Das Grab im Busento.

Die Hunnen stießen in ihrem ersten Ansturme auf die zur Zeit am Schwarzen Meere wohnenden Ostgoten und besiegten diese. Dann wurden die Westgoten bedroht, die aber im oströmischen Reiche Aufnahme fanden. Bald jedoch zogen sie gen Italien und standen unter ihrem großen Könige Alarich drohend unter den Mauern der Hauptstadt Rom. Voller Angst entsandten die Römer eine Anzahl würdiger Senatoren in das Lager des Feindes, um ihn zur Umkehr zu bewegen. Als aber die Abgeordneten mit der großen Zahl und der Tapferkeit der Römer prahlten, lachte Alarich laut auf und sagte: „Je dichter das Gras, desto leichter ist es mähen!“ Er forderte, daß ihm sämtliches Gold, Silber und sonstige Kostbarkeiten ausgeliefert würden. Auf die Frage, was er denn den Römern übrig lassen wolle, lautete die stolze Antwort: „Das Leben.“ Die Stadt mußte sich fügen und mit einer unermesslichen Geldsumme den Abzug der Goten erkaufen. Aber im folgenden Jahre kehrten die gefürchteten Feinde zurück, eroberten die Stadt und plünderten sie aus.

Mit schwerer Beute beladen brachen die siegreichen Goten sodann nach dem südlichen Italien auf. Dort ereilte der Tod den großen Alarich in der Blüte seiner Jahre. Seine Krieger begruben ihn in ebenso seltsamer, wie großartiger Weise. Sie leiteten den Fluss Busento in der Nähe der Stadt Cosenza ab, mauerten in dem leeren Strombette ein Grab aus und senkten den toten Helden in voller Rüstung auf seinem Streitrosse hinab. Dann wurde das Grab vermauert, mit Erde bedeckt und der Fluss wieder darüber in das alte Bett geleitet, damit niemand erfahre, wo der Gotenkönig zur Rude versenkt worden.


„Und es sang ein Chor von Männern:
„Schlaf in deinen Heldenehren!
Keines Römers schnöde Habsucht soll dir
je das Grab versehren.“
Sangens, und die Lobgesänge tönten
fort im Gotenheere;
Wäljze sie, Busentowelle, wälze sie von
Meer zu Meere!“


(A. Graf von Platen.)


Der neue Westgotenkönig, Ataulf, führte sein Volk durch Italien und Gallien nach Spanien, wo er ein großes Reich gründete, das drei Jahrhunderte hindurch bestanden hat.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutschen