Der Handelsverkehr Brandenburg-Preußens mit Russland bis zum Ende des 18. Jahrhunderts.
Zu jener Zeit jedoch, als der deutsch-russische Handelsverkehr gänzlich zu versiegen drohte, und nur einzelne deutsche Seestädte wie Hamburg und Bremen einen dürftigen Speditionsverkehr nach Archangelsk betrieben, wurde der Keim gelegt, aus dem in der Folgezeit eine neue mächtige Blüte des deutsch-russischen Handels hervorgehen sollte. Im Jahre 1649, ein Jahr nach Abschluss des Westfälischen Friedens, fasste der Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg, der auf alle mögliche Weise bestrebt war, das fürchterliche Elend, das der Dreißigjährige Krieg über seine Lande gebracht hatte, zu mildern, den Entschluss, eine Gesandtschaft nach Moskau zu schicken, um den gegenseitigen Austausch von Landesprodukten in die Wege zu leiten und den Zaren zu bitten, entweder seinen Untertanen den Verkauf von Getreide an den Kurfürsten zu gestatten oder selbst aus seinen Kornmagazinen zu Archangelsk ihm auf vier oder sechs Jahre jedes Jahr 2000 Lasten für einen billigen Preis zu überlassen (28). Sein Gesandter Heinrich Reiff, ein klevischer Richter, kam mit reichen Geschenken versehen (29) Ende März 1656 in Moskau an und wurde vom Zaren Alexis Michailowitz mit großer Auszeichnung empfangen. Er brachte ein Schreiben an den Kurfürsten zurück, in dem der Zar erklärte, 5.000 Tschetwert Roggen (1 Tschetwert = 210 Liter) zum Preise von 1 Rubel für 1 Tschetwert aus seinen Magazinen zu Archangelsk zu überlassen und sich erbot, künftig eine größere Quantität zu billigerem Preise zu liefern. Diese Sendung gab den Anstoß zu regen Beziehungen zwischen Brandenburg und Russland, die schließlich im Jahre 1689 zum Abschluss eines Handelsvertrages führten, der grundlegend für den künftigen Handelsverkehr Brandenburg-Preußens und Russlands wurde. In demselben erhielten die brandenburgischen Kaufleute das Recht, mit ihren Waren nach Archangelsk, Smolensk, Pskow und anderen Städten zu reisen „in ehrbeweißung vndt mit Belegung gebührenden Zolles, auch in freiwilliger mietung der Fuhrleute so zu hallten, gleiß alß anderer Herrschaften ausländern . . . worgegen gleichesfalls auch Unßere Zaarischen Majestät Groß-Reußischen Reiches Kauffleute mit allerhand Waaren in die Stätte Seiner Churfürschchen Durchlauchtigkeit gebietes zue reyßen sollen befuget seyn, vndt eben so zu erhandeln mit allerley freiheit vndt ohne Vovortheilung, vornehmlich aber vndter aller beschützung vndt Verthedigung" (30).
Der Zoll, von dem in diesem Vertrage nicht weiter die Rede ist, betrug für alle Waren, die nach Archangelsk eingeführt wurden, 6%. Wollte oder konnte man aber die Waren nicht in Archangelsk verkaufen und sandte man sie weiter ins Innere nach Moskau, so musste seit dem Erlass des Handelsstatutes vom Jahre 1667, das als der erste Zolltarif Russlands gilt, in Archangelsk 10% Durchfuhrzoll und dann in Moskau wieder ein Zoll von 6% entrichtet werden (31). Was die Gegenseitigkeitsklausel anbetrifft, so berichten zeitgenössische Schriftsteller, dass sie nur ein illusorisches Recht den Russen böte, denn diese seien damals zu internationalem Handel unfähig gewesen. In der Tat machten sich russische Kaufleute, welche in Stockholm erschienen, dadurch lächerlich, dass sie sich als Krämer mit ihren unbedeutenden Waren, wie Töpfen, Nüssen u. dgl. auf den Markt stellten (32).
