Unter Anna Iwanowna (1730-1740)

Um diese Zeit war Anna Iwanowna (1730 — 1740) Kaiserin von Russland geworden, deren politische Auffassung in betreff des Kaspischen Küstenlandes nicht den Plänen Peters des Großen entsprach. Die großen materiellen Ausgaben und die große Sterblichkeit der in Gilan stehenden Armee infolge des Sumpfklimas trugen dazu bei, dass Biron nur eine günstige Gelegenheit abwartete, um die erworbenen Provinzen wieder aufzugeben. Tahmasp wurde als Schah von Persien bestätigt und am 21. Januar 1732 ein Vertrag mit ihm abgeschlossen, worin es hieß: „Ihre Kaiserliche Majestät tritt als ein unveränderliches Zeichen ihrer großen freundschaftlichen Gesinnung zu Sr. Majestät dem Schah sowie ihrer Hochherzigkeit, ohne die vielen Millionen, die für die Truppen ausgegeben sind und ohne den Verlust ihrer Truppen seit dem Beginn des Einrückens in Persien in Anschlag zu bringen, alle Landschaften der am Flusse Kura liegenden Provinzen ab, aber sie geruht nicht, die übrigen Landschaften von der Kura ab hinzuzufügen, verspricht jedoch, sie der Herrschaft des Schahs zurückzugeben, sobald es für gefahrlos erachtet wird, nämlich wenn der Schah seine Feinde vertreibt und seinem Reich die Ruhe wiedergibt.“

Dabei blieb aber die russische Regierung nicht stehen; sie stellte auch Grusien unter die Protektion des Schahs, trotzdem dass die Bevölkerung so oft um Hilfe gegen die Perser gebeten hatte. In dem Artikel 3 dieses Vertrages wurde der Handel in allen Landschaften und Orten mit den aus Russland eingeführten wie auch umgekehrt mit persischen Waren ohne Abgaben zu zahlen gestattet.


Sehr wichtig ist auch der 6. Artikel, wonach die ersten Konsuln und Agenten eingesetzt wurden, die erforderlichenfalls für die Kaufleute sorgen, etwaige Streitigkeiten schlichten und Mittel ausfindig machen konnten, um den Handel zu fordern. Zu diesem Zweck wurden Konsulate in der Residenz beider Reiche und in anderen Städten nach dem Ermessen der Monarchen errichtet.

Dem Schah Tahmasp gelang es aber nicht, seinem Reiche die Ruhe zu geben. Der Turkmene Nadir, welcher ihm geholfen hatte, den Thron zu besteigen, war sehr mächtig geworden, und er zögerte nicht, seine Macht zu benützen, um Tahmasp wieder zu entthronen. Der Versuch gelang, und Nadir wurde der Beherrscher Persiens [Iran]. Er forderte von der Türkei die Rückgabe der von ihnen eroberten persischen [iranischen] Landschaften, was aber verweigert wurde. Sie erklärte Persien [Iran] den Krieg; der Krimsche Chan sollte von Norden durch Dagestan in Persien eindringen, welch ersteres von Russland besetzt war. Dieser Umstand führte zu einem Zusammenstoß mit den Bewohnern der Krim und gleichzeitig zu einem Kriege mit der Türkei.

Nadir-Schah benutzte die politischen Verwickelungen, und da er das Wohlwollen Russlands Persien gegenüber kannte, schickte er gegen Ende des Jahres 1734 seinen Gesandten Hussein-Chan nach Russland, um die Regierung der größten freundschaftlichen Zuneigung des Schahs und des Reichs zu der Kaiserin zu versichern, und um dann eine Abtretung von noch mehr Land zu erlangen. Außer dieser offiziellen Mission hatte Hussein noch den geheimen Auftrag, der Tochter des großen Kaisers, Elisabeth Petrowna, den Vorschlag zu machen, sich mit dem Schah Nadir zu vermählen. Diese Vermählung hatte eine nur politische Bedeutung und zeigt, wie sehr Nadir über den Zustand des russischen Reichs unterrichtet war, wenn er daran denken konnte, durch eine Heirat mit Elisabeth Petrowna das russische Reich als Mitgift zu erhalten, indem Anna Iwanowna entthront werden und Elisabeth an deren Stelle treten sollte.

