Zweite Fortsetzung

Im folgenden geben wir eine Zusammenstellung der wichtigsten, gemäß dem Tarife vom 12. März 1822 geltenden russischen Zollsätze und fügen zum Vergleiche die entsprechenden preußischen hinzu (63).

Um den Vertragsbruch, den Russland mit der Einführung dieses Tarifes beging, wenigstens äußerlich zu maskieren, wurde bestimmt, dass preußische, mit Ursprungszeugnissen versehene Fabrikate aus Leder, Leinwand und Wolle auch weiterhin zu den in der Konvention des Jahres 1819 bestimmten Zollsätzen eingeführt werden dürften, aber nur in bestimmten Mengen. Diese waren für Lederwaren auf 1 Million Rubel Fakturenwert, für Wollwaren auf 7.000 Pud und für Leinen auf 500 Pud reinen Gewichts begrenzt, der Tuchtransit nach China wurde auf 600.000 Arschin beschränkt, außerdem wurde die Einfuhr an bestimmte Einlasspunkte gebunden.


Ehe Preußen sich zu Gegenmaßnahmen entschloss, versuchte König Friedrich Wilhelm nochmals persönlich auf den Zaren einzuwirken und schrieb ihm am 13. Juli 1822 (64):

Und wirklich leitete der russische Gesandte im September 1822 neue Verhandlungen ein, die jedoch auf Betreiben des russischen Finanzministers Gurjew und der Polen, die jede Gelegenheit wahrnahmen, um das Einvernehmen zwischen Berlin und Petersburg zu stören, ohne jeden Erfolg blieben.

So musste sich die preußische Regierung nach langem Zögern dennoch entschließen, auch ihrerseits den Zolltarif Russland gegenüber zu ändern. Durch Kabinettsorder vom 10. April 1823 wurde der Zoll für Weizen und Hülsenfrüchte auf 7 ½ Sgr., für anderes Getreide auf 5 Sgr., für Rindvieh auf 10 Tlr., Kleinvieh auf 3 und 2 Tlr., Glas auf 3—6 Tlr. bemessen, gleichzeitig ein Ausfuhrzoll auf Rohbaumwolle, Häute, Farbhölzer, Karten, Leinwandlumpen und Wolle gelegt und die Transitgebühr für die meisten Waren auf 3 Tlr, erhöht.

Diese Gegenmaßnahmen übten denn auch bald ihre Wirkung aus. Russland lenkte ein und sandte einen außerordentlichen Bevollmächtigten, den Baron von Mohrenheim, nach Berlin mit dem Auftrage, neue Verhandlungen zu beginnen. Nach schier endlosen diplomatischen Gefechten hob die preußische Regierung am 19. November 1824 die Zollerhöhungen wieder auf und erließ gleichzeitig einen neuen Tarif, dessen Sätze aber im Vergleich zu den vor 1823 geltenden Eingangszöllen noch einige Erhöhungen aufwiesen. Diese waren für Getreide, Steinkohlen und Vieh in den östlichen Provinzen größer als in den westlichen.

Immerhin bedeutete dieser Tarif mit den Retorsionsbestimmungen vom 10. April 1823 verglichen ein Zugeständnis der preußischen Regierung, das die weiteren Verhandlungen wesentlich erleichterte. Diese führten am 11. März 1824 zum Abschluss eines auf neun Jahre berechneten Handels- und Schifffahrtsvertrages, dessen wichtigste Bestimmungen lauteten (66):

