, der außerhalb des Waldes heftig weht) dessen Kraft jedoch im Walde gebrochen erscheint, so leicht hinwegführen. Der Forstmann kennt den Unterschied in der Bodenfrische des dichtbelaubten enggeschlossenen Buchenbestandes und jener des schütteren, lichtbedürftigen Kiefernwaldes sehr wohl; er kann auch beobachten, wie Quellen, welche an oder unter waldbestockten Hängen zu Tage treten, an Stärke bedeutend abnehmen, ja sogar versiegen, sobald der Abtrieb des darüber stehenden Bestandes vollzogen ist.

Zahlreiche Beispiele beweisen auch, dass die Wälderausrottung große Unregelmäßigkeiten im Wasserstand der Flüsse und Seen und das häufigere Auftreten von Überschwemmungen verschuldet hat. Namentlich ist an den meisten Flüssen Europas eine stetige Abnahme des Wasserstandes zu beobachten. Nach Messungen, welche in dem Werke „Über die Wasserabnahme in den Quellen, Flüssen und Strömen bei gleichzeitiger Steigerung der Hochwässer in den Kulturländern" von G. Wex veröffentlicht erscheinen, hat die mittlere Jahreswasserstandhöhe
der Elbe bei Magdeburg in 142 Beobachtungsjahren um 31.0,
der Donau bei Alt-Orsowa in 32 Beobachtungsjahren um 17.6,
des Rheins bei Germersheim in 28 Beobachtungsjahren um 16.6,
der Oder bei Küstrin in 58 Beobachtungsjahren um 10.1 rheinische Zoll abgenommen. Dieser Übelstand wird der fortschreitenden Wälderausrottung in den Quellengebieten jener Flüsse zugeschrieben und diese Ansicht mit Prozentzahlen der einstigen und gegenwärtigen Ausdehnung der Waldungen belegt.

Die Seen von Neuenburg und Biel in der Schweiz haben an Wassermenge bedeutend eingebüßt; die Ursache erblickt man in der Verwüstung der Alpenwälder und leitet hiervon auch den Grund zur Überhandnahme der vernichtenden Hochwässer der Alpenbäche und Flüsse ab. Humboldt, Boussingault, Klöden u. A. führen Beispiele an von Wasserabnahme in Flüssen und Seen in Folge von Vernichtung der Waldungen durch Art und Feuer in Süd-Amerika, in Mexiko und auf den Antillen. Die Geschichte weist nach, dass Griechenland im Altertum ein wald- und quellenreiches Land war; jetzt ist es waldarm, öde und trocken. Sizilien, einst die Kornkammer Roms, ist größtenteils unfruchtbar geworden, seitdem seine Wälder verschwunden sind.

Übersehen wir nun auch noch die taufördernde Wirksamkeit des Waldes nicht, so präsentiert sich dieser in der Tat als ein in Bezug auf die Fruchtbarkeit des Bodens, welche mit dem Feuchtigkeitszustande der Gegend im engsten Zusammenhange steht, gewiss sehr einflussreicher Faktor.

Allein abgesehen von seiner wasserbildenden Kraft macht sich uns der Wald noch in vieler anderer Hinsicht wertvoll. Es gibt Landstriche, welche seiner absolut nicht entraten können, wie z. B. steile Flussuferlehnen und Hänge im Hochgebirge, wo Erdabschwemmungen, Rutschungen, Bergstürze u. dergl., den wenigen, pflanzennährenden Boden der Lehnen mitnehmend, auch das darunter liegende fruchtbare Gelände verschütten und verderben, und wo nebstbei im Winter die Lawinengefahr Gut und Leben der Bewohner bedroht. Ferner Flugsandböden, deren bewegliches Element, die angrenzenden Äcker und Wiesen überdeckend, sie in Steppen verwandelt.

