Doberan

Die Gründung, Entstehung, Geschichte dieses ersten deutschen Seebades, das seine Existenz der Idee des Geh. Med. Rats von Vogel verdankt, und 1843 sein fünfzigjähriges Jubiläum feierte, findet man ausführlich in Sachses Jubelschrift „Einige geschichtliche Bemerkungen zu der Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Doberaner Seebades. Rostock, 1843, 4°, 40 S. mit 2 Plänen.“ Wer noch mehr wissen will, findet es in den 25 von Vogel über Doberan geschriebenen Büchern und Broschüren. Cfr. auch „Doberan und heiliger Damm von v. Schreiber“ 1855, besprochen Baln. Ztg. Bd. II p. 153. Während früher die Literatur sehr reich über Doberan war (Hufeland, Zwierlein, Mosch, Schäffer, Formey, Hermbstädt, Becker, Sachse), ist in neuerer Zeit sehr wenig über Doberan geschrieben, und der jetzige Badearzt Med. Rat Kortüm hat nur zwei Aufsätze in medizinische Zeitschr. geliefert: 1) Doberan im Frühling. Balneol. Zig. I. p. 277, und 2) die allgemeinen Baderegeln am heiligen Damm bei Doberan und ihre Motive. Wiener Wochenschrift 1857. 25. Beilage. — Cfr. übrigens Osanns Darstellung etc. II. Theil, p. 1061.

Im Jahre 1825 führte noch keine Landstraße nach Doberan, man gelangte nur auf schmutzigen und kotigen Nebenwegen dahin, durch eine einförmige Ebene. Jetzt führt eine schöne Chaussee dahin. Plötzlich, ehe man es merkt, findet man sich, wie durch eine magische Kraft, mitten in einen reizenden Wohnort versetzt. Es ist keine Stadt, es ist kein Dorf, es hat nicht einmal den Anschein eines Bades; es ist eine Gruppe von Häusern an einem abgelegenen Orte, welche eine Anzahl Weltleute scheint erbaut zu haben, die als Philosophen des Geräusches der Städte überdrüssig geworden, und es doch zu sehr liebten, um die Einsamkeit zu fliehen; man sollte meinen, dass eine Übereinstimmung hinsichtlich der Erfahrungen, des Geschmacks, der Neigungen sie vereinigt haben, und dass sie sagten: „Lasst uns die Thoren und Bösen fliehen, um gemeinschaftlich mit einander zu leben!“ Man könnte sagen, wie sich Fürst Kortoffsky ausdrückte, dass sie einen Italiener beauftragt hätten, ihren reizenden Zufluchtsort mit Größe und Geschmack auszustatten, und einen Holländer, um daselbst Sorge zu tragen für jene ausgesuchte Reinlichkeil, welche Wohlstand und Behaglichkeit andeutet, und ohne welche die schönsten Paläste Italiens nur als Denkmäler einer Größe erscheinen, die nicht mehr vorhanden ist. Das Spielhaus, das Theater und das Gesellschaftshaus sind mit Eleganz erbaut und ohne jene gesuchten Verzierungen, welche einen wenig geläuterten Geschmack verraten. Die Privatwohnungen sind alle niedlich sauber mit Terrassen und kleinen Gärten umgeben. Sie sind mit so vielen Fenstern versehen, dass man sagen könnte, die Unschuld, welche nie überrascht zu werden fürchtet, habe bei ihrer Erbauung den Vorsitz geführt. Die Natur dieses Winkels im Norden von Deutschland ist, ohne reich zu sein, doch nicht so unfruchtbar, wie die übrigen Gegenden in diesem Teile von Deutschland. Zur Linken ist ein dickbelaubtes Gehölz, wo man in tiefer Einsamkeit über seine Sorgen nachdenken oder von seinem Glücke träumen kann; zur Rechten ist ein ausgebreiteter Park und eine Anpflanzung von Obstbäumen; gerade aus eine beackerte Anhöhe, die an die den Kindern Adams auferlegte Arbeit erinnert. Inmitten dieser Denkmäler einer wohlwollenden Natur sollte man nicht denken an eine nur halbstündige Entfernung jenes Baltischen Meeres, dem sie jedes Lächeln versagt zu haben scheint. Das Badehaus, welches sich am Ufer befindet, ist mit Sorgfalt und Eleganz errichtet; unangenehm ist, dass man eine lateinische Inschrift angebracht hat, die ein Wortspiel enthält. Man hielt es einst für einen glücklichen Gedanken, dass die Bäder vom Orte entfernt sind; der Weg zu ihnen alle Morgen stellte das Gemälde eines Spazierganges einer starkbevölkerten Stadt vor; man konnte oft mehr als 50 vierspännige Equipagen zählen. Nach England gibt es in Europa keine schöneren Pferde, und die Gutsbesitzer von Mecklenburg entfalteten in Doberan einen Luxus ihrer Marställe. Aber was unglaublich sein würde, wenn man es nicht gesehen hat, ist, dass ein deutscher Fürst dort eine Gleichheit zur Wirklichkeit gemacht hatte, von der man sonst nur träumte. Man aß zu Mittag und zu Abend gemeinschaftlich in demselben Saale, an derselben Tafel; man befand sich dort nicht in Folge von Gunst, sondern von Rechtswegen, weil Jeder seine mäßige Zeche bezahlte und die Tafel des Fürsten eine Gasthaustafel gewesen ist. Es umgab ihn keine Pracht; an seiner Seite sah man Alle und Jeden, man lachte, scherzte und erzählte sich mit ihm wie mit jedem Andern, allein man konnte doch nie die Ehrfurcht vergessen, da er der Gegenstand einer zärtlichen und aufrichtigen Zuneigung aller seiner Untertanen war: er war der Schöpfer und die Seele des Bades, dem bei der Feier des 50jährigen Bestehens in dankbarer Erinnerung ein ungeheurer Granitblock von einer halben Million Pfund mit der einfachen Inschrift „Friedrich Franz, dem Begründer des ersten Seebades in Deutschland 1793“ als Monument aufgerichtet wurde.


