Die Cimbern und Teutonen.

Ewas über hundert Jahre vor Christi Geburt erschienen an der Nordostgrenze des römischen Reiches zwei deutsche Stämme aus dem hohen Norden, die Cimbern und Teutonen (Kap. 1). Die Männer waren außergewöhnlich hoch und stark gewachsen, mit blonden Haaren und blauen Augen, in Tierfelle und Eisenpanzer gekleidet. Zu ihren Waffen gehörten mannshohe Schilde, lange Schwerter und Speere. Frauen und Kinder folgten dem Heereszuge in von Rindern gezogenen Wägen.

Das Nahen einer so großen Anzahl von bewaffneten Fremdlingen — ihre Zahl wurde auf 300.000 streitbare Männer geschätzt — verbreitete großen Schrecken bis nach Rom. Dieser wurde um so größer, als die Eindringlinge verschiedene gegen sie ausgesandte Heere mit großen Verlusten zurückschlugen und endlich in Oberitalien erschienen mit der Forderung, die Römer sollten ihnen Land geben, wofür sie sich anheischig machten, diesen mit den Waffen zu dienen. Das Gesuch wurde ihnen nicht gewährt, und sie besiegten dafür ein weiteres römisches Heer so gründlich, daß nur sehr wenige Römer heimkehren und die Niederlage berichten konnten.


Die Sieger verstanden es nicht, ihren Vorteil zu benutzen. Sie trennten sich unkluger Weise. Die Teutonen zogen nach Gallien, dem heutigen Frankreich, wo der berühmte römische Feldherr Marius sie bei Aquä Sextiä, dem jetzigen Aix, überwand und alle, die nicht in der Schlacht fielen, in die Gefangenschaft nach Rom führte, unterdessen waren die Cimbern, unbekannt mit dem Schicksale ihrer Verbündeten, tiefer nach Italien eingedrungen. Marius zog ihnen aus Gallien nach und erreichte sie in der raudischen Ebene am Flusse Po. Wieder verlangten die Cimbern Land und erkundigten sich zugleich nach den Teutonen. Da lachte Marius und sprach: „Eure Brüder haben Land genug!“ Als er dann gefangene Teutonenkrieger, ja sogar ihren berühmten Heerkönig, den starken Teutoboch, in Ketten vorführen ließ, ergrimmten die Cimbern und bereiteten sich zum Kampfe. Aber auch sie wurden bei Vercellä, nahe einem Nebenflusse des Po, gänzlich geschlagen. Sie verloren 140,000 Krieger in der Schlacht; viele wurden gefangen weggeführt, und ein kleiner Teil bekam von Marius, der die Tapferen bewunderte, die Erlaubnis, in ihre Heimat zurückzukehren.

Dies war die erste Bekanntschaft, welche Deutsche und Römer mit einander gemacht haben. Den letzteren ist der „cimbrische Schrecken“ lange im Gedächtnisse geblieben. Iene nordischen Krieger ader waren jetzt schon weit und breit berühmt, und andere Feinde der Römer trachteten bald, neue Schwärme derselben zum Verlassen der Heimat und zum Kriege gegen ihren Überwinder zu bewegen.

Als etwa zwanzig Jahre spät im ganzen römischen Reiche die Sklaven und Gladiatoren sich unter dem ausgezeichneten Führer Spartacus gegen ihre Herren und Besitzer erhoben und erst nach sechs-jährigem schwerem Kampfe besiegt werden konnten, da stellte es sich heraus, daß der gefährliche Aufruhr von bei Aquä, Sextiä und Vercellä gefangenen Teutonen und Cimbern angezettelt worden war. In der letzten Schlacht fielen über 12.000 Sklaven, größtenteils eben solche Nordländer, von welchen nur zwei ihre Wunden in den Rücken empfangen hatten. Dies war für die Römer ein zweiter Vorgeschmack dessen, was sie von den Deutschen zu erwarten hatten.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen