Überfall des St. Petershofes und Gefangennahme der hansischen Kaufleute

Die Hansa, welche wieder einmal Ursache gehabt, über die ihren Kauffahrern in Russland zugefügten Kränkungen und Belästigungen Beschwerde zu führen, hatte in dieser Zeit beschlossen, eine Gesandtschaft an den Großfürsten abzuordnen. 1) Am 11. August 1494 trafen ihre Sendboten in stattlichem Zuge in Nowgorod ein und stiegen im Hofe St. Peters ab. Der Statthalter, obwohl sie ihn mit Geschenken reich bedachten, ließ sie scharf bewachen und ihnen alle ihre Papiere und Instruktionen abnehmen. Drei Wochen mussten sie am Wolchow liegen bleiben, bevor sie den erbetenen Geleitsbrief nach Moskau erhielten. Sie zogen am 17. September in die Hauptstadt ein, spendeten an Iwans Räte reiche Gaben, so dass es ihnen gelang, bereits am 2. Oktober von dem Großfürsten empfangen zu werden. Der Gruß, mit dem sie ihm nahten, war vorher mit den Bojaren festgestellt worden; er lautet: „Durchlauchtigster, hochgeborener Großfürst Iwan Wassiljewitsch, ein weißer Kaiser und Herr über alle Russen. Unsere Ältesten, die Bürgermeister und Ratmannen der dreiundsiebzig Städte jenseits der See und auf dieser Seite der See lassen Dich sehr grüßen und begehren Deine Gesundheit zu vernehmen.“

Ihre erste Bitte betraf die Freilassung eines Dolmetschers, den man ihnen ,,abgefangen“ hatte. Sie wünschten mündlich mit dem Zaren zu unterhandeln und sollten ihre Übersetzer den Wortlaut der Unterredung ins Russische, beziehentlich ins Deutsche übertragen. Dieses Ansinnen ward kurz abgelehnt: er habe selbst Dolmetscher, antwortete Iwan; sie sollten ihre Beschwerde schriftlich einreichen. Darauf stellten die Gesandten achtzehn Klagepunkte auf; sie betrafen die den Verträgen zuwiderlaufenden Neuerungen und Beschränkungen im Salz-, Honig-, Wachs- und Pelzhandel, die ungerechte Inanspruchnahme des Hofverwalters (Knechts) bei allen Gelegenheiten, wenn Russen geschädigt zu sein glaubten, die rechtswidrige Einkerkerung und Einschätzung von Deutschen durch die Statthalter; die Unterschlagung von Briefen an den Zaren durch die letzteren; die Beraubung gestrandeter Schiffe in der Narowa durch russische Bauern und noch vielerlei Unbill, welche teils einzelne Deutsche, teils die Gesandten selbst auf ihrer Reise erfahren hatten.


Nach Verlesung dieser Beschwerdeschrift erfolgte die Übergabe der Geschenke: die Städte spendeten drei Ballen englischen Tuches, der Revaler Ratsherr Gottschalk Remmelingrode gab in seinem Namen zwei silberne reich vergoldete Becher von schöner Arbeit, ein Ohm Wein und eine große Lade Zuckerwerk, etwa vierzig Pfund an Gewicht; ein anderes Mitglied, Matthias Hinkelmann, überreichte englisches Tuch, einen Spiegel und zehn Körbe Feigen; der Bote Dorpats endlich Scharlachtuch, ein Ohm Wein und fünf Liespfund Datteln. Als Gegengeschenk des Zaren empfingen die Gesandten zu ihrem Unterhalt: ein Rind, zwei Schafe, zwanzig Hühner, zwei Tonnen Met, trockenen Lachs und Stör, vier Fuder Heu und Hafer. Für sich persönlich empfing jeder über viertausend Stück Fellen sogenanntes Schonenwerk im Werte von etwa tausendundzwanzig Mark. Auch erhielten sie eine Einladung zur großfürstlichen Tafel.

Im Verlaufe der Verhandlung trug der Staatssekretär Fedor Kirizin die Beschwerden der Russen vor, deren Verlesung mehrere Stunden in Anspruch nahm; sie handelten vornehmlich von der Schatzung der großfürstlichen Gesandten und der Ermordung russischer Leute. Die Städteboten erklärten zur Erledigung dieser Klagen nicht bevollmächtigt zu sein, doch würde die Entsendung einer Gesandtschaft an die Städte sicherlich den gewünschten Erfolg haben.

