Nowgorod

Im Ausgang des zwölften Jahrhunderts, da der Grundstein zu der deutschen Handelsniederlassung am Wolchow gelegt wurden unternahm der „mercator communis Teutonicus“ seine überseeischen Reisen ohne anderen Rückhalt, als den, welchen sein Gottvertrauen, seine Klugheit und Verschlagenheit, sowie seine schwertgewohnte Faust ihm boten. Erst die Gefahren, welche mit dem Handel nach dem Norden und Osten unzertrennlich verbunden waren, legten es den Handelsherren der deutschen Seestädte nahe, sich zur Wahrung ihrer gemeinsamen Interessen einander eng anzuschließen und einen Bund zum Schutz und Trutz einzugehen, der im Laufe der Zeit sich zu jenem handelspolitischen Städteverein erweiterte, welcher als „Deutsche Hansa“ *) unter Führung Lübecks Jahrhunderte lang das Ostmeer beherrschte, Könige erhob und stürzte und dem deutschen Kaufmann das Übergewicht auf dem russischen Markte sicherte.

Das Jahr, in welchem die ersten deutschen Kauffahrer mit ihren Waren in Nowgorod **) eintrafen, lässt sich mit Gewissheit nicht angeben. Auf Grund einer Verordnung, welche Fürst Jaroslaw, Kaiser Heinrichs II. Bundesgenosse, 1023 für den Bau und Unterhalt einer über den Wolchow führenden Brücke erlassen hat, und in welcher der Ausländer, der Niemzi, Waräger, der Goten, welche in besonderen Straßen in der Nähe des Flusses wohnten, gedacht wird, gelangte die Annahme zur Geltung, dass bereits im ersten Viertel des elften Jahrhunderts Deutsche am Ilmensee ansässig gewesen seien. Doch bezeichnen die russischen Chronisten mit Niemzi nicht nur Deutsche, sondern auch Dänen, die unter Knud dem Großen ,1014 bis 1036) Estland eroberten und von Schleswig aus mit den Russen in Handelsverbindung standen.***)


Gegen den Ausgang des zwölften Jahrhunderts besaßen aber die Deutschen schon eigene Kaufhöfe in Nowgorod. Den Mitgliedern der deutschen Kolonie auf Wisby gehörte der Nikolaushof, den sie später veräußerten. Sie traten darauf in den Mitbesitz des Hofes von St. Peter, den die Kauffahrer aus dem Reich errichtet hatten; seinen Mittelpunkt bildete die 1184 erbaute Kirche zum heiligen Petrus. In der Nähe der deutschen Niederlagen befand sich der Hof der Gotländer mit der Olavskirche, der ältesten Niederlassung von Ausländern in der Stadt. ****)

Der Wolchow teilt Nowgorod in zwei Hälften; die auf dem rechten Ufer nannte man die Handelsseite, die auf dem linken, nach der von dem Bischof Joachim erbauten Kirche zur heiligen Sophie, Sophienseite. Die fremden Kaufhöfe lagen auf der Handelsseite in geringer Entfernung von dem Flusse; der gotische lag demselben näher als der deutsche. Beide erstreckten sich nach Nordwesten; von Westen her mündete ans sie die warägische Straße. In ihrer unmittelbaren Nähe stand die Kirche Johannes des Täufers, vor der die Deutschen und Russen ihre Streitfragen zu erörtern pflegten. Den Höfen gegenüber lag der Nowgorodsche Markt, dessen eine Seite von dem hölzernen Palast des Fürsten Jaroslaw I. begrenzt wurden daher man ihn den Jaroslawschen Hof nannte. Hier versammelten sich die Nowgoroder zu gemeinsamer Beratung. Von diesem Hofe führte ein Weg nach der deutschen und gotischen Niederlassung, der vertragsmäßig niemals versperrt werden durfte.5)

Nowgorod, seit Alters her ein wichtiger Handelsplatz,, war in Folge der Erhebung Kiews zur Hauptstadt sehr zurückgegangen; doch gelangte es bald zu erhöhter Bedeutung und Macht unter Jaroslaw I., der dem Opfermut der Nowgoroder die Wiedereroberung seines Thrones verdankt, und ihnen in Anerkennung dafür umfassende Freiheiten bewilligt, welche die Grundlage der künftigen Größe der Stadt wurden.