Über den Umfang der deutschen Einfuhr nach Russland in jener Zeit gibt uns Kilburger in seinem kurzen Unterricht von dem russischen Handel genaue Auskunft. Aus seiner Spezifikation der deutschen Güter, die 1671 über See nach Archangelsk gebracht wurden, greife ich heraus: (33)
6846 Solotnik Perlen,
133 Maß Perlen,
4419 Stück Zahlperlen,
185 Pfund und noch 4 Kasten mit goldenen und silbernen Spitzen,
3931 Pfund Gold- und Silberdraht,
63 Stück Saphirsteine und viel falsche Juwelen,
342 Stück couleurte Atlasse,
204 Stück Damast,
367 Stück Leinen,
81 Packen und 64 Halbgen Englisch Tuch
41 Packen und 267 Halbgen Hamburg Tuch,
28 454 Rieß ordinäres Formatpapier,
401 Fässer und 13 Kasten Weyrauch,
6.176 Pud und 5280 Pud Brosiliensalz,
265 Fässer und 3 Kasten Indigo,
123 Fässer Rosenroth,
89 Fässer mit allerhand Farben,
833 Dutzend kleine messingene Glodken,
13.728 Rollen Messer und Brandsilber,
603 Stück Sägen,
10.250 Stück deutsche Hüte,
25 Pud und 28 Pfund Quecksilber,
4860 Dutzend Spielkarten,
693.000 Nähnadeln,
154.000 Stecknadeln,
2.477 Tonnen Heringe,
162 Ballen Pfeffer,
130 Pipen Spanischen Wein,
720 Oxthöfte roten Franzwein,
109 Oxhöfte weiß,
27.839 Dukaten, Species,
50.000 Reichstaler, Species,
16.000 Rubel russisch Geld, welches aus der Ukraine durch Polen nach Danzig geht und meistenteils daselbst aufgewechselt wird.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass außer diesen offiziell registrierten und verzollten Waren noch große Mengen auf Schmuggelwegen Eingang fanden. Die Schiffe mieden oft den Hafen und ankerten irgendwo zwischen den Inseln in der Dünamündung, nachts kamen die Russen auf Kähnen heran und tauschten ihre Produkte gegen die ausländischen Waren. Ja, in Archangelsk selbst wurde trotz einer überaus verzweigten und teuren Zolladministration ein schwunghafter Schmuggelhandel getrieben. So groß war damals schon die Bestechlichkeit der russischen Beamten! (34)
Einen weiteren Aufschwung nahmen die deutsch-russischen Handelsbeziehungen während der Regierungszeit Peters des Großen, der Russland geographisch und kulturell dem Westen näherbrachte. Durch die Gründung Petersburgs verlegte er den Seeweg nach Russland wieder durch die Ostsee und stellte durch die Einnahme von Livland und Estland die Landverbindung mit Deutschland wieder her. Im Frühjahr 1697 schloss der persönlich in Königsberg anwesende Zar ein Schutz- und Trutzbündnis mit dem Kurfürsten Friedrich III. Im Abschnitt 2 des Vertrages wurde erneut den russischen Kaufleuten das Recht zugestanden, in Memel, Königsberg, Berlin und anderen Städten, den deutschen Kaufleuten in Archangelsk, Pskow, Nowgorod, Smolensk, Kiew, Moskau und anderen Orten Handel zu treiben. Ferner wurde den Brandenburgern die Bewilligung erteilt, „mit Ihren Waren abzureisen nach Astrachan, Persien und Chinesischem Reiche . . . solchen sowohl dorthin, als zurückreisenden den Durchzug zu vergönnen beorderen, nächst Erlegung der Verordneten Zölle und gebräuchlicher Fracht und Kontribution" (35). Weiterhin schloss Peter der Große im Jahre 1713 durch seinen Feldherrn Menschikoff mit den Städten Hamburg, Lübeck und Danzig Verträge ab, durch die letztere wegen ihrer im Verlaufe des Nordischen Krieges gezeigten feindseligen Haltung verpflichtet wurden hohe Kontributionen zu zahlen, dafür aber alle „freyheiten, emolumenta und privilegia" erhielten, die ihnen früher zustanden oder die andere amicissimae nationes noch erhalten würden (36).