Der heilige Damm ist ein herrliches Stückchen Erde. Er liegt 54° 18'9 n. Br. 29° 30'7 ö. L. Die offene See geht hier in einem meilenweiten ganz flachen Bogen in das Land, an welchem sich eine Meeresströmung bricht. Weit vom Strande liegt ein Riff von Kieseln, welche durch Strömung und Wellen völlig glatt geschliffen, und durch Sturm und Wasserdrang auf das Land geworfen werden und hier einen festen Damm bilden. Diese Steine liegen am ganzen Ufer und man kann deshalb nicht gut vom Ufer in die See gehen. Deshalb sind an den Stegen bei verschiedener Wassertiefe Treppen angebracht; allein es lohnte sich gewiss der Mühe, darüber nachzudenken, ob und wie man den Strand von diesen Steinen reinigen könnte. Diese Stege dienen zu gleicher Zeit auch dazu, dass Brausen an denselben angebracht sind, so dass man in der offenen See Duschen nehmen kann. Die Damen- und Herrenbäder sind vollkommen getrennt und liegen ziemlich weit auseinander. Die Damenbäder sind durch Bretter und Leinwand ganz eingefriedigt. Die Damen werden von tüchtigen Badewärterinnen in das Bad begleitet. Die Kinder werden von sehr gut abgerichteten Badewärtern und Badewärterinnen gebadet. Auch sind Badekarren vorrätig. — Die See ist nicht immer gleich hoch, je nachdem der Wind see- oder landwärts geht. Der Wellenschlag ist in der Regel nicht vorhanden, und es wird sogar vielen verboten, bei Wellenschlag zu baden. — Das Wasser ist im Ganzen stets hell und klar und bis zum Grunde durchsichtig; doch manchmal ist es etwas trübe. — Seetang ist bei Wind sehr viel vorhanden, und es entsteht dann Geruch nach Jod. — Quallen sind selten. — Die Temperatur der See ist nicht gleich, sie ist verschieden nach der Tiefe des Wassers. Seit langen Jahren sind während der Sommermonate zweimal täglich Beobachtungen der Meereswärme angestellt worden, jetzt werden sie das ganze Jahr hindurch gemacht. Aus der frühern Zeit 1813 — 33 finden sich die Messungen in Sachses med. Beob. und Bemerk. Berlin 1855. S. 95 ff. Im Jahr 1854 sind die Messungen täglich um 8 Uhr Morgens und 4 Uhr Nachmittags vom Badeinspektor Hoffer gemacht, und betrug die Temperatur in Mittel 7,44° R.; nämlich Januar 0,87; Februar 0,02; März 1,76; April 5,05; Mai 5,37; Juni 11,29; Juli 14,94; August 15,59; September 12,99; Oktober 9,57; November 5,18; Dezember 5,18. Also im Frühjahr 5,06, im Sommer 13,97, im Herbst 9,25, im Winter 1,35. — Zum Vergleiche will ich die Temperatur von 1853 daneben setzen. Juni 10,24; Juli 14,26; August 13,32; September 11,20; Oktober 9,06; November 6,48; Dezember 3,06° R. —