Ihre Bürger verstanden die ihnen verliehenen Vorrechte immer mehr auszudehnen, indem sie der fürstlichen Willkür enge Schranken zu ziehen wussten, so dass die Stadt sich im Verlaufe weniger Jahrzehnte zur vollen Unabhängigkeit emporschwang, und dem Fürsten nur die Gerichtsbarkeit und der Oberbefehl im Kriege blieb.

Die Gewalt lag in den Händen der „Wetsche“ der Volksversammlung, an welcher teilzunehmen jeder freie Bewohner der Stadt und ihres Gebietes berechtigt war. Seit 1136 lag bei der Wetsche auch die Entscheidung über Krieg und Frieden. In die ausübende Macht teilten sich die Großgrundbesitzer, die Bojaren, deren Familien etwa vierzig an der Zahl waren. Aus ihrer Mitte ward der Statthalter - Possadnik - und der Tausendmann - Tyssadsky - gewählt. Der Possadnik hatte die Leitung der auswärtigen Angelegenheiten, auch stand er an der Spitze des städtischen Aufgebots; der Fürst hatte nur seiner Leibwache - Druschina - zu gebietend welche nicht in der Stadt Quartier nehmen durfte, sondern außerhalb derselben in der am nordwestlichen Ende des Ilmensees gelegenen fürstlichen Burg Rokom lag. Der Tyssadsky war des Statthalters Stellvertreter im Krieg und Frieden; er stützte sich in der Regel auf die Volksmasse, durch die er die Wetsche beherrschte; er leitete auch, unabhängig von der Volksversammlung, von Fürst und Possadnik den Gerichtshof für Handelssachen.

Bis zum zwölften Jahrhundert zerfiel die Stadt in Hundertschaften, seitdem in Viertel, deren es fünf gab, von denen jedes einem Bojaren unterstellt war. Die Nowgoroder, ein unbotmäßiges Volk, sannen fort, während auf die Erweiterung ihres Gebietes, und gerieten in Folge dessen häufig in Zwist mit ihren Fürsten, die sie nicht selten zum Verlassen der Stadt zwangen. In dem Zeitraum von hundert und zwei Jahren haben sie nicht weniger als 38 Fürsten und 48 Possadniks gehabt, von denen die meisten verjagt wurden; einige rief man zurück, die wenigsten blieben in Tätigkeit bis zu ihrem Ableben.6)

Weit und breit war die Stadt gefürchtet und in allen Gefahren suchten ihre Bürger Trost in dem Ausruf: ,,Wer kann wider Gott und Großnowgorod.“ Der Freistaat hatte seine Herrschaft ausgedehnt im Norden und Osten über den Ural bis an das Eismeer, im Süden bis an die Wolga und Weliki Luki; Torschok, Beschitzk und Wologda waren die Grenzorte gegen Litauen und die Fürstentümer Twer und Susdal; im Westen erstreckte sie sich bis an den Finnischen Meerbusen und nach Livland; auch Pskow und Isborsk (Izborsk) erkannten Nowgorods Oberhoheit an. Das ganze Gebiet zerfiel in Fünfschaften - Pjätinen: die Schelonische vom Lowat bis zur Luga; die Derawische bis zum Lowat; die von Beschitzk bis zur Msta, und die Obonesische vom Onegasee bis zum weißen Meere.