Diese von Peter dem Großen abgeschlossenen Verträge sollten den russischen Kaufleuten nicht wie bisher nur illusorische Rechte geben. Durch eine ganze Reihe, von den merkantilistischen Anschauungen jener Tage getragenen Maßnahmen verstand es Peter, den Aktivhandel seines Landes zu heben. Er gab der Kaufmannschaft in Russland eine feste Organisation, er errichtete Konsulate und Handelsagenturen im Auslande, schuf eine ansehnliche Flotte und fertigte auf eigene Rechnung Schiffe nach überseeischen Häfen ab (37). Er begünstigte die russischen Kaufleute durch Ermäßigung von Zöllen, die übrigens von den Ausländern in fremder Währung gezahlt werden mussten. In seinem Zolltarife im Jahre 1724 betrugen für die Mehrzahl der ein- und ausgeführten Waren die Zölle nicht mehr als 5%, für Manufakturerzeugnisse aber 50— 75%. Für Ausfuhrartikel, in denen Russland wenig oder gar keine Konkurrenten hatte, war der Zollsatz ebenfalls hoch, so z. B. für Hanf 27 ½ % des Wertes. — Wie sehr es durch all diese Maßnahmen Peter dem Großen gelungen war eine im merkantilistischen Sinne günstige Handelsbilanz zu erzielen, zeigt folgende Tabelle (38).
Im Jahre 1726 wurden aus Petersburg und Archangelsk ausgeführt:
Hanf 494.362 Pud
Flachs 59.004 Pud
Talg 49.125 Pud
Eisen 55.149 Pud
Leder 172.009 Pud
Leinewand 10.319.293 Arschin
Segeltuch 7.747 Stück
zusammen für eine Summe von 2.688.810 Rb.
eingeführt:
Getränke für 141.203 Rb.
Zucker für 11.339 Pud
Kaffee 444 Pud
Seide 3 ½ Pud
Farbstoffe für 275.661 Rb.
Seidenwaren für 15.464 Rb.
Wollstoffe für 662.956 Rb.
Baumwollstoffe für 21.632 Rb.
Leinenstoffe für 940 Rb.
zusammen für eine Summe von 1.585.543 Rb.
Unter den Nachfolgern Peters nahmen die deutsch-russischen Handelsbeziehungen an Stetigkeit zu. Am 21. August 1726 wurde in Petersburg ein preußisch-russischer Bündnisvertrag abgeschlossen, in dessen 16. Abschnitte es heißt: „die Commercia zu Wasser und zu Lande zwischen beyderseits Reichen, Provintzien und Unterthanen sollen ihren freyen, ungehinderten Lauff und Fortgang haben und behalten, und denen Königlichen Preußischen Schiffen und Trafiquanten, in denen Russischen See-Häfen, Handels-Städten und Landen, wie auch denen Russischen Schiffen und Handelsleuten, in ihro Königl, Mayst. in Preußen See-Häfen, Handels-Städten und Landen, keine schwerere imposten und opera aufgeleget, noch sie sonsten in einigen Stücken härter gehalten werden, als andern daselbst commercyrenden, und in Ihrer Handlung am meisten favorisierten Nationes und Commerzianten geschiehet und widerführet“ (39). Dieser Vertrag wurde auf 18 Jahre abgeschlossen und im Verlaufe des 18. Jahrhunderts immer wieder samt der Zusage der Handelsfreiheit und Meistbegünstigung verlängert, — Eine kurze Unterbrechung erlitt nur der deutsch-russische Handelsverkehr durch den Siebenjährigen Krieg, Friedrich der Große erneuerte bald das preußisch-russische Bündnis auf der Grundlage des Vertrages vom Jahre 1726. Ja, als der erbitterte Seekrieg zwischen Frankreich, Spanien, Holland und den aufständischen nordamerikanischen Kolonien einerseits und England andererseits ausbrach, und der Seeverkehr der Neutralen unter den Übergriffen der Kriegführenden, namentlich Englands, sehr zu leiden hatte, stellte Friedrich der Große die preußischen Schiffe unter den Schutz der russischen Kriegsflotte. Der am 19. Mai 1781 zwischen Friedrich dem Großen und Katharina II. abgeschlossene Vertrag der „bewaffneten Neutralität" dürfte heute ganz besonderes Interesse beanspruchen, seine wichtigsten Stellen lauten: „Tout vaisseau peut naviguer librement de port en port et sur les côtes des nations en guerre. Les effets appartenants aux sujets des dites nations en guerre, sont libres sur les vaisseaux neutres à l'exception des marchandises de contrebande . . . L'imperatrice de toute la Russie continuera à faire jouir le commerce et la navigation des sujets prussiens de la protection de ses flottes . . ." Im ersten Separatartikel wird weiterhin bestimmt: „de soutenir que la mer Baltique est une mer fermée incontestablement teile pour la Situation locale, où toutes les nations doivent et peuvent naviguer en paix et jouir de tous les avantages d'un calme parfait, et de prendre pour cet effet des mesures capables de garantir cette mer et ces côtes de toutes hostilités; pirateries et violences" (40).
