Fünfte Fortsetzung

Der Tarif von 1850 zeitigte sehr gute Folgen für Russland. Nicht nur, das keiner der bedeutenderen russischen Industriezweige unter der Ermäßigung der Eingangszölle litt, im Gegenteil, unter dem Anreiz fremder Konkurrenz gelangten sie zu vollkommneren Produktionsmethoden, verbesserten und verbilligten ihre Erzeugnisse und nahmen einen größeren Aufschwung denn je. Auch der Fiskus kam bei den niedrigeren Zollsätzen besser davon, denn in den von der Zollermäßigung betroffenen Artikeln nahm die Ein- und Ausfuhr derartig zu, dass auch die Zolleinnahmen sich hoben. Unter diesen Umständen entschloss man sich, noch einen Schritt weiter in der 1850 eingeschlagenen Richtung zu gehen. Im Jahre 1857 kam wieder unter der Initiative Tengoborskis ein Zolltarif zustande, der von 19 für die Einfuhr noch verbotenen Artikeln sieben freigab und über 60% aller Zollsätze weiterhin ermäßigte.

Trotz allem war aber der russische Zolltarif, mit dem des deutschen Zollvereins verglichen, noch ein recht hoher. Zunächst waren zahlreiche Nahrungs- und Genussmittel, Rohstoffe und Halbfabrikate, die ohne jeden Zoll nach Deutschland eingeführt werden konnten, in Russland immer noch mit Eingangsabgaben belegt. Aber auch da, wo, wie bei den Fabrik- und Handwerkserzeugnissen der Zollverein fast durchweg Eingangszölle erhob, waren diese viel niedriger bemessen. So betrug der Eingangszoll pro Pud für:


Aber selbst dieser verhältnismäßig niedrige Vereinszolltarif erschien der öffentlichen Meinung Preußens als lästige Fessel. Hier hatte die Industrie einen mächtigen Aufschwung genommen und suchte, nun jeder Konkurrenz gewachsen, fremde Märkte zu erobern, wozu sie billige Rohstoffe und Arbeitskräfte brauchte." Auch die deutsche Landwirtschaft war damals auf Export angewiesen und wünschte ebenfalls im Interesse des leichteren Absatzes ihrer Produkte den Freihandel. Dieser hatte seit dem Tode Friedrich Liszts in Deutschland immer mehr an Boden gewonnen und sich zunächst im Freihandelsverein, dann im Volkswirtschaftlichen Kongress Mittelpunkte seiner Bestrebungen geschaffen. Die freihändlerische Propaganda wurde von der preußischen Regierung auch aus politischen Gründen sehr gefördert, die Freihandelspolitik sollte nämlich dazu dienen, das schutzzöllnerische Österreich von einer engeren Verbindung mit dem Zollverein abzuhalten (87). Doch scheiterten alle Versuche Preußens, den Zollvereinstarif radikal zu ermäßigen an dem Widerstände der süddeutschen Staaten, die unter dem Einflusse Österreichs von ihrem Vetorechte Gebrauch machten. Erst nachdem Bismarck die Zügel ergriffen hatte und es gelungen war, mit Frankreich und schließlich auch mit Österreich freihändlerische Verträge abzuschließen, kam im Jahre 1865 eine Zollreform zustande, durch welche die an Frankreich und Österreich zugestandenen konventionellen Ermäßigungen an alle mit dem Zollverein in Handelsbeziehungen stehenden Nationen gewährt wurden. Die Zollreduktionen des Jahres 1865 waren recht bedeutende, so betrug der Zoll auf russische Ausfuhrartikel wie:

Zwei Jahre später schritt auch die russische Regierung wieder zur Revision des Zolltarifs, durch die sie nach den Erfahrungen der Reformen vom Jahre 1850 und 1857 die Zolleinnahmen zu erhöhen hoffte. Außerdem sollte dem wieder überhandnehmenden Schmuggelhandel begegnet werden. Dieser hatte eine völlig organisierte Gestalt angenommen, an der preußisch-russischen Grenze existierten reguläre Kontore, welche den Transport und die Versicherung der Schmuggelwaren für eine Prämie besorgten, die etwa 35% des russischen Zolls betrug (89). Gleichzeitig sollten die bis dahin differierenden Zölle für die Land- und Seegrenze ausgeglichen werden und eine Vereinfachung der Tarifklassifikationen vorgenommen werden. Der im Juni 1868 bestätigte neue Zolltarif enthielt im ganzen 260 Artikel, von denen 35 eine Erhöhung, 152 eine Ermäßigung der Zölle aufwiesen, während 16 von der Gruppe der zollpflichtigen in die der zollfreien überführt wurden (90).

Unter dem Einflüsse der freihändlerischen Politik Deutschlands und des gemäßigten Schutzzollsystems Russlands nahm der deutsch-russische Handelsverkehr in den 60 er Jahren des 19. Jahrhunderts einen gewaltigen Aufschwung, wie folgende Zahlen beweisen (91):

Im Jahre 1865 überflügelte die deutsche Ausfuhr nach Russland diejenige Englands und nahm seitdem im russischen Handel die erste Stelle ein, die es sich bis zum Ausbruch des Weltkrieges in immer steigendem Maße sicherte.
Moskau - Gouverneurspalast

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Moskau - Große Oper

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Moskau - Händler

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Moskau - Im Kreml 1921

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Moskau - Im Kreml

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Moskau - Kaiser-Proklamation

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Moskau - Kaiserkrönung

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