In dem Badehause, das dicht am Damm steht, befinden sich die Vorrichtungen zu warmen Seebädern. Es sind ungefähr 19 Wannen vorhanden, von denen jede 40 c' enthält. Die Kabinette sind groß, die Wannen mit einer beweglichen Treppe versehen, die während des Badens aufgezogen wird, und an jeder Wanne ist eine sehr gute Vorrichtung zur Brause angebracht, die der Badende selbst nach Belieben applizieren kann. In der am meisten besuchten Zeit werden täglich zirka 50 warme Seebäder genommen. Die Preise der Bäder sind hoch, allein durch eine Taxe festgesetzt. Jedes Zimmer hat seine Nummer, auf der Türe hängt eine Tafel, worauf jeder Badende mit seiner Stunde verzeichnet ist. Die Türe schließt sich innen von selbst. Die Bäder selbst sind sehr tief, von Holz, und angestrichen. — Das Wasser wird mittelst einer Hebmaschine (ein hässliches Gebäude, dessen Entfernung auch in naher Aussicht stand), die durch Ochsen getrieben wird, in ein Bassin gepumpt, von da werden die Duschen versorgt. Das Wasser wird durch Dampf geheizt, und dieser Dampf wird in die verschiedenen Badekabinette geleitet und dient dort zu den Dampfduschen. In früherer Zeit lies man den Dampf sogar über allerlei Kräuter erst streichen. Außer diesen Dampfduschen gibt es auch noch transportable Duschen. Für das Schwefelbad gibt es auch Dampfkästen. — Die Wäsche in den Kabinetts wird über einem Korbe gewärmt. — Sehr gebräuchlich sind in Doberan die Zusätze von verschiedenen Ingredienzien zum Bade, so wird von einer Dame erzählt, die zu gleicher Zeit Malz, Kräuter, Eisen und Mutterlauge zusetzte. Es kann nämlich jeder baden, wie er Lust hat, nur nicht mit Schwefel. Es wird übrigens viel über den Unfug geklagt, der mit diesem Auf-eigne-Faust-baden getrieben wird.

Zur Unterstützung der Seebadekur findet sich vor allem 1) eine Molkenanstalt. Dieselbe ist im Badehause, und wird von einem Apotheker dirigiert. Sie wird aus Kuhmilch und Lab mittelst Dampf, der hier immer vorrätig ist, bereitet, und natürlich warm getrunken. Die Taxe ist pro Tag und billig. Cfr. Sachse, Über die neu eingerichtete Milch- und Molkenanstalt in Verbindung mit Seebädern und dem innerlichen Gebrauch des Meerwassers am Strande zu Doberan. Schwerin, 1848. 2) eine Mineralwasseranstalt, unter demselben Apotheker, wo natürliche und künstliche Mineralwasser aller Art verkauft werden, 3) eine Apotheke, für deren Besorgung der Apotheker 100 Thtr. bekommt, 4) Stahlbäder, 5) Schwefelbäder. Das Seewasser selbst lässt man jetzt nicht mehr trinken.

Das Reglement für das Badehaus etc., das im Korridor aufgehängt ist, ist nach von Vogel vom Jahre 1817, und man hatte noch nicht Ursache, es zu ändern. Außerdem finden sich die festgestellten Taxen daselbst angeschlagen. In dem Badehause ist auch die Restauration; diese und das Restaurant sind ausgezeichnet. Der Tisch ist billig, und die Tafel gewöhnlich von 120 Gästen besetzt. Die Zimmer des Hauses sind an den Restaurateur verpachtet und sind ihm Maximalpreise vorgeschrieben. Die Angestellten beim Bade sind der Intendant, der Inspektor, und der Badearzt. Dieser wohnt in der Stadt Doberan, hat aber am heiligen Damm ebenfalls eine Dienstwohnung, und wird mit 700 Thlrn. besoldet. Es fehlt an einer Kommission, die gemeinschaftlich die Badeangelegenheiten beraten kann, was nicht zum Vorteil des Bades ist. Es erscheint in Doberan eine Kurliste, die 14 — 1.500 Nummern zählt, meistens der Mecklenburgischen Aristokratie angehörend, die Doberan als eine Villegiatur betrachtet. Ausländer sind wenige dort. Leider ist auch in der Stadt Doberan ein Spiel. Die Bank zahlt jährlich 20 — 21.000 Thlr. an die Badekasse, die die Hälfte vom reinen Gewinn hat.

