Abschnitt 1

Wie man in alten Zeiten Schulden auswärtiger Studenten beizutreiben suchte und dazu selbst die Hülfe der beiderseitigen Landesherren in Anspruch nahm, zeigt der im Folgenden wiedergegebene Briefwechsel zwischen einem Jenenser Gläubiger und dem im Mecklenburgischen wohnenden Vater des Schuldners sowie zwischen den Herzogen von Sachsen und Mecklenburg aus den Jahren 1680 bis 1692.

Im Jahre 1680 hatte der Studiosus Gustav Friedrich von Grabow, der sechste von zehn Söhnen des herzoglich mecklenburgischen Amtshauptmannes der Ämter Stavenhagen, Ivenack und Goldberg Joachim Friedrich von Grabow auf Woosten, auf der Universität Jena verschiedentlich Schulden gemacht, indem er teils Sachen gegen Borg entnommen, teils sich aber auch direkt bares Geld von einem Jenenser Bürger namens Gottfried Tannenberger geliehen hatte, da angeblich sein heimatlicher Wechsel während der damaligen Pest nicht rechtzeitig eingegangen war. Über diese Schulden hatte er dem Gläubiger am 20. Oktober 1680 auf dessen Verlangen auch einen regelrechten Schuldschein, lautend auf die Gesamtsumme von 97 Reichstalern, ausgestellt mit dem Versprechen, diesen Betrag binnen vier Wochen, spätestens aber bis zu Neujahr 1681, zurückzuzahlen. Der Schuldschein lautet:


Daß ich Endesunterschriebener Hn. Gottfriedt Tannenberger, Bürgern und Handelßmann alhier, vor gute tüchtige ausgenommene Tram Waaren zur Kleidung und weiser Wäsche, wie auch vieles baares Geldes zu meiner höchsten Noth vorgestrecket und geliehen, die Summa 96 Rthl., sage Sechs und Neunzig Rthl., Schuldig worden; verspreche also abgedachte 96 Rthl. Hn. Gottfriedt Tannenbergern innerhalb 4 Wochen oder längsten binnen hier und Neuen Jahr 1681 bey meiner Treu und Glauben ehrlich zu zahlen, weßwegen diese obligation zur versicherung von mir ertheilet, und mit eigener Hand geschrieben, und mit meinem gewöhnlich. Petschafft besiegelt.

Geschehen Jena, den 20. Octob: anno. 1680.

Ferner den 20. Octobr. Empfangen
baar Geld 1 Rthl.

(L. S.) Gustavus Friedericus de Grabow,
Eq. Megapolitanus.

Da der Herr Studiosus damit ja äußerstenfalls bis zum Jahresschluß Zeit hatte, beunruhigte ihn diese Sache offenbar zunächst nicht weiter. Wenigstens fiel es ihm nicht ein, bereits nach vier Wochen zu zahlen oder fernerhin wenigstens Abzahlungen zu leisten. Deshalb hatte der Gläubiger augenscheinlich auch zu dem Schlußtermin kein rechtes Vertrauen und hielt es jedenfalls bei der langen Zeit die die Briefe damals auf solche Entfernungen wie von Jena nach Mecklenburg unterwegs waren, für sicherer, sich schon vorher im Laufe des Dezember mit einem eingehenden Schreiben dieserhalb an den Vater zu wenden und diesen um Zahlung und Einlösung des Schuldscheines anzugehen. Der alte Amtshauptmann ist von diesem Schreiben natürlich sehr wenig entzückt und äußert seinen väterlichen Unwillen sowohl über den leichtfertigen Lebenswandel seines Sohnes als auch über das leichtfertige Borgen Seitens des Herrn Tannenberger in der folgenden Antwort vom 29. Januar 1681 ganz unverholen:

Wohl Edler, Groß Achtbarer und Vornehmer,
insonders hochgeEhrter Herr.

