Tafel 15 u. 16 Mykenische Ornamentglieder und kretische Wandbänke

Über den hohen Sockelplatten zeigten die kretischen Wände gern einen reichgemalten abschließenden Fries, oder man setzte skulpierte Steinfriese in die Mauer ein. Das schöne Fragment aus Mykenä (a) ist die treue Wiederholung eines solchen kretischen Ornamentfrieses. Es ist nicht das einzige Beispiel dafür, wie abhängig man dort von den kretischen Dekorateuren war. In dem einen kretischen Architekturbildchen (12, a) sitzt dasselbe Ornament zwischen dem hölzernen Fachwerk des Unterbaues der Säulenhalle; die halben Rosetten des weißen Steines sind mit blauer Einläge gefüllt. Wieder ist es ein Palast des Festlandes, der von Tiryns, der uns ein kostbares Original dieser Art erhalten hat (15, b). In den scharf skulpierten Palmetten dieses Alabastersteines sitzen zum Teil noch jetzt die eingelegten kleinen Würfel aus stumpf-bläulichem Glasfluss, — ein echt kretisches Fabrikat. Die breite Platte war mit ihren Seitensäumen in die Falze schmälerer Blöcke gefügt und kann als Wandfries oder auch, nach anderen kretischen Mustern, als Vorderwand einer niederen Bank gedient haben, die in der Vorhalle des Megaron die Seitenwand begleitete.

Solche Wandbänke zeigen auch die kretischen Räume unsrer Tafel 16, die sich hinter größeren Pfeilersälen in das Palastinnere hineinschieben; in Phaistos legte sich nur noch die (später verbaute) Treppe zum alten Obergeschoß dazwischen. Was uns hier vor allem interessiert, ist das Gefüge dieser Bänke; auch da werden, wie bei jenem Alabasterfriese, längliche Platten von kürzeren gehalten. Das System des tönernen Triglyphenfrieses von Thermon war also im kretischen Steinwerk vorgebildet. Ja, auch das Ornament war schon hier auf den „Metopen“ in horizontaler, auf den „Triglyphen“ in vertikaler Richtung angelegt! Nach der Fülle von Beziehungen, die sich zwischen den Bauten dieser Kultur und dem ältesten hellenischen Tempel knüpfen, kann das kaum bedeutungslos scheinen und es fällt schwer, gerade hier keinerlei Zusammenhang erkennen zu sollen. —


Die Stürme der griechischen Völkerwanderung haben gegen das Jahrtausendende die Lebensbedingungen der kretisch-mykenischen Kultur vernichtet. Die Heldensage hat sich dieser Vergangenheit bemächtigt, und überdauert haben sie in Griechenland im wesentlichen nur die einfachen, starken Formen ihrer Architektur. Aber von diesen bis zum Parthenon: welch weiter Weg! Alle künstlerische Arbeit war erst noch zu tun.


Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Baukunst des Altertums
Abb. 15a. Ornamentfriese, Mykenä und Tiryns

Abb. 15a. Ornamentfriese, Mykenä und Tiryns

Abb. 15b. Ornamentfriese, Mykenä und Tiryns

Abb. 15b. Ornamentfriese, Mykenä und Tiryns

Abb. 16a. Wandbänke, Phaistos und H. Triada

Abb. 16a. Wandbänke, Phaistos und H. Triada

Abb. 16a. Wandbänke, Phaistos und H. Triada

Abb. 16a. Wandbänke, Phaistos und H. Triada

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