Am heiligen Damm fehlte es an Wohnungen; allein man hatte schon damals angefangen, eine Menge kleiner Landhäuser dicht am Strande zu bauen; allein auch das dürfte noch nicht genügen; es fehlt ein großes Logierhaus, wo die fremden Gäste alle Bequemlichkeit finden. Um daher die Seeluft recht genießen zu können, musste man den großen Steg bauen; es ist dies eine breite, mit Bänken und Tischen versehene Brücke, eine Wandelbahn, die in die See hinausführt, und sich hufeisenartig einbiegend, zum Ufer zurückführt. Sie geht 300 Fuß weit in die See. Es ist dies der Glanzpunkt vom heiligen Damm, wie der Spill in Warnemünde, die Digue zu Ostende etc. Von dort aus werden nun auch manche Wasserpartien gemacht, die Boote zum Spazierenfahren sind sehr schön, und die Lotsen vortrefflich.

Die Schwefel- und Bittersalzquellen wurden 1819 entdeckt und liegen in den Wiesen. Letztere kam bisher gar nicht in Anwendung; von ersterer wurde das Wasser in Rohren nach dem Badehause geleitet, wo 5 Kabinette die Einrichtung haben, dass sie zu gleicher Zeit zu Schwefelbädern benutzt werden können. Doch hat man die Absicht diese ganze Schwefelgeschichte eingehen zu lassen.

Das Stahlbad liegt in der Stadt Doberan und erhält sein Wasser von einer Wiesenquelle, die 1820 entdeckt wurde, aus Raseneisenstein entspringt und aus dem Schlamm hervorkommt . Das Wasser wird durch ein Pumpwerk gehoben und ins Badehaus geführt. Die Aufsicht über das Bad hat der Doberaner Badearzt cum facultate substituendi. Der Badekabinette sind es 14, wovon 8 zu Stahlbädern und 6 zu Warmwasserbädern benutzt werden. Es wird ziemlich viel gebadet, meist auf eigne Faust; im Ganzen wurden 1854 1552 Bäder daselbst gegeben. Getrunken wird das Wasser nicht, da es sich wegen mangelnder Kohlensäure nicht dazu eignet, im Allgemeinen schenkt man dem Stahlbade nur wenig, zu wenig Aufmerksamkeit, was um so nötiger wäre, als die beiden andern Stahlquellen in Mecklenburg, Parchim und Goldberg, nicht das bieten können, wie Doberan.

Eine Kaltwasseranstalt, die einmal in Doberan eingerichtet wurde, ist bald wieder eingegangen.

Das Krankenhaus für arme Kranke am heiligen Damm. Es wurde 1810 durch Beiträge der Freimaurerlogen errichtet, und ward 1823 an seiner jetzigen Stelle erbaut. Es ist für 16 Personen eingerichtet. Es wird am 20. Juni eröffnet, und die Armen erhallen 4 Wochen lang Alles frei, bei vortrefflicher Kost. Auch weniger Dürftige, die Kost, Wäsche und Arzenei bezahlen, können Aufnahme finden. Es werden übrigens nur solche Kranke aufgenommen, bei denen sich von den Bädern zu Doberan etwas erwarten lässt, worüber der Badearzt bestimmt. Die näheren Bestimmungen zur Benutzung der Anstalt enthält das Regierungsblatt No. 16 vom 21. Juni 1852. — Im Jahre 1851/52 wurde an dieses Krankenhaus die Sommerwohnung des Badearztes angebaut, die recht schön und freundlich ist.
Dieses Kapitel ist Teil des Buches Die Bäder und Heilquellen in Mecklenburg-Schwerin.
Der Kamp in Doberan

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Cover der Neuauflage

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Heiligendamm, Burg Hohenzollern

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Heiligendamm - Strandpartie

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Heiligendamm, Kurhaus und Chaussee

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Heiligendamm Strandvillen

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