Die Donar-Eiche.

Die Verbreitung des Christentums unter den Deutschen machte, ungeachtet des Übertrittes Chlodwigs und der Erhebung des christlichen Glaubens zur Staatsreligion im Frankenreiche nicht die erhofften schnellen Fortschritte. Dagegen hatte die Lehre auf den britischen Inseln allgemeinen Anhang gefunden, und schon am Ende des sechsten Jahrhunderts kamen von Irland und England viele Missionare nach dem europäischen Festlande, um die Heiden zu bekehren.

Diese frommen Sendboden zogen ohne Furcht nach Alemannien, Thüringen, Sachsen und Bayern, wo sie in der Tat außerordentlicher Energie und Ausdauer bedurften, denn sie fanden dort harten Boden für ihre Saat und harte Köpfe für ihre Lehre.


In der Gegend von Bregenz am Bodensee fand einst der irische Missionär Columban eine Anzahl alemannischer Männer, um ein großes mit Met gefülltes Fass versammelt, im Begriffe ihrem Gotte Wodan ein Trankopfer darzubringen. Er ergrimmt im Geiste und bläst des Fass an, dessen Reifen sich alsbald krachend lösen, so daß der Met ausläuft. Dieses Wunder überzeugt jedoch die verstockten Heiden keineswegs; sie staunen nur über den starken Atem des fremden Mannes und vollenden ihr Opfergelage mit einem neuen Fasse voll des beliebten Getränkes.

Willibrodt, ein angelsächsischer Mönch und Bekehrer, hatte von dem friesischen Herzoge Radpot zu berichten, daß derselbe, mit dem einen Fuße schon im Taufbecken, ihn gefragt habe, was denn aus seinen ungetauften Vorfahren geworden. Als nun der glaubenseifrige Missionär ihn dahin beschied, daß dieselben als Ungetaufte sich ohne Zweifel in der Hölle befunden, da habe der Friese, rasch umgewandelt, den Fuß wieder aus dem Wasser gezogen mit den Worten: „Wo diese tapferen Manner sind, da will ich auch sein!“

Im fränkischen Reiche handelte es sich nur noch mehr um eine Reform der Kirche, als um Bekehrungen. Die Bischöfe bekundeten dort einen dem römischen Papste nachgerade unbequem werdenden Unabhängigkeitssinn. Derselbe trachtete daher die königlichen Staatsminister oder Hausmeier, zur Zeit aus dem mächtigen Adelsgeschlechte der Pipine, auf seine Seite zu bekommen, denn sie regierten tatsächlich das Land an der Stelle der schwachen und lasterhaften Könige. Er hatte Erfolg mit seinen Bemühungen, besonders mit dem Hausmeier Karl Martell, der soeben die aus Spanien eingedrungenen mohammedanischen Araber in einer großen Schlacht bei Poitiers besiegt und damit eine unheilvolle Katastrophe von West-Europa abgewendet hatte.

So fand denn der angelsächsische Missionar Winfried am fränkischen Hofe volle Unterstützung in seinem Bemühen, dem Wunsche des Papstes gemäß, nicht nur deutsche Heiden zu bekehren, sondern zuvorderst die fränkische Kirche und Geistlichkeit in enge Verbindung mit Rom zu bringen. Um ihm größeres Ansehen zu verleihen, ernannte der Papst ihn zum Bischof unter dem Namen Bonifatius.

Bei seinem Bekehrungswerke unter den Chatten im heutigen Hessenlande unternahm es Bonifatius einmal, in der Nähe der Stadt Kassel eine mächtige, dem altdeutschen Gotte Thor oder Donar (Ka-pitel 3) heilige Eiche zu fällen. Sine große Menge heidnischer Chatten umstand und verwünschte den Feind ihrer heimischen Götter, immer erwartend, daß der Zorn Donars den Frevler treffen werde. Bald aber fiel die Eiche unter den wuchtigen Schlägen der christlichen Glaubensboten. Kein strafendes Feuer aus den Wolken traf die kühnen Mönche, welche jetzt von den Heiden mit scheuer Ehrfurcht angestaunt wurden. Sie ließen sich darauf taufen, da sie die Ohnmacht ihrer alten Götter erkannten.

Nun wurde Bonifatius vom Papste zum Erzbischof von Mainz erhoben und krönte als solcher den ersten Frankenkönig aus dem Geschlechte der Pipine, der den letzten der schwachen Merovingerkönige abgesetzt hatte und von dem Frankenvolke an dessen Stelle zum König erwählt worden war, unter dem Namen Pipin I., der Kleine.

Schon hochbetagt unternahm der glaubenseifrige Bonifatius noch einen Bekehrungszug in das Land der Friesen, wobei er mit seinen Gefährten, von einer Schar Heiden überfallen und erschlagen wurde. Sein Leichnam wurde nach Fulda im Hessenlande gebracht und dort in dem von ihm gegründeten Kloster beigesetzt. Ein mächtiges edernes Standbild des gewaltigen Gottesmannes befindet sich in dieser Stadt, und die Nachwelt hat ihn mit dem wohlverdienten Ehrentitel „Apostel der Deutschen“ gefeiert.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen