Unter Peter der Große (1682-1726)

Der Schah Hussein war über dieses Ereignis im hohen Maße in Schrecken gesetzt, besonders weil der Ruhm und die Erzählungen über Peter den Großen sich verbreitet hatten, Infolge dessen schickte der Schah eine Gesandtschaft nach Russland, die das Vorkommnis entschuldigen, reiche Geschenke überbringen und Vorschlage über die Abschließung eines Handelsvertrags machen sollte. Peter, der damals schon beschlossen hatte, das südliche Ufer des Kaspischen Meeres in seine Gewalt zu bringen, um dadurch den Weg nach Indien seinem Reich zu erschließen, nahm die Vorschlage gern an, schloss aber noch keinen offiziellen Vertrag ab; er wollte zuvor den inneren Zustand Persiens kennen lernen. Um dies zu erreichen, schickte er im Jahre 1715 Artemii Wolynski, der damals ein junger Oberstleutnant war und auf den man große Hoffnungen setzte, nach Persien [Iran]. Wolynski erhielt eine weitgehende Vollmacht, um einen Handelsvertrag abzuschließen, der auch vom Schah Hussein am 30. Juli 1717 (a. St.) bestätigt wurde. Auf Grund dieses Vertrags wurden die Zölle, die Handelsgegenstände festgestellt, und Russland erhielt das Recht, einen ständigen Konsul in Gilan zu haben, um etwaige Streitigkeiten zwischen den Händlern zu schlichten. Von der politischen Lage Persiens [Iran] entwarf Wolynski ein trostloses Bild, und sprach unter anderem die Befürchtung aus, dass die Afghanen das südliche Küstenland des Kaspischen Meeres besetzen würden. Die Befürchtung bestätigte sich: aber nicht nur Afghanen, sondern auch Usbeken, Kurden und sogar Araber drangen in Persien [Iran] ein. Die Afghanen unter Mir Mahmud nahmen die Hauptstadt Isfahan, entsetzten den Schah Hussein des Thrones und erklärten Mir Mahmud als Herrscher Persiens [Iran]. In dieser verzweifelten Lage wandte sich der Sohn Husseins, Tahmasp, an Peter den Großen mit der Bitte, ihm zu helfen, das Land vom Feinde zu befreien und ein gesetzmäßiges Reich herzustellen, unter dem Versprechen, ihm die am Kaspischen Meere gelegenen Gebiete abzutreten. Bald bereute aber Tahmasp die von ihm gemachten Vorschläge, so dass er den Befehl an Ismail-Bek, der als Gesandter entsendet war, schickte, zurückzukehren. Dieser hatte aber schon Astrachan erreicht, und ihn zurückzurufen war unmöglich. Peter der Große hatte schon längst die Ereignisse in Persien [Iran] verfolgt und sich zu einer Expedition vorbereitet, welche er im Jahre 1722 zur Ausführung brachte. In kurzer Zeit hatte Peter Derbent, und der Generalmajor Matuschkin Baku erobert. Am 12. September 1723 (a. St.) kam ein Vertrag zwischen Russland und Persien [Iran] zustande, auf Grund dessen sich Russland verpflichtete, ,,gute und beständige Freundschaft und Hilfe gegen alle Aufständischen Persien [Iran] zu erweisen. Zur Befriedung des Landes und um den Schah auf dem Thron zu erhalten, lässt der Kaiser sobald als möglich die erforderliche Anzahl von Truppen, Reiterei und Infanterie, in das persische Reich [Iran] einrücken, um die Aufständischen niederzuwerfen und dem Schah die ruhige Herrschaft über das persische Reich [Iran] zu sichern“. Dafür tritt der Schah dem russischen Kaiser „die Städte Derbent, Baku mit dem ganzen zu ihnen gehörigen und am Kaspischen Meere gelegenen Territorium und Orten, sowie die Provinzen Gilan, Masanderan und Astrabad zu ewigem Besitz ab“. Dann folgen Versicherungen der „ewigen Freundschaft“ und die Erlaubnis, „dass die beiderseitigen Untertanen in beiden Reichen reisen, dort auch leben, Handel treiben, je nach ihrem Ermessen das Land verlassen können; niemand soll aufgehalten und gekränkt werden, und wenn jemand es wagt, sie zu beleidigen, so soll er dafür von seinem Herrscher hart bestraft werden“, Schließlich ist in dem Vertrage versprochen, ,,gegen die Feinde sich einander zu unterstützen“. Der Abschluss dieses Vertrages war aber mit Umständen verbunden, welche die Erfüllung unmöglich machten. Die nach dem Vertrage an Russland abzutretenden Länder mussten mit Gewalt genommen werden, und die Bundesgenossen, die Truppen Tahmasps, leisteten Widerstand.

Bald starb Mir Mahmud und der Sultan Eschref bestieg den isfahanschen Thron, der den Kampf seines Vorgängers fortsetzte und nicht zugab, dass die am Kaspischen Meere gelegenen Lander an Russland abgetreten würden. Als er sich dann gegen den nördlichen Feind, Russland, wandte, wurde er von diesem in Gilan geschlagen und gezwungen, alle Forderungen Russlands anzunehmen.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Beziehungen Russlands zu Persien / Iran