Ernst Moritz Arndt an die deutschen Fürsten.

Deutsche Fürsten und Männer, es gibt viele gute und wackre unter euch für mittelmäßige Zeiten und Geschichten, wenige, die in dem schrecklichen Strudel sich aufrecht halten können, der das Zeitalter und das Vaterland ergriffen hat. Seid doch lieber unglücklich mit Würde, mit Geist, mit Wahrheit, als mit Lüge und Knechtssinn, der euch eure letzten Waffen gegen den Feind raubt . . . Offenbart das Elend und die Schmach, die keiner so fühlen mußte als ihr, sprecht sie wahr aus, laut und fürchterlich vor den Ohren der Nation, sprecht und tut frei und edel vor der Nation, und Männer werden sich zu Männern gesellen, und die geweckte Kraft, wenn sie nicht siegen kann, wird doch edler untergehen, und endlich wachsen aus dem Blute die Rächer. Zeigt dem Volke, daß ihr mit ihm verbunden seid, daß seine Ehre, sein Glück, seine Liebe auch die eurige ist, und Begeisterung und Rettung wird kommen, und die Worte Vaterland, Religion, Ordnung, Herrscherliebe, die jetzt hohl verklingen, weil ihr sie leer gemacht, werden mehr als Worte werden.

Ihr hört mich, ihr erstarrt. Dumpfe Gleichgültigkeit, trübe Verzweiflung mit leeren Hoffnungen, mit größeren Wünschen als Kräften lähmt Euch. Ihr zeigt und wollt nichts Würdiges und könnt nichts Würdiges schaffen. Die Völker sehen auf euch, dulden und dienen knechtisch, wie ihr regiert, und in gleicher Erschlaffung geht alles ohne Erlösung unter.


Ihr schreiet in eurer Not zur deutschen Nation, ihr gebärdet euch, als wenn ihr an eine solche glaubtet. Verbrecher an ihr, ihr habt Sie nie geglaubt, sie nie geliebt noch gekannt! . . . Von deutschen Fürsten war vielfach die Rede, nie und nirgends vom deutschen Volk. Deutscher Fürsten Ehre und Macht hieß vielfach verletzt, nie und nirgends deutschen Volks. . . . Nie hatten die Fürsten als eine getrennte Partei so fern von der Nation gestanden; sie erröteten nicht im Angesicht eines starken, braven, tapferen Volkes, das Sie wie ein unterjochtes behandeln ließen . . .

So standet ihr da und so stehet ihr wie die Krämer, nicht wie die Fürsten, wie die Juden mit dem Seckel, nicht wie die Richter mit der Woge noch wie die Feldherren mit dem Schwert. Land habt ihr ungerecht gekauft, ungerecht genommen, so werdet ihr es verlieren, vielleicht eher, als ihr träumt. Als Knechte und Sklaven seid ihr neben den fremden Fürsten gestanden, als Sklaven habt ihr eure Nation hingestellt und geschändet vor Europa. Wo ist Achtung gegen sie, wo Gemeinsinn und Mitgefühl erschienen? Nirgends in Tat noch in Wort. Und ihr wollt Begeisterung, ihr wollt Geist des Volks in der Gefahr? Ihr sprecht von Pflichten der Völker gegen ihre Führer und Fürsten, ihr, die ihr euch und deutsches Blut und deutsche Ehre sogleich dem Großmogul verkauftet und mit dem Tatarchan ausginget, Deutsche zu vertilgen, wenn durch viel Blut und mehr Schmach einige Quadratmeilen Land zu gewinnen wären? So fliehet u euren kleinen Hilfen und Künsten, so tragt Deutschlands Feinden euer Gold hin und wetzt für sie eure Schwerter auf deutsche Schädel. Der Tag der Rache wird kommen schnell und unvermeidlich, und ohne Tränen wird das Volk die unwürdigen Enkel besserer Väter vergehen sehen.

(Arndt, Geist der Zeit I.)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Befreiung 1813 - 1814 - 1815. Teil 4