Auf der Grundlage dieser auch weiterhin (1792 und 1800) erneuerten Allianz- und Neutralitätsverträge nahm der deutsch-russische Handelsverkehr im Verlaufe des 18. Jahrhunderts wieder größere Dimensionen an. Bereits im Jahre 1741 hatte der deutsche Seehandel den holländischen erreicht und wurde nur noch von dem englischen übertroffen. In diesem Jahre betrug der Wert der deutschen Einfuhr (Preußens und der Seestädte) nach Petersburg Rb. 307.709, der der Ausfuhr Rb. 272.934 (41). Mit der Verbesserung der Landstraßen und Erbauung von Kanälen, die in Russland unter Peter dem Großen, in Preußen unter dem Großen Kurfürsten und Friedrich II. besonders tatkräftig unternommen wurde, entwickelte sich auch der deutsch-russische Landhandel immer mehr. Im Jahre 1796 bis 1797 wurde auf dem Landwege für Rb. 646.567 deutscher Waren nach Russland und für Rb. 776.064 russischer Waren nach Deutschland eingeführt (42).
Der Zoll, von dem in diesem Vertrage nicht weiter die Rede ist, betrug für alle Waren, die nach Archangelsk eingeführt wurden, 6%. Wollte oder konnte man aber die Waren nicht in Archangelsk verkaufen und sandte man sie weiter ins Innere nach Moskau, so musste seit dem Erlass des Handelsstatutes vom Jahre 1667, das als der erste Zolltarif Russlands gilt, in Archangelsk 10% Durchfuhrzoll und dann in Moskau wieder ein Zoll von 6% entrichtet werden (31). Was die Gegenseitigkeitsklausel anbetrifft, so berichten zeitgenössische Schriftsteller, dass sie nur ein illusorisches Recht den Russen böte, denn diese seien damals zu internationalem Handel unfähig gewesen. In der Tat machten sich russische Kaufleute, welche in Stockholm erschienen, dadurch lächerlich, dass sie sich als Krämer mit ihren unbedeutenden Waren, wie Töpfen, Nüssen u. dgl. auf den Markt stellten (32).
Über den Umfang der deutschen Einfuhr nach Russland in jener Zeit gibt uns Kilburger in seinem kurzen Unterricht von dem russischen Handel genaue Auskunft. Aus seiner Spezifikation der deutschen Güter, die 1671 über See nach Archangelsk gebracht wurden, greife ich heraus: (33)
6846 Solotnik Perlen,
133 Maß Perlen,
4419 Stück Zahlperlen,
185 Pfund und noch 4 Kasten mit goldenen und silbernen Spitzen,
3931 Pfund Gold- und Silberdraht,
63 Stück Saphirsteine und viel falsche Juwelen,
342 Stück couleurte Atlasse,
204 Stück Damast,
367 Stück Leinen,
81 Packen und 64 Halbgen Englisch Tuch
41 Packen und 267 Halbgen Hamburg Tuch,
28 454 Rieß ordinäres Formatpapier,
401 Fässer und 13 Kasten Weyrauch,
6.176 Pud und 5280 Pud Brosiliensalz,
265 Fässer und 3 Kasten Indigo,
123 Fässer Rosenroth,
89 Fässer mit allerhand Farben,
833 Dutzend kleine messingene Glodken,
13.728 Rollen Messer und Brandsilber,
603 Stück Sägen,
10.250 Stück deutsche Hüte,
25 Pud und 28 Pfund Quecksilber,
4860 Dutzend Spielkarten,
693.000 Nähnadeln,
154.000 Stecknadeln,
2.477 Tonnen Heringe,
162 Ballen Pfeffer,
130 Pipen Spanischen Wein,
720 Oxthöfte roten Franzwein,
109 Oxhöfte weiß,
27.839 Dukaten, Species,
50.000 Reichstaler, Species,
16.000 Rubel russisch Geld, welches aus der Ukraine durch Polen nach Danzig geht und meistenteils daselbst aufgewechselt wird.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass außer diesen offiziell registrierten und verzollten Waren noch große Mengen auf Schmuggelwegen Eingang fanden. Die Schiffe mieden oft den Hafen und ankerten irgendwo zwischen den Inseln in der Dünamündung, nachts kamen die Russen auf Kähnen heran und tauschten ihre Produkte gegen die ausländischen Waren. Ja, in Archangelsk selbst wurde trotz einer überaus verzweigten und teuren Zolladministration ein schwunghafter Schmuggelhandel getrieben. So groß war damals schon die Bestechlichkeit der russischen Beamten! (34)
