— Trinkwasser, — Armut. — Wohnungen, — Entfernung des Unrats.

Das Trinkwasser wird der Stadt zum Teil aus mehreren etwa , 1/2 Meile südlich von ihr gelegenen Teichen, den s. g. Pfeifenteichen oder aus Brunnen (sog. Kümmen) in hölzernen Röhren zugeleitet, zum Teil wird es aus einer großen Zahl über die Stadt zerstreuter und vielfach im Privatbesitz befindlicher Brunnen gewonnen. Der verschiedene Permeabilitätsgrad des Bodens, auf welchem die Stadt mit ihren Vorstädten erbauet ist, bedingt große Differenzen in dem Wasserstande verschiedener dieser Brunnen, häufig selbst solcher, die einander sehr nahe gelegen sind und aus diesem Grunde ist ein sicherer Schluss auf die Höhe des Grundwasserstandes aus der Höhe, welche das Wasser in den Brunnen zeigt, für Rostock vollkommen unzulässig.
Die seit mehreren Jahren andauernde Dürre hatte indes im Jahre 1859 die Ergiebigkeit der Brunnen fast allgemein bedeutend vermindert und veranlasste in einzelnen Teilen der Stadt selbst einen empfindlichen Mangel an gutem Trinkwasser. Viele bis zu 30 Fuß tiefe Brunnen versagten ihre Dienste; die Pfeifenteiche waren fast ausgetrocknet, und man war mehrere Monate lang genötigt, den sog. Reifergraben, welcher ebenso wie der mit ihm kommunizierende Kummgraben für das Wasser auf seinem Wege von den Pfeifenteichen zur Stadt eine Zwischenstation darstellt, mittelst einer Dampfmaschine aus der Oberwarnow zu speisen.

Die Zahl der notorisch Armen ist in Rostock nicht eben groß. Einem dauernden Mangel an den notwendigsten Lebensbedürfnissen wird durch die öffentliche Armenpflege wie durch den sehr allgemeinen Wohltätigkeitssinn der Begüterten wohl in allen Fällen zuvorgekommen. Ein eigentliches Proletariat ist in Rostock ebensowenig wie sonst in Mecklenburg zu finden. Dennoch fehlt es in den Wohnungen der ärmeren Klasse nicht an Bedingungen, welche, in so fern sie die Gesundheit überhaupt beeinträchtigen, auch für die Entwicklung und Verbreitung mancher epidemischer Krankheiten begünstigend wirken. Enge und feuchte Wohnungen, namentlich kleine und niedrige Hofzimmer mit der Aussicht auf Kloaken und Misthaufen findet man besonders häufig in den kleinen Gassen, welche in der Nähe des unteren Endes der Langen- und Kröpelinerstraße und gegen das Westende des Strandes zu liegen. Von der unbemittelten Klasse im Innern der Stadt wird häufig Vieh gehalten und auf diese Weise die Ansammlung größerer Dungmengen auf den fast durchweg sehr wenig geräumigen Höfen der Stadt veranlasst. Diesen Dunglagern werden in der Regel auch die Entleerungen des Hauspersonals beigemengt und die Lagerung derselben auf dem gewöhnlich unbedeckten, mindestens nicht mit einem impermemeabelen Material bekleideten Boden lässt ausgebreitete Infiltrationen ihrer flüssigen Bestandteile zu und veranlasst gewiss hin und wieder Verunreinigung benachbarter Brunnen. Nicht selten sieht man in den kleineren und ärmeren Straßen, hin und wieder sogar in den besseren Gegenden Kanäle unter den Häusern verlaufen, welche die Abfallsflüssigkeiten aus den Höfen auf die Straßen führen. Hier stagnieren diese Abflussmaterien natürlich je nach der Beschaffenheit des Terrains bald in der Nähe ihres Ursprunges, bald verbreiten sie sich über weitere Strecken und können so ihren nachteiligen Einfluss auf einen größeren Teil der Bevölkerung ausdehnen. Solche und ähnliche schädliche Anlagen finden sich namentlich in der Himmelfahrtstraße, der Fischerstraße, den Lastadien, der Kuh- und Baustraße, dem großen und kleinen Katthagen, der kleinen Goldstraße, am alten Markt, an den Brüchen, an der Wismarschen Straße, dem Barustorfer Wege u. s. w.


Aus der großen Mehrzahl der Häuser Rostocks werden die menschlichen Ausleerungen wöchentlich zweimal entfernt. Dies geschieht durch Karren, welche in den frühen Morgenstunden den Inhalt der vor den Haustüren aufgestellten Privetkübel aufnehmen und mit denselben bis zu ihrer Entleerung in einen an der Wismarschen Landstraße gelegenen unbedeckten Bretterverschlag untergebracht werden. Ein Teil dieser Exkrete wird von einer außerhalb des Steintors in hinreichend weiter Entfernung von der Stadt gelegenen Düngerfabrik verarbeitet. Gruben, in welchen die Auswurfsstoffe längere Zeit hindurch angesammelt werden, sind in den Vorstädten ziemlich häufig und finden sich namentlich überall auch im Innern der Stadt bei Häusern, deren Bewohner entweder selbst eine kleine Ackerwirtschaft betreiben, oder auf den geringen Erlös nicht verzichten wollen, welcher aus dem Verkaufe des Düngers gezogen werden kann. Wo solche Ablagerungsstätten vorkommen, da sind sie in der Regel nicht mit einem undurchlässigen Material ausgekleidet und stellen also wirkliche Schwindgruben dar. Die Bewohner des Gerber- und Fischerbruchs entleeren ihre Exkrete zum Teil direkt in die benachbarten Kanäle, namentlich in den zwischen beiden Straßen befindlichen Graben und in den Kanal, welcher an der Nordwestseite der Brüche vom Mühlendamm bis zur Küterwiese verläuft.

Die offene Lage der Stadt gegen Norden und ihre Begrenzung durch die Wälle gegen Süden haben ihr in früherer Zeit einen Ruhm eingebracht, welcher sich im Laufe der letzten drei Dezennien nicht eben bewährt hat. Der alte Klüver*) rühmt nämlich die gesunde Luft Rostocks, „denn nach dem Mittag", sagt er, „ist die Stadt hoch mit erhobenen Wällen und Mauern umgeben, dass also die schädliche pestilenzialische Luft und ungesunden Südwinde meistenteils überhin wehen und nicht tief in die Stadt kommen. Nach Norden aber am Strande ist die Stadt niedrig, dass also die gesunden Nordwinde die Stadt durch und durch wehen." Diese „gesunde Luft" hat es indes nicht verhüten können, dass Rostock in den letzten 10 Jahren mehr denn 1.000 Menschen an der Cholera verloren und zwei verheerende Scharlachepidemien nebst einer Blatterepidemie durchgemacht hat.

*) Beschreibung des Herzogtums Mecklenburg und dazu gehöriger Länder und Örter. Hamb. 1728, Thl. 2. p. 84.