Die Badestuben im Mittelalter

Autor: Falke, Johannes (1823-1876) deutscher Archivar und Historiker, Erscheinungsjahr: 1862
Themenbereiche
Enthaltene Themen: Mittelalter, Badestuben, Badekultur, Reinlichkeit, Hygiene, Bader
Aus: Westermanns Jahrbuch der Illustrierten Deutschen Monatshefte. Ein Familienbuch für das gesamte geistige Leben der Gegenwart. Bd. XI, Oktober 1861. — Oktober 1862.

Die Reinlichkeit eines Volkes hält gleichen Schritt mit der Entwicklung seiner Bildung. Liebig zählt den Verbrauch von Seife unter die Gradmesser der Kultur; je mehr Seife ein Volk erzeugt und verbraucht, um so entschiedener sind seine Fortschritte in der Gesamtsumme der Bildungsverhältnisse. Seife und Wasser sind für den Körper des Menschen, was sittliche Grundsätze für seine Seele; sie dulden keinen Schmutz, kein Ansetzen verunreinigender und entstellender Stoffe, erhalten Körper und Seele blank und frisch, in stets reiner und wahrer Gestalt, werfen jede Spur einer lottrigen Vernachlässigung, eines willenlosen Sichgehenlassens hinweg und machen beide achtsam auf sich selbst, heikel und empfindlich gegen Berührung von außen, allein befriedigt durch das Bewusstsein untadeliger Sauberkeit.
— Suchen wir in der Culturgeschichte des deutschen Volks nach diesem Gradmesser, so gewinnen wir auch in dieser Beziehung vor den Bildungszuständen des Mittelalters, so sehr wir im Einzelnen durch rohe und seltsame Ausbrüche einer ungebändigten Naturkraft und eben darum auch durch eine oft überraschend schnelle Entartung der Sitte in ihr Gegentheil abgestoßen werden mögen, dennoch jene Achtung, welche wir trotz allem Begnügtsein in moderner Bildung bei immer tiefer dringender Geschichtsforschung dem deutschen Volke der mittleren Jahrhunderte nicht versagen können. Schon in den ältesten Zeiten finden wir bei deutschen Stämmen Freude und Gewandtheit im Baden und Schwimmen und den Gebrauch offner Bäder im kalten Wasser wie warmer, künstlich bereiteter Hausbäder. Auch wussten die Deutschen schon zu Tacitus' Zeit auf eigentümliche Art Seife zu bereiten, die selbst den überfeinen Römern behagte und als eine der ersten deutschen Handelswaren im Verkehre mit diesen gute Dienste leistete. Die alten Gesetzbücher kennen Bader und Bäder, das bayerische und alemannische Rechtsbuch nennen den balnearius und die Lombarden in Italien liebten und brauchten die von den Römern erlernte Badeart. Helmichis empfängt nach der Stärkung im lauen Bade von seiner königlichen Gattin Rosamunde den tödlichen Giftbecher und Karl der Große kannte kein behaglicheres Vergnügen, als in Gesellschaft seiner nächsten Verwandten und Freunde in Aachen zu baden. In den Klöstern hatte die Ordensregel die Gewohnheit des Badens aus der ältesten Zeit überliefert; zu hohen Festtagen bereitete das Bad am würdigsten vor und sich auf längere Zeit des Bades zu enthalten, galt für fromme Geistliche als besondere Askese. Die alttestamentarische Ansicht, dass die Reinigung des Körpers durch Wasser nicht nur ein Zeichen, sondern auch ein Mittel zur Läuterung der Seele sei, pflanzte sich in den religiösen Ansichten des Mittelalters fort. Die angeborene Neigung, die Berührung mit der Kultur der Römer, das Eindringen des mit morgenländischer Sitte und Anschauung untermischten Christentums, vor allem die durch die Kreuzzüge des zwölften Jahrhunderts gepflegte unmittelbare Verbindung mit dem Orient brachte die Sitte des Badens unter den germanischen Stämmen und im ganzen nördlichen Europa zur allgemeinsten und entwickeltsten Ausbildung, wovon uns besonders die poetischen Darstellungen aus jenem und den folgenden Jahrhunderten sprechende und anziehende Beweise überliefert haben.