Am 5. Oktober hatten sie zum zweiten Male Empfang bei Iwan, der seinen Dank für die Geschenke wiederholte und bemerkte, von ihrem Anliegen Kenntnis genommen zu haben; seine Statthalter in Nowgorod, die von ihm benachrichtigt worden seien, würden ihnen Antwort und Recht nach den durch Kreuzkuss besiegelten Verträgen geben, ein gleiches erwarte er von den Städten. Mit dem Versprechen, dass sie einen Geleitsmann erhalten sollten, wurden sie verabschiedet.

Im Begriff Moskau zu verlassen, wurde die Gesandtschaft von zwei Griechen angehalten, welche angeblich auf ihrer Reise nach Deutschland in Reval unerhörte Unbill erlitten hatten und dafür Schadenersatz und zwar in solcher Höhe verlangten, dass die Barschaft der Städteboten dazu nicht ausreichte. Zwei an der Moskwa ansässige Deutsche, die Meister Albrecht und Stephan Hillebecke streckten ihnen die Summe vor, hatten jedoch dafür auf ausdrücklichem Befehl des Großfürsten so viel Unterpfand zu nehmen, dass selbst die von Iwan zum Geschenk erhaltenen Pelzwaren dazu dienen mussten. Erst nach Ablauf von sechs Wochen konnte die Gesandtschaft die Heimreise antreten, welche aber kurz vor Nowgorod eine gewaltsame Unterbrechung erlitt. Sechs Meilen jenseits der Stadt wurden die Gesandten von einer Schar Nowgoroder aufgehalten, ihrer Güter beraubt und die Vertreter Revals in Gewahrsam genommen. Jeder Widerstand erlahmte bei der Nachricht von einer schandbaren Gewalttat, welche großfürstliche Beamte auf Iwans Befehl gerade zu der Zeit an den Bewohnern von St. Petershof verübt hatten, in welcher der Großfürst den hansischen Boten zu Moskau die beruhigende Zusicherung machte, dass sie in Nowgorod auf die von ihnen vorgebrachten Beschwerden Antwort und Recht erhalten würden.

Am 5. November 1494 überfiel unter Leitung des soeben aus der Hauptstadt eingetroffenen zarischen Geheimschreibers Wassilij Shuk und des Daniel Manyrew eine wilde Rotte den deutschen Kaufhof und den Gotenhof, nahm „ganz ungewarnt und wider alle Billigkeit“ sämtliche Bewohner derselben fest, neunundvierzig Deutschen Kaufleute, Sprachlehrer und Knappen aus Lübeck, Hamburg, Greifswald, Lüneburg, Münster, Dortmund, Bielefeld, Unna, Duisburg, Eimbeck, Duderstadt, Reval und Dorpat; man „zog ihnen die Hosen und Schuhe aus“ und warf sie in „faule Türme“; ihre Waren, eine Million Gulden an Wert, wurden mit Beschlag belegt.

Auch den Führer der hansischen Gesandtschaft, den Ratsherrn Revals, Gottschalk Remmelingrode traf das gleiche Schicksal als Wiedervergeltung für die über jene beiden Russen von den Revalern verhängte Strafe. Die an den Kaufleuten verübte Gewalttat geschah, wie der Statthalter im Namen des Zaren den übrigen Städteboten am 17. November mitteilte, „weil die Russen in Reval und in ganz Livland beschatzt, geschlagen, beraubt und ertränkt würden“; man denke ihnen den Schaden zu ersetzen mit dem in der deutschen Kirche lagernden Gute. Der Vertreter Dorpats ließ kein Mittel unversucht, das Los der ihrer Freiheit Beraubten zu erleichtern; vergebens bat er um eine Unterredung mit ihnen, bot er Bürgschaft für ihre Freilassung bis zur Ankunft einer neuen Gesandtschaft aus Livland, rief er den Beistand des Erzbischofs (Wladika) von Nowgorod an. Die Kirchenfürsten der Stadt hatten sich den deutschen Kauffahrern seit Alters als Gönner und Freunde erwiesen, aber in diesem Falle blieb auch die erzbischöfliche Vermittlung fruchtlos; indem der Wladika an die Freundschaft erinnerte, die ihn mit Gottschalk verbände, erklärte er, dass er gern bereit sei, diesem sowie den anderen Gefangenen alle ihm möglichen Erleichterungen in ihrer Bedrängnis zu verschaffen, aber ihnen zur Freiheit zu verhelfend liege nicht in seiner Macht.