Nach allen Richtungen eröffneten sich von der Stadt aus zu Wasser und zu Lande verkehrsreiche Handelsstraßen. Mit der Ostsee stand sie durch den Wolchow, den Ladoga und die Newa in Verbindung; aus dem Logat gelangte man in das Gebiet der oberen Düna; durch die Msta und Twerga in die Wolga; längs der Msta, Wologda, Sheksma und Suchona entwickelte sich der Verkehr mit den nördlichen Dwinagegenden. 7)

Die Interessen des Handels wahrte die vom Fürsten Wsewolod Mstislawitsch durch Urkunde vom Jahre 1130 anerkannte Gilde zum heiligen Johannes, der die reichsten Kaufleute Nowgorods angehörten. Jedes ihrer Mitglieder zahlte bei der Aufnahme in die Genossenschaft fünfzig Mark Silber und erwarb sich hierdurch den Titel „poschti Kupez“ erblicher Ehrenkaufmann. Von diesem Einstandsgeld fiel die Hälfte an die Johanniskirche, um welche die Wachshändler sich angesiedelt hatten. In dieser Kirche wurde alles in den Handel kommende Wachs von zwei Ältesten der Johannisgilde gewogen; die dafür erhobenen Gebühren gehörten der Kirchenkasse, aus welcher der Fürst jährlich 25 Griwnen empfing; eine gleiche Summe steuerte die Kasse zur Feier des Johannisfestes am 24. Juni. In der Kirche tagte auch ein Handelsrat und der kaufmännische Gerichtshof, den zwei Älteste der Kaufmannschaft und drei Bürgervertreter unter dem Vorsitz des Tyssadsky bildeten. Dieses Gericht leitete die Verwaltung der Johannisbrüderschaft und wahrte die Interessen des gesamten Kaufmannstandes; auf seine Entschließungen hatten weder die Wetsche, noch der Fürst, noch der Possadnik irgend welchen Einfluss. Vor sein Forum gehörten alle kaufmännischen Rechtsstreitigkeiten und hatten auch die Deutschen, welche von den russischen Geschäftsfreunden benachteiligt zu sein glaubten, hier ihr Recht zu suchen.

Der Fürst nahm an dem Handel Nowgorods den regesten Anteil, brachte er doch seine Roh-Erzeugnisse hierher zu Markte und fielen ihm beim Abschluss wichtiger Geschäfte Geschenke und Abgaben in reichem Maße zu. In früheren Zeiten hatte er seinen eigenen Kaufhof in der Nähe der fremden Niederlagen, doch ward er später genötigt, denselben aufzugeben und nach Goroditsche zu verlegen. Je mehr der Einfluss des Fürsten in der Stadt abnahm, um so höher stieg das Ansehen und die Macht des Erzbischofs, welcher frühzeitig durch Mittelspersonen mit den Fremden geschäftliche Beziehungen anknüpfte und namentlich an die Deutschen die Erträgnisse der Kirchenländereien verkaufte.8)

Ein Gemeinwesen von solchem Umfang, solchem Unternehmungsgeist und solcher geschäftlichen Rührigkeit wie Nowgorod musste den untere nehmungslustigen, reichen Gewinn erstrebenden deutschen Handelsherrn mächtig anlocken; er trotzte den Gefahren und Beschwerden der langen Reise, setzte Gut und Blut ein, um seinen Anteil zu haben an den reichen Einnahmen, welche der Kaufschlag mit den nordischen Barbaren brachte.

Sobald die Winterstürme schwiegen und die hochbordigen Koggen wieder seefertig gemacht wurden, türmten sich auch in den Häfen der deutschen Ostseestädte die Warenballen der binnenländischen Händler, um nach dem Wolchow, der Welikaja und dem Dnjepr verschifft zu werden, denn bald dehnte der deutsche Kaufherr seine Fahrten über Nowgorod aus nach Pskow, Polotzk, Witebst und Smolenst und begründete auch in diesen Städten feste Handelsniederlassungen.

