8. Die Bestimmung und Einrichtung der Einwanderungsländer

Die Kontrolle der Auswanderer in Europa legt, wie wir gesehen haben, einen Hauptaugenmerk darauf, alle diejenigen von der Reise zurück zu halten, die den Bestimmungen der Einwanderungsländer nicht genügen. Die Einwanderungsländer versuchen durch strenge Strafbestimmungen diese Kontrolle immer mehr den Auswanderungsländern bzw. den Schifffahrtslinien aufzubürden. Trotzdem aber wird in den Hafenplätzen über See nochmals streng darauf gesehen, dass alle Einwanderungsbestimmungen befolgt sind. Es wird das schon deshalb getan, weil die Strafgelder, die bei Nichtbefolgung der Bestimmungen gezahlt werden müssen, recht erhebliche Einnahmen bilden. Will man die Gründe kennen lernen, die für die mehr oder weniger freundliche Aufnahme von Auswanderern in Betracht kommen, so muss man diejenigen Faktoren suchen, die für die Ausgestaltung der Auswanderungsgesetzgebung in Betracht kommen, und die Entwicklung der Gesetzgebung verfolgen. Immer bei allen Beratungen über Einwanderungsgesetze sind es Arbeitgeber und Arbeiter, Kapitalisten und Arbeiterorganisationen, die mit einander den Kampf führen. Bei der Kolonisation neuer Länder ist das Bestreben der beiden mitwirkenden Faktoren der Regierung und der diesen zur Seite stehenden Kapitalisten gleich. Es müssen so viel Arbeitskräfte als irgend möglich herbeigeschafft werden; daher völlige Einwanderungsfreiheit, ja allerhand Begünstigungen für die Einwanderer. Um den älteren Nationen ebenbürtig zu werden, braucht man eine entsprechende Bevölkerung, und Boden und hohen Lohn bringende Arbeit ist in Hülle und Fülle da. So war es in den Vereinigten Staaten, so später in Kanada, Argentinien und den anderen Ländern. Aber auch der Einwandererstrom blieb nicht aus, und je größer die wirtschaftlichen Aussichten waren, die sich boten, desto größer war die Einwanderung. Zunächst machte sich die starke Einwanderung wenig fühlbar. Mit jeder Ausdehnung der Bevölkerung hielt die Urbarmachung neuer, bis dahin noch nicht angebauter Landstriche gleichen Schritt. Die großen Eisenbahnen, die gebaut wurden, erschlossen neue Siedlungsgebiete. Doch allmählich, als aller irgend erreichbarer Boden in Besitz genommen war, fingen die Einwanderer sich in den Städten und Industrien zu stauen an. Man sah sich genötigt, sich mit der Regelung des Einwanderungsverkehrs zu befassen. Daneben aber begannen nun auch die Arbeiterorganisationen zu erstarken. Die Arbeiter waren, wie das in allen neu besiedelten Ländern der Fall ist, an hohe Löhne gewöhnt. Sie sahen in jedem Einwanderer einen Konkurrenten, der ihren Lohn drückte. Besonders verhasst waren ihnen die Einwanderer aus Ländern mit niedrigem Kulturniveau, weil die Arbeiter dieser Länder an einen Lohn gewöhnt sind, bei dem die alt eingesessenen ihr gewohntes Leben nicht führen können. Daher der erste erbitterte Kampf gegen die Chineseninvasion, bis erreicht war, dass ihre Einwanderung völlig verboten wurde. In allen Einwanderungsländern dasselbe Bild und die gleichen Motive. Je mehr politische Macht die Arbeiter erlangen, desto schwieriger wird die Einwanderung. Ein Blick auf Australien und Neuseeland lässt uns erkennen, wie weit das gehen kann. Wie wir in anderen Ländern Schutzzölle für Industrie- und Landwirtschaftsprodukte haben, so versuchen die Arbeiterorganisationen in den Einwanderungsländern für ihre Ware, die Arbeitskraft, ein lückenloses Schutzsystem zu schaffen. Nur wenn man diese Motive der beiden treibenden Kräfte, der Kapitalisten und Arbeiter, kennt und bewertet, wird man die Entwicklung und den Zweck der Einwanderungsgesetzgebung erkennen können. Dass daneben die Regierung auch noch Maßnahmen trifft zum Schutze der Gesellschaft, ist natürlich und noch nie haben diese Bestimmungen Streit oder Widerspruch hervorgerufen.