Auf den Ritterburgen, die in Deutschland zuerst ein häusliches Leben in behaglicherer Fülle und geschmackvollerer Feinheit entwickelten, finden wir nach den Schilderungen der Helden- und Rittergedichte das Bad als den unentbehrlichsten und erquicklichsten Genuss im Hause dargestellt. Dem ankommenden Gast wird nach dem Willkommen sogleich das laue Bad bereitet, dass er sich vom Staube der Reise, vom Rahm der Eisenrüstung, vom Schweiße des Wanderns oder Kampfes reinige, und alle Mittel werden aufgeboten, ein solches Bad recht behaglich und vergnüglich, für Körper und Phantasie gedeihlich und genussreich zu machen. „Man schuf ihm gut Gemach von Kleidern, Speis und Bade,“ heißt es an manchen Stellen im Iwein, Wigalois und Tristan. Eben so im Biterolf: „Und Gunther dann die Helden bat, Dass sie nach Haus sich ließen laden, Er wollte schön sie heißen baden, Und ihnen schenken seinen Wein.“ Als Beaflor nach langem Umherirren auf dem Meere endlich den gastlichen Strand erreicht, wird ihr, sobald sie sich mit Speise gestärkt hat, von der Wirtin das Bad bereitet. Auch Ulrich von Lichtenstein meldet mit Behagen, wie den Rittern nach sattsamem Buhurdieren manches schöne Bad bereitet wurde, worin sie dann bis tief in die Nacht sich ergötzten. Nach der Reise und der Jagd, nach den Mühen des Kampfes zu Schimpf und Ernst, sowie nach den Entbehrungen und dem Jammer einer Gefangenschaft ging den Rittern keine Erfrischung und Stärkung über das Baden.

Als eine besondere Steigerung des Genusses galt es diesem wohllebigen Geschlechte, wie den Saal und den Schlafgaden so auch das Bad mit Rosen dicht zu bestreuen. In Türlins Krone heißt es: „Ihm wurde für die Hitze der Saal mit Rosen ganz bestreut, Dass der Geruch ihn sehr erfreut.“ Der Minnesänger Jakob von Warte, der Vetter des Königsmörders, sitzt auf dem Bilde, das in der manessischen Handschrift seine Lieder schmückt, unter einer schattigen Linde mit Blumen bestreut in der Badewanne, indessen ein Fräulein ihm einen Blumenkranz aufsetzt und ein anderes einen Becher darreicht. Auch im Parzival heißt es: da den Helden auf einer Burg das Morgenbad bereitet war, „warf man da Rosen oben ein.“ Ulrich von Lichtenstein kommt auf seiner bekannten abenteuerlichen Fahrt im Jahre 1227 als Frau Venus verkleidet nach Neustadt, und lässt sich, da er nicht erkannt sein will, außerhalb der Stadt ein Bad bereiten. Während er seinen Diener nach frischer Kleidung in die Stadt schickt, wird er von einem fremden Knappen überrascht, der ohne sich abweisen zu lassen einen Teppich ausbreitet und kostbare Frauenkleider mit Ring und Brief darauf legt. Dem Knappen folgen zwei Knechte, die auf den Ritter frisch gebrochne Rosen so dicht streuen, dass man weder ihn noch das Bad mehr sieht, und dann ohne dem fragenden Ritter Antwort zu stehen schweigend davoneilen.

Auch in den Städten wurde mit dem ersten Aufblühen des bürgerlichen Lebens der Gebrauch der künstlichen Bäder allgemein und bald ein unentbehrliches Bedürfnis und eine der Hauptfröhlichkeiten. Ein alter Spruch sagt:

„Wiltu ein Tag fröhlich sein? Gehe ins Bad. Wiltu ein Wochen fröhlich sein? Lass zur Adern. Wiltu ein Monat fröhlich sein? Schlacht' ein Schwein. Wiltu ein Jahr fröhlich sein? Nimm ein jung Weib.“

