Unter Boris Godunow (1598-1605)

Boris Godunow, ein Mann von weitem politischen Blick, war besonders darauf bedacht, die unter Johann dem Schrecklichen angeknüpften Beziehungen zum Schah aufrecht zu erhalten. Er ernannte infolgedessen Gregor Borissowitsch Wassiltschikow, einen sehr verständigen und geachteten Mann, zum Gesandten, und schickte ihn nach Persien [Iran]. Der Anlass zu dieser Gesandtschaft war der Umstand, dass nicht lange vorher der Schah Chudabendjei seinen Vertrauten Andi-bjei mit einem Schreiben geschickt hatte, in welchem Feodor Johannowitsch vorgeschlagen wurde, „in Freundschaft und Liebe zu verharren, wie ihr Vater und Großvater, die großen Herrscher, in Liebe und Zuneigung gelebt hatten“. Andi-bjei wurde gnädig aufgenommen, die Verlesung des Schreibens angehört, und es erregte eine große Freude, dass die vom Schah genommenen Städte Derbent und Baku Russland übergeben werden sollten. Alles das veranlasste Boris Godunow, daraus Nutzen zu Ziehen, und die Absendung der Gesandtschaft zu beschleunigen. Als letztere Astrachan erreicht hatte, wurde in Erfahrung gebracht, dass der Prinz Abbas seinen Vater vom Throne gestoßen und sich selbst zum Schah gemacht habe. Das hinderte aber Boris Godunow nicht, Wassiltschikow zu beauftragen, die Unerfahrenheit des jungen Monarchen zu benützen, ihn des größten Wohlwollens Feodors Johannowitsch zu versichern und zu betonen, dass Russland bereit sei, die Perser [Iraner] gegen ihren schlimmsten Feind, die Türken, zu unterstützen. Die mit vielen Geschenken versehene Gesandtschaft erreichte nach einer sehr langen Reise ihr Ziel; um nur das Kaspische Meer zu durchfahren, gebrauchte sie infolge widriger Westwinde 7 Wochen.

Nach der Landung in Gilan wurde der Gesandte von der Bevölkerung mit Ehrerbietung aufgenommen, was durch den schon regen Handel mit Russland erklärlich ist. Der Schah Abbas war um diese Zeit mit Buchara im Kriege begriffen, das Chorassan eingenommen hatte. Nach seiner Rückkehr wurde ihm der russische Gesandte vorgestellt. Die Verhandlungen nahmen einen günstigen Verlauf und der Schah versprach, Russland zu unterstützen, sich in Derbent und Baku festzusetzen, sofern diese Städte der Türkei genommen waren. Die Verhandlungen führten hauptsächlich dazu, dass das Versprechen gegeben wurde, bei einem Zusammenstoß mit den türkisch-tatarischen Truppen „fest und standhaft für ewige Zeiten für einander einzustehen“.


Im Jahre 1590 entsandte Persien als Erwiderung eine Gesandtschaft an Feodor Johannowitsch, welcher damals sich zur Bekriegung des ungehorsamen Jagan, des Swjeiskischen Königs, anschickte. Infolgedessen wurde der persische [iranische] Gesandte nichtgleich von dem Zaren empfangen; er befahl jedoch, ihn in Nishni-Nowgorod aufzuhalten und ihn dort mit allen Ehren zu behandeln. Es sollte ihm alles Mögliche über die russische Kraft und Macht erzählt werden, um ihn in Erstaunen, Angst und Schrecken zu setzen. Später erfolgte sein Empfang in dem Kreml zu Moskau, wo die Perser [Iraner] mehrere Tage blieben. Godunow befragte sie über die Lage ihres Staates, über das Missgeschick, welches das Land erlitten habe, und versprach ihnen, dass Russland sie unterstützen werde.

Die Reise eines französischen Gesandten nach Persien, die Misserfolge, welche die Chiwesen, die Verbündeten der Perser [Iraner], davongetragen hatten, als sie das von den Bucharen genommene Chorassan wiedererobern wollten, und andere politische Missstände veranlassten Godunow im Jahre 1594, eine zweite, 63 Mann starke Gesandtschaft nach Persien [Iran] zu entsenden, an deren Spitze Andreas Dmitrijewitsch Swenigorodski, ein energischer, erfahrener und als unbeugsam bekannter Mann, stand. Die Gesandtschaft erreichte glücklich Kaswin und wurde überall mit großer Ehrfurcht aufgenommen. Der Schah Abbas empfing Swenigorodski sehr feierlich. Letzterer hatte verschiedene Unterredungen mit dem Schah, in denen er die politischen Beziehungen Persiens [Iran] zu den Nachbarstaaten, die Macht Russlands, die jenseits der Wolga wohnenden Nogairen und Sibirien, mit welchem sich Handelsbeziehungen entwickelt hatten, die es Turkestan ermöglichten, wertvolles Pelzwerk zu erhalten, berührte. Swenigorodski führte überhaupt die diplomatischen Verhandlungen sehr geschickt durch, so dass er leicht seinen Zweck erreichte, die Perser [Iraner] immer mehr von der Macht Russlands zu überzeugen.

