b) Ausbildung der Auswanderungstechnik

b) Hierbei handelt es sich hauptsächlich um eine richtige Stellungnahme gegenüber dem Auswanderungsagenten. Je niedriger der Stand der allgemeinen Bildung ist, desto nötiger brauchen die Auswanderer den Agenten, desto größer ist seine Macht. In völliger Unkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse wird von verschiedenen Seiten die Ausschaltung der Agenten gefordert. Ihre Notwendigkeit für die Beförderung der Auswanderer wird bestritten. Wer aber soll den unbeholfenen Auswanderern, diesen großen Kindern, auf den Weg helfen, das Gepäck befördern, den Kauf der Schiffskarte besorgen, sie mit den Gesetzen betraut machen? Man wird sagen, die Auskunftsstellen und lokale Wohlfahrtsvereine. Die Auskunftsstellen können bei dem jetzigen Stand der Bildung in Österreich und Russland ganz und gar nicht in Betracht kommen, aber auch später, wenn einmal ein höheres Bildungsniveau erreicht sein sollte, was für absehbare Zeit kaum erreicht werden wird, kann es deren Aufgabe nicht sein, sich mit der Beförderung eines jeden einzelnen sorgfältig zu befassen. Bleiben also noch die lokalen Wohlfahrtsvereine. Wer die Tätigkeit solcher materiell uninteressierter Komitees kennt, wird nicht glauben, dass ihre meistens sehr bescheidene Tätigkeit das Aufkommen von Winkelagenten verhindern könnte. Nur Italien hat einen schwachen Versuch mit derartigen Einrichtungen gemacht, doch mussten bald wegen der geringen Erfolge dieser Vereine Repräsentanten der Schifffahrtsunternehmer zugelassen werden.