Gleich den Geistlichen bereiteten sich auch die Laien zu großen Kirchenfesten mit einem Bade am Vorabend, und bei den Handwerkern wurde es bald herkömmlich, am Samstag Abend regelmäßig ein Bad zu nehmen. Bei manchen Handwerkern erhielt der Geselle jeden Samstag oder alle vierzehn Tage ein besonderes Badegeld, Lehrjungen alle vier Wochen, in Frankfurt sogar der Bürgermeister und andere Stadtbeamten jeden Samstag, in Basel der Ratschreiber und seine Unterschreiber von Zeit zu Zeit ihre Badepfennige. Im fünfzehnten Jahrhundert gab man statt unseres Trinkgeldes ein Badegeld für persönliche Dienstleistungen, und auch Arbeiter, zum Beispiel die Weingartenarbeiter in Esslingen und Niederösterreich, empfingen zu Ende der Woche noch ein Badegeld. Braut und Bräutigam bereiteten sich in vielen deutschen Städten in der öffentlichen Badstube zum Hochzeitsfeste vor. Sie zogen mit zahlreichem Gefolge dorthin, verteilten unter die mitgebrachten Gäste reichliche und kostbare Badewäsche und hielten nach dem Bade ein fröhliches Zechgelage. Die Gesetzgebung schritt gegen den bei dieser Gelegenheit übertriebenen Aufwand mit zahlreichen, freilich auch in den meisten Fällen nutzlosen Verboten ein. In Regensburg wurden schon im Jahre 1320 die Zahl der männlichen Badegenossen auf höchstens vierundzwanzig, der weiblichen auf acht festgestellt, in München durften nach dem Stadtrechte von 1340 nur sechs Frauen, in Nürnberg nur fünf Männer und fünf Frauen mitziehen. Im sechzehnten Jahrhundert wurde an vielen Orten die Gastung beim Brautbade ganz verboten, so in Berlin, Stolberg, Görlitz, aber noch lange ohne Erfolg. Auch dem niedern besitzlosen Volke galt das Baden in diesen Stuben als eine Art von öffentlicher Belustigung, so dass für dasselbe bei festlichen Veranlassungen in den Städten Freibäder gegeben wurden. Das Speierer Domkapitel ließ stets zu Martini und am Faschingsdienstage ihren Dienern und deren Familien ein solches Freibad und nach demselben eine Mahlzeit bereiten und der Bader zu Böblingen musste jeden Faschingsdienstag dem armen Volke ein Freibad hergeben, wofür er dann zu jeder Zeit im Walde unentgeltlich Holz hauen durfte. Fromme, Geistliche und Laien, übten ihre christliche Gesinnung gern im eigenhändigen Bereiten von Bädern für Kranke und Arme. Mathilde, die Gemahlin des Kaisers Heinrichs I., ließ jeden Samstag ein Bad für Dürftige und Reisende herstellen und half oft dabei mit eigenen kaiserlichen Händen. Der Bischof Ansfried von Utrecht (gestorben 1010) schöpfte selbst das Wasser aus dem Rhein in die Zuber, wärmte es, badete dann die Aussätzigen und legte sie in sein eigenes Bett, und auch die heilige Elisabeth und die Markgräfin Mathilde bewiesen auf dieselbe Weise ihre Frömmigkeit. Dem Baden gleich galt in diesem Falle auch das Fußwaschen. Später stiftete man lieber für die Kranken und Armen besondere Bäder, die sogenannten Seelbäder, weil sie zum Heil der eigenen Seele dienen sollten, und wir finden dieselben im fünfzehnten Jahrhundert in den meisten wohlhabenden Städten.

Als so die Sitte allgemein und die öffentlichen Badstuben in den Städten unentbehrlich geworden waren, machten die Landesherren und die städtischen Obrigkeiten die Bäder gleich den Schenken zu hoheitlichen und die Errichtung derselben von ihrer Erlaubnis abhängig. Ein so privilegiertes Bad hieß das „ehehafte“ und wurde an Einzelne oder an Körperschaften auf Erb- und Zeitpacht übergeben. Selbst um die Mitte des vierzehnten Jahrhunderts solche Badstuben, die sie gegen bestimmten Zins an städtische Bader verpachtet hatten. In Stuttgart besaßen die Bader diese Stuben als Erblehen und zinseten jährlich der weltlichen Herrschaft 12 1/2, der geistlichen 13 ½ Pfund Heller. Guarinonius sagt, es sei zu seiner Zeit in Deutschland keine Stadt, kein Markt, kein Dorf so gering gewesen, das nicht ein öffentliches Bad gehabt habe.