Deßen brief von 29. Decemb. 1680. habe gestern, als den 26. Jan. 1681 erhalten, wundert mich, daß die Briefe so lange liegen, deßwegen auch auf Jena schreiben laßen, ob der verdorbene Sohn noch lebete, der Herr schreibet, daß Er sich wundert, daß Ich über meines Sohns Übelverhalten übel zufrieden bin, das kan der H. mir nicht verdencken, denn wann Er kleider von 100 Rthl. hette tragen sollen, hette ich sie Ihm wohl geben können, wenn es meine Gelegenheit wäre gewest, der H. hat mehr als zu viel gethan, das kan auch wohl sehen; aber was kan ich dafür, wenn die Jungens so Jünckerigen gehen, studiret es nicht wohl. Wir haben auch leider viel Exempel, daß Studieren auch wenig Nuzen bringet, ich bilde mir auch nicht ein, daß von den Meinen Ehre und Freude haben werde, denn alle, die noch weggeschicket, verlaßen sich immer auf Nach schickung des Geldes und leben lustig drauf loß, welches der zu Jena offt gehöret, wie ich mich darüber betrübet, aber er machts noch ärger beym Anfang. Ich habe Ihm des Jahrs 150 Rthl. zugedacht nach zu senden, will er damit nicht auskommen, so laße Ers bleiben und werde ein Musqvetirer, ich wolte, daß mein Tage keinen Heller an ihm gewendet hette, ist doch vergebens, denn das studieret nicht wohl, wenn auf stattlichen kleidern nur mein Datum stehet, und gehe zum Jungfern. Der H. sey versichert, daß ich warhafftig darnach nicht fragete, was dem ungehorsamen wiederfahren möchte, alleine, weilen es der H. aus gutem Herzen gethan, und der meinen Namen Grabau führet, will soweit gegen dem Herrn mich erkläret haben, wo Gott will, und daß ich lebe, will ich dem Hn. auf zukunfftigen Trinitatis die helffte zahlen, als 40 Rthl. und auf Antony 1682 40 Rthl., die übrigen 18 Rthl. mag der ungehorsame von den Geldern, so ihm auf die 300 Floren restiren, zahlen. Der H. wolle mir aber den Gefallen erweisen, und es ihm nicht offenbahren, daß ich mich dazu resolviret habe. Den 10. Febr. werde ob Gott will, auf Güstrow [fahren], so werde Anstalt machen, daß der ungerathene noch 40 Rthl. bekomt, und will sie senden H. Gustav Gerhardt in Hamburg, wie der H. schreibet, bitte dabey dienstl. sich so lange zu patientiren, dann ich etliche in der Fremde und auch zu Hause habe, die mich viel kosten. Der H. sey versichert, ich thue es seinet halben, kan ich ehe dazu gelangen, wils auch thun. Ich wolte, daß es meine Gelegenheit wäre, nun es versprochen, sehe lieber, daß es Angesichts richtig were, aber die Zeiten sind zu schlecht, der Scheffel korn gilt 9. oder 10. Schl. Habe sofort dieses zur Nachricht schreiben wollen, dann es doch lange genug währen wird, ehe es hin kömmt.

Der ich nebst Empfehlung Gottes und dienstl. Grußes bin Meines hochgeEhrten Hn.

Joachim Friedrich von Grabow.

Aber auch der Vater hat diese Zusage aus irgendwelchen Gründen nicht eingehalten oder die Geldsendung ist unterwegs in Verlust geraten. Jedenfalls hat Tannenberger sie augenscheinlich nicht bekommen, da er fünf Jahre später mit der Absicht umgeht, selbst nach Mecklenburg zu reisen und seine Sache dort gegen den Amtshauptmann bei den mecklenburgischen Gerichten einzuklagen, wozu er im Sommer 1686 seinen Landesherrn Herzog Johann Georg III. zu Sachsen um Fürsprache beim Herzog Gustav Adolph von Mecklenburg bittet. Johann Georg läßt sich hierzu denn auch bereit finden und richtet unter dem 6. September 1686 von Eisenach aus das folgende Schreiben an den Mecklenburger Herzog nach Güstrow:

Unsere Freundliche Dienste, und was wir sonst mehr Liebes und Gutes vermögen, zuvor. Durchl. Fürst, freundl. geliebter Vetter. E. Ld. belieben aus dem Beyschlusse freundlich zu vernehmen, was uns unser vormundschafftl. Bürger und unterthan zu Jena, Gottfried Tannenberger, wegen einer Schuldforderung von 97 Rthl., damit E. Ld. Hauptmann zu Stavenhagen Joachim Friedrich von Grabau und dessen Sohn, Gustav Friedrich, als er vor etlichen Jahren auf unserer gesamten Universität zu Jena studieret, und Supplicant Ihme bey damahlen gefährl. Contagionszeiten, da die Wechsel-Gelder von dem Vater nicht alle Zeit richtig eingelauffen, sowohl an bedungenen Tramwaaren zur kleidung, als baar vorgeschossenen Gelde zu seinem bedürffen, auf inständiges Anhalten, wohlmeinend ausgholffen, verhafftet blieben, unterthänigst zu erkennen gegeben, auch was Er dabey, wegen des Vaters und Sohnes undanckbarer Bezeigung in verprochener aber bißdato nicht gehaltener Bezahlung vorgestellet, und wie Er dahero genöthiget würde. Selbsten zu dem Schuldner zu reisen, und E. Ld, üm dero nachdrückliche Hülffe und Justiz anzulangen, mit gehorsamster Bitte, wir wolten Ihm mit unserer Frl. Vetterl. Vorschrifft an E. Ld. gnädigst zustatten kommen. Wie wohl wir nun zu E. Ld. und dero bekandten Aeqvanimität das gute vertrauen haben, daß sie von Selbsten Supplicanten in seinen unterthänigsten und in der Billigkeit bestehenden Suchen, die von Ihm [zu] erlangende Hülffe und Recht wider obgedachte Schuldner in Gnaden wiederfahren und mittheilen zu laßen geneigt seyn werden. So haben wir doch mit dieser unserer Frl. Vetterl. Interceßion, weilen Er so ein festes Vertrauen darauf gesetzet, Ihme nicht entstehen mögen.