Eine nicht zu unterschätzende Wohltat gewähren die Wälder auch namentlich in hygienischer Beziehung. Es ist bekannt, dass, indem die in den tierischen Organismen durch Oxydation von Stickstoff, Kohlenstoff und Wasserstoff gebildeten Gase (Ammoniak, Kohlensäure und Wasser) durch den Prozess des Pflanzenlebens beständig desoxydiert und wieder frei dem animalischen Leben zugeführt werden, die Vegetabilien luftreinigend wirken und schädliche Miasmen zerstören, um so mehr, als der von den Pflanzen ausgehauchte Sauerstoff größtenteils in dem mit oxydierbaren Stoffen sich leichter verbindenden Ozon besteht. Jedermann ist überzeugt, dass das Leben am Lande, wo rauschende Wälder reine Luft hauchen und erfrischenden Schatten spenden, ungleich gesünder ist als in großen Städten, und diese suchen sich in tunlichster Erweiterung der Baumanlagen in ihrer nächsten Nähe wenigstens einigermaßen Erleichterung zu verschaffen. Wien weiß seinen Prater und den Wienerwald zu schätzen und möchte beide wohl um keinen Preis hergeben! Paris ist glücklich im Besitze seines bois de Boulogne!

Sehr auffallend aber zeigt sich der Einfluss der Bewaldung auf die hygienischen Zustände in Gegenden, die, früher dicht bewaldet, gegenwärtig aber vom Walde ganz entblößt, öde und traurig daliegen, wie beispielsweise die Eifelgegend, wo körperliche und geistige Verkrüppelung zur Regel zu gedeihen drohten. Die englische Regierung hat aus den Berichten der Gesandtschaften und Konsulate Daten über den Einfluss der Wälder auf das Klima gesammelt und im vorigen Jahre veröffentlicht. In diesem Werke wird das Einbürgern des gelben Fiebers in Rio de Janeiro auf die Wälderverwüstung zurückgeführt.

Stellen wir endlich auch noch das in Rechnung, was uns der Wald in moralischer Beziehung leistet. Riehl hebt in „Land und Leute" die sozialpolitische Wichtigkeit dieser Leistung hervor und sagt unter Anderem: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Auch wenn wir keines Holzes mehr bedürften, würden wir doch den Wald
Brauchen . . . . Brauchen wir das dürre Holz nicht mehr, um unseren äußeren Menschen zu erwärmen, dann wird dem Geschlechte das grüne, in Saft und Trieb stehende zur Erwärmung seines inwendigen Menschen um so nötiger sein." — Der Charakter des Volkes hängt immer von der Beschaffenheit seines Wohnsitzes, dem Charakter seiner Heimat ab und von dem, was seine Sinne zumeist beschäftigt. Der Jäger im waldreichen Gebirge sticht gewaltig vom Fischer und Seemann an der Meeresküste ab, und Beide sind grundverschieden vom bedächtigen, halb verweichlichten Ackerbauer des Flachlandes. Die Gemütsfrische der Bewohner Deutschlands wird hauptsächlich dem Wälderreichtum dieses Länderstriches zugeschrieben u. s. w.

Wir haben also gewiss ein hohes Interesse daran, den Wald zu pflegen, zu schützen und ihn zu erhalten; wir haben ein Interesse daran, zu diesem Schutze alles Mögliche aufzubieten, zumeist gerade jetzt, da Habsucht und Gründerschwindel, den Ruin im Gefolge, zum Teil wohl auch das Bestreben, unverhältnismäßige Bedürfnisse zu befriedigen, in den Wäldern reiche Goldquellen entdeckt zu haben vermeinen.

Die Notwendigkeit dieses Schutzes wird wohl von Niemand mehr, der dem volkswirtschaftlichen Leben einiges Interesse zugewendet hat, bezweifelt und bestritten. Allein auch über die Frage, wie und wodurch der Wald erhalten werden kann und soll, sind die Ansichten im Allgemeinen noch sehr geteilt, und auf dem Wege zu ihrer Beantwortung begegnet man noch immer den extremsten Richtungen. Während der Eine in der weitest gehenden gouvernementalen Bevormundung der Waldwirtschaft alles Heil erblickt, klammert sich der Andere an den fortschrittlichen, nationalökonomischen Grundsatz: „Alle wirtschaftlichen Verhältnisse regeln sich von selbst und durch sich selbst", und verlangt, dieses Prinzip ohne weiteres auch auf die Forstwirtschaft anwendend, für den Wald vollkommen freies Dispositionsrecht auch in Bezug auf die Verwendung von Grund und Boden.