Die Vereinigten Staaten waren und sind noch immer das Haupteinwanderungsland für die europäischen Auswanderer. Der Grund hierfür ist wohl hauptsächlich der großartige wirtschaftliche Aufschwung dieser Staaten, Daneben aber kommt noch in Betracht, die im Verhältnis zur Größe des Landes immer noch sehr dünne Bevölkerung und die für die europäische Besiedelung so günstigen klimatischen Verhältnisse. Mit dem starken Anwachsen der Einwanderung hat auch die Entwicklung der Einwanderungsgesetzgebung gleichen Schritt gehalten, d. h. sie wurde ununterbrochen verschärft. Wir wollen hier zunächst auch auf die Einwanderungsgesetze dieses Landes eingehen, weil es bei seiner längeren Entwicklung für die anderen in Betracht kommenden Länder vorbildlich geworden ist.


Von der Zulassung in die Vereinigten Staaten sind zunächst ausgeschlossen, alle Geisteskranken, Personen, die mit ekelerregenden oder gefährlichen ansteckenden Krankheiten behaftet sind, Personen, die eines schweren Verbrechens oder eines Sittlichkeitsvergehens für schuldig erklärt wurden, Polygamisten, Prostituierte und Personen, die Frauen zur Prostitution ins Land bringen. Mittellose, die dem Staat zur Last fallen würden, und endlich Anarchisten. Personen, die wegen eines rein politischen nicht schimpflichen Vergehens verurteilt wurden, sind nicht ausgeschlossen.

Daneben aber gibt es noch eine Reihe Einwanderungshindernisse, die hauptsächlich im Interesse und auf Drängen der Arbeiterklasse geschaffen wurden. Jeder Einwanderer hat eine Taxe von früher 1 Dollar, dann 2, jetzt 4 Dollar zu bezahlen. Das auf diese Weise gesammelte Geld soll mit verschiedenen Strafgeldern den sog. Einwanderungsfonds bilden, der zur Deckung der Kosten für die Regulierung der Einwanderung von Ausländern benutzt wird. Die augenblicklichen Bestrebungen in den Vereinigten Staaten, die die Einwanderung immer mehr erschweren wollen, wollen auch die Einwanderungstaxe wieder erheben, trotzdem es vielen jetzt schon schwerfällt, die vier Dollar aufzubringen. — Das bekannteste Gesetz zum Schutze der heimischen Arbeit ist das Verbot, sich schon vor Ankunft in den Vereinigten Staaten zu irgendeiner Arbeit anwerben zu lassen. Auch dieses Gesetz hat im Laufe der Zeit eine Verschärfung erfahren. Nach dem Gesetz vom 26. II. 1885 waren alle Arbeitskontrakte, die geschlossen waren, ehe die Personen nach den Vereinigten Staaten eingewandert waren, im vollen Umfange nichtig. Heute hat dieses Gesetz einen Anhang von empfindlichen Strafen. Jeder, der mit Arbeitskontrakt nach den Vereinigten Staaten kommt, wird unweigerlich von der Einwanderung ausgeschlossen und darf auch innerhalb eines Jahres nicht wieder landen. Arbeiter in einem Fach, das Schulung erfordert, können zugelassen werden, wenn unbeschäftigte Arbeiter dieser Art in den Vereinigten Staaten nicht zu finden sind. Die Bestimmungen für Kontraktarbeit sollen auch nicht angewendet werden bei Personen, die irgendeinem anerkannten gelehrten Beruf angehören, wie Professoren für Hochschulen, Geistliche, Künstler aller Art; auch Personen, die als persönliche oder häusliche Dienstboten beschäftigt werden, sollen nicht ausgeschlossen werden. Jeder, der die Einwanderung von Kontraktarbeitern unterstützt, hat eine Strafe von 1.000 Dollar zu zahlen. Derselben Strafe verfällt auch derjenige, der die Einführung eines Ausländers mit Arbeitszusage durch Annoncen begünstigt. Unbedingt von der Einwanderung ausgeschlossen ist derjenige, dessen Überfahrt von irgendeinem Dritten bezahlt ist, es sei denn, dass dieser Dritte ein naher Verwandter ist. § 7 des Einwanderungsgesetzes vom Jahre 1907 besagt, dass es allen, die die Beförderung von Personen nach den Vereinigten Staaten besorgen, untersagt sein soll, direkt oder indirekt die Einwanderung irgendeines Ausländers zu veranlassen.