Die Russlandfahrer der deutschen Seestädte richteten den Kiel ihrer Schiffe nach dem finnischen Meerbusen, durchfuhren dann die zumeist stürmisch bewegte Mündung der Nu oder Newa und warfen zuerst bei der von den Schweden befestigten Insel Kotlin Anker. Nach kurzer Rast ging es stromaufwärts nach der ersten slawischen Ansiedelung, dem Ladoga der Slawen, der Aldaigjeborg der Warägern in welcher auch Rurik zuerst festen Fuß gefasst, bevor er in Nowgorod seine Herrschaft begründete.

Die deutschen Koggen mussten ihres Tiefganges wegen hier liegen bleiben; nowgorodsche Fahrzeuge, deren flacher Bau sie die gefährlichen Stromschnellen des bei Ladoga in den See mündenden Wolchow leichter überwinden ließ, nahmen die Waren auf. Bis nach dem fünfundzwanzig Meilen entfernten Nowgorod hatte man noch dreimal vor Anker zu gehen: bei Gestefeld, Willoga und Drellenburg, wo Abgaben zu entrichten waren. Zu beiden Seiten des Stromes dehnte sich ödes unbebautes Land aus; wenige Ansiedlungen der Ingrer und Karelier boten Anlass zum Kaufschlag, wohl aber hatten die Kauffahrer bei der Vorüberfahrt hinreichenden Grunde vor feindlichen Angriffen auf der Hut zu fein.9)

Der Verkehr auf den russischen Handelsstraßen ist immer großen Belästigungen und vielen Störungen ausgefetzt gewesen, die auf vertragsmäßigem Wege so viel als möglich zu beseitigen der deutsche Kaufmann kein Mittel unversucht ließ. Die älteste Urkunde dieser Art stammt aus dem Jahre 1199 und ist noch in der russischen Ursprache vorhanden. 10) Die Verbindung zwischen Wisby und Nowgorod war ein Jahrzehnt hindurch unterbrochen gewesen in Folge von Zusammenstößen, die zwischen Schweden, Deutschen und Russen im Winter 1188/89 auf Gotland, in Chorutscha und Nowi-Torschok erfolgt waren. Bislang hatten sich alle Bemühungen zur Wiederherstellung des Friedens fruchtlos erwiesen, da taten endlich die Nowgoroder, welche unter dem Stillstande des überseeischen Handels am schwersten zu leiden hatten, einen entscheidenden Schritt. Fürst Jaroslaw Wladimirowitsch schickte im Einverständnis mit dem Statthalter, dem Tausendmann und dem ganzen Nowgorodschen Volkes einen Gesandten nach Wisby, der mit den Goten und Deutschen, die auch ihrerseits dem Fürsten den Wunsch, den alten Streit geschlichtet zu sehen, zu erkennen gegeben hatten, den Frieden vereinbaren sollte. 11)

Im Frühjahr 1199 kam der Vertrag zu Stande zwischen Nowgorod und „allen deutschen Söhnen und mit den Goten und mit der ganzen lateinischen Zungen. Fortan sollten Deutsche und Goten in Nowgorod, die Nowgoroder im deutschen Landen sowie am gotischen Ufer ungeschädigt und in Frieden leben und beim Ausbruch von Streitigkeiten unter den Russen unbehelligt bleiben. Ferner bestimmte man die Höhe der Bußen für Übertretungen, Vergehen und Verbrechen: die Ermordung eines Gesandten, eines Priesters oder einer Geisel wird mit zwanzig Mark Silber, die Tötung eines Kaufmanns mit zehn Mark gebüßt. Beschlagnahme von Waren ist ohne Schiedsspruch nur für den Fall erlaubt, dass ein Nowgoroder zu seinem Rechte nicht gelangen kann, aber er darf erst nach vorhergegangener Anzeige „von dem Gaste das Seine nehmen“. Kein Russe darf in deutschen Städten, kein Deutscher in Nowgorod ins Gefängnis geworfen werden.