Artikel 1 . Die Untertanen der beiderseitigen Regierungen werden in Beziehung auf Verkehrsverhältnisse in dem anderen Staate den Angehörigen desselben gleich geachtet und behandelt.
Artikel 2. Wollen sie in den Städten ihre Waren an einen Nichtbürger verkaufen, so müssen sie sich dabei der Vermittlung eines Bürgers der betreffenden Stadt bedienen,
Artikel 3. Entrepot-, Stapelrecht- und andere ähnliche Abgaben, die nicht mehr bestehen, dürfen nicht wieder hergestellt werden.
Artikel 4. Hinsichtlich alles dessen, was die Fluss- und Kanalschifffahrt anbetrifft, findet unbedingte gegenseitige Gleichstellung der beiderseitigen Untertanen statt.
Artikel 5. Die Benutzung der Weichsel, des Njemen und ihrer Zuflüsse ist frei von Abgaben.
Artikel 7. Beide Regierungen erkennen im vollen Umfange die Vorteile, welche die Annahme des Grundsatzes vollständiger Handelsfreiheit und eines von übermäßigen Abgaben befreiten Verkehrs gewähren würde. Allein Verhältnisse, deren Beseitigung untunlich ist, verhindern die sofortige und vollständige Anwendung dieses heilbringenden Systems, weshalb die beiden Regierungen, um ihre wohlwollenden Absichten nicht im Zweifel zu lassen, über die Annahme der nachfolgenden Bestimmungen sich vereinbart haben.
Artikel 8. Jede der beiden Mächte behält sich das Recht vor, hinsichtlich der Ausfuhr nach dem von ihr angenommenen Handelssystem Bestimmungen zu treffen.
Artikel 9. Der Einfuhrhandel aber wird nach den allgemeinen Bestimmungen der bestehenden Tarife behandelt, ohne dass die mit anderen Staaten bereits getroffenen oder noch zu machenden Stipulationen in Anspruch genommen werden können.
Artikel 10. Russisches und polnisches Getreide, mittels der Weichsel und des Njemen nach Preußen geführt, darf nur (den näherbezeichneten) geringen Abgaben unterworfen werden.
Artikel 11. Wird auf anderem Wege Getreide nach Preußen geführt, so unterliegt solches den dort bestehenden Tarifsätzen. Für das nach Russland und Polen gebrachte preußische Getreide werden die Sätze der dortigen Tarife erhoben, jedoch dürfen die polnischen Tarifsätze auf eingeführtes preußisches Getreide die Abgaben, welche polnisches beim Eingange in Preußen erlegen muss, nicht übersteigen.
Artikel 12. Die russischen Zollstellen zu Yourburg und Polangen werden zu Zollämtern erster Klasse erhoben und dürfen alle nichtverbotenen Artikel einführen lassen, mit Ausnahme jedoch des Rums, Arraks, Branntweins, der Tuche, Halbtuche und des Kasimirs.
Artikel 13. Auf der Grenze zwischen Preußen und dem Königreiche Polen sollen 12 polnische und 10 preußische Hauptzollämter bestehen.
Artikel 14. Diese polnischen Hauptzollämter können alle nicht verbotenen Gegenstände einführen lassen.
Artikel 15. Eine genügende Zahl von Zollämtern zweiter Klasse soll außerdem errichtet werden, um den kleinen Grenz- und nachbarlichen Verkehr zu erleichtern, weshalb auch einzelne Gegenstände, wie Kräuter, Heu, Stroh, grünes Gemüse, frische Fische, Eier, Milch, frische Früchte, Torf, Brennholz usw. frei von allen Eingangs- oder Verbrauchsabgaben sein sollen.
Artikel 16. Der gegenseitige persönliche Geschäftsverkehr und Marktbesuch soll möglichst erleichtert werden und das Nähere nach gemeinsamer Verabredung durch ein besonderes Reglement bestimmt werden.
Artikel 17. Der Durchgangshandel, einerseits über die preußische Grenze vom Baltischen Meere bis zur Weichsel einschließlich, andererseits die Häfen Danzig, Elbing, Königsberg und Memel berührend, soll nur den (in einem besonderen Anhange) bestimmten preußischen Abgaben unterworfen sein.
Artikel 19. Der Transit durch das Königreich Polen in allen Richtungen bleibt durchaus frei.
Artikel 21. Hinsichtlich des Transits auf der Straße von Brody nach Odessa bleiben die Bestimmungen des Ukas vom 14. August 1818 in Kraft.
Artikel 23. Sollte nach Ablauf der neunjährigen Dauer dieses Vertrages eine Verlängerung desselben nicht geschehen, so dienen dem ungeachtet die Grundsätze, auf welchem der Wiener Vertrag vom 21. April 1815 beruht, hinsichtlich der Schifffahrt und des Handels zur ferneren Richtschnur.
Volksbelustigung der Russen

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Wilna

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In Petersburg gab es Studentenrevolten

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In Kiew erschien die erste Proklamation des Bundesrates

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Kasan, russische Stadt

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Katharina II, die Große (1729-1796), Zarin des russischen Reiches

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In Moskau kam es zu großen Studentenunruhen

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Nikolaus I. (1769-1855), russischer Zar

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