Die wirtschaftliche Entwicklung Persiens/Iran

Die Bevölkerung Persiens beschäftigt sich hauptsächlich mit Ackerbau und Viehzucht. Ersterer umfasst etwa 40 Prozent, letztere etwa 30 Prozent aller sonstigen Betriebe. Das zur Kultur geeignete Land ist bei dem großen Flächenraum Persiens von 29.965 Quadratmeilen äußerst gering, nur 1/50 des Territoriums ist ertragsfähig. Trotz dieses kleinen kultivierbaren Territoriums, dessen Bebauung durch den Mangel an Wasser und durch die große Hitze sehr beeinträchtigt wird, werden doch die verschiedenartigsten Produkte in großer Menge gewonnen. Die guten Ergebnisse der Landwirtschaft beruhen auf der künstlichen Bewasserung der Felder, welche sowohl von der Regierung, wie von der Bevölkerung gefordert wird.

Das meiste zur Bebauung geeignete Land ist Eigentum der Krone, das von Bauern beackert wird, die Leibeigenen gleich zu achten sind. Diese Ländereien sind durch Eroberungen und hauptsächlich durch Konfiskationen gewonnen. Sie werden verdienten Staatsmännern oder überhaupt den Lieblingen des Schahs und eine nicht geringe Menge den Nomadenstammen als Lohn übergeben, welche letztere dafür zur Gestellung eines gewissen Kontingents an Reiterei verpflichtet sind. Ausländer besitzen kein Land, von den Landstücken abgesehen, die von den europäischen Gesandtschaften oder von Leuten, die zu verschiedenen Unternehmungen Konzessionen erhalten haben, angekauft sind. Es bedarf dies aber immer einer besonderen Erlaubnis. Auch die Geistlichkeit hat sich auf mannigfache Weise einen großen Landbesitz (Wakuf) verschafft.


Da viele Perser [Iraner] es vorziehen, ohne Arbeit große Einnahmen zu erzielen, verpachten sie ihr Land. Sie treten ihr Recht, die künstliche Bewässerung zu benutzen, die Aussaat, die Ackerbaugeräte und das Vieh an den Pächter ab und erhalten dafür 2/3 – ¾ seiner ganzen Einnahme, was für den letzteren sehr ungünstig ist, zumal das Verhältnis des Pächters zu dem Eigentümer nicht gesetzlich geregelt ist. Eine Folge davon ist, dass der Pächter sich oft veranlasst sieht, seine Wirtschaft aufzugeben, um sich anderweitig einen Verdienst zu suchen.

Die für das Landeigentum stets zu zahlende Abgabe beträgt 1/5 des Ertrages, die schon an und für sich eine hohe ist. Tatsächlich sind die Abgaben noch größer: 1/5 des Ertrags fordert der Staat, wahrend die Steuererheber und die hochgestellten Beamten einen gleichen Betrag verlangen. Der Verlust durch Heuschrecken oder durch ungünstige klimatische Verhältnisse wird bei der Einziehung der Abgaben nicht berücksichtigt. Diesen Abgaben ist es auch zuzuschreiben, dass in den Hungerjahren 1860—1861, 1869—1872, 1879, 1880 die Hälfte der Bevölkerung starb, da keine Vorräte an Lebensmitteln mehr vorhanden waren. Die Regierung sorgt nicht für Getreidevorräte, und die Bauern sparen ihren Überschuss nicht auf, da sie die Steuereintreiber und die Soldaten fürchten, die sich nicht scheuen, fremdes Gut zu rauben.

Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Beziehungen Russlands zu Persien / Iran