Zwei Jahre nach Abschluss dieses Vertrages ward an der Dünamündung Riga gegründet und bald entwickelte sich die neue Pflanzstätte deutscher Kultur zu solcher Höhe, dass sie mit ihrer Mutterstadt Lübeck, von der sie ihr Recht empfangen hatten auf dem russischen Markt in Wettbewerb treten konnte. Seit der Stiftung des mit der Bekämpfung der heidnischen Liven und Esten betrauten Ordens der Streiter Christi oder Schwertritter, welche sich bereits 1237 mit dem Orden der deutschen Ritter in Preußen zu einheitlicher Organisation verbanden,, nahm die Besiedelung der baltischen Küstenlande einen raschen Fortgang. Die häufigen Kreuzfahrten nach Livland, welche die Kirche mit ihren Gnaden, mitteln dem Zuge in das heilige Land gleichstellte, brachten um so größere Scharen deutscher Ansiedler dorthin, je mehr in Deutschland die unaufhörlichen Kriege und Fehden der großen und kleinen Gebieter den Landsassen und Bürgern das Dasein verbitterten. Unter solchen Verhältnissen gewann der Verkehr mit den Russen von Jahr zu Jahr an Ausdehnung, namentlich in Folge der Aufnahme der Handelsfahrten auf den Landwegen, die von Livland nach dem russischen Gebiete führten, aber bisher von den Eingeborenen argwöhnisch behütet, den fremden Kaufleuten unzugänglich geblieben waren.

An dem Landhandel nahm auch der Orden regen Anteil; obgleich die Päpste die Beziehungen zu den „ungläubigen Russen“ nur ungern duldeten und sie gelegentlich auch mit Bann und Interdict bedrohten, standen Ritter wie Mönche mit den russischen Handelsleuten in lebhafter Geschäftsverbindung, so dass die zünftigen Kaufleute häufig genug Ursache hatten, laut Klage zu führen über die ihrem Erwerb zugefügte Beeinträchtigung durch die Konkurrenz der Streiter Christi im Harnisch und in der Kutte. 12)

Je weiter die deutschen Ritter und Ansiedler vordrangen, um so häufiger wurden die Misshelligkeiten mit den benachbarten russischen Fürsten, welche es sich angelegen sein ließen, den Widerstand der Liven und Letten gegen ihre christlichen Bedränger nach Kräften zu schüren. Doch konnten sie andrerseits die fremden Kaufleute nicht missen, daher sie, so oft dieselben als Wiedervergeltung für erlittene Unbill ihre Fahrten nach jenen Gebieten einstellten, sich beeilten, sie durch neue Verträge zu versöhnen. So schickte im Jahre 1229 Fürst Mstislaw Dawidowitsch von Smolensk zugleich im Namen der Fürsten von Polotzk und Witebsk Gesandte nach Riga und Wisby, um den „auf beiden Seiten herrschenden Unfrieden“ beizulegen und „zu beseitigen, was zwischen den Smolenskern und den Deutschen stand.“ Die in Folge dessen angeknüpften Verhandlungen führte im Namen der Deutschen Ritter Rolf von Kassel, im Namen der Russen ein Smolensker, Tumasch Michailowitsch. „Auf dass Eintracht zwischen ihnen walte“ - so heißt es im Eingang der im Entwurf lateinisch abgefassten Urkunde - „und dass es den russischen Kaufleuten in Riga und auf dem gotischen Ufer und den deutschen Kaufleuten im Smolensker Gebiet behage, wie Friede und Eintracht gefestigt sind, und damit er ewig währe und den Rigischen und allen Deutschen, welche das Ostmeer befahren, teuer bleibe, so haben sie ein Recht aufgezeichnet, welches als Recht gelte für den Russen in Riga und auf dem gotischen Ufer, sowie für den Deutschen in Smolensk, und beobachtet werde in Ewigkeit.“13)

