Arndt über den Freiherrn vom Stein in Petersburg.

Ernst Moritz Arndt, geb. 26. Dezember 1769 in Schoritz auf der Insel Rügen, als Sohn eines Gutsinspektors. Nach längeren Reisen 1805 Professor der Geschichte und Philologie in Greifswald. 1806 begann er mit dem ersten Teil seiner gewaltigen Streitschrift ,,Geist der Zeit“ seinen Beruf als Wecker, Mahner, Züchtiger seines Zeitalters. Der Freiherr vom Stein berief ihn im Jahre 1812 zu sich nach St. Petersburg. In Steins Auftrage schrieb er eine große Anzahl von Flugschriften, darunter „Was bedeutet Landwehr und Landsturm?“ und „Der Rhein, Deutschlands Strom, aber nicht Deutschlands Grenze.“ Die Wirkung seiner volkstümlichen Schriften ging tief. Unerschrocken forderte er nach der Kriegszeit die Gewährung einer zeitgemäßen Verfassung. Nach dem Einsetzen der Demagogenverfolgung wurde er 1820 seiner Professur in Bonn entsetzt, und seine Papiere beschlagnahmt. Erst im Jahre 1840 wurde er von Friedrich Wilhelm IV. rehabilitiert. 1848 nahm er am Nationalparlament teil. Er starb am 29. Januar 1860 im Alter von 90 Jahren. - Arndt erzählt:

Dieser Mann (Stein), durch die jammervollen Geschicke seines Volks seit fünf, sechs Jahren durch die Welt umhergejagt und ein Land der Freiheit und der Ehre mit der Seele suchend, saß nun in Petersburg, saß und stand da bald als ein von vielen beneideter und gefürchteter Mann, im Rat des Zaren Alexander der Erste und Oberste, er hatte die letzten Fäden des Systems zerrissen, wodurch Romanzoff (der franzosenfreundliche Kanzler) und andere seit dem Tilsiter Frieden für Napoleon und die Franzosen den Kaiser verstrickt gehalten hatten; Romanzoff selbst war gefallen, neue Verhältnisse waren mit England, Schweden usw. nach allen Seiten angeknüpft, neue Ansichten und Einsichten waren gewonnen und neue politische Gesichtspunkte gezeigt. So war Stein der erste Mann des Augenblicks, er bei den Seinigen, das heißt bei allen, welche seine Gesinnungen teilten und etwas von seinem Mut in der Brust hatten, der bewunderte, ja von vielen der angebetete Mann.


(Arndt, Meine Wanderungen und Wandelungen mit dem Reichsfreiherrn vom Stein)


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Befreiung 1813 - 1814 - 1815. Teil 1