Iwan hatte das Verfahren gegen die Deutschen bis in alle Einzelheiten vorgeschrieben; auf sein Geheiß ward dem sich zur Heimreise rüstenden Boten Dorpats der Geleitsbrief nur gegen Entrichtung von neun Goldstücken ausgefertigt; der Priester welcher denselben überbrachte^ wich nicht von der Stelle, bis ihm ein Geschenk von achtundvierzig Mark eingehändigt wurde. Als der Gesandte endlich die Grenze erreicht hatten schatzte man ihn nochmals um zwölf Mark.

Die Kunde von den Vorgängen in Nowgorod rief in Livland und im Reiche große Bestürzung und Entrüstung hervor. Die Städte ordneten ohne Verzug eine Gesandtschaft an Iwan ab, um die Befreiung der Gefangenen zu bewirken, aber in Narwa sahen sich ihre Boten bereits zur Umkehr genötigt; denn an der Grenze stand ein russisches Heer, von dem sich nichts Gutes erwarten ließ. Die Bürger von Reval übten an den in ihren Mauern befindlichen Russen Wiedervergeltung, sie warfen dieselben ins Gefängnis und reizten dadurch Iwans Zorn von Neuem. Der Zar besuchte 1495 Nowgorod, die Bürger empfingen ihn mit lauten Freudenbezeugungen; die Deutschen mochten aus diesem Anlass die Freilassung ihrer Landsleute erwartet habend doch erfolgte sie nicht. Im nächsten Jahre bewirkte der Ordensmeister, dass die in Reval eingekerkerten Russen in Freiheit gesetzt wurden, aber auf das Schicksal der in den Nowgoroder Türmen schmachtenden Kauffahrer blieb diese versöhnliche Maßregel ohne jede Wirkung. Nicht weniger als sechs verschiedener Abordnungen nach Moskau hat es bedurfte um den Zaren milder zu stimmen. Den Ausschlag gab ein Schreiben Maximilians, das unterstützt wurde durch eine große Gesandtschaft, welche sich aus Boten des Hochmeisters, der Hansa und Alexanders von Litauen, der eine Tochter Iwans zur Gemahlin hatten zusammensetzte. Diese erreichten wenigstens soviel, dass der Großfürst eine Erleichterung der Haft gewährte, dann gab er die elf Sprachlehrer frei, endlich im Frühjahr 1497 die übrigen Gefangenen bis auf vier, die er als Geiseln zurückbehielt und im Juni 1404 samt den beschlagnahmten Gütern von Nowgorod nach Moskau überführen ließ. 3) Von den unglücklichen Opfern der zarischen Willkür waren bereits mehrere den Entbehrungen im Gefängnis erlegen, aber auch von den Befreiten sollte mit Ausnahme derer aus Reval und Dorpat keiner die Heimat wiedersehen. Von ihren Freunden mit „Pfeifen und Trommeln“ an Bord der Schiffe geleitet, verließen sie am 29. August 1497 den Hafen von Reval und am 14. September rissen die durch einen Orkan aufgewühlten Meereswogen die Fahrzeuge mit Mann und Maus in die verderbenbringende Tiefen. 4)

Der 5. November 1494 war der letzte Tag der deutschen Übermacht auf dem russischen Markt; die alten seit 1199 immer von Neuem ergänzten und beschworenen Verträge zerriss die gewaltige Hand des ersten Alleinherrschers aus dem Stamme Ruriks. Die Fügung des Geschicks ließ diesen vernichtenden Schlag im Osten auf die Hansa gerade in derselben Zeit niederfallen, da aus dem Westen her Kunde auf Kunde kam von den weltbewegenden Entdeckungen des Christoph Columbus und Vasco da Gama, durch welche die Macht des Hansabundes von Grund aus erschüttert wurde. Der Welthandel kam in die Hände der Spanier und Portugiesen, Engländer und Niederländer; die deutschen Seestädte verloren die Alleinherrschaft auf dem Ostmeer und damit war ihr Niedergang besiegelt.

Die Vertreibung aus Nowgorod haben die hansischen Kauffahrer nicht verschmerzen können; noch im April 1628 ward auf dem Städtetage zu Lübeck daran erinnert, „dass aus dem Contore zu Naugard gleich aus einem Brunnenquell alle ihre übrigen Contore geflossen seien.“ 5) An die Wiedererlangung der alten Vorrechte am Wolchow hat die stolze Vormacht an der Trave länger als ein Jahrhundert ihre besten Kräfte gesetzt, aber vergebens. Die fremden Nationen waren nicht mehr von dem russischen Geschäft fern zu halten; die Niederländer knüpften über Stockholm und Wiborg einen lebhaften Verkehr mit den Russen an, ihnen folgten bald die Engländer und auf dem Landwege drangen die oberdeutschen Kaufleute aus Augsburg, Nürnberg, Regensburg nach Moskau vor.