Eben so häufig und unentbehrlich wurden die Badstuben in den Wohnhäusern der Städte. In jedem einigermaßen behaglich eingerichteten Bürgerhause waren „kleine gemachsame Badstüblein mit iren wasser Kesselin,“ und auch auf Einzelhöfen der Bauern finden wir dergleichen. Häuser, welche nicht besondere Badstuben haben konnten, besaßen wenigstens zwei hölzerne Wannen, die über einander gestellt wurden, oder eine größere mit Stroh gedeckte, um den Badenden darunter zu verbergen, oder hölzerne Badeschränke. Die Badstube war für die Gesellschaft im Hause eines reichen Bürgers oder Patriziers gleich einem Salon oder Sprechzimmer. Man lud die Freunde dorthin, saß mit ihnen im lauen Bade, aß und trank dabei, plauderte oder unterhielt sich zwischen Blumenkränzen und Vasen mit Gesang und Spiel, ohne weitere Rücksicht auf den Unterschied des Geschlechtes. Wer grade nicht wusste, wie er die Zeit hinbringen sollte, ließ sich zu Hause, wenn er es vermochte, ein Bad herrichten, „darin er etwa mit seinem Weibe oder sonstem einen guten Freund sitzet und ein Kändele drei vier Wein neben guten Sträublen ausleeret.“ Essen und Trinken während des Bades war überhaupt häufig und beliebt, und galt, da man sehr lange, mitunter ganze vierundzwanzig Stunden, häufig aber vier bis sechs Stunden im Bade blieb, als dem Körper zur Stärkung unentbehrlich.

Freilich boten dadurch begreiflicher Weise die häuslichen wie die öffentlichen Badstuben schon früh Gelegenheit zu allen Arten von Unsittlichkeiten. In der Esslinger Vorstadt Stuttgarts wurde im Jahre 1591 eines Tages zur Anzeige gebracht, dass achtzehn Personen männlichen und weiblichen Geschlechts schon einen ganzen Tag und eine ganze Nacht mit einander im Bade gewesen seien. Schon Tannhäuser (1220 bis 1246) klagte bitter über die Gefährlichkeit und Kostspieligkeit der Badstuben Wiens, und auch Nithart gedenkt ihrer in ähnlicher Weise. Um die Mitte des sechzehnten Jahrhunderts galten die öffentlichen Badstuben ziemlich allgemein in den deutschen Städten und vornämlich in den niederländischen als die Gelegenheiten, die „am meisten zur Anreizung der Unkeuschheit erbauet sind.“ Die Bader zählte man damals zu den ehrlosen, wenigstens anrüchigen Personen und mit ihrem Gewerbe dachte man sich ein heimliches Gelegenheitsmachen und Kammervermieten unzertrennlich. In Italien galt jeder Bader als Russian und Kuppler und stets bereit, die geheimern Baderäumlichkeiten unter Verschwiegenheit und gegen gute Bezahlung zu jedem Liebesabenteuer zu vermieten. Auch diente in der geistig so seht bewegten Zeit zu Ausgang des fünfzehnten und zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts die stille Zurückgezogenheit der Badstuben, um hier die religiösen und politischen Tagesfragen in aller Heimlichkeit und fern vom horchenden Argwohn zu besprechen und es scheinen die hier geschehenen Zusammenkünfte und Verabredungen für die schnelle Verbreitung und Durchführung der neuen Ideen und Formen nicht ohne Bedeutung gewesen zu sein. Die geistliche wie die weltliche Obrigkeit erhob deshalb auch bald gegen diese Art des Badens, das vermöge der Abgeschlossenheit, des zwang- und hüllelosen Beieinanderseins der Geschlechter, durch die ganze aus orientalischer Üppigkeit und nordischer Derbheit zusammengesetzte Weise oft genug die Badstuben zu Herbergen des Lasters mochte entarten lassen, den heftigsten Widerspruch, und als die Furcht vor den ansteckenden Krankheiten des fünfzehnten und sechzehnten Jahrhunderts, vor Allem vor Lepra und Syphilis, hinzukam, wurden die Verbote der öffentlichen Badstuben häufiger und schärfer, die Abmahnungen der Ärzte dringender, so dass bald der Besuch dieser Bäder in merklicher Weise überall abnahm. In Gerolzhofen klagte der Rat schon im Jahre 1445, dass während früher zwei Badstuben in der Stadt jede wöchentlich viermal geöffnet und stets besucht gewesen sei, jetzt die eine kaum dreimal in der Woche hinlänglichen Besuch habe, verlangte aber dennoch, dass die Bader ferner viermal öffnen sollten; hundert Jahre später wurde aber das Bad nur einmal geöffnet und der Rat verlangte vergeblich dreimal. In Stuttgart wurden im Jahre 1547 die öffentlichen Badetage von sechs auf zwei vermindert, desgleichen in Wien, Berlin, Nürnberg und andern Orten. In Frankfurt wurden wegen der Pest und eben so in Paris gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts die öffentlichen Badstuben geschlossen und diese wie das Baden in öffentlichen Infektionsordnungen von den Ärzten ganz verboten. Dagegen steigerte sich jetzt mit der Abnahme des Gebrauches der Badstuben der Besuch der sogenannten Wildbäder, der warmen und mineralischen Quellen, besonders in der Schweiz, wohin denn dieselben Sitten in nur noch vergrößertem Maßstabe übertragen wurden.