Der Vertrag umfasste sieben und dreißig Artikel, welche Bestimmungen über die Strafen für Blutschuld und Körperverletzungen, über Borg und Schuld, über das Gottesurteil des heißen Eisens und des Zweikampfes, welcher zwischen Deutschen und Russen nur bedingungsweise zulässig sein soll, über Warenverkehr und Gerichtsbarkeit, über den Zahlungsmodus, über die Gewichte und endlich über die freie Schifffahrt auf der Düna enthalten. Artikel 17 bestimmt, dass, sobald der deutsche Gast in Smolensk eintrifft, er der Fürstin ein Stück Leinwand (Tuch), und dem Beamten, der den Landübergang (Wolock 14) zu überwachen hat, ein Paar gotischer Handschuhe mit Fingern zu verehren habe. 15)

Die Urkunde, deren Schluss jeden Russen oder Lateiner, welcher diesen Vertrag schilt, für einen „argen Mann“ erklärt, ward zu Riga unterzeichnet in Gegenwart des Bischofs Johann, des Meisters der Schwertritter Volkwin und aller rigischen Bürger, welche sämtlich ihre Siegel beidruckten, gegengezeichnet haben sie Handelsherren aus Wisby, Lübeck, Soests Münster, Gröningen, Dortmund und Bremen. Das für die Gotländer bestimmte Exemplar ward in Wisby, von den russischen Boten und allen lateinischen Kaufleuten, ausgefertigt. Die Deutschen besaßen, wie sich aus diesem Schriftstück ergibt, auch in Smolensk eine eigene Kirche, in welcher das Normalgewicht (Kap), mit dem die in Gebrauch befindlichen Gewichte von Zeit zu Zeit auf ihre Genauigkeit geprüft werden mussten, aufbewahrt wurde. 16) Der Vertrag von 1229 ist im Laufe der Jahre von den Nachfolgern des Mstislaw Dawidowitsch mehrfach erneuert und verschiedentlich ergänzt worden. Gewährte dieser Fürst den Deutschen volle Freiheit im Kommen und Gehend so bestimmte 1250 Mstislaw Romanowitsch, dass der deutsche Gast, welcher aus seinem Gebiete in ein anderes zu ziehen wünschte, zuvor bei ihm die Erlaubnis nachsuchen sollte; er würde ihn dann nach seinem Rat entlassen. Ein anderer Zusatzartikel aus der zweiten Hälfte des dreizehnten Jahrhunderts bewilligt den Deutschen volle Freiheit der Verfügung über die ihnen gehörenden Häuser und Höfe, auf die der Fürst „weder einen Tartaxen noch einen Boten“ setzen durfte. 17)

Neben Smolensk18) war namentlich Pskow, von den Deutschen Pleskow genannt, ein vielbesuchter Handelsplatz; die Stadt, ein „Beiort“ Nowgorods, dessen Oberhoheit sie bis zum vierzehnten Jahrhundert anerkannte, hatte eine ähnliche Verfassung wie die Freistadt am Wolchow, und wurde wie diese von der Wetsche, der Volksversammlung, die den Possadnik wählte, regiert. Der deutsche Kaufhof lag in einem Vororte von Pskow am linken Ufer der Welikaja, hierher mussten die russischen Händler kommen, wenn sie mit den Deutschen kaufschlagen wollten; denn diesen war es untersagt, die nach der Stadt führende Brücke zu überschreiten. In späterer Zeit nahm Pskows Handel einen ungeahnten Aufschwung; man verglich die Stadt mit Rom, wurden doch in ihrem Gebiete 41.568 Häuser gezählt, die indes wohl ohne Ausnahme wenig mehr als Holzhütten gewesen sein mögen; denn bis auf Peter den Großen gehörte ein aus Stein zusammen, gefügtes Gebäude in Russland zu den größten Seltenheiten. 19)
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Deutsche Hansa in Russland