Nicht die Agenten als solche, sondern die durch falsche Politik gezüchteten Winkelagenten sind es, die bekämpft und ausgerottet werden müssen. Der Passzwang in Russland, der die Beförderung von Leuten, die nicht im Besitze eines Auslandspasses sind, zum Verbrechen macht, und in Österreich die feindliche Stellung der Regierung zur Auswanderung, die die Tätigkeit der Auswanderungsagenten fast völlig verbietet, das sind wohl die Hauptgründe für die Missstände im Agentenwesen. Soll also die Auswanderung in gesundere Bahnen geleitet werden, dann darf die Auswanderungsfreiheit so wenig als möglich geschmälert werden, und es muss auch die Gründung von Agenturen gestattet werden, von denen die Auswanderer unter absoluter Wahrung ihrer Interessen befördert werden. Wie die Tätigkeit der Auswanderungsagenten geregelt werden kann und soll, können wir an deutschen Einrichtungen sehen, die hier schon seit Jahren erfolgreich wirksam sind. Es handelt sich hierbei hauptsächlich um die Bestimmung des Reichsgesetzes über das Auswanderungswesen vom 9. VI. 1897. Nur zwei Gruppen von Personen sind nach diesen Bestimmungen zur Mitwirkung bei der Beförderung von Auswanderern ermächtigt. Erstens nach § 1 „Wer die Beförderung von Auswanderern nach außerdeutschen Ländern betreiben will (Unternehmer)“ und zweitens nach § 11 ,,wer bei einem Betriebe der in § 1 bezeichneten Art durch Vorbereitung, Vermittlung oder Abschluss des Beförderungsvertrages gewerbsmäßig mitwirken will (Agent)“. Nur diese beiden Personengruppen sind ermächtigt bei der Beförderung der Auswanderer mitzuwirken. Zur Ausübung ihrer Tätigkeit bedürfen sowohl Unternehmer wie Agent einer Konzession, die nur gegen Sicherheit im Mindestbetrage von 50.000 Mark bzw. 3.500 Mark erteilt wird. Das Gesetz macht die notwendige Erteilung der Konzession nicht von der Erfüllung gewisser Bedingungen allein abhängig, sondern bestimmt nur, wann die Erlaubnis nicht erteilt werden darf. Dadurch hat die Regierung bei der Erlaubniserteilung völlig freie Hand, auch die persönlichen Eigenschaften des Nachsuchenden zu berücksichtigen. Der Agent muss sich des Unternehmers bedienen, ebenso der Unternehmer des Agenten. Nach § 16 darf der Agent nur für diejenigen Unternehmer Geschäfte abschließen, von denen er bevollmächtigt ist und die in seiner Erlaubnisurkunde verzeichnet sind. Durch diese Bestimmungen werden unkonzessionierte Agenten unmöglich gemacht und auch Unternehmern ohne Konzession ist ihre Tätigkeit unterbunden. Die Auswanderer erhalten durch diese Konzessionspflicht die Sicherheit mit guten seetüchtigen Schiffen zu fahren. Es bestehen nämlich Unternehmungen, die ihr Geschäft in der Weise betreiben, dass sie alte, abgebrauchte Schiffe kaufen oder pachten. Sie sammeln dann im Hafen ihre Passagiere und lassen das Schiff abgehen, wenn genügend Reisende zusammen sind. Da sie bei den geringen Ausgaben, die sie haben, die niedrigsten Überfahrtspreise verlangen können, haben sie genügend Zuspruch. Ist aber den Agenten der Geschäftsverkehr mit nichtkonzessionierten Unternehmern verboten und vergewissert sich die Regierung vor Erteilung der Konzession über die Leistungsfähigkeit der Unternehmer, dann ist eine derartige Tätigkeit unmöglich gemacht. Sache der Regierung ist es nun, nicht zu wenig Agenten Konzession zu erteilen, weil sonst das Aufkommen von Winkelagenten begünstigt wird, aber auch nicht zu vielen, weil sonst die Auswanderung über das notwendige Maß gesteigert oder nach Ländern, die für die Auswanderer ungünstig sind, geleitet werden kann. Allerdings sind derartige falsche Leitungen der Auswanderer nur vorübergehende Erscheinungen, die selbst unter den günstigsten Bedingungen auf die Dauer nicht gehalten werden können. Das zeigt die Auswanderung nach Brasilien. Zu wiederholten Malen hat die brasilianische Regierung die Reise vom Heimatlande aus bezahlt und auch andere Vergünstigungen gewährt. Aber immer wieder erlitt sie Fiasko mit diesen Versuchen trotz der eifrigsten Tätigkeit der Agenten der Länder, die nur eine geringe Kontrolle ausüben. Selbst bei so günstigen Bedingungen können also die Agenten eine dauernde Auswanderung, wie sie die nach Nordamerika und nach Argentinien ist, nicht hervorrufen. An diese Tatsache sollten alle die denken, die die Agenten allein für die Auswanderung aus Österreich und Russland verantwortlich machen wollen. Auf der anderen Seite steht die Frage wie man sich zu der Auswanderung von Personen stellen soll, deren Beförderung von einer fremden Regierung oder einer Kolonisationsgesellschaft bezahlt ist, Deutschland, Italien und die Schweiz haben eine derartige Auswanderung mit einigen Einschränkungen verboten. Im allgemeinen aber sollte man sagen, dass ein solches Verbot eine Grausamkeit ist bei einer Bevölkerung, die nicht in der Lage ist, den Überfahrtspreis aus eigenen Mitteln zu zahlen, für die aber die Auswanderung die einzige Lebensrettung ist. Generell sollte man also dieses Verbot gerade für Österreich und Russland, wie so oft verlangt, nicht aussprechen.


Die Agenten müssten ferner zu genauer Buchführung angehalten werden. Wie nach deutschem Gesetz sollten sie verpflichtet sein, jeden einzelnen Beförderungsvertrag zu registrieren, so dass die Aufsichtsbehörde jederzeit in der Lage ist, sich über jeden Fall zu unterrichten. Für die Genauigkeit der Eintragungen muss durch beständige Aufsicht gesorgt werden. In den preußischer Registrier- und Kontrollstationen, von denen weiter unten die Rede sein soll, werden die Eintragungen täglich geprüft. Dadurch würde eine Übervorteilung der Auswanderer sehr erschwert werden. Alle diese Neueinrichtungen können aber nur bei einer scharfen unnachsichtigen Kontrolle verwirklicht werden. Es muss daher vor allen Dingen für Beamte gesorgt werden, die diese Pflicht voll und ganz erfüllen. Wie weit man aber davon noch entfernt ist, hat uns die augenblickliche Tätigkeit der Beamten gezeigt.

Das dürften wohl die Hauptforderungen zur Umgestaltung des Auswanderungswesens sein. Ohne deren Erfüllung kann an eine Gesundung der augenblicklichen Verhältnisse kaum gedacht werden.
020. Der Klempner, Spengler

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021. Der Kupferschmied

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022. Der Kürschner

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023. Der Leinweber

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024. Der Maurer und Steinhauer

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025. Der Maler

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026. Der Messerschmied

026. Der Messerschmied

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