Jener sieht in dem Umstande, dass wir in letzter Zeit von häufigeren Elementarunfällen heimgesucht worden sind, schon einen absoluten Mangel an Wald und fordert rücksichtslos die unbedingte Aufrechterhaltung des jetzigen Waldstandes. Er will keine Quadrat-Klafter Waldgrund mehr anderen Zwecken gewidmet, die Kontrolle darüber jedoch so weit ausgedehnt sehen, dass sich zahlreiche Regierungsorgane auch in die inneren Details der Einzelwirtschaften mischen können. Der trockene Staatsfinanzmann dagegen, der in der geringeren Erträglichkeit des Waldes die Beeinträchtigung der Steuerkraft, im Walde selbst ein Hemmnis der Populationsvermehrung, im Ganzen daher eine Beeinträchtigung der politischen Machtstellung des Staates erblickt, und der deshalb den Wald ausschließlich auf den absoluten Waldboden zurückgedrängt wissen will, vergisst, dass sein Urteil nur bis zu einer gewissen und nicht sehr weiten Grenze hin stichhaltig bleibt; denn die Erfahrung lehrt, dass sich der Schaden, den er durch die Erziehung von Wald auf nicht absolutem Waldboden der Steuerkasse zugefügt wähnt, in entwaldeten Gegenden in mehr als doppelter Größe fühlbar macht. Die Entwaldung ist das Prinzip der Trockenheit, selbst wenn ihr Einfluss auf die Regenmenge als nichts angeschlagen wird. Denn wo der Wald, der die Quellen- und Taubildung fördert und die häufigeren, wenn auch schwächeren Niederschläge mehr verteilt und ausgleicht, verschwindet, da verliert auch der der Landwirtschaft gewidmete Boden den notwendigen Feuchtegehalt, und er kann nicht mehr so wie früher produzieren. Und wo dem Landmann Tau und Bodenfrische versagt sind, da wachsen ihm auch keine vollen Ähren, und wenn seine Hoffnung ja einmal üppiger grünt als sonst, so ist er doch nicht sicher, dass sie ihm ein mächtiger Platzregen, von keinem Waldgrund aufgehalten, und offene, glatte Rinnsale findend, über Nacht nicht vernichtet. Dann muss natürlich auch der Ertrag der Landwirtschaft tief herabsinken, und wo der Rohertrag von den Produktionskosten aufgezehrt wird, dort muss auch die Steuerkraft fraglich werden, gleichwie die Entwicklung der politischen Machtstellung des Staates dort, wo in Folge der Unfruchtbarkeit der Ländereien der Populationsvermehrung ein Riegel vorgeschoben erscheint.

Die Ursache der stetigen Erweiterung des landwirtschaftlichen aus Kosten des Waldbodens liegt in der Tat in der geringeren Erträglichkeit der Forstwirtschaft. Es wird vom Einzelnen keine Rücksicht aufs Ganze genommen. Der Mensch ist nie zufrieden mit dem, was er hat, und sein Leben ist nichts als ein Ringen nach mehr und mehr bis zum Tode. Jeder richtet sich hiernach seine Wirtschaft ein und greift am liebsten zu jener Form derselben, welche ihm einen größeren Erwerb verspricht. Er vernichtet das beste Feld, um darunter das glänzende Gold oder die Triebkraft seiner Industrie, die Kohle, zu graben, oder die Industrie durch Fabrikanlagen selbst darauf zu verpflanzen. Er haut den poetischsten Wald nieder, um, wenn er davon einen größeren Gewinn zu hoffen hat, auf der Fläche desselben sein unmittelbares Brot zu säen und zu ernten. Wer kann es ihm im Grunde übel nehmen, da Preise, Kosten und Bedürfnisse in stetigem Wachsen begriffen sind? Jede Generation hat für die nachfolgende zahlreichere mehr zu sorgen, als für sie die vorhergegangene. Die Teilung liegender Güter gewinnt gleich der Population an Ausdehnung. Es sorgt darum der Einzelne, die Erwerbsquellen seiner Kinder zu mehren und ihre Kraft zu steigern. Er denkt immer nur an das Zunächstliegende, an das Seine, und vergisst nur zu leicht, zu bedenken, ob sein Beginnen dem großen Ganzen immer ersprießlich ist. Aus Ursache dieser Verhältnisse ist wohl dem Waldbesitzer das moralische Recht, mit seinem Walde nach eigenem Ermessen zu schalten und zu walten, nicht zu bestreiten.