Viel wurde auch besonders in diesem Jahre wieder über die sog. „Bildungstest“ gesprochen und geschrieben. Es handelt sich dabei um das Erfordernis eines bestimmten Bildungsgrades des Auswanderers, Früher und auch in diesem Jahre wurde das Gesetz abgewiesen, trotz der heftigsten Gegenagitation, und obwohl es schon von beiden Häusern angenommen war. Diese Ablehnung ist wohl mit vollem Recht geschehen, wenn man bedenkt, dass durch die Annahme des Gesetzes die Qualität der Einwanderer in keiner Weise gehoben worden wäre. Eher das Gegenteil wäre eingetreten. Die große Masse der Landarbeiter, die den Vereinigten Staaten so nottut, wäre von der Einwanderung fast völlig ausgeschlossen worden, da die Schulbildung der ackerbautreibenden Bevölkerung in den meisten Ländern Europas viel geringer ist, als die der städtischen. Das für die Vereinigten Staaten so viel weniger erwünschte Stadtproletariat würde also in unvermindertem Maße Einlass finden. Die Städte würden weiter die Staubecken der Einwanderung bleiben, und die Besiedelung des Landes keine Fortschritte machen. Die Gründe, die die Arbeiter in dem erbitterten Kampf für die Durchbringung des Gesetzes vorbrachten, waren klar und wurden offen zugegeben. Die Analphabeten sind Menschen, die infolge ihrer niederen Lebenshaltung Lohndrücker sind und ferner wegen ihrer Unbildung sich schwer organisieren lassen. Der Kampf der Arbeiter ist wohl berechtigt, doch dürfte gerade dies Mittel für das Land eine große Schädigung bedeuten.

Das ist wohl der augenblickliche Stand der Einwanderungsgesetzgebung in den Vereinigten Staaten. Auf die technischen Ausführungen dieser Bestimmungen werde ich weiter unten eingehen. Jetzt will ich noch mit einigen Worten die Gesetzgebung einiger anderer in Betracht kommender Staaten berühren.

In keinem anderen amerikanischen Staate haben wir gleich strenge Einwanderungsbestimmungen; nach den oben angeführten Gründen ist es wohl auch nicht verwunderlich. Kanada, das neben den Vereinigten Staaten den größten Einwanderungsstrom empfingt, steht der Einwanderung weit freundlicher gegenüber. Fast völlig gleich sind in den beiden Ländern die sanitären Einwanderungsbestimmungen. Körperlich und geistig Kranken ist die Einwanderung unbedingt verboten. Vor Mittellosen, die dem Staat zur Last fallen könnten, schützt sich Kanada fast noch strenger als die Vereinigten Staaten. In den Bestimmungen der Vereinigten Staaten ist der Begriff „mittellos“ nicht weiter erklärt, und so kann in jedem einzelnen Falle die Höhe der zur Zulassung erforderlichen Summe bestimmt werden. Anders in Kanada. Nach Vorschrift des kanadischen Einwanderungsgesetzes muss jeder Einwanderer den Gegenwert von 25 Dollar in seinem Besitze haben. Bei Familien ist für Kinder zwischen 5 und 18 Jahren der Gegenwert von 12,50 Dollar pro Kind ausreichend. Für Einwanderer, die in der Zeit vom 1. November bis 28. Februar landen, sind die doppelten Beträge erforderlich. Ausnahmen von diesen Vorschriften dürfen nur gemacht werden, bei Männern, die gesicherte Anstellung als Farmarbeiter haben; bei Frauen, die gesicherte Anstellung als Dienstboten haben oder wenn sie zu ihrem Manne fahren; Kinder, die zu ihren Eltern, Minderjährige, die zur verheirateten Schwester, oder Eltern, die zum Sohne oder der Tochter fahren, vorausgesetzt, dass sie die nötigen Mittel besitzen, um ihr Endziel zu erreichen. Man sieht bei diesen Bestimmungen, dass diejenigen Einwanderer am willkommensten sind, die als Arbeiter auf das Land gehen wollen. Man kann hier nun nochmals daran erinnern, wie falsch es wäre, wenn in den Vereinigten Staaten die Bildungstests in der augenblicklich vorgeschlagenen Weise Gesetz werden würde. Noch in einigen Punkten folgt das kanadische Einwanderungsgesetz dem der Vereinigten Staaten. So in der Behandlung der Kontraktarbeiter; es ist allerdings hierin erst auf der ersten Stufe angelangt. Alle Verträge, die vor der Zuwanderung abgeschlossen sind, sind nichtig. Recht ernst wird diese Bestimmung noch nicht genommen, da größere Unternehmungen bisweilen die Erlaubnis erhalten, Arbeiter im Auslande anzuwerben. Auch Einwanderern, deren Überfahrt irgendeine Gesellschaft bezahlt hat, ist die Landung verboten. Aber auch hierin werden Ausnahmen zugelassen.