Die ursprünglichsten und einfachsten Bäder waren die Wasserräder oder Vollbäder in Wannen oder ausgemauerten Becken, wobei denn das kalte Wasser — Röhrenleitungen kannte man nicht in den Badstuben — durch wiederholten Zuguss von heißem oder durch das Hineinlegen heißer Steine erwärmt wurde. Später hielt man solche Wasserbäder für sehr schädlich, namentlich gegen die Lepra, und es wurden die Schwitz- und Dampfbäder um so häufiger. In den nord- und osteuropäischen Gegenden waren auch bei den slawischen Völkerschaften Schwitzbäder schon in sehr frühen Zeiten beliebt. Der Heidenapostel Andreas erzählt, dass die Slawen hölzerne Bäder und darin steinerne Öfen gehabt hätten; wenn die letztern stark geheizt waren, setzten sie sich nackend ins Bad, begossen sich und die heißen Steine mit lauem Wasser, peitschten sich mit Ruthen oder laubigen Baumzweigen so arg, dass sie oft kaum lebendig herauskriechen konnten, begossen sich beim Hinausgehen wieder mit kaltem Wasser und taten so alle Tage. Es ist möglich, dass der Gebrauch solcher Bäder durch russische und griechische Kaufleute nach Süd- und Norddeutschland verbreitet wurde. Auch die Deutschen liebten schon im frühesten Mittelalter stark geheizte Wohngemächer, woraus Fremde ihre zerkerbten Augenliderränder (Oculi scarpellati) erklären wollten. Beim Gebrauch solcher Bäder übergoss man häufig auch noch zu besondern Heilzwecken die erhitzten Steine mit einem Kräuterabsud. Auch diese Schwitzbäder wurden bald aus Burgen und in Bürgerhäusern allgemein und da, wo die besondere Badstube fehlte, bediente man sich dazu der strohgedeckten oder zusammengestülpten Zuber und legte die erhitzten Steine hinein. In den Kalendern, den Volks- und Hausbüchern jener Zeiten, waren stets unter den Gesundheitsregeln in jedem Monat auch die günstigen und ungünstigen Zeiten für Wasser- und Schwitzbäder mit unfehlbarer Sicherheit bezeichnet. In einem solchen heißt es:

„Jenner: kühl erlaube ich dir zu paden. Hornung: warme pad die seint dir gut. März: du magst auch warm paden wol. Hewmon: vor slaf und vor paden, Hüt dich, wann es thut schaden. Augustus: Hab nit gir zu paden.“