Die Eintracht, zu keiner Zeit groß unter den Hansastädten, verschwand von nun an immer mehr und mehr aus ihrem Verbande. Die Wahrung der Sonderinteressen galt für das oberste Gebot jeder Stadt und dementsprechend erweiterte sich der Zwiespalt zwischen den deutschen und den livländischen Bundesgliedern von Jahr zu Jahr. Iwan III. war über die innere Spaltung der Hansa wohl unterrichtet und brauchte nicht wie der Dänenkönig ihre Orlogs zu fürchten. Vor ihm erschienen ihre Boten nicht in Wehr und Waffen, sondern als schutzflehende Kaufleute. Er beharrte bei seiner Weigerung, ihnen den Frieden nicht eher zu bewilligen, als bis ihm die Revaler Ratsherren, die das Todesurteil über jene beiden Russen gefällt hatten, ausgeliefert würden. An diesem Begehr scheiterten alle Verhandlungen, so auch die, zu welcher von dem Großfürsten die Aufforderung ergangen war.

Seine Bevollmächtigten trafen sich mit denen des Ordensmeisters und der Städte auf der Narwainsel. Gegen die Freilassung der vier in Moskau zurückgehaltenen Geiseln wollten die Deutschen den Russen in Reval und Dorpat freie Religionsübung und Errichtung von Gotteshäusern zugestehen, aber die zarischen Unterhändler gingen von dem Verlangen nach der Auslieferung jener Ratsherren nicht ab: werde diese nicht bewilligt, dann müssten die Geiseln sterben, so ließen sie sich vernehmen. Plötzlich rief Iwan seine Bevollmächtigten ab und zwar, wie die Deutschen vernahmen, in Folge eines Zwiespalts, der zwischen ihm, seiner Gemahlin und seinem Sohne der vier Gefangenen wegen ausgebrochen war. 6) Vermutlich hatten sich die Großfürstin und der Thronfolger zu Gunsten der Unglücklichen verwendet; Grund genug für den Zaren, die Fesseln der Gefangenen schärfer anziehen zu lassen.

So lange Iwan lebten war für die Hansa nichts mehr zu hoffen; denn es begann der Kampf um die Unabhängigkeit Livlands, zu dem der neue Ordensmeister Walter von Plettenberg seit Jahren gerüstet und alle Kräfte der Provinz angespannt hatte. Nur der beispiellosen Energie und Umsicht des heldenmütigen Mannes ist der glückliche Ausgang des Krieges zu danken; Plettenberg fand für seine Bestrebungen weder bei dem Hochmeister, noch bei Kaiser und Reiche noch bei dem Polenkönige das richtige Verständnis; selbst die livländischen Bischöfe verhielten sich ablehnend und in Rom versagte man dem Heermeister jede Unterstützung. Erst nach dem unglücklichen Verlauf des Feldzuges von 1501 — in welchem die Russen am Flusse Siriza (7. August) zwar eine Niederlage erlitten, das Ordensheer aber durch schwere in seiner Mitte ausgebrochene Seuchen an der Verfolgung des Sieges gehindert wurden daher Iwans barbarische Horden das unglückliche Land brennend und sengend durchs zogen — bewilligte das Kardinalskollegium auf die dringenden Bitten des Hochmeisters Friedrich von Sachsen die Verwendung der im Jubels Jahre 1500 in Preußen gesammelten Ablassgelder zu Gunsten Livlands. So konnte denn der unermüdliche Plettenberg im nächsten Jahr ein wohlgerüstetes Heer von 7.000 Reisigen, 1500 deutschen Landsknechten und 5.000 Bauern ins Feld stellen. Am 13. September 1502 kam es beim See Sinolin zur Schlacht mit dem 70.000 Mann starken, von dem Fürsten Schtschenja und Wassilij Shuiski angeführten Heere Iwans. Die Deutschen fochten mit dem Mut der Verzweiflung, ihr Fußvolk erhielt von diesem Tage an bei den Russen den Beinamen des eisernen; dreimal durchbrach Plettenberg die sich immer von Neuem fließenden Reihen des Feindes. Endlich wandten die Russen sich zur Flucht; ihre Vernichtung wäre eine vollständige gewesen, hätte nicht der Ritter Hammerstädt, ein Bastard des Herzogs von Braunschweig, Verrat geübt und einige hundert Reisige in das feindliche Lager übergeführt. Der Tag kostete Iwan vierzigtausend Mann; Plettenberg blieb zwei Tage auf dem Schlachtfelde und gebot den 13. September auf ewige Zeiten zu feiern. 8)