Allein kein Erwerbszweig ist so konservativer Natur als eben die Forstwirtschaft, und wenn auch sonst dem Hauptprinzip alles gewerblichen Lebens, welches der Fortschritt auf dem Gebiete der Volkswirtschaft ausgebildet hat, nämlich dem der unbehelligten Gebahrung und freien Entwicklung, gehuldigt werden muss, so kann man sich doch nicht verhehlen, dass sich der Waldwirtschaftsbetrieb heute noch nicht ganz und in seiner Gesamtheit dazu eignet, unter jene freien Gewerbe so leichthin subsumiert zu werden. Roscher sagt*), dass mit der Betriebsintensität eines Gewerbes auch die Möglichkeit der freien Eigentumsbewegung wächst, dass die Forstwirtschaft hinter der Landwirtschaft um Menschenalter, ja vielleicht um Jahrhunderte zurücksteht, und dass somit endlich von der ersteren die Freiheit der Disposition ungleich weniger vertragen wird, als von der letzteren.

Erwägen wir nun, dass der jährlich fällige Massenertrag des Waldes, der Zins, in einem gewissen Teil der vorhandenen Bestände, des Massenkapitals, besteht, dass also die Unterscheidung von Kapital und Zins, indem beide ein und dieselbe Form und Gestalt besitzen, im Materiellen einiger Unklarheit und Ungewissheit unterworfen ist, und dass dadurch endlich unbewusst, oder, wenn bewusst, dann sehr bequem ein Angriff aufs Waldkapital erfolgen kann, woraus nach und nach eine Herabminderung der Erträglichkeit des Waldbodens, ja möglicherweise eine Devastation im forsttechnischen Sinne hervorzugehen vermag; und erwägen wir, dass es eben zumeist das Sinken des Ertrages ist, was zur Umwandlung in Feld oder Wiese treibt: so müssen wir in der Tat befürchten, dass der Wald ohne Einschränkung des Dispositionsrechtes nach und nach wirklich ausschließlich den absoluten Waldboden einnehmen würde. Nun gibt es aber sehr große und ausgedehnte Länderstrecken, die fast keinen absoluten Waldboden aufzuweisen haben, und es müssten, wenn sich der Wald innerhalb solcher Gebiete dennoch teilweise erhielte, die Holzpreise durch vermehrte Nachfrage und vermindertes Angebot soweit gestiegen sein, dass seine Flächeneinheit nachhaltig denselben oder einen größeren Ertrag zu liefern im Stande wäre, wie jene der Landwirtschaft von kleinem Umfange. Es bleibt aber fraglich, ob dann der Ertrag der letzteren in Folge ungünstiger Modifikation der lokalen Feuchtigkeitsverhältnisse nicht schon im Sinken begriffen wäre. Ein so rapides Steigen der Holzpreise steht, angesichts unserer heutigen Verkehrsanstalten, welche die Konkurrenz auch aus weiter Ferne erleichtern, auch gar nicht zu erwarten.

*) „Ein nationalökonomisches Hauptprinzip der Forstwirtschaft.“

Es leuchtet daher ein, dass das Recht der Verwendung von Wald-Grund und Boden im Prinzip der Notwendigkeit der Einschränkung unterliegt; ausdrücklich gesagt: im Prinzip, denn auch hier machen sich Ausnahmen von der Regel geltend, und wenn auch das Recht und die Pflicht des Staates, im Wege des Gesetzes Maßregeln zu ergreifen, welche die fragliche Dispositionsbefugnis; kürzen, im großen Ganzen anzuerkennen ist, so kann doch noch dargetan werden, dass jenes Prinzip nicht auf jeden Wald und allen Wald-Grund und Boden Anwendung finden muss. Diese Voraussetzung bedingt nun die Annahme, dass in so mancherlei Fällen das Recht der freien Bewegung durch ein rücksichtsloses Gesetz verkümmert wird, wo es weder opportun noch notwendig ist; für solche Fälle dünkt uns ein derartiges Gesetz nationalökonomisch nicht gerechtfertigt.

Vor Erörterung dessen gibt es jedoch noch Anderes zu erwägen.

Die Erhaltung der Wälder

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Carlowitz, Hans Carl von (1645-1714) Senior der deutschen Forstschriftsteller

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Berg-Ahorn

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Birken

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Eichen

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