Nach drei Jahren, 1597, wurde eine dritte Gesandtschaft unter dem arsamaskischen Wojewoden Fürsten Tjufjakin mit einer Begleitung von 75 Mann nach Persien ausgerüstet. Die Reise verlief sehr unglücklich: Bei der Ankunft war nur die Hälfte der Mannschaft noch übrig und der Fürst selbst starb schon während der Fahrt auf dem Kaspischen Meere, so dass der Schriftführer Jemeljanow die Führung der Gesandtschaft übernahm. Aber auch er starb in Gilan am Fieber. Der Dolmetscher Jessen Aljei Derbyschew trat an seine Stelle, der bei dem feierlichen Einzug in Kaswin so schwach war, dass er sich nicht auf dem Pferde halten konnte und fast im bewusstlosen Zustande von einigen Bauern unterstützt werden musste. Das sich äußernde Mitleiden, die gute Pflege und hauptsächlich die Änderung des Klimas hatten einen wohltätigen Einfluss auf die Oberreste der Gesandtschaft. Nachdem die Gesandten sich etwas erholt hatten, befassten sie sich mit ihren Geschäften und lernten die Verhältnisse der politischen Lage Persiens [Irans] in allen Einzelheiten kennen.

Im Laufe der kurzen Regierung Boris Godunows (1598 — 1605) wurde nur eine Gesandtschaft nach Persien [Iran] ausgerüstet, deren Führer der Fürst Alexander Feodorowitsch Shirow-Sassjekin war. Es war ihm von Godunow eine sehr eingehende Weisung gegeben, wie mit dem Schah Abbas und seiner Umgebung zu reden sei, wie er sich zu verhalten habe, um die Würde des Zaren zu wahren, ohne die Perser [Iraner] zu beleidigen. Der Zweck der Gesandtschaft war, dem Schah zu versichern, dass trotz des Regierungswechsels Boris Feodorowitsch von denselben Gefühlen zum Schah beseelt sei, und dass er mit ihm „in Liebe und Eintracht leben und gegen alle Feinde gemeinschaftlich mit ihm auftreten wolle“.

Wenn dem Schah nahestehende Leute den türkischen Sultan den tatarischen Zaren als ihre Feinde bezeichnen und unverweilt Hilfe verlangen sollten, so sei solche nicht abzulehnen, aber nur unter der Bedingung, dass die brüderliche Liebe und Eintracht der Herrscher durch Vertragsurkunde gesichert würden. Eingedenk des Wortes „l’union fait la force“, wies Boris Godunow den Gesandten an, Abbas den Großen zu einem Bündnis mit Rudolf Zessar zu bewegen, der damals mit großem Erfolge gegen die Türken focht und unlängst seine Gesandten nach Russland geschickt hatte, um mit ihm gute Beziehungen aufrecht zu erhalten und durch dessen Vermittelung Beziehungen zu Persien [Iran] anzuknüpfen.

Die Gesandtschaft schlug den gewöhnlichen Weg über Nishni-Nowgorod, Kasan, Astrachan ein. Mancherlei Unglücksfalle zwangen sie aber, in Saratow Halt zu machen. Man beabsichtigte nun, erst im Frühjahr die Reise nach Astrachan anzutreten, um dann über das Kaspische Meer nach Persien [Iran] zu gelangen. In den Urkunden über die diplomatischen und Handelsbeziehungen des Moskauer Reichs mit Persien [Iran] findet sich nichts über das weitere Schicksal der Gesandtschaft, noch über die erzielten Erfolge.

Im Jahre 1603 erwiderte der Schah den Besuch der russischen Gesandtschaft, indem er eine solche nach Russland sandte, die keinen anderen Zweck hatte, als Liebenswürdigkeiten auszutauschen und die guten Beziehungen zum Zaren aufrecht zu erhalten. Als Beweis, wie sehr Boris Godunow vom Schah verehrt wurde, überbrachte die Gesandtschaft ihm sehr wertvolle Geschenke.

Diese Gesandtschaften zeigen, wie schon Boris Godunow die Wichtigkeit der zukünftigen Beziehungen Persiens [Iran] zu Russland voraussah, zu einer Zeit, wo Grusien eine Barriere zwischen den beiden Reichen bildete und so von einer unmittelbaren Nachbarschaft noch keine Rede sein konnte.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Beziehungen Russlands zu Persien / Iran