Am freundlichsten stehen die Südamerikanischen Staaten der Einwanderung gegenüber. Schwierigkeiten bei der Landung werden kaum gemacht, nur Personen mit ansteckenden Krankheiten, Greise und Krüppel können von der Einwanderung ausgeschlossen werden. Wie lange das noch so bleiben wird, lässt sich schwer sagen. Es hängt das ganz, wie wir schon früher gesehen haben, von der Machtentfaltung der beiden an der Einwanderung interessierten Faktoren ab. Augenblicklich wird die Auswanderung nach Südamerika von Einwanderungskommissaren in Europa nach jeder Richtung gefördert.

Nun noch einiges über die Einwanderungstechnik. Wir wollen auch hier wieder die Vereinigten Staaten als das Vorbild zunächst betrachten. Wir haben schon gesehen, dass die amerikanischen Einwanderungsländer es verstanden haben, einen großen Teil der Kontrolle auf die Schifffahrtsgesellschaften abzuwälzen. Jede Schifffahrtsgesellschaft muss nicht nur jeden Auswanderer, der den Bestimmungen nicht entspricht, unentgeltlich zurückbefördern, sondern sie muss auch noch eine Strafe bis zu 1.000 Dollar bezahlen. Vor und während der Überfahrt müssen Manifeste aufgenommen werden, die alle diejenigen Fragen enthalten, die wir vorher erörtert haben. Für jeden Fehler in diesen Manifesten haftet die betreffende Gesellschaft mit einer Strafe bis zu 100 Dollar. Kommt ein Überseedampfer nach New York, dann werden die Auswanderer (Zwischendeckreisende) nach einer besonderen Kontrollstation in Elis Island gebracht. Hier werden sie nochmals in ähnlicher Weise, wie in Europa auf das genaueste untersucht und nur diejenigen, die auch diese Prüfung bestehen, dürfen auf amerikanischem Boden verbleiben. Solche Kontrollstationen gibt es in allen Einwanderungshäfen der Vereinigten Staaten und Kanadas.

In allen Einwanderungsländern Nord- und Süd -Amerikas gibt es Organisationen, die den Einwanderern nach ihrer Landung zur Seite stehen. Es sind das religiöse oder staatliche Wohlfahrtsgesellschaften, die den Einwanderern Arbeit vermitteln und ihnen, bis sie die Arbeit erlangt haben, Unterkunft gewähren. In Argentinien z. B. bestehen in Buenos Aires und Bahia Bianca, dem Hafen, der den ausgedehnten Ackerbaugebieten am nächsten liegt, von der Regierung unterhaltene Einwandererhäuser, in denen die Einwanderer freie Aufnahme finden. Sie werden von hier aus auf Kosten der Regierung mit der Eisenbahn nach dem Orte gefördert, wo sie Arbeit finden können. Auch in den Vereinigten Staaten unterhalten die Einzelstaaten Agenten in den Hafenorten, um den Einwanderern „die besonderen Vorteile vorzustellen, die sich Ausländern für die Niederlassung in einem solchen Einzelstaate bieten“. Das Bestreben dieser Organisationen ist in allen Ländern darauf gerichtet, den Einwandererstrom über das ganze Land möglichst gleichmäßig zu verteilen. Es geschieht das im Interesse des Landes und nicht weniger zum Vorteile der Einwanderer selbst. Viel Elend könnte den Einwanderern erspart bleiben, wenn sie dem Wunsche dieser Organisationen gemäß handeln würden. Die meisten aber folgen diesem wohl gemeinten Rate nicht, weil sie das Misstrauen gegen alle öffentlichen Organisationen, das sie von Hause mitgebracht haben, noch nicht verlassen hat. Auch hier wieder eine große, dankenswerte Arbeit für eine zielbewusste Aufklärung im Heimatlande.

037. Der Seiler

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038. Steinbrüche, Schieferkohlenbrüche

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039. Der Steindrucker und Lithograph

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040. Der Tischler oder Schreiner

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041. Der Töpfer oder Hafner

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