Die Drei-Kaiser-Zusammenkunft in Berlin. (Siehe das Bild auf S. 81.)

Aus: Das Buch für Alle. Illustrierte Familienschrift. Zeitbilder. Heft 1. 1873
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Deutsches Reich, Russland, Österreich, Dreikaisertreffen in Berlin 1872,
Der Ausbau des deutschen Reiches ist eine Tatsache, welche die Machtstellung Deutschlands in Europa wesentlich verändert und Frankreich hinter Deutschland klassifiziert hat. Die nationale Eigenliebe der Franzosen kann diese Tatsache noch weniger verwinden als die Niederlage im jüngsten Krieg und die daraus für Frankreich erwachsenden finanziellen Folgen. Daher der Beifall, welchen das Geschrei einzelner Journalisten und Volksmänner nach einem Rachekrieg unter der unzurechnungsfähigen blinden Menge in Frankreich findet. Da dieses Geschrei nun wenigstens einigermaßen den Frieden Europas zu bedrohen schien, so hat man preußischerseits die Zusammenkunft der Kaiser von Russland und Österreich zu Berlin eingeleitet. Zwischen diesen beiden Monarchen oder
beziehungsweise ihren Kabinetten schien schon seit dem Krimkriege eine gewisse Spannung zu bestehen, wie andererseits auch auf Österreichs Seite noch eine Verstimmung gegen Preußen wegen der Folgen des deutschen Kriegs von 1866 als bestehend angenommen ward. Kamen nun die beiden Kaiser beim dritten zusammen, so war dies ein Beweis, dass alle diese geheimen Spannungen beigelegt, dass die Monarchen von Russland und Österreich mit der Tatsache des wiedererstandenen deutschen Reichs einverstanden und entschlossen waren, nicht nur für den Frieden Europas einzustehen (also Frankreich bei einem etwaigen Rachekriege gegen Deutschland ohne Bundesgenossen zu lassen), sondern auch bei ferneren politischen Meinungsverschiedenheiten erst den Weg persönlicher Verständigung zu betreten, anstatt an die Entscheidung der Waffen zu appellieren.

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Das ist Zweck und Bedeutung der Zusammenkunft, welche in den Tagen vom 5. bis 11. September 1872 die Kaiser von Russland und Österreich nach Berlin führte, wo ihnen der begeistertste Empfang und eine Reihe glänzender Feste geboten wurden. Der Zar brachte seinen Thronfolger und seinen dritten Sohn Wladimir, sowie seinen Minister des Auswärtigen, den Fürsten Gortschakoff, mit und langte am 5. September Nachmittags 2 1/2 Uhr in Berlin an, wo er vom Kaiser und Kronprinzen, den preußischen Prinzen und einer Anzahl deutscher Fürsten ebenso herzlich wie glänzend empfangen ward. Kaiser Franz Joseph traf in Begleitung seines, auswärtigen Ministers Grafen Andrassy am 6. September Abends nach 6 Uhr ein und erhielt einen nicht minder herzlichen und noch viel glänzenderen Willkomm, stellte sich zunächst der Kaiserin Augusta vor, um diese im kaiserlichen Palais zu begrüßen, und fuhr dann zu Kaiser Alexander, der mit seinen Söhnen im Hotel der russischen Gesandtschaft wohnte, von wo beide mit einander zum Diner nach dem kaiserlichen Palais fuhren. Am 7. war Morgens die große Parade auf dem Tempelhofer Felde, dann Galadiner bei Hofe, Festvorstellung im Opernhause, Monstre-Zapfenstreich im Lustgarten und Illumination der öffentlichen und einer Menge Privatgebäude Berlins. Am Sonntag dem 8. um Mittag besuchten die hohen Gäste mit dem deutschen Kaiserpaar den zoologischen Garten, fuhren per Bahn nach Potsdam, besuchten dann per Wagen dessen verschiedene Schlösser und Anlagen, nahmen im Schloss Babelsberg das Diner und im Neuen Palais in Potsdam, wo das kronprinzliche Ehepaar ein herrliches Gartenfest veranstaltet hatte, den Tee ein. Am Montag und Dienstag waren die großen Manöver bei Nauen und Spandau, denen die Monarchen anwohnten, und am Dienstagabend beschloss ein großes Konzert im Runden Saale die Reihe der offiziellen Festlichkeiten. Kaiser Alexander reiste mit Kaiser Wilhelm, der zum westpreußischen Jubelfest nach Marienburg ging, ab, und Kaiser Franz Joseph besichtigte noch unter Führung des Kronprinzen am Mittwoch die verschiedenen Sehenswürdigkeiten Berlins, bevor er dieses verließ, hochbefriedigt gleich dem Kaiser Alexander von dem Empfang, der ihnen besonders auch von Seiten der Berliner Bevölkerung zu teil geworden war. Unser Bild zeigt die drei Monarchen, welche über die größten militärischen Kräfte in Europa gebieten, nebst ihren politischen Ratgebern und Vertrauten, welche gleich ihren Herren vorerst nur auf Sicherung des europäischen Friedens und eine ruhige Entwicklung der Staaten bedacht sind. O. M.

Die Dreikaiserzusammenkunft in Berlin

Die Dreikaiserzusammenkunft in Berlin