Der Vorschlag wurde abgelehnt. Nadir hatte aber allen Grund gehabt, auf das Wohlwollen der Kaiserin zu rechnen. Schon am 10. März 1735 schloss Russland mit Persien [Iran] in Gandj einen neuen Vertrag, kraft dessen Russland in seinem unveränderlichen Wohlwollen zum Iranschen Reich und in der Absicht, den besten Weg vorzubereiten, „um es in seinen früheren Zustand zu bringen und allen, sowohl den Nahen wie auch den Fernen, zu zeigen, dass von Seiten Russlands nicht beabsichtigt werde, etwas von Persien [Iran] zurückzubehalten, und nur infolge der Hochherzigkeit und der großen Gnade der Monarchin gestatte, die Städte Baku und Derbent mit den zugehörigen Landschaften und Dorfern abzutreten und zurückzugeben und Dagestan und die übrigen zu Schamchala und Jemega gehörigen Orte sollten wie früher Persien [Iran] zufallen“. In dem 1. Artikel des Vertrages wird „die ewige Bundesfreundschaft mit dem russischen Reich“ und die gegenseitige Unterstützung und die Eröffnung von kriegerischen Tätigkeiten gegen jeden, „der gegen diese beiden Hofe einen Krieg beginne“, aufgenommen. Die abgetretenen Städte wie die Gebiete, die in den früheren Vertragen erwähnt waren, sollten in keiner Weise und unter keinem Vorwande in die Hände anderer Mächte, besonders der gemeinsamen Feinde, kommen, sondern es müsse angestrebt werden, dass sie der Macht des Iranschen Reiches erhalten würden. Von dem Wohlwollen der Perser [Iraner]gegen Russland war man nicht so überzeugt, dass man es hatte unterlassen können, die Bedingung zu stellen, dass „das in Derbent vorhandene christliche Kloster nicht zerstört würde; nicht bloß die Abhaltung des Gottesdienstes, sondern auch die Diener sollten nicht gefährdet werden“. Ferner wurde von dem russischen Bevollmächtigten Golizyn die Bedingung von Persien [Iran] gefordert, „dass es keinen Frieden schließe, bis die von der Türkei entrissenen und eroberten Provinzen dem Iranschen Reich zurückgegeben sein würden“. In den Friedensabschluss, der nach der Rückgabe aller Landschaften an Persien [Iran] erfolge, solle Russland eingeschlossen werden, das sich Persien [Iran] gegenüber verpflichtete, dass ,,die Feinde des letzteren auch seine Feinde sein sollten“. Durch den 4. Artikel dieses Vertrages wurden die früher Russland zuerkannten Rechte in betreff des Handels bestätigt, und durch den Artikel 5 erhielt die russische Kaufmannschaft das Recht, „mit ihren Schiffen anzulegen und ihre Waren an den Ausladepunkten zu lagern, sie nach anderen Orten zu schaffen und frei Handel zu treiben“. Nach diesem Artikel wurde in Rescht ein Konsul eingesetzt, „damit die russischen Kaufleute in Zukunft mit Nutzen handeln konnten“.

So hatte im Jahre 1735 Russland die von Peter dem Großen eroberten Gebiete verloren und eine schwere Verpflichtung übernommen, die es so bedrückte, dass alle möglichen Anlässe und Vorwände gesucht wurden, um sich von ihr zu befreien. Alles, was Peter der Große getan hatte, war vernichtet. Alle Siege, die Russland so viel Blut gekostet hatten, waren umsonst gewesen. Die russische Diplomatie fand das aber ganz angemessen, als ein Zeichen „der unvergleichlichen Freundschaft zum Schah und des unveränderlichen Wohlwollens zum Iranischen Reich“, das alle diplomatischen Erwagungen aufhob.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Beziehungen Russlands zu Persien / Iran