Helbling, ein Wiener Dichter des dreizehnten Jahrhunderts, hat uns den Hergang eines solchen Schwitzbades mit vergnüglicher Anschaulichkeit geschildert. Darnach gab in Wien der Bader in der Morgenstunde mit dem Horn das Zeichen, dass das Bad bereitet sei — anderswo schlug er oder sein Knecht auch wohl eine kupferne Pfanne in der Gasse. Auf dieses Zeichen eilte, wer sich baden wollte, halb entkleidet, nur mit dem allernotwendigsten Gewande verhüllt, „barfuß, ohne Gürtel, mit ungebürstem Haar,“ aus dem Hause in die Badstube. Auch Guarinonius klagt, dass anständig erzogene Bürger und Bürgerinnen halbnackend über die öffentliche Gasse ins Badhaus gingen, oft laufe der Vater mit einem einzigen Untergewande samt seinem entblößten Weibe und bloßen Kindern dem Bade zu. Es geschah dies zum größten Teil auch aus Furcht vor dem in der Badstube häufig vorkommenden Diebstahl. Wohlhabendere nahmen wie der Dichter Helbling ihr eigenes Badehemd oder Badelaken mit, Ärmere erhielten dasselbe in der Badestube, doch in keinem Inventar vermöglicher Häuser durfte dasselbe mit dem Badehute oder der Badekappe fehlen. Nachdem sich der Ankömmling, bei größeren Badstuben im besondern Vorzimmer, entkleidet hatte, bot der Wirt demselben mehrere aus Birken- und Eichenlaubreisern gebundene Büschel oder Quasten zur Auswahl, „einen frischen neuen Wadel hinten wohl gebunden.“ Eine solche Badequaste an einer Stange durchs Fenster gesteckt, galt an manchen Orten auch als das Aushängezeichen der Badstuben. Mit dieser Quaste peitschte man die Haut, um deren Tätigkeit zu erhöhen, oder ließ sich vom Bader und dessen Dienern peitschen und mit lauem Wasser besprengen. Die öffentlichen Badstuben hatten terrassenförmig aufgestellte Bänke; auf deren oberster streckte sich der Badende aus, den Kopf auf ein hölzernes Kissen gelehnt, und je heißer es in der Stube wurde, um so tiefer stieg er herab, bis er von der untersten nicht selten ohnmächtig herabfiel und aus der Badestube getragen werden musste. Die Dienerschaft war meistens eine weibliche, auf den Burgen bedienten gewöhnlich die Töchter der abhängigen Lehnsmannen. Dem Helbling brachte „ein Weibel viel gelenke“ ein Schaff Wassers „weder zu kalt noch zu warm“ und strich ihm mit der Quaste Rücken, Beine und Arme. Außerdem hatten gut eingerichtete Badstuben noch eine Gewandhüterin. Dann wurden nach Helblings Erzählung die heißen Steine mit Wasser begossen, die Fenster, gewöhnlich klein und enge, verdunkelt und die Badenden begannen von Neuem die Wedel zu schwingen, „deß begunde ich lachen in der vinsternüsse.“ Dem Helbling war es noch nicht heiß genug, er lässt zwei Würfe Holz nachschüren und nachdem er auf der Bank ausgestreckt hinlänglich geschwitzt hat, steigt er auf die kühleren Dielen herab, lässt sich hier den Schweiß abreiben, dann mit Seifenlauge „lauter und lichtfarben“ begießen. Das vielgelenke Badeweibel muss ihn zwagen und kneten, begießen, reiben und wieder begießen; wie ein Gewandstück wird er in die gründlichste Wäsche genommen. Dann ruft er nach dem Scherer, und häufig kam auch noch der Aderlass hinzu. Eben so gab man auch im Mittelalter viel auf ein sorgfältiges Waschen des Kopfes; wir haben Bilder, die ganze Reihen solcher Kopfwaschenden zeigen. Im fünfzehnten Jahrhundert zogen auch wohl, zum Beispiel in Frankfurt am Main, die Bader Vorübergehende mit größter Zudringlichkeit in ihre Badstube, um sie fast gewaltsam zu scheren und ihnen den Kopf zu waschen. – Nachdem ein Scherknecht unserem Helbling Haar und Bart geschoren hat, verlässt er auch die letzte Bank, um im Hinausgehen noch einmal mit Wasser überschüttet zu werden. Im Vorzimmer findet er ein Bett bereit und pflegt darauf der behaglichsten Ruhe. Auch Nithart sagt in einem Liede: „Daz ich nach bade het guot gemach in meiner kemenat ich lac, ditz was recht umb mitten tac.“ Eben so Ulrich von Lichtenstein: „Ein riche Bette was ir bereit, da leit sich an diu süeze meit.“ Auch die Ärzte empfahlen diese Ruhe im Bette nach dem Baden, teils um den ermüdeten Körper wieder Kräfte sammeln zu lassen, teils um ihn nach stundenlangem Aufenthalt in der heißen dampfgeschwängerten Luft, nach dem Kneten und Waschen im heißen Wasser und Seifengischt nicht ohne Übergang der freien kühleren Zugluft auszusetzen. — Nach sattsamem Ausruhen empfängt Helbling vom Knechte seine Gewänder zurück, gibt dann, durchaus befriedigt, dem Badewirt und seinen Dienern den wohl verdienten Lohn und scheidet mit dem vergnüglichen Gruß: „Herre got laze iuch lange leben, der alle ding wol lonen kann.“

Jahrbuch 1862

Jahrbuch 1862

Familienbad

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Gesellschaftsbad

Gesellschaftsbad

Kopfwaschung

Kopfwaschung

Öffentliche Badestube

Öffentliche Badestube

Wannenbad

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