Einen weiteren Aufschwung nahmen die deutsch-russischen Handelsbeziehungen während der Regierungszeit Peters des Großen, der Russland geographisch und kulturell dem Westen näherbrachte. Durch die Gründung Petersburgs verlegte er den Seeweg nach Russland wieder durch die Ostsee und stellte durch die Einnahme von Livland und Estland die Landverbindung mit Deutschland wieder her. Im Frühjahr 1697 schloss der persönlich in Königsberg anwesende Zar ein Schutz- und Trutzbündnis mit dem Kurfürsten Friedrich III. Im Abschnitt 2 des Vertrages wurde erneut den russischen Kaufleuten das Recht zugestanden, in Memel, Königsberg, Berlin und anderen Städten, den deutschen Kaufleuten in Archangelsk, Pskow, Nowgorod, Smolensk, Kiew, Moskau und anderen Orten Handel zu treiben. Ferner wurde den Brandenburgern die Bewilligung erteilt, „mit Ihren Waren abzureisen nach Astrachan, Persien und Chinesischem Reiche . . . solchen sowohl dorthin, als zurückreisenden den Durchzug zu vergönnen beorderen, nächst Erlegung der Verordneten Zölle und gebräuchlicher Fracht und Kontribution" (35). Weiterhin schloss Peter der Große im Jahre 1713 durch seinen Feldherrn Menschikoff mit den Städten Hamburg, Lübeck und Danzig Verträge ab, durch die letztere wegen ihrer im Verlaufe des Nordischen Krieges gezeigten feindseligen Haltung verpflichtet wurden hohe Kontributionen zu zahlen, dafür aber alle „freyheiten, emolumenta und privilegia" erhielten, die ihnen früher zustanden oder die andere amicissimae nationes noch erhalten würden (36).
Diese von Peter dem Großen abgeschlossenen Verträge sollten den russischen Kaufleuten nicht wie bisher nur illusorische Rechte geben. Durch eine ganze Reihe, von den merkantilistischen Anschauungen jener Tage getragenen Maßnahmen verstand es Peter, den Aktivhandel seines Landes zu heben. Er gab der Kaufmannschaft in Russland eine feste Organisation, er errichtete Konsulate und Handelsagenturen im Auslande, schuf eine ansehnliche Flotte und fertigte auf eigene Rechnung Schiffe nach überseeischen Häfen ab (37). Er begünstigte die russischen Kaufleute durch Ermäßigung von Zöllen, die übrigens von den Ausländern in fremder Währung gezahlt werden mussten. In seinem Zolltarife im Jahre 1724 betrugen für die Mehrzahl der ein- und ausgeführten Waren die Zölle nicht mehr als 5%, für Manufakturerzeugnisse aber 50— 75%. Für Ausfuhrartikel, in denen Russland wenig oder gar keine Konkurrenten hatte, war der Zollsatz ebenfalls hoch, so z. B. für Hanf 27 ½ % des Wertes. — Wie sehr es durch all diese Maßnahmen Peter dem Großen gelungen war eine im merkantilistischen Sinne günstige Handelsbilanz zu erzielen, zeigt folgende Tabelle (38).
Im Jahre 1726 wurden aus Petersburg und Archangelsk ausgeführt:
Hanf 494.362 Pud
Flachs 59.004 Pud
Talg 49.125 Pud
Eisen 55.149 Pud
Leder 172.009 Pud
Leinewand 10.319.293 Arschin
Segeltuch 7.747 Stück
zusammen für eine Summe von 2.688.810 Rb.
eingeführt:
Getränke für 141.203 Rb.
Zucker für 11.339 Pud
Kaffee 444 Pud
Seide 3 ½ Pud
Farbstoffe für 275.661 Rb.
Seidenwaren für 15.464 Rb.
Wollstoffe für 662.956 Rb.
Baumwollstoffe für 21.632 Rb.
Leinenstoffe für 940 Rb.
zusammen für eine Summe von 1.585.543 Rb.