Der Krieg hatte beide Teile erschöpft, doch zögerte Iwan Frieden zu schließen. Da trat Papst Alexander VI., der die Kräfte der ganzen Christenheit wider die Türkei ins Feld zu führen wünschte, vermittelnd auf; er bat den Großfürsten, den Livländern und Litauen den Frieden zu gewähren. Iwan zeigte sich hierzu geneigt, machte aber solche Bedingungen, dass es langwieriger Verhandlungen bedurfte, bevor ein sechsjähriger Waffenstillstand abgeschlossen werden konnte (1503). Einen „ewigen“ Frieden, auf den Plettenberg und Alexander von Litauen antrugen, lehnte der Zar ab, auch verweigerte er die Freigabe der kriegsgefangenen Ritter.

Wie wenig Verständnis für diesen um Livlands Unabhängigkeit geführten Kampf in Deutschland vorhanden war, zeigt am besten das Verhalten des Kaisers. Maximilian richtete aus Augsburg vom 6. August 1502, also wenige Wochen vor Plettenbergs entscheidendem Sieg eine Art von Beileidsschreiben an Iwan, das er durch seinen Falkenmeister Justus Kantinger nach Moskau überbringen ließ. „Ich höre, — schreibt der Kaiser — dass einige benachbarte Staaten sich gegen Russland erhoben haben. Eingedenk der eidlichen Versprechungen unserer gegenseitigen Liebe, bin ich bereit, Dir, meinem Bruder, beizustehen mit Rat und Tat. Was trieb Maximilian zu einem so auffallenden Schritt gerade in dem Augenblick, wo die Existenz einer Provinz des Reiches auf dem Spiele stand. Wir können uns der Annahme nicht verschließen, dass es vorwiegend seine unbezwingliche Jagdlust war, die ihn vermochte, Kantinger mit dem angeführten Schreiben nach Moskau zu schicken; denn der Falkonier hatte dem Zaren noch ein vom 12. August 1502 datiertes vertrauliches Handschreiben zu überreichen, in dem der Kaiser um die Übersendung einiger Jagdfalken bittet, jener Kretschatoi, die von den Ufern der Petschora stammten, in Europa als eine Art Fabelwesen betrachtet wurden und in ihrer vollkommensten Abrichtung nur im Falkenhause des russischen Großfürsten zu finden waren. 9)

Iwan sandte einen besonderen Beamten mit einigen Exemplaren dieser seltenen Jagdfalken an den Kaiser; die sehr lange und höfliche Antwort auf das erste Schreiben übergab er Kantinger, wobei er sich entschuldigte, dass er dieselbe dem Herkommen zuwider nicht durch einen Spezialgesandten überbringen lasse: er fürchte aber, ein solcher könnte in Livland oder in Polen festgehalten werden. Er schrieb dem Kaiser: Russland sei von dem Ordensmeister und dem König von Polen angegriffen worden; beide hätten aber ihre Züchtigung empfangen und um Frieden gebeten. Wenn der Kaiser bei Erneuerung der Feindseligkeiten von jener Seite den Russen Beistand leisten wollte, so würden diese ihm zur Eroberung Ungarns behilflich sein.

Inzwischen hatten sich Friedrich von Sachsen und Plettenberg mit der Bitte um Vermittlung zu Gunsten der gefangenen Ritter an Maximilian und dessen Sohn Philipp gewandt. Beide schenkten derselben Gehöre und schrieb der Kaiser aus Kostnitz, 6. März 1505, an Iwan, König Philipp aus Brüssel vom 13. Oktober 1504 an den Großfürsten-Thronfolger Wassilij. Die Briefe Beider trugen die Aufschrift: ,,An den Zaren von Russland“; es geschah zum ersten Male, dass die Kanzlei eines europäischen Fürsten dem moskowitischen Herrscher den Zarentitel beilegte.

Am 16. Juni gelangten die Schreiben in Iwans Hände und schon am 19. Juni ging seine Antwort ab; an Maximilian schrieb er selbst, an Philipp ließ er schreiben: Die Ritter hätten den Waffenstillstand gebrochen, seien im gerechten Kampf zu Gefangenen gemacht worden, wollten dem Bunde mit Litauen nicht entsagen und müssten so lange in Fesseln bleiben, bis der Ordensmeister das Litauische Bündnis aufgebe. Iwan starb nach schwerer Krankheit am 27. Oktober 1505.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutsche Hansa in Russland