Aus diesen urkundlichen Zeugnissen ist zu entnehmen, dass von verschiedenen Seiten Beschwerden und Klagen über allerlei Missbräuche und schädliche Gewohnheiten an die Herzöge gelangt sind ...

Aus diesen urkundlichen Zeugnissen ist zu entnehmen, dass von verschiedenen Seiten Beschwerden und Klagen über allerlei Missbräuche und schädliche Gewohnheiten an die Herzöge gelangt sind und dass diese Beschwerden auf einer Versammlung zu Krakow, sowie auf einer am Sonntag Kantate zu Sternberg abgehaltenen Versammlung städtischer Abgeordneter zur Verhandlung gekommen sind.

Aus den Aktenstücken selbst ist nicht zu ersehen, wann die Verhandlungen zu Krakow und Sternberg stattgefunden haben, doch finden sich in ihnen Anhaltspunkte, um mit einiger Wahrscheinlichkeit den Zeitpunkt der Tagung annähernd bestimmen zu können.


Im Anfange des 16. Jahrhunderts war die Ritterschaft des Klützer Ortes stark verschuldet. Die Hauptgläubiger, die verschiedenen Lübecker geistlichen Stiftungen, hatten trotz mannigfacher, auch gerichtlicher Klagen nichts erreichen können. So sahen sich denn die Herzöge veranlasst, die gütliche Ordnung dieser Angelegenheit in die Hand zu nehmen. Es fanden unter dem Vorsitz derselben am 11. Juni 1511 zu Grevismühlen Vorbesprechungen statt, die nach längeren Verhandlungen am 6. Dezember 1512 in Gadebusch zu einem für die Klützer Ritterschaft sehr günstigen Vergleiche führten.

Die Möglichkeit, welche sich im Laufe dieser Verhandlungen zeigte, einer ganzen Gruppe von Landeseinwohnern Erleichterung von schwerer Schuldenlast zu verschaffen, musste den Herzögen und ihren Räten den Gedanken nahe legen, auch bei der beabsichtigten Regelung der städtischen Verhältnisse der gleichfalls stark verschuldeten Einwohnerschaft der Städte die gleiche Wohltat zu Teil werden zu lassen.

Es wird daher wahrscheinlich im Jahre 1512 gewesen sein, zu einer Zeit, wo man regierungsseitig noch an die Durchführbarkeit einer solchen allgemeinen Maßregel glaubte, als durch Schreiben der Herzöge den einzelnen Städten aufgegeben wurde, "vptekenn vnnd ouer andworden to latenn, wat von houetstoll vnnd renten binnen vnd buten der stadt vorscriuenn vnnd vorpannt is," damit die ausständige Schuld "na radt" der Herzöge und ihrer Räte "eindrechtiglick gerechtuerdigt vnd gemetiget" werde.

Die Nachricht, die wir von diesem Schreiben haben, ist enthalten in den beiden oben erwähnten fast gleichlautenden Schriftstücken. Dieselben, als Anlage E 1 und 2 abgedruckt, sind vom Kanzler von Schönaich bezeichnet als:

Ratschlag wie gemeyn ordnung in steten vnd vffm lande mocht furgenommen werden

und als

Artikel belangende ordnung in steten vnd lande zcu machen.

Wegen dieser Bezeichnung und wegen des Verhältnisses, in dem der Inhalt beider Schriftstücke zu einander steht, wird man in ihnen die Vorlage für die Verhandlungen zu Sternberg und gleichzeitig auch die Aufzeichnung des Resultates derselben sehen dürfen.

Während nun über die Schuldverhältnisse der Klützer Ritterschaft umfassende Zusammenstellungen vorliegen, ist, trotz des Schreibens der Herzöge und trotzdem dieselben in Sternberg anscheinend noch auf ihrer Absicht bestanden, kein Schuldenverzeichnis der Einwohner auch nur irgend einer Stadt bekannt. Dieser auffallende Umstand findet seine Erklärung darin, dass diejenigen, denen im herzoglichen Schreiben die Zusammenstellung der Schulden aufgegeben war, der Rat der Stadt und die "trepelichsten der gemeine", also die wohlhabendsten Bürger, waren, die sicherlich kein Interesse an dem Eingreifen der Landesherren in ihre Vermögens-Verhältnisse hatten. Es ist mehr als wahrscheinlich, dass keine einzige Stadt ein Schuldenverzeichnis eingesandt hat, dass vielmehr die Abgeordneten der Städte den Bestrebungen der Herzöge sich auf das Äußerste widersetzt haben werden; diese aber, die kurz vorher (6. Dezember 1512) in dem Vergleiche zu Gadebusch einen scheinbaren Erfolg ihrer wohlmeinenden Absicht erreicht hatten, ebenso bestimmt auf ihrem Befehle beharrten. Erst als im Jahre 1514 die Herzöge mit der Klützer Ritterschaft sehr trübe Erfahrungen machen mußten - es hatte kein einziger die fälligen Zahlungen geleistet (Lisch, Jahrbuch, Bb. XVI, 57) -, gaben sie ihre Pläne in Bezug auf eine Ermäßigung des Schuldenstandes der städtischen Einwohner auf. In dem im Jahre 1515 aufgestellten Entwurfe der Polizeiordnung, sowie in dem Gesetze selbst ist von einer solchen Maßregel nicht mehr die Rede, vielmehr heißt es im §. 1 (Van renten):

"- - - So hebben wy geordent, dat men henu r, gewönlicke renthe vnd tynse, vorschryuen vnd nhemen, vnd darin nemandes den andern, darmit auer gebör, edder themelicke gewanheit bedrengen edder beswere, doch so schal dyt gesette den handelingen vnd vorschryuingen, devor dato dusser ordeninge gescheen vnd vorferdiget, vnaffbröcklick syn."

Auf Grund dieser Ausführung glaube ich annehmen zu dürfen, dass die Versammlung zu Sternberg am Sonntag Cantate (24. April) 1513 stattgefunden hat. Diese Annahme findet ihre Unterstützung in einer Verordnung der Herzöge Heinrich und Albrecht vom Tage Petri und Pauli (29. Juni) 1513 gegen das überhand nehmende Angehen der geistlichen Gerichte in weltlichen Sachen. In dieser Verordnung (abgedruckt bei v. Kamptz, Mecklenburgisches Civilrecht, Bd. I, 2, S. 3-5) bezeugen die Herzöge, daß in dieser Angelegenheit "henn vnnd wedder mennigfoldige klagen" an sie gelangt seien.

Es liegt nun eine Eingabe der Stadt Parchim vor, in der dieselbe als dritten Beschwerdepunkt aufführt "dat ene warlik den anderen citeret vor dat gestlike gerichte vnnd nichten achten den affsproke vnser g[nedigen] h[eren]."

Diese Eingabe der Stadt Parchim gehört zu einer Gruppe von Schriftstücken, in denen einzelne Städte Beschwerden über Missbräuche und Wünsche in Bezug auf die zu erlassende Polizeiordnung aussprechen. Wie die obige Parchimsche Beschwerde, so sind auch die Beschwerden und Wünsche der übrigen Städte in der Sternberger Vorlage und demnächst in der Polizeiordnung selbst berücksichtigt worden; diese Schriftstücke sind also als Vorläufer der Sternberger Vorlage anzusehen. Ihre Entstehungszeit lässt sich sogar noch etwas genauer festlegen.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Entstehung der mecklenburgischen Polizeiordnung.