Unter den Nachfolgern Peters nahmen die deutsch-russischen Handelsbeziehungen an Stetigkeit zu. Am 21. August 1726 wurde in Petersburg ein preußisch-russischer Bündnisvertrag abgeschlossen, in dessen 16. Abschnitte es heißt: „die Commercia zu Wasser und zu Lande zwischen beyderseits Reichen, Provintzien und Unterthanen sollen ihren freyen, ungehinderten Lauff und Fortgang haben und behalten, und denen Königlichen Preußischen Schiffen und Trafiquanten, in denen Russischen See-Häfen, Handels-Städten und Landen, wie auch denen Russischen Schiffen und Handelsleuten, in ihro Königl, Mayst. in Preußen See-Häfen, Handels-Städten und Landen, keine schwerere imposten und opera aufgeleget, noch sie sonsten in einigen Stücken härter gehalten werden, als andern daselbst commercyrenden, und in Ihrer Handlung am meisten favorisierten Nationes und Commerzianten geschiehet und widerführet“ (39). Dieser Vertrag wurde auf 18 Jahre abgeschlossen und im Verlaufe des 18. Jahrhunderts immer wieder samt der Zusage der Handelsfreiheit und Meistbegünstigung verlängert, — Eine kurze Unterbrechung erlitt nur der deutsch-russische Handelsverkehr durch den Siebenjährigen Krieg, Friedrich der Große erneuerte bald das preußisch-russische Bündnis auf der Grundlage des Vertrages vom Jahre 1726. Ja, als der erbitterte Seekrieg zwischen Frankreich, Spanien, Holland und den aufständischen nordamerikanischen Kolonien einerseits und England andererseits ausbrach, und der Seeverkehr der Neutralen unter den Übergriffen der Kriegführenden, namentlich Englands, sehr zu leiden hatte, stellte Friedrich der Große die preußischen Schiffe unter den Schutz der russischen Kriegsflotte. Der am 19. Mai 1781 zwischen Friedrich dem Großen und Katharina II. abgeschlossene Vertrag der „bewaffneten Neutralität" dürfte heute ganz besonderes Interesse beanspruchen, seine wichtigsten Stellen lauten: „Tout vaisseau peut naviguer librement de port en port et sur les côtes des nations en guerre. Les effets appartenants aux sujets des dites nations en guerre, sont libres sur les vaisseaux neutres à l'exception des marchandises de contrebande . . . L'imperatrice de toute la Russie continuera à faire jouir le commerce et la navigation des sujets prussiens de la protection de ses flottes . . ." Im ersten Separatartikel wird weiterhin bestimmt: „de soutenir que la mer Baltique est une mer fermée incontestablement teile pour la Situation locale, où toutes les nations doivent et peuvent naviguer en paix et jouir de tous les avantages d'un calme parfait, et de prendre pour cet effet des mesures capables de garantir cette mer et ces côtes de toutes hostilités; pirateries et violences" (40).
Auf der Grundlage dieser auch weiterhin (1792 und 1800) erneuerten Allianz- und Neutralitätsverträge nahm der deutsch-russische Handelsverkehr im Verlaufe des 18. Jahrhunderts wieder größere Dimensionen an. Bereits im Jahre 1741 hatte der deutsche Seehandel den holländischen erreicht und wurde nur noch von dem englischen übertroffen. In diesem Jahre betrug der Wert der deutschen Einfuhr (Preußens und der Seestädte) nach Petersburg Rb. 307.709, der der Ausfuhr Rb. 272.934 (41). Mit der Verbesserung der Landstraßen und Erbauung von Kanälen, die in Russland unter Peter dem Großen, in Preußen unter dem Großen Kurfürsten und Friedrich II. besonders tatkräftig unternommen wurde, entwickelte sich auch der deutsch-russische Landhandel immer mehr. Im Jahre 1796 bis 1797 wurde auf dem Landwege für Rb. 646.567 deutscher Waren nach Russland und für Rb. 776.064 russischer Waren nach Deutschland eingeführt (42).
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Entwicklung der deutsch-russischen Handelsbeziehungen
Russland 000. Europäisches Russland, Karte
Russland 000
Russland 002. Petersburg. Der Taurische Palst (Gebäude des Reichsduma)
Russland 003. Petersburg, Denkmal Peters des Großen
Russland 005. Petersburg, Museum Alexander III.
Russland 006. Petersburg, Holzbarken auf der Fontanka bei Eisgang
Russland 011. Der Iswostschik (Lohnkutscher)
Russland 011. Schlitten
Russland 011. Lastfuhrwerke
Russland 012. Petersburg, Die Admiralität
Russland 018. Kleinrussisches Mädchen aus Tschemigow
Russland 018. Nordrussisches Mädchen aus Archangelsk
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