Niedergang des deutsch-russischen Handels im 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

In der Folgezeit fehlte es zwar nicht an Bemühungen der deutschen Städte, den Handel mit Russland wieder aufleben zu lassen. Immer wieder wurden Gesandtschaften nach Moskau geschickt, Verhandlungen angeknüpft, und es gelang sogar, mit dem Großfürsten Wassili und später auch mit den Zaren Feodor und Boris Godunow Handelsverträge abzuschließen, die der Hanse und besonders Lübeck ihre alten Rechte wiedergaben (23). Aber seine jahrhundertelang behauptete Vormachtstellung konnte der deutsche Städtebund nie mehr erlangen. Die livländischen Städte, die inzwischen immer größeren Anteil am russischen Handel genommen hatten, sonderten sich von der Hanse ab und suchten auf alle mögliche Weise den direkten Verkehr der Deutschen mit Nowgorod und Pskow zu hintertreiben. Diese wählten sich deshalb einen neuen Stapelplatz, Narwa, das seit 1558 in den Besitz Russlands gelangt war. Doch hatten sie hier unter der Konkurrenz der Engländer, Holländer und Franzosen sehr zu leiden. Ja, die Menge der nach Narwa eingeführten Waren war zeitweise so groß, dass es damals schon zu einem regelrechten „dumping" kam, Nyenstädt berichtet in seiner livländischen Chronik darüber: „Laken, Seiden-Gewand, Sammet und andere Stückwaren, Spezerei und Getränke mussten sie wohlfeiler abgeben, als sie sonst eingekauft hatten, Ich mag die Wahrheit reden, dass ich es von den Moskowitern gehört, dass sie viele Pfunde blazen-Gold das Pfund um 10 Thaler gekaufet, welches in Deutschland 15 Rthaler bezahlt stand, schöne Damaste in ganzen Ballen, die lange brabantische Elle für einen Rthaler, die für 2 Rthaler nicht eingekauft worden, englische Laken für 30 und 36 Rthaler zum Höchsten, die doch 45 Thaler kosten." — Aber selbst diesen wenig gewinnbringenden Handel konnten die Hanseaten nur mit Mühe aufrecht erhalten. Die Narwa-Fahrt erregte den Neid der livländischen Kaufleute, die den russischen Handel zu monopolisieren gedachten. Reval stellte sich unter den Schutz des Königs von Schweden, dessen Kriegsschiffe die nach Narwa segelnden Kauffahrteiflotten aufbrachten. Ein langwieriger Kaperkrieg entstand, den Lübeck, von allen anderen Hansestädten im Stich gelassen und nur mit Dänemark verbunden, mit außerordentlicher Energie durchführte (24). Als aber die Schweden 1581 Narwa eroberten, wurde damit auch der letzte unmittelbare Handelsweg nach Russland versperrt. Die Schweden, die die ganze Ostseeküste in ihren Besitz brachten, erhoben hohe Durchgangszölle und machten es so den deutschen Kaufleuten trotz der obenerwähnten Vergünstigungen, die Feodor und Boris Godunow den Lübeckern gewährten, unmöglich, mit den Engländern zu konkurrieren. Diese hatten auf der Suche nach dem nordöstlichen Wege nach Indien im Jahre 1553 den nördlichen Seeweg nach Russland durch das Weiße Meer und die Dwinamündung bis zum heutigen Archangelsk entdeckt und seitdem einen immer größeren Anteil am russischen Handel genommen. Unter der Regierung der Königin Elisabeth verstanden es die Engländer, sich wichtige Privilegien zu sichern, die ihnen eine fast unbestrittene Monopolstellung im russischen Handel verschafften.

