Die Brüder und Schwestern vom gemeinsamen Leben

Die Brüder vom gemeinsamen Leben wurden 1374 von Gert Groot in Deventer gegründet. Die Mitglieder, Weltpriester und Laien, verbanden sich durch einfaches Besprechen zu einem gemeinsamen Leben auf Grund der drei Gelübde: Ehelosigkeit, Gehorsam, Armut. Obgleich die Brüder vom gemeinsamen Leben somit die Gelübde mit den Mendikanten-Orden gemeinsam hatten, unterschieden sie sich dadurch sehr wesentlich von jenen, dass ihnen das Betteln untersagt war: sie sollten sich ihren Lebensunterhalt durch Arbeit verdienen. So wirkten die Priester der Brüderschaft als Prediger, Seelsorger und Lehrer, während sich die Laienbrüder mit allerlei Hantierung beschäftigten.

Besonders wurde von dieser Vereinigung, und darin liegt ihre große Bedeutung für weitere Kreise, die Buchdruckerei gepflegt, und zwar der Druck geistlicher und weltlicher Bücher, obgleich ans der Offizin der Rostocker Fraterherren, wie sie dort häufig genannt wurden, nur Schriften geistlichen Inhalts hervorgegangen sind.


Nach Rostock kamen die Brüder vom gemeinsamen Leben um das Jahr 1462, und zwar von Münster in Westfalen aus. Sie wohnten anfangs in einem ihnen nicht gehörigen Hause, erhielten aber schon 1464 gegen eine jährliche Rente ein Grundstück vom Kloster zum Heiligen Kreuz. Dort bauten sie ein Fraterhaus und eine Kapelle, legten aber schon 1480 den Grund zu einem Gebäude, in welchem sich das Fraterhaus und die Kapelle gemeinsam befinden sollten, und vollendeten diesen Bau schon im Jahre 1488. Da die Kapelle, in welcher 7 Altäre gewesen sein sollen, gleich der früheren dem heiligen Michael geweiht war, so wurden die Fraterherren vielfach Michaelisbrüder genannt, während sie sich selbst nach ihrer ersten Wohnung als Brüder vom gemeinsamen Leben zum grünen Garten bezeichneten.

Dass eine derartige Vereinigung von manchen Seiten, und nicht am wenigsten durch den Klerus, Anfeindungen erfuhr, ist erklärlich, und Rostock bildete in dieser Beziehung keine Ausnahme: auch hier gab man den Brüdern vom gemeinsamen Leben die Bezeichnung ,,Lollbrüder“ , ein Wort, welches als Spott- und Ketzername gebraucht wurde. Doch hatten die Brüder an den Bischöfen von Schwerin, die ihre großen Gönner waren, einen starken Rückhalt und scheinen mit der Zeit auch bei der Rostocker Geistlichkeit nicht weniger beliebt geworden zu sein als bei dem Rat, denn, wie wir von verschiedenen Zuwendungen an die Brüder seitens mehrerer Geistlichen hören, so gaben ihnen die Bürgermeister als Verwalter des Hospitals und der Kapelle zum Heiligen Geist einen Altar derselben mit seinen Einkünften.

Besondere Hervorhebung verdient noch der Umstand, dass die Rostocker Fraterherren mit den dortigen Franziskanern und Dominikanern in einem durchaus freundschaftlichen Verhältnis standen, was durchaus nicht die Regel zwischen diesen drei geistlichen Genossenschaften war.

Wir werden die Brüder vom gemeinsamen Leben später nochmals zu erwähnen haben, wenn von dem Einfluss des Humanismus aus Rostock die Rede sein wird. Auch im Verlauf der Darstellung der Einführung der Reformation in Rostock werden wir ihnen begegnen.

Gert Groot hatte neben der Vereinigung der Brüder vom gemeinsamen Leben auch eine solche von Schwestern des gemeinsamen Lebens in Deventer gegründet. Eine solche Niederlassung in Rostock wird jedenfalls das wahrscheinlich 1468 gegründete Schwesternhaus Bethlehem gewesen sein.

Aus dem Angeführten geht hervor, dass Rostock bei Beginn der Reformation zahlreiche geistliche Institute in seinen Mauern besaß. Auch die Zahl der Weltkleriker wird keine geringe gewesen sein, da schon die vielen Altäre in den Kirchen, Kapellen, Klöstern und milden Stiftungen aus das Vorhandensein vieler Geistlicher schließen lassen. Gar nicht in Betracht gekommen sind bei unserer Darstellung der kirchlichen Verhältnisse die Privataltäre, über deren Zahl keine Nachrichten aufzufinden gewesen sind, deren es aber sicher auch nicht wenige gegeben hat. Dagegen wissen wir, dass die Konvente in den einzelnen Klöstern zahlreiche Mitglieder hatten.

Es wäre sehr interessant, zu wissen, wie viele Einwohner Rostock bei Beginn der Reformation hatte, um danach das ungefähre Verhältnis der Zahl der Geistlichen zu der Einwohnerzahl berechnen zu können. Jedoch fehlt jede positive Grundlage, um eine solche Berechnung zu machen, sodass man niemals ein sicheres Resultat erreichen kann, sondern immer nur auf Vermutungen angewiesen bleibt. -

Leider muss auch von der Rostocker Geistlichkeit gesagt werden, dass sie vielfach auf demselben niedrigen sittlichen und wissenschaftlichen Standpunkt stand, über welchen in damaliger Zeit ganz allgemein beim Klerus geklagt wurde. Auch ihr wurden schwere Vorwürfe gemacht wegen Unsittlichkeit, Schlemmerei, Unwissenheit und unkirchlichen Lebens. Sehr bezeichnend ist ein bischöflicher Erlass vom Jahre 1519, wonach die Kleriker im Falle fleischlichen Verkehrs mit ihren Köchinnen und anderen weiblichen Bediensteten im Gegensatz zu den Vorschriften des kanonischen Rechts nur eine Abgabe an den Offizial und einen Gulden Strafe zu zahlen hatten.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Einführung der Reformation in Rostock