„Die Engländer", so heißt es in einer Klageschrift, die eine große Anzahl von russischen Kaufleuten im Jahre 1646 an den Zaren Alexei richtete, „haben die Erschöpfung Russlands nach der Zeit der Unruhen benutzt und russische Beamte bestochen, um sich Handelsprivilegien in Russland zu sichern, während die russischen Kaufleute dadurch vollständig außer Brot gesetzt sind und sich in verschiedenen Städten herumbetteln müssen. Die Engländer sind in viel größerer Zahl nach Russland gekommen, als ihnen zugestanden gewesen, haben in Archangelsk, Cholmogory, Wologda, Jaroslaw, Moskau und anderen Städten große Kaufhöfe errichtet und Speicher gebaut, haben aufgehört, ihre Waren den russischen Kaufleuten in Archangelsk zu verkaufen und sind statt dessen nach Moskau und in die anderen Städte mit ihren Waren gekommen. Und dann warten sie noch auf hohe Preise und verkaufen ihre Waren nicht früher, selbst wenn sie zwei bis drei Jahre warten müssen, Russische Waren kaufen sie nicht mehr direkt von den russischen Kaufleuten, sondern lassen diese durch ihre Bevollmächtigten im Lande selbst aufkaufen" (25).


Und in der Tat wurde das russische Eisen fast ausschließlich durch die Engländer an andere Nationen abgeliefert, der Handel mit Segeltuch und Leinwand war ganz in ihren Händen, sie hatten ein ausschließliches Recht, man die Waren, wie Zwirn, Garn, Salpeter usw. zu exportieren, der Rhabarber, ein Monopol der Krone, wurde in Holland und Hamburg durch den in Petersburg befindlichen englischen Residenten verkauft. Die Kaufleute Südeuropas wandten sich mit ihren Bestellungen fast ausschließlich an englische, in Russland etablierte Häuser (26). Noch bis ins 19. Jahrhundert hinein befand sich der größte Teil des Handels in den russischen Häfen an der Ostsee und im Weißen Meere in den Händen der Engländer.

Gegenüber diesen Erfolgen der „merchant adventurers" geriet der deutsche Kaufmann ganz ins Hintertreffen, Schuld daran trugen die politischen und kriegerischen Wirren, von denen Deutschland während des 16. und 17. Jahrhunderts heimgesucht wurde. Insbesondere hat das furchtbare Elend des Dreißigjährigen Krieges wie auf allen Gebieten des politischen, geistigen und wirtschaftlichen Lebens, so auch auf dem des Handels Deutschland Wunden geschlagen, deren Spuren erst das 19. Jahrhundert völlig getilgt hat. Der Niedergang der Hansa vollzog sich unaufhaltsam. Beschleunigt wurde er noch durch das Erstarken der Territorialherrschaften, Die deutschen Landesherren suchten die Selbständigkeit der zur Hanse gehörenden Städte auf ihrem Gebiete zu brechen, so hat schon der zweite Hohenzoller in der Mark Brandenburg den Austritt seiner Landstädte aus der Hanse Erzwungen. Ebenso sahen wir, wie die Bildung eines einheitlichen absolutistischen russischen Staates durch Iwan III, zum Verlust der Privilegien der Hanse und zur Schließung des St. Peterhofes in Nowgorod führte. Ein Jahrhundert später wiederholte sich dieser Vorgang in England, wo die Königin Elisabeth 1597 den hansischen Stahlhof zu London schloss. Ebenso wenig konnte sich der deutsche Handelsbund den anderen Territorialstaaten des Ost- und Nordseebeckens, namentlich Schweden gegenüber, behaupten. Den realen Machtmitteln derselben konnte die Hanse nur noch papierne Proteste und Klagen bei Kaiser und Reich entgegensetzen und ging so ihrer gänzlichen Auflösung entgegen.
Ein Sommertag auf dem Lande

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Bäuerinnen warten auf den Briefträger

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Bauernhaus in Kieff (Süd Ukraine)

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Bauernhäuser in Lowicz 2 (Polen)

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Bauernhäuser in Lowicz (Polen)

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Bauernhäuser in Urzedow (Polen)

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Bemaltes Bauernhaus

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Bauernhaus in Kujavia

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Im Innern einer Bauernwohnung

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Dorfkirche in Smardzewice (Polen)

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Heuernte in Volhynia

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